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Tagesarchive: 7. Juli 2016

Universitätsmedizin: Defizit von 6,2 Millionen Euro in 2015 – Leichte Verbesserung

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Die Mainzer Universitätsmedizin steckt weiter tief in den roten Zahlen: 6,2 Millionen Euro Defizit machte die Uniklinik 2015, trotzdem sind sie darüber sogar recht glücklich: 2014 betrug das Defizit noch 6,5 Millionen Euro. Damit arbeitet sich die einzige Uniklinik in Rheinland-Pfalz langsam weiter aus ihrem Finanzloch – die finanzielle Zukunft bleibt allerdings angespannt. Ändern soll das eine verstärkte Konzentration auf Hochleistungsmedizin, dadurch stiegen die Erlöse schon 2015 auf knapp 375 Millionen Euro. Dafür wird an der Uniklinik fleißig gebaut – und es werden neue Forschungszentren etabliert.

Eingang Universitätsmedizin - Foto_Thomas Boehm
Die Mainzer Universitätamedizin steckt noch immer tief in den roten Zahlen – Foto: Thomas Boehm

Die Mainzer Unikinik ist die einzige Universitätsmedizin im Bundesland und damit das einzige Forschungs- und Lehrkrankenhaus. Das beschert ihr eine besondere Stellung – und eine besondere Größe: 60 Kliniken, knapp 1.450 Betten, rund 320.000 Patienten im Jahr, mehr als 7.700 Mitarbeiter – die Mainzer Uniklinik ist ein Mega-Betrieb.

Allein in den Hochschulambulanzen wurden 2015 insgesamt 88.727 Patienten versorgt, 2014 waren es noch 85.617 gewesen. Und die Uniklinik bekommt dabei die besonders schweren, komplexen und seltenen Erkrankungen ab: Die Abrechnung hochspezialisierter Leistungen oder seltener Erkrankungen stieg von 24.666 ambulanten Fällen in 2014 auf 25.640 Fälle in 2015.

„Das Besondere der Universitätsmedizin Mainz ist die enge Verzahnung von Spitzenmedizin, Forschung und Lehre“, sagte denn auch Klinikchefin und Vorstandsvorsitzende Babette Simon am Montag. Man habe im vergangenen Jahr die medizinischen Leistungen erneut „deutlich steigern“ können und dabei vermehrt Patienten behandelt, „die der speziellen Expertise und Infrastruktur universitärer Spitzenmedizin bedurften.“

Das nämlich ist das Ziel der Universitätsmedizin: Um die Einnahmeerlöse zu steigern setzt man vermehrt auf Hochleistungsmedizin. So wurde etwa der hochmoderne Neubau der Kardiologie  eingeweiht und betreut steigende Zahlen von Patienten mit Herzrhythmusstörungen, das sei „ein sehr guter Schritt in die Zukunft“, betonte Simon. Zukunftsthemen adressiere man auch mit der Etablierung des  Zentrums für Allgemeinmedizin und Geriatrie.

Uniklinik Richtfest Paul-Klein-Zentrum Immunintervention - Foto Peter Pulkowski
Richtfest im Paul-Klein-Zentrum für Immunintervention im Mai 2015 – Foto: Peter Pulkowski

Denn trotz der immer noch großen Finanzierungsprobleme wird an der Mainzer Uniklinik gebaut und investiert: Die neue Rudolf-Frey-Lernklinik sowie das Interdisziplinäre Zentrum Klinische Studien (IZKS) wurden ebenfalls kürzlich eröffnet, am hochmodernen Neubau für immunologische Forschung, dem Paul-Klein-Zentrum für Immunintervention (PKZI), Richtfest gefeiert. Ein neuer Linearbeschleuniger samt Neubau wurde in Betrieb genommen und mit den Bauarbeiten für die neue Transfusionszentrale begonnen.

Finanziert werden diese Bauvorhaben zum Großteil vom Land Rheinland-Pfalz. Man werde „auf der Grundlage eines Strategiekonzepts und eines Bau-Masterplans die notwendigen Investitionen für die Universitätsmedizin finanzieren“, versprach der frisch gebackene Wissenschafts-Staatssekretär Salvatore Barbaro am Montag bei der Vorstellung des Jahresberichts. Barbaro ist qua Amtes auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der Universitätsmedizin.

