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Tagesarchive: 20. Mai 2016

Gutenberg-Museum: Neuer Streit um Finanzierungskonzept – Bund: Zuständig ist das Land

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Die Entscheidung über die Ausbauvariante fürs Gutenberg-Museum sollte eigentlich demnächst fallen, da entbrennt in Mainz neuer heftiger Streit über die Finanzierung: Die Mainzer Bundestagsabgeordnete Ursula Groden-Kranich (CDU) forderte via „Allgemeine Zeitung“, das Verfahren zu überdenken und erst einmal ein schlüssiges Gesamtkonzept vor allem inklusive Finanzierung vorzulegen – vielleicht mit Hilfe des Landes. Das wiederum kritisierten SPD und Grüne scharf. Doch wie Mainz& vom Bund erfuhr: Das Land wäre für eine Finanzierung zuständig.

Gutenberg Museum Mainz von außen - Foto Kirschstein
Quo vadis Gutenberg-Museum? Die Opposition fordert ein schlüssiges Gesamtkonzept mit kompletter Finanzierung – Foto: gik

Die Stadt müsse ein Gesamtkonzept vorlegen, das Inhalt und Architektur schlüssig verbinde, und dann eine Förderung durch die Landesregierung erreichen, sagte Groden-Kranich in der „Allgemeinen Zeitung“, nur so sei weiteres Geld bei Bund oder Europäischer Union zu erhalten. Es sei doch „vorschnell“, einen Neubau zu starten, solange die weitere Finanzierung unklar sei – das Gutenberg-Museum habe aber eine „große Lösung“ verdient, nur müsse die bitte auch anständig geplant werden.

5 Millionen da, weitere Finanzierung unklar

Tatsächlich stehen dem Gutenberg-Museum für den geplanten Neubau bislang lediglich rund 5 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Summe hat die Stadt als Trägerin des Museums bisher aufbringen können. Klar ist: das reicht allenfalls für den ersten Bauabschnitt, das ist nach den bisherigen Plänen ein Neubau auf dem Liebfrauenplatz. Für den wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, nach dessen Ergebnis sollen entweder ein „Bücherturm“, ein „Setzkasten“-artiger Bau aus Glas und Sandstein oder ein gewaltiger Erweiterungsbau realisiert werden – mehr dazu lest Ihr hier.

Doch in den Wochen der Diskussion über die Ergebnisse wurde auch klar: Der heutige Museumsbau, der sogenannte „Schell“-Bau ist maroder als bisher bekannt und müsste dringendst saniert werden. Brandschutz, Technik, Rettungswege sowie marode Bausubstanz – dem Bau aus den 1960er Jahren droht sogar die Schließung, falls nicht bald gehandelt wird. Doch eine Finanzierung dieser Sanierungsvorhaben gibt es bisher nicht – die fünf Millionen reichen keinesfalls für Neubau und Sanierung.

CDU: Planung ohne Gesamtfinanzkonzept unseriös und riskant

Visualisierung Bücherturm Gutenberg Museum Foto gik
Erster Bauabschnitt „Bücherturm“ – und dann? – Foto: gik

Angesichts dessen wird die Kritik in der CDU lauter: „Bei der Frage der Finanzierung regiert bisher einzig und allein das Prinzip Hoffnung, dass sich am Ende schon genügend Fördergelder und Sponsoren finden werden“, sagte nun CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig. Das aber sei „blauäugig“. Gerade das Ergebnis des Architektenwettbewerbs zeige ja, dass zur Gesamtkonzeption des Museums auch zwingend eine Gesamtfinanzierung gehöre. „Anderenfalls bleibt der beabsichtigte erste Bauabschnitt ein Torso“, warnte Schönig.

Es sei „einfach unseriös und zudem riskant, ein Projekt zu planen, obwohl derzeit lediglich ein Bauabschnitt finanziert werden kann“, kritisierte er – „kein vernünftig denkender Mensch“ würde bei einem Bauvorhaben so vorgehen. Gerade weil das Gutenberg-Museum das Weltmuseum der Druckkunst sei, müsse das Projekt gerade bei der Finanzierung „auch bis zum Ende gedacht“ werden. „Es ist unser Ziel, den Stellenwert und die Bedeutung des Gutenberg-Museums für die Stadt Mainz deutlich zu erhöhen“, betonte Schönig. Es brauche aber unbedingt ein schlüssiges Finanzierungskonzept – auch um einer durchaus realistischen Steigerung der Baukosten vorzubeugen.

Kommission rügt Bezifferung von Kosten vor präziser Planung

Schönig verweist dafür übrigensauf den Endbericht einer „Reformkommission Bau von Großprojekten“ der Bundesregierung. Darin würden etwa die Ursachen für Kostenüberschreitungen sehr anschaulich dargestellt, sagte Schönig, so heiße es etwa in dem Bericht wörtlich: „Die Projektkosten werden häufig bereits beziffert, bevor ausreichend präzise Planungen vorliegen, so dass die genannten Zahlen nicht belastbar sind. Außerdem wird nicht auf die vorhandenen Kostenrisiken hingewiesen. Dazu kommen häufig unzureichende Datengrundlagen. Die regelmäßige Unterschätzung der Kosten und des Zeitbedarfs ist oft politisch motiviert, um die Durchsetzung von Projekten zu erleichtern.“

Gutenberg Museum - Mädchen mit Screen fünf Kategorien - Foto GM
Gutenberg-Museum 2020: Das Konzept sieht die Entwicklung zu einem modernen Museum vor – Foto: Gutenberg-Museum

Die Stadt betont hingegen stets, die fünf Millionen Euro würden „auf jeden Fall“ für den ersten Bauabschnitt ausreichen. Das Stufenkonzept sieht vor, die weiteren Bauabschnitte nach und nach zu realisieren, sobald Gelder dafür aufgetrieben werden können.

