Das finden wir mutig und inspirierend zugleich: Eine Initiative Kostheimer Kunstschaffender gründet gerade einen neuen Stadtteiltreff für den rechtsrheinischen Alt-Mainzer Stadtteil. „Offenes Wohnzimmer“ heißt die Initiative für einen neuen Treffpunkt, die am Samstag mit einer Putzaktion sich und ihre neuen Räume im Kostheimer Ortskern vorstellt. Das ist auch für Mainzer interessant: Der Treff soll auch für Mainzer Initiativen und Vereine offen sein. Und es ist ein tolles Engagement gegen Schlafstädte und für mehr Miteinander und Austausch.

Offenes Wohnzimmer Kostheim - Foto Mück-Raab
Sofa, Kaffee, Treffen – Das Offene Wohnzimmer will der neue Stadtteiltreff von Kostheim sein – Foto: Mück-Raab

„Wir machen das, weil wir nicht wollen, dass in Kostheim die Bürgersteige hoch geklappt werden, dass das kein Stadtteil wird, wo man nur noch  schläft, aber woanders hingeht, sich nicht kennt“, sagt Marion Mück-Raab, Journalistin und Mitglied des Kostheimer Ortsbeirats für die AUF. Insgesamt sechs Kostheimer und ein Mainzer gründeten vergangenen Dienstag den Verein „Offenes Wohnzimmer – Kostheimer Kultur- und Nachbarschaftsladen“, zum Vorstand gehören neben Mück-Raab der Kostheimer Fotograf Reinhold  Schmelz sowie der Mainzer Improvisationsschauspieler Andreas Toschka.

„Hier ist doch nach 18.00 Uhr nichts mehr“

„Wir sind der Meinung, dass Bürger auch Räume brauchen, um sich zu treffen, miteinander reden zu können, Ideen zu entwickeln. Solche Räume werden aber immer seltener“, beschreibt Mück-Raab die Motivation. Gerade in den vergangenen Jahren sei in Kostheim viel verloren gegangen, hätten Läden geschlossen, seien öffentliche Räume verloren gegangen. „Es wurde immer weniger, auch Kneipen machten zu, das Ergebnis ist, dass sich die Menschen gar nicht mehr treffen“, sagt Mück-Raab: „Hier ist doch nach 18.00 Uhr nichts mehr.“

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Der neue Laden entsteht an der Ecke Winterstraße/ Wilhelmstraße, dort war früher einmal eine Drogerie, nun soll hier der Stadtteiltreff entstehen. Sich auf einen Kaffee treffen, Fortbildungskurse besuchen, Kulturveranstaltungen, auch mal politische Gesprächsabende, oder ein Repair Café – „man kann da alles machen“, sagt Mück-Raab: „Es ist auch die Frage, was Bürger in diesem Raum machen wollen.“ Fotokurse oder Improworkshops, Sprechstunden für PC-Neulinge oder Zeichenunterricht, Spieletreffs für Erwachsene oder Literaturkreise, Tatort-Treff, Sprachcafé für Einwanderer oder einfach Lesen, Kaffee trinken und Klönen – im neuen Stadtteiltreff soll das alles gehen.

Beteiligung und Ideen Willkommen – und am Wochenende Putzende

Denn die Initiatoren hoffen, dass die Kostheimer die neue Chance annehmen, und den Raum auch mit ihren Ideen und Initiativen füllen. Das erste Interesse sei riesig, sagt Mück-Raab, „ich glaube, die Kostheimer sind sehr froh darüber, dass hier etwas passiert.“ Und sie und ihre Mitstreiter seien „selbst total gespannt, wie sich das entwickeln wird.“ Aber man sei es eben Leid gewesen, wie alle anderen auch immer weiter abzuwarten, bis sich etwas tue – mit der Anmietung des Ladens wird nun Nägel mit Köpfen gemacht und etwas getan.

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Mainz-Kostheim von der Mainbrücke aus gesehen – nur noch eine Schlafstadt? – Foto: Wikimedia Commons von Brühl

Natürlich steht der Laden nicht einfach so da und wartet, es wird Öffnungszeiten geben – und ein Programm, dafür stehen schon die Initiatoren. Neben dem Vorstand sind das die Künstlerin Elli Weishaupt, die selbst in Kostheim den Kunstraum „Kunstwerk“ betreibt, die Architektin Claudia Bau, die Redakteurin Antje Spyra und der Osteopath Peter Heckert. Weitere Mitstreiter und Ideen-Umsetzer sind herzlich Willkommen, versichert Mück-Raab – am Samstag wird das neue Wohnzimmer für Kostheim zwischen 10.00 Uhr und 15.00 Uhr geputzt und renoviert. Dazu gibt’s natürlich auch Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Hingehen!

Unser Kommentar: Nachmachen bitte!

Kommentar& auf Mainz&: Wir finden das absolut beispielhaft! Und bitte auch beispielgebend! In Zeiten, in denen die Anonymität wächst, der Staat sich aber immer mehr aus den Aufgaben für die Allgemeinheit herauszieht – leider! -, in Zeiten von Privatisierung des Lebens sind solch öffentliche Räume rar geworden. Dabei sind sie nötiger denn je – oder wann habt Ihr zuletzt mit Eurem Nachbarn ein Schwätzchen gehalten?

Gestern? Dann seid Ihr gesegnet – viele wissen gar nicht mehr, wer da neben ihnen wohnt. Oder drei Häuser weiter. Und wie auch lernt man sich denn auch kennen? Der Bäcker, bei dem man sich früher traf – zugemacht. Die Kneipe? Zeigt nur noch Billig-Sport. Wo sind denn noch die Räume, in denen wir uns begegnen? Kleine Stadtteilmärkte – das sind solche Sternstunden des Klön-Treffs. Aber die leiden unter Frequenzmangel und damit unter genügend Umsatz für die Händler.

Vor privaten Initiativen wie dem „Offenen Wohnzimmer“ für Kostheim ziehen wir deshalb unseren Hut. Mutig? Ja, vielleicht. Viel mehr aber noch ist es ein beherztes Ergreifen von Chancen, das aus einer sterbenden Stadtteilkultur ein Pflänzlein sprießen lässt, aus dem ein blühendes Miteinander werden kann. Und, liebe Kostheimer, vergesst nicht, es zu gießen und mit Beteiligung zu düngen! Für andere Stadtteile von Mainz aber ist das ein Vorbild an Einmischung, Beteiligung und frischem Schwung. Bitte nachmachen!

Info& auf Mainz&: Offenes Wohnzimmer – Kultur- und Nachbarschaftsladen Kostheim, der neue Stadtteiltreff. Findet Ihr künftig Ecke Winterstraße/ Wilhelmstraße im alten Kostheimer Ortskern. Am Samstag, den 2. April ist von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr große Putz- und Kennenlernaktion. Mehr Infos zum Offenen Kostheimer Wohnzimmer gibt’s auf Facebook, genau hier. Wer den jungen Verein unterstützen möchte, etwa bei der Finanzierung der Miete – bitteschön: Vorläufige Kontonummer für den Verein „Offenes Wohnzimmer“: Sonderkonto „Offenes Wohnzimmer“, Mainzer Volksbank 551 900 00 Konto-Nr. 0874448012. Die Gemeinnützigkeit ist beantragt oder wird es in den nächsten Tagen.

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