Es ist kein einfaches Amt – seit Jahren sitzt die Mainzer Uniklinik tief in den roten Zahlen. Allerdings war die Situation auch schon schlechter: Vor zehn Jahren betrug das Defizit 25,7 Millionen Euro, das war im Jahr 2005, 2006 waren es immer noch 19,4 Millionen Euro. Ein Sanierungsplan sollte die Klinik bis 2010 wieder in die schwarze Null führen – was auch gelang. Doch 2012 rutschte die Klinik erneut tief ins Minus, 20 Millionen Euro standen negativ zu Buche.

Uniklinik Skills Training Schockraum_Foto_Thomas Boehm
Stresstraining für angehende Ärzte im Schockraum der Uniklinik – Foto:Thomas Boehm

Nicht verwunderlich also, dass Erleichterung herrscht angesichts eines auf 6,2 Millionen Euro gesunkenen Defizits. Doch die schwarze Null, die eigentlich einmal für 2015 anvisiert war, wurde damit deutlich verfehlt. Dazu sitzt die Uniklinik laut Allgemeiner Zeitung auf einem Schuldenberg von 65 Millionen Euro, weswegen im Dezember 2015 einige Klinikdirektoren einen Schuldenschnitt vom Land forderten. Elke Frank, seit 15. Februar 2016 Kaufmännischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, forderte am Montag vom Land vernünftige finanzielle Rahmenbedingungen für die Universitätskliniken zu schaffen. 2015 erhielt die Universitätsmedizin an laufenden Mitteln für Forschung und Lehre etwas mehr als 91,4 Millionen Euro vom Land.

Eines der Probleme: Die Klinik ist in Sachen Personalabbau am unteren Ende angelangt. „Hinsichtlich der Personalkosten wurde im Jahr 2015 ein Punkt erreicht, an dem ein weiterer Personalabbau bei gleichzeitig weiterer Steigerung der Leistung nicht möglich war“, sagte Frank – auf Deutsch: Mehr Personalabbau geht nicht. Daher habe man auch „diese Kosten nicht so dämpfen können, wie es ursprünglich geplant war.“ So wurden 2015 im Durchschnitt 29 Vollkräfte mehr beschäftigt, vornehmlich im patientennahen Bereich, die Zahl der Vollzeitkräfte stieg damit auf 5.566, die Zahl der Mitarbeiter auf 7.764.

Professor Hauke Lang (l.) mit Mitarbeitern im OP - Foto Uniklinik
Spitzenmedizin u.a. im OP – das soll die Mainzer Uniklinik langfristig aus den roten Zahlen führen – Foto: Uniklinik

Immerhin übernahm das Land mit 3,3 Millionen Euro die Tariferhöhungen und Kostensteigerungen, der jährliche Kostenausgleich soll auch für die kommenden Jahre gelten. So bleibt der Klinik aber nichts anderes übrig, als auf höhere Einnahmen zu setzen. So stiegen denn auch 2015 die Erlöse aus Krankenhausleistungen auf knapp 375 Millionen Euro, das waren gut 17 Millionen Euro oder 4,7 Prozent mehr als 2014. Das sei „mehr als beachtlich“, betonte Simon.

Externe Auditoren bescheinigten zudem zahlreichen klinischen Bereichen „eine sehr hohe Qualität der Patientenversorgung und der internen Abläufe und Prozesse.“ Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen sei es gelungen, „den Konsolidierungsprozess erfolgreich fortzusetzen und das wirtschaftliche Ergebnis weiter zu verbessern.“ Dazu wurden Drittmittel in Höhe von rund 50,6 Millionen Euro eingeworben, das waren etwas mehr als 2014 mit 49,6 Millionen Euro.

Und die Spezialisierung der Unikliniken geht weiter: 2015 wurden das Zentrum für Seltene Erkrankungen des Nervensystems, das Mainz Center for Chemical Allergology und das interdisziplinäre Autoimmunzentrum gegründet. Zwei neue Sonderforschungsbereiche mit Mainzer Beteiligung aus den Bereichen Immunologie und Autophagie sowie ein neues DFG-Schwerpunktprogramm zum angeborenen Immunsystem wurden etabliert.