SPD und Grüne: Groden-Kranich blendet Bundesebene aus

Die SPD warf Groden-Kranich hingegen vor, „kurz vor Ende des Verfahrens auf einmal das Thema für sich entdeckt“ zu haben. Das Verfahren werde seit drei Jahren auch vom Stadtrat voran getrieben, ihm liege das Gesamtkonzept „Gutenberg 2020“ zugrunde, das auch die CDU kenne.

Mit Verwunderung und Unverständnis reagierten zudem die beiden anderen Mainzer Bundestagsabgeordneten, Tabea Rößner von den Grünen und Michael Hartmann von der SPD: Obwohl Groden-Kranich dem Stadtrat seit 1999 angehöre, habe sie offenbar „von der dort seit vielen Jahren vorangetriebenen Planung anscheinend nichts mitbekommen“ – warum sonst spreche sie von einer „überstürzten Planung“?  Im Übrigen zeige die Mainzer CDU bei Finanzierungsfragen „stets nur auf das Land und blendet die bundespolitische Ebene völlig aus“, das sei „ein eingeübtes Ablenkungsmanöver“, kritisierten Hartmann und Rößner.

Bund: Land ist für Förderung zuständig

Gutenberg Museum - Ausstellung Cloud mit Druckerpressen
Förderung fürs Weltmuseum der Druckkunst: das Land ist (zunächst) gefragt – Foto: gik

Das nahm Mainz& zum Anlass, doch mal bei der Staatsministerin für Kultur und Medien des Bundes nachzufragen, ob denn das Gutenberg-Museum durch den Bund förderfähig wäre? Die Antwort der Sprecherin erreichte uns heute: „Die Förderung von Museen ist nach der Aufgabenverteilung im Grundgesetz grundsätzlich Angelegenheit der Länder“, heißt es dort. Ausnahmen gebe es nur, „wenn die Museen Aufgaben der gesamtstaatlichen Repräsentation wahrnehmen“ – also etwa wie im Fall des Hauses der Geschichte in Bonn oder dem Jüdischen Museum in Berlin.

„In der Regel fördert der Bund dann gemeinsam mit den Ländern“, teilte die Sprecherin weiter mit: „Im Fall des Museums in Mainz wäre also das Land Rheinland-Pfalz zuständig.“ Dass die CDU auf das Land verweist, ist also völlig richtig – wir fragen dann mal als nächstes den neuen Kulturminister des Landes 😉 Das kann allerdings ein bisschen dauern – der parteilose Konrad Wolf hat sein Amt gerade erst am 18. Mai angetreten.

BI fordert schlüssiges Finanzierungskonzept vor Baustart

Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum, die sich kritisch mit den Entwürfen des Architekturwettbewerbs auseinander setzt, sieht sich unterdessen bestätigt: Die Stadt müsse ein schlüssiges Finanzierungskonzept inklusive der Einwerbung von deutschen und europäischen Fördermitteln erstellen, erst dann könne der Stadtrat die Entscheidung fällen, welche bauliche Alternative die richtige und insgesamt bezahlbare ist, sagte BI-Sprecher Thomas Mann. Das fordere die BI bereits seit Wochen. Es brauche ein Museumskonzept samt Klarheit über die Gesamtkosten, nicht nur für den ersten Bauabschnitt, sondern auch für die weiteren Bauabschnitte samt Ausstattung und Betriebskosten.

Liebfrauenplatz mit Römischem Kaiser kleiner
Wo jetzt die Bäume stehen, soll auf dem Liebfrauenplatz der Erweiterungsbau fürs Gutenberg-Museum errichtet werden – Foto: gik

Und auch die Junge Union in Mainz nennt die Vorwürfe von SPD und Grünen in Richtung Groden-Kranich absurd: „Die Idee von SPD und Grünen, einfach mal drauf loszubauen in der Hoffnung, dass sich schon irgendwer beteiligen wird, ist hochgradig unseriös und hinsichtlich der städtischen Haushaltslage unverantwortlich“, kritisiert deren Mainzer Vorsitzender Felix Leidecker. SPD und Grüne hätten bislang eben kein schlüssiges Gesamtkonzept für das Museum vorgelegt, weder inhaltlich noch finanziell.

Groden-Granich werde mit ihrem Hinweis, dass es eben keine Finanzzusagen gebe, „einfach nur ihrer Verantwortung gegenüber ihren Wählern gerecht“, betonte Leidecker. Und was hätten denn Rößner und Hartmann für „die finanzielle Realisierbarkeit ihres Projektes vorzuweisen haben. Die Antwort lautet schlicht und ergreifend: Nichts.“

ÖDP: Niemandem gedient, wenn später kein Geld mehr da ist

Und auch die ÖDP teilte die Bedenken in Sachen Finanzierung: Gerade im Fall des Gutenberg-Museums dürfe „nicht nur auf kommunaler Ebene gedacht werden“, sagte ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler. Es sei „überhaupt nicht nachvollziehbare“, warum sich Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) „dem Vorschlag verschließt, ein parteiübergreifendes Treffen mit Beteiligten der Kommune, des Landes und der Bundesregierung zu organisieren.“ Dem Stadtvorstand warf Moseler insgesamt „fehlende Transparenz und zu wenig ganzheitliches Denken“ vor.

