„Das Terminal 1 hat gebebt“, berichtete Thomas Scheffler am Abend begeistert. Seit mehr als fünf Jahren ziehen nun schon Hunderte von Demonstranten Montag für Montag an den Frankfurter Flughafen, um dort gegen die neue Nordwestlandebahn und den stetig wachsenden Lärm aus der Luft zu protestieren. Und an diesem Montag war es die genau 200. Montagsdemo, das ist nach Stuttgart 21 die am längsten anhaltende Protestbewegung der Republik. Gekommen waren den Angaben zufolge rund 1.500 Teilnehmer – darunter im Bundestagswahljahr auch viel Politik. Die zahlreichen Grußworte, Appelle und Protestnoten aber hatten vor allem eine Forderung gemeinsam: Es muss leiser werden!

Plakat 150. Montagsdemo
Gilt auch noch bei der Montagsdemo 200: Die Fluglärm-Gegner sind nach wie vor kein bisschen leise

„200 Montagsdemonstrationen und mehr als 50 Mahnwachen mit Reden, mit Diskussions- und Interviewrunden, mit gemeinsamem Singen und mit dem wöchentlichen Umzug durch das Terminal haben in den letzten fünf Jahren auch international beachtete Protestgeschichte geschrieben“, sagte Scheffler, Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen, im Vorfeld der Demo. In der Tat: Dass ganz normale Bürger, Intellektuelle, Ärzte, Professoren, aber auch Stewardessen, Angestellte und Selbstständige völlig selbstverständlich einmal die Woche zum Protest ausziehen, war bislang unerhört. Es war der 21. Oktober 2011, der das Leben in der Rhein-Main-Region grundlegend veränderte.

„Mit Eröffnung der Landebahn Nordwest und der damit einhergehenden Flugroutengestaltung hat der Lärmteppich die Hälfte des Mainzer Stadtgebiets unter sich begraben“, heißt es bei der Initiative gegen Fluglärm Mainz. Seither sei nichts mehr, wie es war, das gelte für die gesamte Region. Denn wer unter der Abflugroute der Südumfliegung lebe, müsse den Lärm ganzjährig ertragen. Das zerstöre die Region und die Gesundheit der Menschen, betonen die Fluglärm-Gegner, die immer wieder darauf hinweise, dass sie keine FlugHAFEN-Gegner sind.

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Heutiger Flugverkehr hätte ohne neue Bahn abgewickelt werden können

Der Flughafenausbau mit der neuen Nordwestlandebahn sei „durch falsche Gutachten erschlichen“, die Landebahn gebaut worden, um den prognostizierten Mehrverkehr abwickeln zu können, kritisieren die Lärmgegner auch im sechsten Jahr nach dem Bau noch: Der Mehrverkehr sei jedoch nie eingetreten. Tatsächlich sanken die Flugbewegungen 2016 erneut leicht nach unten: Statt der einst für 2016 über 650.000 Flugbewegungen, wie einst prognostiziert, waren es den Fluglärm-Gegnern  zufolge nur etwas mehr als 462.000 Flugbewegungen.

„Das entspricht etwa dem Niveau des Jahres 2000 und hätte problemlos über das alte Bahnensystem abgewickelt werden können“, betont die Fluglärm-Initiative. Nun sollen, um den Ausbau des Flughafens überhaupt noch rechtfertigen zu können, Billigflieger mit Rabatten an den Flughafen gelockt werden – gerade schloss Fraport eine Vereinbarung mit dem irischen Billigflieger Ryanair.

„Protest und Aufzeigen besserer Wege gehen weiter“

Suchbild mit Politikern in der Menge: es sidn mindestens zwei... - Foto: gik
Hunderte protestieren jeden Montag gegen Fluglärm im Terminal 1, bei der 100. Montagsdemo waren es auch Tausende – Foto: gik

Und so lautet die Forderung der Fluglärm-Gegner auch nach fünfeinhalb Jahren unbeirrt: „Die Bahn muss weg.“ Die Nordwestlandebahn müsse geschlossen werden, die Region dürfe nicht länger  „für das Geschäftsmodell von Fraport und Lufthansa, Passagiere aus aller Welt zum Einkaufen in Frankfurt umsteigen zu lassen, in die Haftung genommen“ werden. Flughafen-Betreiber Fraport hingegen argumentiert nach wie vor, ohne Wachstum würde der Flughafen sterben, nur mit Wachstum könnten Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden.