Und seit Oktober 2015 wird in einem Pilotprojekt in verschiedenen Kliniken der Universitätsmedizin Mainz das Patientenidentifikationsarmband erprobt – ein Armband, in dem alle Daten des Patienten während der Dauer seiner Behandlung gespeichert werden.

Info& auf Mainz&: Mehr Infos zur Mainzer Universitätsmedizin findet Ihr auf dieser Internetseite.

 

 

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Peronospora: Ökowinzer fürchten um Ernte – Land erlaubt Hilfsmittel im Versuch

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Die Weinernte der Ökowinzer ist in Gefahr, die Peronospora droht den jungen Trauben den Garaus zu machen. 50 Prozent oder sogar mehr, so hoch schätzen Biowinzer derzeit die drohenden Ernteausfälle durch den Pilz, der gemeinhin falscher Mehltau genannt wird. Abhilfe würde ein einfaches Mittel schaffen: Kalium-Phosphonat. Diese Art Kaliumsalz könnte den Reben helfen und gilt als ökologisch völlig unbedenklich. Trotzdem verbot die EU 2013 den Einsatz im Ökoweinbau. Nun versucht das Land Rheinland-Pfalz einen Ausweg durch die Hintertür – und meldete einen wissenschaftlichen Versuch an.

Weinreben Sven Leiner
Ökoweinberg in der Pfalz – diese Reben sind wunderbar gesund – Foto: gik

„Die Lage ist extrem angespannt, es drohen bundesweit Ernteausfälle“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz: „Das Problem ist der Dauerregen der vergangenen Wochen.“ Falscher Mehltau nämlich mag es feucht und warm, vor allem die Feuchtigkeit war zuletzt reichlich vorhanden. Ergebnis: Die Peronospora blüht.

„Die Situation ist äußerst dramatisch, wir haben starken Befall an den Blättern, Tendenz steigend“, sagt Michael Albrecht, Ökowinzer in Eltville im Rheingau und Vorsitzender von Ecovin im Rheingau und an der Hessischen Bergstraße. „Ich fahre jeden zweiten Tag angsterfüllt in den Weinberg“, sagt Albrecht: „Ich hoffe, dass wir mit 20-30 Prozent Ausfall hinkommen…“ Vielen Kollegen aber drohten Ernteausfälle von bis zu 50 Prozent, das sei absolut existenzbedrohend.

Das Problem dabei: Während konventionell arbeitende Winzer gegen den falschen Mehltau mit chemischen Mitteln vorgehen können, ist das den Biowinzern verwehrt. Als Bekämpfungsmittel steht ihnen nur Kupfer zur Verfügung, der aber wird nur äußerlich auf die Blätter aufgebracht – und durch den Regen eigentlich sofort wieder abgewaschen.

Rebentwicklung
Sich öffnende Rebblüte – Foto: DWI

„Peronospora dringt durch die Spaltöffnung in Blätter und kann auch die Blüten befallen“, erklärt Büscher. Das sei gerade jetzt besonders dramatisch: Die Rebblüte steht vor der Tür, wirft die Blüte dann die schützende Kappe ab, sind die jungen Trauben dem Pilz schutzlos ausgeliefert. „Wenn die befallen sind, ist die Traube für dieses Jahr kaputt, es gibt dann keinen Ertrag“, sagt Büscher.

Das Bizarre dabei: Ein Mittel, das bis 2013 offiziell für den Ökoweinbau zugelassen war, könnte nun die Ernte der Ökowinzer retten – doch der Einsatz von Kalium-Phosphonaten ist strikt verboten. „Schwachsinn“, nennt das Albrecht, denn Kalium-Phosphonate seien „ökologisch völlig unbedenklich und etwa so gefährlich wie Kochsalz.“ Das Mittel wirkt von innen und stärkt die Abwehrkräfte der Pflanze, genau als Stärkungsmittel war es auch bis 2013 zugelassen – dann Verbot die EU den Einsatz im Bioweinbau.