„Um das Projekt nicht vor die Wand fahren zu lassen, ist es wichtig, berechtigte Bedenken konstruktiv aufzunehmen“, betonte auch ÖDP-Bauexpertin Ingrid Pannhorst, übrigens selbst Architektin. Es sei „niemandem gedient“, wenn nach einem spektakulären ersten Bauabschnitt weder Ausstellungsflächen noch Runderneuerung und Optimierung „für lange Zeit nicht erzielt werden können, weil kein Geld mehr da ist.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Konzept für das Gutenberg-Museum 2020 könnt Ihr in diesem Mainz&-Artikel nachlesen. Alle Infos über den Architektenwettbewerb zum Gutenberg-Museum findet Ihr in dem Mainz&-Artikel „Ein Bücherturm…“. Mehr zur Diskussion um die Entwürfe findet Ihr im Artikel „Fragt die Mainzer!“ sowie „Debatte geht weiter“. Im Gutenberg-Museum könnt Ihr Euch die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs übirgens selbst ansehen, am 24. Mai 2016 gibt es dort um 17.00 Uhr zum letzten Mal eine der hochspannenden Führungen durch die Ausstellung – mit dem Vorsitzenden des Preisgerichts, Architekturprofessor Wolfgang Lorch, sowie Museumsdirektorin Annette Ludwig persönlich. Alle Infos zum Architektenwettbewerb gibt es hier.

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Internationaler Museumstag: Rheinhessen-Garten, schwarze Kunst und (Rh)eingetaucht

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Sonntag ist nicht nur Marathontag in Mainz, sondern auch Internationaler Museumstag: Zum 39. Internationalen Tag der Museeen öffnen auch in Mainz zahlreiche Einrichtungen ihre Pforten, und zwar an diesem Tag ohne Eintritt. Trotz Marathon könnt Ihr also auch einen Abstecher in eines der Häuser machen – es locken zahlreiche Sonderaktionen. So lädt das Landesmuseum an der Großen Bleiche zum Familienfest mit Rheinhessen-Garten und Weinsalon, das Gutenberg-Museum bietet einen Familiennachmittag mit Sonderaktionen, und im Stadthistorischen Museum auf der Zitadelle gibt’s Führungen und eine Lesung mit Geschichten aus der Mainzer Neustadt.

Gartenfest im Landesmuseum
Relaxen im Innenhof des Landesmuseums beim Gartenfest am Internationalen Museumstag – Foto: Agentur Bonewitz

Der 39. Internationale Museumstag steht unter dem Motto „Museen in der Kulturlandschaft“, in Mainz ist’s eher die Sportlandschaft, die den Tag bestimmt ;-). Leider finden wegen des Gutenberg-Marathons nicht so viele Aktionen statt, die, die es gibt, lohnen aber den Weg. Das Landesmuseum lädt ab 13.00 Uhr zum großen Familienfest. Im Innenhof des Landtags könnt Ihr den neuen Rheinhessen-Kräuter-Garten genießen, dazu gibt’s Musik mit der Weltmusik-Band La route du Bonheur (13.30-15.30 Uhr) und europäische Vokalmusik aus fünf Jahrhunderten mit dem Ensemble Vocale Mainz um 16.00 Uhr.

Die Winzer des Mainzer Weinsalons servieren Wein, Stullen-Andi Stullen und der „Worschtepeter“ feine Thüringer Bratwürste. Von 13.30 bis 17.30 Uhr gibt es stündlich Kurzführungen für die ganze Familie, etwa zu Themen wie „Ritter und Wappen“, auch könnt Ihr die aktuellen Sonderausstellungen „Mainz – ein Blick, viele Ansichten“, die Skulpturen von Erwin Wortelkamp, die Ziemlich besten Freunde sowie zu den Bauten von Friedrich Pützer besichtigen. Von 14.00 bis 17.00 Uhr finden ebenfalls im Stundentakt Kinderführungen statt, es gibt weitere Mitmachangebote zu den Themen Steinzeitsafari, Römer und Mittelalter.

Das Gutenberg-Museum lädt ab 15.00 Uhr zum Familiennachmittag mit Kinderführungen und Druckwerkstatt-Aktionen. Der Eintritt ins Museum selbst ist frei, weil es aber bei den Kinderführungen auch Druckaktionen gibt, beträgt hier der Teilnahmebeitrag pro Kind 2,- Euro. Um 13.00 Uhr gibt es zudem eine öffentliche Führung durchs Museum mit den Gästeführern der Stadt, die kostet 5,- Euro für Erwachsene und 2,50 Euro für Kinder. Plakat Ausstellung Rheingetaucht Nabu

Im Naturhistorischen Museum wiederum könnt Ihr (Rh)eintauchen in die Welt des Rheins: Um 11.00 Uhr findet hier eine öffentliche Führung durch die Sonderausstellung des Natuschutzbundes Rheinland-Pfalz zum Thema „Frosch & Co am großen Fluss“ statt, womit natürlich der Rhein gemeint ist.

Im Mainzer Fastnachtsmuseum könnt Ihr von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr“Fundstücke und Neuzugänge aus dem Mainzer Fastnachtsarchiv im Rahmen der Sonderausstellung zum Rheinhessenjubiläum „Geschichte der Fastnacht in Rheinhessen“ bestaunen. Auf der Zitadelle bietet das Stadthistorische Museum um 12.00 Uhr und um 14.00 Uhr Führungen durch die Sonderausstellung „Es ist bald wieder gut…? Mainz 1945 – 1962“ an. Um 16.00 Uhr gibt es eine Lesung von Helga Höfle aus „Mein Freund, der Löwe. Geschichten aus der Mainzer Neustadt in den 1950er Jahren“, musikalisch begleitet durch Manolo Lohnes. Eintritt und Führung sind kostenlos.

Info& auf Mainz&: 39. Internationaler Museumstag am Sonntag, den 22. Mai 2016. Programm und Infos in Mainz hier.