Doch selbst hochrangige Politiker sehen das inzwischen differenzierter: Landrat Thomas Will (SPD), Sprecher der von Kommunen und Kreisen aus der Region gegründeten „Zukunftsinitiative Rhein-Main“ – auch Mainz ist hier Mitglied – wies in seinem Grußwort darauf hin, dass die Steigerung der Passagierzahlen längst erreicht sei – bei sinkenden Flugbewegungen. Der Ausbau sei mit einem wachsenden, nachfrageorientierten Bedarf begründet, der aber ganz offenbar nicht bestehe, sagte Will in seinem Grußwort zur 200. Montagsdemo. „Sie zeigen, dass es Ihnen nicht die Sprache verschlagen hat, und dass der Protest und das Aufzeigen besserer Wege weiter geht“, rief er den Demonstranten zu.

OBs aus Mainz, Frankfurt und Offenbach: Dank für Einsatz für die Heimat

„Wir wissen: Ihr Einsatz gegen Fluglärm und seine Folgen ist ein Einsatz für unsere Region. Für unsere Heimat.“ Das sagten niemand geringeres als die drei Oberbürgermeister von Frankfurt, Mainz und Offenbach in einem gemeinsamen Appell anlässlich der 200. Montagsdemo. Denn es waren die Demonstranten, die auf Gesundheitsgefahren durch Lärm und Schadstoffe aufmerksam machten – und deren Proteste Wissenschaftler zum Nachforschen und Politiker zum Nachdenken brachten. „Natürlich bringen die Montagsdemonstrationen etwas“, sagte denn auch Scheffler: „Wir erinnern Politik und Fraport jeden Montag daran, dass dieser Flughafen raumunverträglich und der Ausbau ein Fehler ist.“ Man erinnere jede Woche an den unerträglichen Lärm, an die massive Luftverschmutzung und die Gefahren für Leib und Leben durch Wirbelschleppen. „Dieses Bewusstsein wächst unaufhörlich“, betonte Scheffler.

3 x OB der SPD: Ebling, Gerich und Feldmann - Foto: gik
Die OBs von Mainz (Ebling, ganz links), Offenbach (Schneider, 3.v. links) und Frankfurt (Feldmann, Mitte) waren auch schon bei der 100. Montagsdemo dabei. Damals mit von der Partie: Der Wiesbadener OB Sven Gerich (2.v. links)- Foto: gik

Jüngstes Beispiel war die Ankündigung der Fraport Ende 2016, rund um den Flughafen nun auch Ultrafeinstäube messen zu wollen, die im Verdacht stehen, wegen ihrer winzigen Größe in Lungen, Blutbahnen und Organe einzudringen und dort Schäden anrichten zu können – mehr dazu in diesem Mainz&-Artikel. Und nicht zuletzt der Mainzer Kardiologe Thomas Münzel und seine Lärmwirkungsforschung sowie die umfassende Lärmstudie NORAH sind direkte Folgen der Fluglärmproteste – mehr zu den Erfolgen der Fluglärmproteste lest Ihr in dieser Bilanz zur 150. Montagsdemo. Auch die vom hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grünen) erfundenen Lärmpausen und die Lärmobergrenze würde es ohne die Montagsdemonstrationen nicht geben.

Stadtchefs: Lärmobergrenze muss Lärm reduzieren, Überschreiten sanktioniert werden

Peter Feldmann (Frankfurt), Michael Ebling (Mainz) und der Offenbacher OB Horst Schneider (alle drei SPD) lobten denn auch, die 200. Montagsdemo sei „ein beeindruckendes Zeichen bürgerschaftlichen Engagements, das nicht ungehört verhallen darf.“ Die NORAH-Studie habe lärmmedizinisch belegt, dass der Flugverkehr für die Umgebung des Frankfurter Flughafens negative gesundheitliche Folgen habe. „Zum Schutz der Gesundheit der Anwohner des Frankfurter Flughafens muss es spürbar leiser werden!“, forderten die drei Oberbürgermeister, deren Städte schließlich auch vom Flughafen durch Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft profitieren. Es brauche aber ein absolutes Nachtflugverbot von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr morgens, forderten die Stadtchefs.