Einen sachlichen Grund gebe es dafür nicht, sagt Albrecht, nur einen politischen: Weil den südlichen Weinbauländern wie Italien und Spanien erheblich höhere Kupfermengen erlaubt sind, fürchteten diese eine Reduzierung der Kupfergrenzwerte, falls Kalium-Phosphonat erlaubt bleibe. „Dass es brenzlig werden kann, wissen wir seit 2014“, sagt Albrecht, „wir haben früh gewarnt, dass wir gegen den Pilz nichts in der Hand haben – passiert ist nichts.“

Stilleben mit Kuhhörnern bei Lotte Pfeffer
Biowein, Kuhhörner, Natur im Weinberg – das ist Biowein beim Ecowinzer – Foto: gik

In Rheinland-Pfalz heißt es, Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) habe sich seit 2014 mehrfach bei der EU für die Wiederzulassung des Mittels eingesetzt – immer vergeblich. „Die südeuropäischen Staaten sind nicht bereit, unseren Vorstoß zu unterstützten, das Mittel weider zuzulassen“, sagte der neue rheinland-pfälzische Weinbauminister Volker Wissing (FDP) am Donnerstag Mainz&.

Deshalb versucht es das Land nun durch die Hintertür: Ein „wissenschaftlicher Versuch“ soll den Weg ebnen, Kalium-Phosphonat doch noch einsetzen zu dürfen. So erlaubte das Land Mitte Juni bereits seinem Staatsweingut in Bad Kreuznach die Verwendung des Mittels und öffnete diesen Versuch am Dienstag für alle Ökowinzer in Rheinland-Pfalz. Das Experiment wurde bei der EU angemeldet in der Hoffnung, die Kommission drückt für dieses Jahr ein Auge zu.

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Wo der Klatschmohn zwischen den Reben wächst, da sind Biowinzer aktiv – Foto: DWI

Doch das Risiko ist weiter hoch: Stimmt die EU nicht zu, verlieren die Betriebe, die Kalium-Phosphonate eingestezt haben, ihre Öko-Lizenz – mindestens für dieses Jahr und mindestens für die Flächen, auf denen es eingesetzt wurde. Kommt es ganz dicke, ist die Zertifizierung für Ökoweinbau ganz weg – und die Betriebe müssen die dreijährige Umstellungsphase wieder von neuem beginnen. Viele Betriebe würden das wohl nicht überleben. Stimmt die EU zu, wäre nur die Ernte 2016 nicht ökologisch verkaufbar, aber immerhin gerettet.

Dass die EU zustimme, sei noch ungewiss, ein Erfolg könne nicht garantiert werden, räumte Wissing auch ein. Jeder Betrieb müsse deshalb selbst entscheiden, ob er an dem Versuch teilnehmen wolle. „Aber wir können den Betrieben wenigstens die Chance geben, die Ernte zu retten“, sagte Wissing, „es gibt zumindest die Hoffnung, dass der Biostatus nicht verloren geht.“

Winzer Albrecht reicht das nicht: „Wir bräuchten eine Notfallverordnung oder eine sofortige und vor allem sanktionslose Ausnahmegenehmigung“, fordert er, die Politik müsse sich gegen die EU durchsetzen und notfalls einen Alleingang wagen. „Es kommt jetzt drauf an, ob die Politik einen A… in der Hose hat“, schimpft er, „ob man sagt, unsere Winzer sind uns etwas Wert.“

Winzer Albrecht im Weinberg - Foto Weingut Hirt-Albrecht
Ökowinzer Michael Albrecht in seinem Weinberg bei Eltville – Foto: Weingut Hirth-Albrecht

Doch so einfach sei das nicht, sagt Wissing: „Wir können nicht einfach das EU-Recht ändern“, sagte der Minister Mainz&, eine Freigabe „wäre die Aufforderung zum Rechtsbruch“ und könnte Strafzahlungen für Deutschland bedeuten – und sogar die Rückzahlungen der EU-Subventionen für Bioweinbau für drei volle Jahre.