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„Eine neue Zentralbibliothek zum 75. Geburtstag wäre nicht unrealistisch“- Interview mit Präsident Georg Krausch zu 70 Jahre Uni Mainz

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Die Mainzer Johannes Gutenberg-Universität wird in diesem Jahr 70 Jahre alt und feiert ihre Wieder-Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg. Am 15. Mai 1946 nahm die nun nach dem Buchdruckerfinder Johannes Gutenberg benannte Hochschule in einer ehemaligen Luftwaffenkaserne ihren Lehrbetrieb auf. Zum 70. Geburtstag sprach Mainz& mit Uni-Präsident Georg Krausch über Exzellenz, Historie, verfallende Nachkriegsgebäude, Bologna-Reform, künftige Kooperationen und rheinhessischen Rotwein.

Eingang Uni Mainz
Die Mainzer Johannes-Gutenberg-Univeristät wurde vor 70 Jahren wieder gegründet – in einer ehemaligen Kaserne, heute das Forum – Foto: gik

Krausch ist seit dem 1. April 2007 Präsident der JoGu, der Physiker gehört zu den modernen Vertretern des Wissenschafts-Managers. Die JoGu ist eigentlich eine der alten Universitäten in Deutschland: Gegründet 1477 von Kurfürst Adolf II. von Nassau, wurde die Hochschule jedoch 1798 durch die Franzosen aufgelöst – und 1946 ironischerweise durch die Franzosen wiedergegründet. 70 Jahre danach ist die JoGu mit rund 33.000 Studierenden die größte Universität in Rheinland-Pfalz und gehört zu den 20 besten in Deutschland.

Doch der Uni Campus oberhalb der Innenstadt hat durchaus Probleme – vor allem mit maroden Bauten aus den 1960er Jahren. Viel zu tun also auch für den neuen rheinland-pfälzischen Wissenschaftsminister Konrad Wolf, der heute im Mainzer Landtag vereidigt wird – Wolf war bisher Präsident der Hochschule Kaiserslautern.

Frage: Herr Krausch, die Mainzer Universität feiert ihren 70. Geburtstag – und im März mussten Sie den Bücherturm der Universitätsbibliothek sperren. Wie schlimm steht es um die Bausubstanz an der Universität Mainz?

Krausch: Das haben wir uns auch nicht gewünscht. Die Feuerwehr hatte die Schließung des Bücherturms für den Publikumsverkehr für erforderlich gehalten, da eine weitere Nottreppe fehlte. Der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung hat die Treppe dann in Windeseile errichtet, nach vierzehn Tagen war der Bücherturm wieder offen.

Leer stehende Chemiebarracke in Campusmitte Uni Mainz - Foto Kirschstein
Handlungsbedarf: Leer stehende Chemiebarracke in der Mitte des Campus der Uni Mainz – Foto: gik

Frage: Ist das ein Symptom für die marode und veraltete Gebäudestruktur, die ja zu einem Gutteil aus den 1960er Jahren der Uni stammt?

Krausch: Unsere Gebäudestruktur ist sehr vielfältig, die Uni ist ja stetig gewachsen Und es wäre unfair zu sagen, das Land hätte sich in den letzten zehn Jahren nicht angestrengt: es wurden mehr als 500 Millionen Euro in Neubauten investiert, viele Probleme sind so gelöst worden. Aber in der Tat bleibt die Herausforderung, mit dem restlichen Bestand umzugehen, insbesondere mit den vielen Altbauten, die wie der Bücherturm aktuellen Anforderungen an Hochschulbauten nicht mehr entsprechen.

Frage: Sie haben in einer Diskussion zum Jubiläum gesagt, wir verrammeln jetzt leer stehende Gebäude im Erdgeschoss, solche Anblicke drückten schon auf die Stimmung auf dem Campus.

Krausch: Es ist in der Tat so, dass die Mittel für Bauinvestitionen nicht mehr im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen, wohl wegen der Schuldenbremse. Das führt auch dazu, dass Gebäude, die nicht mehr genutzt werden, erst mal nicht abgerissen werden – wie zum Beispiel die alte Chemie in der Campusmitte. Typischerweise werden die Fenster im Erdgeschoss mit Holz verplankt, um Vandalismus vorzubeugen. Solche Gebäude werden dann auch gerne mit Graffiti besprüht. Das gibt dem Campus in der Tat ein unschönes Flair. Uns wäre da ein schöner Platz mit Wiese natürlich lieber. Aber es wird ja weiter gebaut: derzeit zum Beispiel das Biomedizinische Forschungszentrum, ein Neubau für die Biologie, das Paul-Klein-Zentrum für Immunologie, durch den LBB und in wachsendem Maße durch die Universität selbst.

Marodes Philosophicum Uni Mainz - Foto Kirschstein
Marode, mit Asbest verseucht: das Philosophicum, Heimat der Geisteswissenschaftler auf dem Campus der Uni Mainz – Foto: gik

Frage: Es gibt aber auch noch eine Reihe von Baustellen….

Krausch: Richtig, dazu gehört sicher das Philosophicum, auch das Hochhaus der früheren Naturwissenschaftlichen Fakultät oder die Zentralbibliothek. Die Bibliothek beispielsweise ist von 1964, aus den verschiedensten Gründen wäre da ein Neubau notwendig – eine moderne Bibliothek ist ganz anders ausgelegt und muss heute auch eine Vielfalt unterschiedlicher studentischer Arbeitsplätze bieten. Die Mitte des Campus wäre dafür der richtige Ort, und wenn man jetzt in die konkrete Planung ginge, wäre eine neue Zentralbibliothek zum 75. Geburtstag nicht unrealistisch.

Frage: Wo und wofür steht die Uni Mainz im 70. Jahr nach ihrer Neugründung?

Krausch: Bei der letzten Exzellenzinitiative war Mainz unter den letzten 16 von 110 Universitäten, die sich um die Krone der sogenannten ‚Eliteuni‘ bewerben durften. Dass wir so weit gekommen sind, hätten viele gar nicht erwartet. Wir sind eine Volluniversität, die das gesamte Spektrum von der Ägyptologie bis zur Zahnmedizin abdeckt. Und trotzdem haben wir Exzellenzschwerpunkte in der Kern- und Teilchenphysik, in der Materialforschung und in der Medizin gebildet, da haben wir Spitzenforschung auf dem Niveau von Harvard und Stanford. Nur dass die zehnmal so viel Geld haben wie wir.