Auch die Lärmobergrenze müsse „lokal und rechtsverbindlich sein, den technischen Fortschritt berücksichtigen und den bestehenden Lärm schrittweise reduzieren, nicht lediglich den Zuwachs an Lärm begrenzen“, hieß es in dem Appell weiter – bislang soll die Obergrenze nämlich sogar noch eine leichtere Steigerung von Flugbewegungen und Fluglärm erlauben, alles dazu könnt Ihr hier nachlesen. Die Überschreitung der Lärmobergrenze müsse Folgen haben, fordern die drei Stadtchefs nun, die Überschreitung „durch ein für die Bevölkerung transparentes Monitoring überwacht werden und wirksame Sanktionen zur Folge haben.“

Al-Wazir: „Setzen Sie Ihr Engagement fort!“

„Politik und Luftverkehrswirtschaft kommen an der Auseinandersetzung mit den kritischen Argumenten nicht vorbei“, sagte dazu Scheffler – genau das sei der Erfolg der anhaltenden Montagsdemos. Der Protest sei zudem inzwischen „Teil einer weitreichenden Kritik an einer verfehlten Luftverkehrspolitik, welche die Klimakrise ignoriert und sich von Lobbyisten steuern lässt.“ Und der Koordinator verspricht: „Wir werden nicht müde, jeden Montag auf die Missstände hinzuweisen.“

Schilder wohin mal sah: 100. Montagsdemo - Foto: gik
Gerade Mainzer Fluglärm-Gegner tragen seit vielen Jahren den Protest am Flughafen maßgeblich mit – hier bei der 100. Montagsdemo – Foto: gik

Das weiß auch die Politik – und so richtete auch Al-Wazir persönlich ein Grußwort an die Demonstranten: „Setzen Sie Ihr Engagement fort!“ bat er die Protestierenden in einem schriftliche Grußwort. Er verstehe, dass sich viele vom Eintritt der Grünen in die hessische Landesregierung mehr versprochen hätten, „aber eine Landesregierung kann immer nur auf der Grundlage geltenden Rechts handeln – auch, wenn dieses Recht nicht immer befriedigend ist.“ Und Al-Wazir forderte die Protestler auf, ihre Anliegen auch an den Bund und die EU zu richten: maßgebliche Rahmenbedingungen für Flugbetrieb und Lärmschutz würden dort geregelt.

Dreyer: „Sie haben alle viel bewegt, können stolz sein“

Darauf verweisen auch die rheinland-pfälzischen Grünen, die gleich im Dutzend zur 200. Montagsdemo erschienen waren: Der Grünen-Fraktionschef im Mainzer Landtag, Bernhard Braun, verwies auf die Fluglärmgesetz-Novelle und die Luftverkehrsgesetzes-Novelle, die Rheinland-Pfalz in den Bundesrat eingebracht hatte – vergeblich. Die Änderungen wurden von der Großen Koalition abgelehnt. „Der Schlüssel zu weniger Lärm liegt in der Bundesgesetzgebung“, sagte denn auch die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) Mainz&, der anhaltende Protest unterstütze die Kommunen bei ihren Forderungen: Der Lärmzuwachs sei nicht zu dulden, gerade auch bei den Gesundheitsgefahren durch Fluglärm bestehe „unverändert immenser Handlungsbedarf“, sagte Eder in einem gemeinsamen Aufruf mit Ebling und den Kirchen in Mainz.