Und dann ist da noch die Frage der Märkte: Können die Ökowinzer ihre Tropfen nicht mehr als bio verkaufen, droht ihnen der Verlust der Kunden – und ihrer Marktanteile. Denn Bio ist gefragt wie nie, die Verbraucher schätzen die meist hohe Qualität der Weine. Nicht umsonst setzen Spitzenwinzer des VDP seit Jahren bereits auf die biologische Schiene – die Weine werden komplexer, hochwertiger, spannender. Freuen würden sich die Südländer: „Je weniger wir produzieren, umso mehr können die verkaufen“, sagte Wissing noch, „und das können wir nicht wollen.“

Info& auf Mainz&: Die Pressemitteilung des Landes zum Versuch mit Kalium-Phosphonaten findet Ihr hier im Internet. Ecovin, den Verband der Ökowinzer, findet Ihr hier, das Weingut Hirth-Albrecht in Eltville genau hier.

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Gutenberg-Museum: Es wird ein Bücherturm – BI kritisiert Auftragsvergabe

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Es ist der Turm: Das Gutenberg-Museum in Mainz bekommt tatsächlich einen Bücherturm als Erweiterung. Die Stadt Mainz vergab am Dienstag den Auftrag zu Planung und Bau an das Hamburger Büro DFZ. Museumsdirektorin Annette Ludwig sprach von einem „Wendepunkt und Durchbruch“ in einer langen Entwicklung. Das Gutenberg-Museum der Zukunft könne nun endlich Wirklichkeit werden. Allerdings gibt es schon wieder einen Haken: Aus dem Budget von 5,1 Millionen Euro muss mit als erstes auch der Schell-Bau ertüchtigt werden. Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum kritisierte unterdessen die Vergabe: Der Stadtrat hätte entscheiden müssen, forderte sie.

Bücherturm Gutenberg Museum Perspektive Sommer - DFZ Architekten
Ein Bücherturm wird tatsächlich künftig als Erweiterungsbau das Gutenberg-Museum ergänzen – Perspektive by DFZ Architekten

Damit wird neben dem Gutenberg-Museum auf dem heutigen Liebfrauenplatz tatsächlich als Erweiterungsbau ein 22 Meter hoher, angeschrägter Turm mit einer Fassade aus Sandstein und einer Hülle aus durchbrochener Bronze entstehen. „Wir freuen uns sehr“, sagte Stephen Kausch, Geschäftsführer von DFZ, „wir fühlen uns sehr geehrt, dass wir hier tätig sein dürfen.“ Der Bücherturm werde übrigens „in seinen Dimensionen überschätzt“, sagte er noch – tatsächlich zeigen neue Bilder und Pläne deutlich genauer die Dimensionen des Turms auf, der den Platz keineswegs zustellen soll. Das Gutenberg-Museum sei „ein sehr komplexes Bauvorhaben“, sagte Kausch noch, „die Arbeit geht jetzt erst richtig los.“

Spatenstich frühestens 2017

In der Tat: Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) machte klar, einen Spatenstich für das Projekt wird es frühestens Ende 2017 geben. Das Architekturbüro müsse nun erst einmal die Pläne und Unterlagen für die Leistungsphasen 1 bis 5 erstellen, sagte Grosse: Es gehe los mit einer Grundlagenermittlung und mit Vorplanungen, das werde bis zum Herbst geschehen. „Dann wollen wir damit an die Öffentlichkeit gehen“, sagte Grosse, denn das seien dann die konkreten Pläne.

Nutzungsvarianten Bücherturm neues Gutenberg Museum DFZ architekten
Nutzungsvarianten des neuen Bücherturms am Gutenberg-Museum – by DFZ Architekten

Bis zum Herbst soll auch eine Baukommission eingerichtet werden, daran schließe sich dann eine Entwurfsplanung an – und dann könne man „auch sagen, welche Kosten überschlägig entstehen können.“ Von 3,4 Millionen Euro Brutto-Baukosten sprach die Dezernentin, das fixe Budget, das zur Verfügung steht, beträgt 5,1 Millionen Euro – und bisher keinen Cent mehr. Doch von diesem Geld muss offenbar auch der Schell-Bau umgebaut werden – der Brandschutz ist so drängend geworden, dass der Umbau nicht warten kann. Der Brandschutz lasse „einen sofortigen Umbau notwendig erscheinen“, sagte denn auch Architekt Kausch.