Stark sind wir auch in den Sozial- und Kulturwissenschaften, den alten Kulturen und der Medienforschung. Und ein Alleinstellungsmerkmal ist sicherlich, dass uns die Lehre genauso wichtig ist wie die Forschung. Neben dem Exzellenzkolleg für die Forschung haben wir auch ein Exzellenzkolleg für die Lehre, und neben dem Dies Academicus den Dies Legendi, an dem innovative Lehrkonzepte vorgestellt, diskutiert und ausgezeichnet werden.

Uni Mainz - Neues Gebäude für PoWi
Schicker Neubau: Gebäude der Politikwissenschaftler und Publizisten auf dem Campus der Uni Mainz – Foto: gik

Frage: Die Uni ist ja mit 33.000 Studierenden sehr groß, geht das Wachstum weiter?

Krausch: Ich denke nicht, dass wir noch eine ernsthafte Zunahme an Studierenden haben werden, das gibt die Demografie nicht her. Und wie sinnhaft es ist, dass noch ein größerer Prozentsatz eines Jahrgangs ein Hochschulstudium absolviert, wird zu diskutieren sein – wir sind jetzt bereits bei über 50 Prozent.

Frage: Die letzte große Umwälzung war ja die Bologna-Reform, einer Ihrer Vorgänger sagte kürzlich, da seien viele Fehler gemacht worden.

Krausch: Ich glaube, dass die Reform in manchen Bereichen nötig war, ob sie flächendeckend nötig war, kann man diskutieren. Wir haben die Reform vielleicht auch mit etwas zu viel deutscher Gründlichkeit umgesetzt. Wir hatten ja vor einigen Jahren die Studentenproteste mit Besetzung der Alten Mensa. Wir haben daraufhin noch einmal alle Bachelor-Studiengänge hinterfragt unter starker Einbeziehung der Studierenden. Defizite wurden erkannt und sind behoben worden, wir versuchen zudem seit Jahren, wieder mehr studentische Freiheit zu ermöglichen. Ich glaube aber auch, dass wir einem großen Teil der Studierenden mit einem etwas verschulteren Studium entgegen kommen. Und ich glaube, dass die Zufriedenheit der Studierenden jetzt nicht wesentlich anders ist als vor zehn Jahren.

Frage: Aber bleiben nicht in den neuen, verschulten Lehrplänen freie Entfaltung und Persönlichkeitsentfaltung auf der Strecke?

Universitätsbibliothek Uni Mainz - Foto Kirschstein
Eine neue Universitätsbibliothek steht ganz oben auf der Wunschliste von Unipräsident Kausch – Foto: gik

Krausch: Ich finde, das schwer zu sagen. Es bilden doch die gleichen Professoren im Prinzip die gleich intelligenten Studenten aus wie früher, ich glaube da nicht an die große Veränderung. Dass wir vielleicht noch mehr Angebote machen müssen für die Kreativität, dass wir ermuntern müssen, über den Tellerrand zu schauen, das mag sein, da reden wir aber auch viel darüber. Es wird auch nicht gleich bestraft, wenn man über die Regelstudienzeit hinaus geht, ich habe damals auch nebenher Theater gespielt…

Frage: Genau das ist die Frage: Kann man das heute noch?

Krausch: Ja, warum denn nicht? Wir haben erfolgreiche Theater- und Musical-Gruppen. Wir haben ein Collegium Musicum mit 180 Sängern und 80 Instrumentalisten – die Studenten beweisen doch, dass es geht. Das Collegium Musicum ist heute größer als vor fünf Jahren, die haben keine Probleme, Nachwuchs zu finden. Als Wissenschaftler teile ich den derzeit sehr beliebten Anti-Bologna-Zeitgeist nicht ohne solide Überprüfung.

Frage: Sie haben kürzlich eine Kooperation mit den Universitäten Frankfurt und Darmstadt gegründet – liegt da die Zukunft?

Krausch: Definitiv. Bei endlichen Ressourcen wird der Konkurrenzkampf wachsen, da stellt man sich immer besser im Team auf als alleine. Mit Frankfurt und Darmstadt haben wir zwei Partner in einem anderen Bundesland, das klingt zunächst mal schwierig, ist es aber auch wieder nicht. Wären die Goethe-Universität und die Mainzer Universität in einem Bundesland, würden wir konkurrieren um das Geld des gleichen Landes – das brauchen wir so nicht. Die Darmstädter sind eine exzellente Technische Universität unter den Top 5 in Deutschland. Wir haben einfach den Eindruck, dass wir uns an vielen Bereichen gut komplementär ergänzen können und stärker werden, wenn wir gemeinsam auftreten.

Porträt Georg Krausch Präsident Uni Mainz - Foto Kirschstein
Mit großen Plänen in die Zukunft: Georg Krausch, Präsident der Uni Mainz – Foto: gik

Frage: Was konkret kann das bringen?

Krausch: Nehmen Sie Berlin oder München, dort haben sie bzw. zwei große Universitäten. Wenn man dort zu einem bestimmten Thema einen Forschungsverbund schaffen will, um Drittmittel einzuwerben, dann schauen sich die Kollegen mit großer Selbstverständlichkeit in den drei Universitäten um, wo die besten Kollegen sitzen und bilden daraus einen Forschungsverbund. Wenn ich das nur innerhalb der Uni Mainz machen kann, ist der Pool an möglichen Leuten kleiner. Wenn ich gleichzeitig nach Frankfurt und Darmstadt schauen darf, dann habe ich genau dieselben Bedingungen wie an den großen Standorten.