Aus der rheinland-pfälzischen Landesregierung gab es zur 200. Montagsdemo ein gemeinsames Grußwort der Ampel: Umweltministerin Ulrike Höfken und Familienministerin Anne Spiegel (beide Grüne) unterstützen gemeinsam mit dem FDP-Verkehrsminister Volker Wissing die 200. Fluglärm-Demo. Es brauche eine bundesgesetzliche Regelung, die Lärmobergrenzen einführe und die gesetzliche Nachtruhe verbindlich festschreibe, die Bürger müssten bei der Neufestlegung und bei der wesentlichen Änderung von Flugrouten beteiligt werden, betonte Höfken.

Und selbst Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) richtete ein Grußwort an die Fluglärm-Gegner und versicherte, es brauche weitere Maßnahmen zur Lärmreduzierung über die nun geplante Obergrenze hinaus. „Dass wir das Thema weiterhin so ernst diskutieren“, schrieb Dreyer, „das ist ganz besonders Ihr Verdienst.“ Mit dem unermüdlichen Einstehen für die Interessen „haben Sie viel erreicht“, zollte die Regierungschefin den Protestierenden Respekt: „Sie alle haben viel bewegt. Darauf können Sie stolz sein.“

100. Montagsdemo fertig - Foto: gik
Unverdrossener Protestant bei 100. Montagsdemo, voll ausgestattet: tolle Folklore! – Foto: gik

Kommentar&: Wenn das Folklore ist, dann bitte mehr davon!

Kommentar& auf Mainz&: Das sei doch „alles nur Folklore“, schrieb ein Kommentator auf Facebook jüngst zu den Montagsdemos am Frankfurter Flughafen, meinend: unnötig, überflüssig, Selbstbeweihräucherung. Folklore? Wenn Hunderte Menschen seit fünfeinhalb Jahren Montag für Montag zu einer Demo pilgern? Jeder Folklore-Verein wäre erfreut über so viel Engagement. Aber Spaß beiseite: wie ernst die Demonstranten heute von der Politik genommen werden, zeigen überdeutlich die Menge und die Qualität der Grußworte aus der Politik zur 200. Montagsdemo. Landräte, Oberbürgermeister, Landesminister – sie alle BEDANKEN sich für das Engagement, für das Aufrütteln, für das Dranbleiben. Wann hat es das schon gegeben?

Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hat seinerzeit noch kritiklos den Ausbau des Frankfurter Flughafens durchgewinkt, immer mit Blick auf die Arbeitsplätze, nie ist er dem Hessen Roland Koch (CDU) in die Arme gefallen – stattdessen spottete er gerne darüber, dass, wenn ein Flieger bei ihm auf dem Mainzer Kästrich durch ein Fenster herein komme, er eben das zweite Fenster aufmache. Nun bedankt sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) für eben den anhaltenden Protest, der die Politik zum Umdenken zwang – ein bemerkenswerter Vorgang. Erreicht wurde das durch schier unglaubliche Hartnäckigkeit, aber auch durch fundierte inhaltliche Arbeit und den großen Kampfeswillen, sich nicht abspeisen, sich seine Heimat und Lebensqualität eben nicht kaputt machen zu lassen.

Dass es ein Nachtflugverbot in Frankfurt gibt, dass die Politik über Lärmobergrenzen überhaupt nur nachdenkt, dass sie jetzt lärmarme Flugzeuge fordert und Gesundheitsgefahren durch Fluglärm ernst nimmt – alles das ist den Fluglärmgegnern am Frankfurter Flughafen zu verdanken. Wenn das Folklore ist, dann sage ich: Bitte mehr davon! Denn davon profitieren auch die, die so missliebig nörgeln und meckern – wenn sie nachts nämlich schlafen können. Wenigstens bis 5.00 Uhr morgens.

Info& auf Mainz&: Alle Grußworte zur 200. Montagsdemo im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens an diesem 30. Januar könnt Ihr auf dieser Internetseite der BBI nachlesen. Die Seite der Mainzer Initiative gegen Fluglärm findet Ihr hier im Internet. Wir konnten leider zur 200. Montagsdemo nicht persönlich hin, die Bilder stammen deshalb von früheren Montagsdemos. Mainz& hat aber immer wieder über den Fluglärm, Fluglärmpausen und Montagsproteste berichtet – schaut einfach mal bei der Rubrik Verkehr& vorbei.

 

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