Vorplanung soll zeigen, „worauf wir verzichten können“

In der Vorplanung entscheide sich, womit beim Umbau begonnen werde, sagte Grosse weiter – und man werde sehen, „worauf wir verzichten können.“ 2017 sollen dann Genehmigungsplanung und Bauantrag erfolgen. „Wenn wir richtig schnell sind, können wir Ende 2017 den Spatenstich vollziehen“, sagte Grosse. Der gesamte Umbau des Gutenberg-Museums zu einem neuen Museumsquartier aber wird sich noch Jahre hinziehen.

Zugleich machte die Dezernentin klar: Der Turm an sich werde gebaut, aber wie er im Inneren gestaltet werde, welche Elemente er enthalten könne – das entscheide sich anhand des Budgets. Mit dem Bücherturm solle ein „Aha-Effekt“ erzielt werden – die Stadt spricht von einem Zeichen, das das Museum sichtbar machen soll.

Ebling: „Meilenstein für die Zukunft“

Überhaupt wurde am Dienstag bei der Auftragsvergabe viel geschwärmt: „Wir haben hier einen Schatz wie keine andere Stadt, den wollen wir auch zeigen“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Binnen dreieinhalb Jahren seien aus Visionen „wirklich ganz konkrete Schritte“ geworden, „ich bin darüber sehr froh und auch sehr stolz“, betonte er, und sprach von einem „Meilenstein für die Zukunft“.

Lageplan Bücherturm neues Gutenberg Museum DFZ Architekten
Konkreter Lageplan für den Bücherturm am Gutenberg-Museum – by DFZ Architekten

Das Gutenberg-Museum hütet in der Tat eine ganze Reihe von Schätzen: Sammlungen, seltene Bücher, die Geschichte der Druckkunst und nicht zuletzt natürlich die Bibeln, die einst Johannes Gutenberg, Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, druckte. Doch das „Weltmuseum der Druckkunst“ ist schwer angestaubt, seine Gebäude in die Jahre gekommen – der sogenannte „Schell-Bau“, das Haupthaus des Gutenberg-Museums ist so marode, dass Experten sogar von einer drohenden Schließung sprechen.

Entwürfe als menschenfeindlich empfunden

Im Februar hatte die Stadt die Ergebnisse eines Architektenwettbewerbs vorgestellt, die Entwürfe sahen zum einen einen Erweiterungsbau auf dem Liebfrauenplatz, aber auch Konzepte für einen Gesamtumbau des Museums insgesamt vor. Da die Stadt kein Geld hat, sollen die einzelnen Stadien des Umbaus nach und nach realisiert werden, so wie eben Geld da ist. Für die erste Umbauphase stehen 5,1 Millionen Euro zur Verfügung.

Für heftige Diskussionen sorgten unterdessen die Entwürfe für den Erweiterungsbau: Bücherturm, Setzkasten und Gebäuderiegel wurden von den Mainzer heftig kritisiert und von vielen mit Kopfschütteln gesehen. Von menschenfeindlicher, kalter, dominanter Architektur war die Rede – was Ihr in diesem Mainz&-Artikel nachlesen könnt. Die Bürgerinitiative kritisierte, die modernen Entwürfe ignorierten die historische Umgebung, ausgerechnet direkt neben dem Mainzer Dom.

Modell neues Gutenberg Museum mit Bücherturm DFZ Architekten
Neues Foto des Modells soll die Dimensionen des Bücherturms im Vergleich zum Dom zeigen – Foto: Stadt Mainz

Ebling: Debatten haben uns gut getan

Ebling sprach denn auch am Dienstag die heftigen Diskussionen an: Es hat intensive Diskussionen gegeben, das hat uns gut getan“, sagte der OB, „das ist ein Stück lebendige Bürgergesellschaft und ein Gewinn an sich.“ Er könne sich nicht erinnern, dass eine Diskussion über Architektur und Stadtkultur so viele Menschen interessiert und befeuert habe. „Was mit diesem Museum passiert, hat ins Herz der Mainzer getroffen“, sagte Ebling.