Auch in der Lehre ergänzen wir uns gut, gerade in den kleinen und kleinsten Fächern in den Geisteswissenschaften. Zum Beispiel in der Afrikanistik: Da haben wir und Frankfurt jeweils nur eine Professur. Wenn wir uns abstimmen, kann der eine einen Linguisten und der andere einen Literaturwissenschaftler einstellen, und beide zusammen könnten einen Studiengang stemmen, den einer allein gar nicht könnte.

Frage: Also ein Studiengang, in dem man gleichzeitig in Frankfurt und Mainz studiert?

Krausch: Wir haben auch Studiengänge gemeinsam mit Partneruniversitäten in Frankreich, Polen oder Kanada, dann wird man doch auch über den Rhein hinweg gemeinsam einen Studiengang hinkriegen. Das kann heißen, ein Semester hier und eines dort. Das kann angesichts der Nähe auch heißen, dass sich Dozenten mal in die S-Bahn setzen. Oder dass man die modernen Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen und Blended Learning Angebote machen und das eine oder andere zuspielen vom anderen Standort. Wir können damit Studienangebote ermöglichen, die wir uns alleine nicht leisten könnten. Da gibt es viel zu gewinnen.

Fest vor dem Theater - Foto gik
Wissenschaft in der Stadt – die Bande zwischen Uni und Stadt sind enger geworden – Foto: gik

Oder nehmen Sie das Thema Double Carrier: Wir wollen jemanden einstellen, und der Lebenspartner braucht auch einen Arbeitsplatz. Natürlich ist es besser, wenn wir das vernetzt machen und das ganze Rhein-Main-Gebiet als potenziellen Arbeitgeber nehmen. Auch bei Rechenzentren geht die Tendenz zu größeren Clustern, auch da ist man im Team leistungsfähiger als alleine. Die Liste könnte noch fortgesetzt werden.

Frage: Was macht Ihnen besonders Spaß an dieser Mainzer Uni in dieser Stadt?

Krausch: Die Mainzer Art zu leben und miteinander umzugehen, eine sehr unkomplizierte, herzliche, positive und offene Art. Das kommt mir sehr entgegen in meinem Beruf. Darin kann ich mich gut wiederfinden. Probleme werden hier, wenn es geht, in einfachen Wegen gelöst, nicht so formal und kompliziert.

Frage: Und Sie haben gesagt, der Rotwein ist besser geworden…

Krausch: Das ist in der Tat eine Beobachtung. Nicht, dass ich das wissenschaftlich verfolgt hätte – aber ich wäre vor 30 Jahren nicht auf die Idee gekommen, einen Rotwein aus Rheinhessen zu trinken. Ich hätte eher einen Italiener oder Franzosen bevorzugt. Heute weiß ich, dass sich da einen Menge getan hat, Quantität ab- und Qualität abgebaut wurde, gerade was den Rotwein angeht – der Riesling war ja immer schon gut. So dass man heute sagen kann, man kann exzellente, gehaltvolle Rotweine aus Rheinhessen trinken. Das war für mich eine positive Überraschung als ich vor neun Jahren wieder zurück in diese Gegend kam.

Herr Krausch, wir danken ganz herzlich für dieses Gespräch!

Info& auf Mainz&: Die Uni Mainz feiert ihr Jubiläum mit einem Feuerwerk an Veranstaltungen – mehr zur JoGu und ihren Events findet Ihr unter www.uni-mainz.de und www.70jahre.uni-mainz.de.

 

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Zechen wie einst Goethe im Brentanohaus – Rheingauer Weingut Allendorf leitet Restaurant

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Heute entführen wir Euch mal in den Rheingau, als Wein- und Genusstipp zu Pfingsten 😉 In Winkel steht nämlich da ein besonderes Kleinod: Das Brentanohaus, Haus der Geschwister von Brentano, Geburtsort der Rheinromantik, Anlaufstelle für die Größen der damaligen Zeit: Beethoven, die Gebrüder Grimm – und Johann Wolfgang von Goethe. Der Frankfurter Dichterfürst, der ja bekanntlich auch bei der Belagerung von Mainz im Chausseehaus in Marienborn residierte, stattete dem Brentanohaus 1814 einen Besuch ab. Nun könnt Ihr dort zechen wie weiland Goethe: Das Weingut Allendorf eröffnete im April den Ausschank im altehrwürdigen Haus neu.

Brentanohaus mit Salon und Goethezimmern im 1. Stock
Der Salon im 1. Stock des Brentanohauses: So wie einst – Foto: gik

Das Brentanohaus ist ein wahres Kleinod, das Besondere: Seine Inneneinrichtung ist fast genauso erhalten, wie sie zu Goethes Zeiten dort stand. Das Schlafzimmer des Dichters, sein Schreibtisch mit Schreibfedern, der große Salon davor – alles sieht so aus, als würde der hohe Gast gleich um die Ecke biegen. Das ist das Verdienst der Nachfahren: Baron und Baronin von Brentano erhielten das Haus liebevoll und behutsam – und im Originalzustand. Doch irgendwann überstiegen die Reparaturen die finanziellen Möglichkeiten, 2014 verkauften die Brentanos das Anwesen an das Land Hessen.

Seitdem wird vorsichtig und behutsam renoviert und das wunderbare Anwesen aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Dazu gehört eben auch die Wiederbelebung des Restaurants in der alten Remise unten im Haus: Die Winzerfamilie Allendorf will das Anwesen, wo einst Goethe zechte, nun wieder zum Treffpunkt der Rhein-Main-Region machen.