Allerdings lud die Stadt ihre Bürger nie zu einer größeren Diskussionrunde oder gar einem Bürgerabend. Stattdessen organisierte das Gutenberg-Museum selbst eine Ausstellung der Siegerentwürfe, in zahlreichen Führungen stellten sich die Mitglieder der Architektenjury sowie Museumsdirektorin Ludwig selbst den Fragen der Besucher. Mehr als 5.000 Mainzer informierten sich so über die Umbaupläne.

Ludwig: Leuchtturm der Kultur, Museum als urbaner Raum

Ludwig selbst sprach am Dienstag von einer „beglückenden Stunde“, einem „Wendepunkt und dem Durchbruch einer langen Entwicklung.“ 54 Jahre nach der Erstausstattung des Ausstellungsgebäudes bestehe „akuter Handlungsbedarf“. Mit dem neuen Bau entstehe „ein neues, lebendiges Zeichen“ in der Stadt, das Ausdruck der öffentlichen Bedeutung des Museums für Mainz und für die Welt sein werde, „ein Fix- und Höhepunkt“, ein „Leuchtturm“ der Kultur – und dies auch im übertragenen Sinne.

Funktionsaufteilung neues Gutenberg Museum DFZ Architekten
Gutenberg-Museums mit Bücherturm und erneuertem und vergrößertem Schell-Bau – by DFZ Architekten

Der Umbau soll übrigens die Gebäudestruktur auflockern und zwischen den einzelnen Museumsteilen Gassen schaffen. Ludwig schwärmte deshalb, es entstehe nun „ein Gutenberg-Quartier, eine Stadt in der Stadt“. Die Gassenstruktur“ lasse „den urbanen Raum durch das Museum fließen und ermöglicht den Besuchern Zugang zu allen Bereichen, die ihn gerade interessieren“, sagte sie – also eine Gliederung in die Bereiche Dauer- oder Wechselausstellung, Werkstatt, Museumspädagogik, Bibliothek, Shop oder Café.

Durch dieses räumliche Konzept entstehe „eine Dynamik, die das pulsierende Leben in diesem Haus adäquat widerspiegelt“, betonte Ludwig, und verwies darauf, dass das Museum pro Jahr immerhin mehr als 126.000 Besucher hat. Zentral wichtig sei aber nicht nur der Erweiterungsbau, sondern die neue innere Logik, denn die schaffe die Grundlage, das neue Museumskonzept „endlich einmal angemessen zu präsentieren“.

Schließlich befinde sich das Museum derzeit in einem spannenden Transformationsprozess: Es sei auch Lernort mit Bildungsauftrag, „eine Kommunikationsplattform, die sich ihrem Umfeld dialogisch öffnet und – das ist mir besonders wichtig – es verkörpert eine Haltung.“

Reichow: Turm möge Weitblick bringen

Standort Bücherturm Gutenberg-Museum Liebfrauenplatz
Genau hier soll künftig der Bücherturm neben dem Gutenberg-Museum stehen – Foto: gik

Das Museum verdiene einfach „noch viel mehr Aufmerksamkeit, als es heute hat“, sagte einer, der mitgeholfen hatte, neue Aufmerksamkeit für das Museum zu wecken: Kabarettist Lars Reichow hatte sich für einen Museumsneubau stark gemacht und war auch am Dienstag zur Auftragsvergabe gekommen.Der neue Turm habe „eine unglaubliche Symbolkraft“ und sei „eine wichtige Orientierung“, schwärmte Reichow – etwa für die Fluggäste, die beim Einschweben über dem Dom endlich in Mainz etwas sähen, was sie wieder in die Domstadt ziehen könne.

„Ein Signal Richtung Himmel, das passt immer gut in Mainz“, meinte der Kabarettist und Publizist, und empfahl: „Ich würde oben eine Bibel reinlegen, die den Segen einholt – es muss ja nicht ein Original sein.“ Und bis der Bücherturm stehe, könne man doch solange an der Stelle einen Spendeturm errichten, schlug Reichow vor – in dem könnten sich alle Banken der Stadt und auch alle Bürger verewigen. „Wir haben ein paar Bürger in der Stadt, die noch mehr tun könnten“, fand Reichow, „möge der Turm den Weitblick bringen, der manchen in der Stadt noch immer fehlt.“