Goethezimmer im Brentanohaus
Das original Goethe-Zimmer im Brentanohaus – Foto: gik

Die Zeitreise beginnt, sobald man das Tor durchschritten hat. Das alte, holprige Pflaster, der verwunschene Garten, das vor sich hinträumende Haus – das Brentanohaus atmet einfach Geschichte. Das 260 Jahre alte Haus scheint seine eigene Zeitschleife zu besitzen, und wenn man über die Kieswege und den kleinen Laubengang direkt hinein in den alten Weinberg geht, meint man, Goethe könne jeden Moment um die Ecke biegen, in seinem alten Schlafrock, brummelnd, dichtend.

„Es ist ein Ort, an dem die Zeit keine Rolle spielt“, sagt Ulrich Allendorf, „Zeit verliert hier ihre Beschleunigung, das macht das Haus einzigartig.“ Allendorf ist VDP-Winzer, sein Georgshof gehört inzwischen mit knapp 80 Hektar Weinbergen zu den big Playern im Rheingau. 2015 übernahm Allendorf den Weinberg, der ums Brentanohaus herum wächst, am 23. April eröffnete er im Brentanohaus die Gastronomie neu.

Baronin Angela von Brentano im Goethezimmer im Brentanohaus
Baronin Angela von Brentano im Goethezimmer im Brentanohaus – Foto: gik

„Ich glaube, das Ensemble hat ein Riesenpotenzial“, sagt Allendorf. Natürlich habe ihn als Winzer der Weinberg gereizt, schließlich wachsen die Reben hier in der Lage WinkelerJesuitengarten, einer der besten des Rheingaus. Das Haus ist umgeben von Weinreben, Riesling wächst hier auf feinem Rheinauenboden – das Rheinufer war einst am Ende des Gartens gleich hinter der Ecke.

Das Törchen, durch das auch Goethe zum Rheinufer kam, es liegt noch versteckt in der Ecke. Der Rhein lud bei Überschwemmungen seine fruchtbaren Sedimente ab, der Boden des Weinbergs gehört zu den spannendsten. Die Allendorfs machten aus dem Riesling mit dem Jahrgang 2015 den ersten Goethewein, einen filigranen und dennoch fruchtig-fülligen, klaren Riesling, der so schmeckt, wie das Brentanohaus: voller dezenter Versprechungen.

Es war Anfang September 1814, als Goethe hier für drei Wochen zu Gast war – der 65-Jährige war eigentlich zur Kur in Wiesbaden, von dort nahm er die Einladung der Frankfurter Kaufmannsfamilie Brentano nach Winkel an. Der Gast benahm sich nicht immer einwandfrei: Brummelig sei er gewesen, morgens im Schlafrock durch den Garten gewandelt und dann bloß nicht anzusprechen gewesen. „Er häufte sich enorme Mengen Essen auf dem Teller auf und stocherte dann lustlos darin herum“, weiß Allendorf zu berichten – sehr zum Unmut von Hausherrin Antonia.

Brentanohaus mit Laubengang und Weinreben
Zechen wie weiland Goethe im Laubengang am Brentanohaus – Allendorf macht’s möglich – Foto: gik

Die Brentanos waren eine reiche Frankfurter Kaufmannsfamilie mit Wurzeln in Italien, 1806 kaufte die Familie das Haus im Rheingau – es wurde zum Treffpunkt von Dichtern, Denkern und zur Keimzelle der Rheinromantik. „Unbewusst fühlt man die Präsenz der Romantik, die hier ihren Startpunkt hatte“, sagt Allendorf: „Das Haus birgt einen Schatz in sich.“ Goethe schrieb hier „einen Teil des west-östlichen Diwans“, sagt Baronin Angela von Brentano. Die Baronin gibt noch heute persönlich Führungen durch das Brentanohaus, ein echtes Erlebnis.

1,2 Millionen Euro investierte das Land Hessen 2014 in den Kauf und rettete das Brentanohaus damit auch vor Privatinvestoren, die hier unter anderem ein Hotel planten – es wäre das Ende des Zaubers vom Brentanohaus gewesen. Die jetzigen Renovierungen gehen vorsichtig vonstatten, und ganz auf der Basis des Alten. „Es soll eben nicht aus dem Ei gepellt und ’schick‘ oder auf ‚Vintage‘ gemacht werden“, sagt Allendorf. Das Haus habe seine Identität behalten, und das solle bewahrt werden.

Ulrich Allendorf an der neuen Theke im Brentanohaus
Altes Haus, moderne Vinothek: Winzer Ulrich Allendorf im Brentanohaus – Foto: gik

So ist auch das Restaurant eine behutsame Mischung aus alt und neu. Theke, Stühle, sogar die Lampen sind selbstgebaut aus edler Eiche, auf der Terrasse die neuen Stühle ahmen die verspielten Formen von einst nach. Rheingauer Sonntagsküche servieren Allendorfs hier, von der Wisperforelle übers Rinderfilet bis hin zum Winzergulasch, der Bratwurst und der Frankfurter Grünen Soße. Dazu gibt es natürlich den Goethewein – der Dichter selbst war einer, der üppig trank. Im Brentanohaus kann man nun wieder auf seinen Spuren wandeln – mit einem Gläschen Wein im Weinberg zu Füßen des Brentanohauses.

Info& auf Mainz&: „Allendorf im Brentanohaus“ ist montags, donnerstags und freitags ab 17.00 Uhr und samstags, sonntags und feiertags ab 12.00 Uhr geöffnet. Die Führungen der Baronin durch das Brentanohaus finden immer samstags um 16.00 Uhr statt, die nächsten Termine: 21. Mai, 4. Juni, 18. Juni, 9. Juli, 30. Juli. Infos zu Restaurant und Führungen sowie zur Anfahrt unter www.brentano.de.

 

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Kinosaal: Spannung liegt tatsächlich buchstäblich in der Luft – Uni Mainz maß Muster in Atemluft

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Man sagt ja gerne, es liegt Spannung in der Luft. Nun haben Wissenschaftler der Uni Mainz genau das nachgemessen und festgestellt: Im Kinosaal stimmt das tatsächlich. Ob eine Filmszene spannend, lustig oder eher langweilig ist, lässt sich tatsächlich sogar chemisch in der Atemluft bestimmen. „Es scheint, dass wir eindeutig messen können, ob Spannung in der Luft liegt“, sagt Jonathan Williams, Atmosphärenchemiker und der zuständige Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie. Die Wissenschaftler konnten tatsächlich anhand von Kohlendioxid und Isopren in der Atemluft Filmszenen voneinander unterscheiden und sogar eindeutig den Emotionen zuordnen.

Atemluft im Kino angezapft Thomas Klüpfel bringt Schlauch an - Foto MPI für Chemie
Atemluft im Kino angezapft Thomas Klüpfel bringt an der Kino-Abluft einen Schlauch an – Foto MPI für Chemie

Normalerweise messen Williams und sein Team die Zusammensetzung der Erdatmosphäre oder die Emissionen von Regenwäldern, doch Williams interessiert sich schon länger auch für den Atem des Menschen: Den Wissenschaftler interessiert, ob der Atem der Menschheit wesentlich zu den Konzentrationen von Spurengasen wie etwa den Treibhausgasen Kohlendioxid und Isopren beiträgt – und stellte deshalb seine Messgeräte auch schon mal in einem Fußballstadion auf. Dort allerdings maß er keine nennenswerten Konzentrationen – allerdings verlief die Partie auch wenig aufregend und endete 0:0.

Nun wollten Williams und seine Kollegen die menschlichen Emissionen während emotionalerer Erlebnisse analysieren – und verfielen auf Kinovorführungen. „Wir haben uns gefragt, ob sich Szenen, in denen unterschiedliche Gefühle angesprochen werden, chemisch voneinander unterscheiden lassen“, erklärt Williams. Das Ergebnis war eindeutig: Die chemischen Signaturen der verschiedenen Filme und der verschiedenen Filmszenen unterschieden sich deutlich.

Werte stiegen deutlich bei Spannung und lustigen Szenen

So stiegen etwa die Werte für Kohlendioxid und Isopren in der Abluft immer dann deutlich an, wenn die Heldin in „Die Tribute von Panem“ um ihr Leben kämpfte. Lustige Sequenzen wiederum erzeugten andere molekulare Spuren in der Atemluft, die Massenspektrogramme habe man „deutlich voneinander unterscheiden“ können, sagt Williams. Die Wissenschaftler konnten sogar anhand der Substanzmuster rekonstruieren, welche Szene sich auf der Leinwand gerade abspielte – ohne den Film zu sehen. Eine Erklärung für die ansteigenden Kohlendioxid- und Isoprenwerte sei, dass sich die Kinobesucher bei aufregenden Filmszenen anspannen, unruhig werden – und dann schneller atmen.

Insgesamt 16 verschiedene Filme bezog das Team in seine Studie ein, die Filme wurden mehrfach, jeweils vor unterschiedlich großem Publikum gezeigt. Dazu gehörten Komödien wie „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ und „Buddy“ oder „Der Hobbit“ und eben die „Tribute von Panem“. Für die Messungen installierten die Forscher ihre Messgeräte im Technikraum des Cinestar-Kinos in Mainz, und maßen in der Abluft des Kinos Kohlendioxid und einhundert weitere chemische Komponenten. Dafür wurden Massenspektrometer eingesetzt, die alle 30 Sekunden eine Messung machten.

TOOOOOOR! - Jubel Planke Nord - Foto: gik
Es liegt Spannugn in der Luft – hier Torjubel bei der Fußball-WM – Foto: gik

Dabei werden chemische Moleküle zunächst ionisiert und in einem elektrischen Feld beschleunigt. Anhand der Verteilung von Ladung zu Masse bestimmt ein Analysator anschließend, um welche Moleküle es sich handelt. Zu den wichtigen Elementen gehörten neben Kohlendioxid auch Isopren, das ist eine von über 800 chemischen Verbindungen, die gesunde Menschen neben Kohlendioxid typischerweise in winzigen Mengen ausatmen. Welche physiologischen Prozesse der Bildung der Moleküle zugrunde liegen, ist jedoch weitgehend unbekannt.

Für die Auswertung der Daten holten sich die Chemiker wiederum Unterstützung bei den Informatikern der Uni Mainz – die sind weltweit mitführend im Bereich der systematischen Datenerhebung und -auswertung, dem sogenannten Data Mining. „Ein statistisch eindeutiges chemisches Signal haben wir bei lustigen oder spannenden Szenen erhalten, und können diese sogar erkennen, ohne den Film zu sehen“, sagt Jörg Wicker, der die Auswertungsalgorithmen entwickelt hat.

Experiment gut für Forschung über Atmung und Stoffwechsel

Und wozu ist das Ganze nun gut? Williams sieht in den Atem-Messungen ein großes Potenzial etwa für die Erforschung des menschlichen Atems, die würde auch Rückschlüsse auf den Stoffwechsel erlauben. Messungen in der Atemluft großer Menschenmengen könnten so auch eine Alternative zu Studien an Individuen bieten, für die die ethischen Hürden zunehmend höher werden. Davon könnte aber auch die Werbeindustrie profitieren: Sie könnte anhand der Atemluft einer Menschenmenge „schnell und objektiv messen, wie emotionale Reize auf eine ganze Gruppe von Menschen wirken, ohne langwierige Umfragen durchführen zu müssen“, betont die Uni. Ob wir das so positiv finden, sei mal dahin gestellt 😉

Informatiker und Chemiker sind aber bereits auf die Fortsetzung der Studie gespannt: Derzeit werten die Forscher nämlich aus, welche Spuren der Blockbuster „Star Wars“ in der Atemluft der Zuschauer hinterließ.

 

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