Reichow fordert Unabhängigkeit des Museums von der Stadt

Auftragsvergabe Gutenberg-Museum Bücherturm
Akteure der Auftragsvergabe fürs neue Gutenberg-Museum: Direktorin Annette Ludwig, Kabarettist Lars Reichow, OB Ebling, Marianne Grosse und Architekt Kausch – Foto: gik

Denn Mainz, klagte Reichow mit Augenzwinkern, habe doch viel an Bedeutung verloren im Rhein-Main-Gebiet, ein großes Gutenberg-Museum könne diese Bedeutung zurückholen. Dafür aber, forderte Reichow, brauche das Museum mehr Geld, mehr Personal – und Direktorin Ludwig mehr Unabhängigkeit. „Dass es sich um ein Amt der Stadt handelt, halte ich für eine unbefriedigende Situation“, sagte Reichow offen. Und prompt raunte Ebling danach, das sei der einzige Text zur Veranstaltung, „der nicht abgesprochen war.“

BI kritisiert Vergabe: Hätte Stadtrat entscheiden müssen

Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum kritisierte unterdessen die Art und Weise der Vergabe: Wieso werde ein solches Großprojekt von bundesweiter Bedeutung nur in einem Wirtschaftsausschuss und nicht im Stadtrat beschlossen, fragte sie in einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Ebling – und warum werde eine solche Abstimmung „unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgenommen?“ Warum auch stimme eine Opposition hinter den Türen des Ausschusses zu, die öffentlich einen ganz anderen Standpunkt vertrete?

Die BI hatte zuvor auch gefordert, die Stadtverwaltung müsse erst ein schlüssiges Finanzierungskonzept inklusive der Einwerbung von deutschen und europäischen Fördermitteln erstellen, erst dann könne „der Stadtrat die Entscheidung fällen, welche bauliche Alternative die richtige und insgesamt bezahlbare ist.“ Hier aber habe die Stadt „sogar gänzlich auf die Ermittlung der Projektkosten im Vorfeld verzichtet“, kritisierte BI-Sprecher Thomas Mann. Und nun sollten nach dem Schaffen von Fakten „kritische Bürger überredet werden, das gut zu finden, was ihnen eigentlich nicht gefällt, und dabei vergessen, dass vorher ihre Meinung nicht gefragt war.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Projekt neues Gutenberg-Museum findet Ihr auf der Internetseite der Stadt Mainz unter „Museum der Zukunft“, darunter auch sämtliche Unterlagen zum Architektenwettbewerb sowie zum Museumskonzept – und die neuesten Fotos und Pläne zum Bücherturm. Unsere Vorstellung der Entwürfe findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel. Die Kritik an den Entwürfen haben wir unter anderem in den Artikeln „Fragt die Mainzer!“ und „Debatte geht weiter“ zusammengefasst. Und um die Finanzierung geht es unter anderem hier

 

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Römerpassage lädt am 9. Juli zu Sommerfest mit Römerspielen

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Mainz kommt an diesem Wochenende aus dem Feiern gar nicht heraus – am Samstag lädt auch noch die Römerpassage zu ihrem Sommerfest. Unter dem Motto „Circus Maximus“ dreht sich zum zweiten Mal alles um das Thema Römer – passend natürlich zu den Fundamenten, auf denen die Passage steht: Im Untergeschoss des Einkaufstempels steht schließlich der Isis Tempel, Reste des antiken römischen Heiligtums zu Ehren der Göttinnen Isis und Magna Mater.

Banner RömerpassageUnd so können sich die Besucher mit Cäsar persönlich fotografieren lassen, römische Stelzendamen bestaunen oder an den verschiedenen Spielstationen an den Römerspielen teilnehmen, die sich auf einer Route vom Neubrunnenplatz bis zum Theater verteilen. Da könnt Ihr etwa das brennende Rom retten, auf Gold-Talersuche oder Wildschweinjagd gehen, Hannibals Alpenritt nachvollziehen oder „Hau den Nero“ spielen.

Ein Römermarkt zieht sich rund um die Passage, innen bieten viele der Geschäfte besondere Festtags-Überraschungen, wie etwa Sektempfang oder Rabattaktionen an. Und Ihr solltet unbedingt einen Abstecher ins Untergschoss machen: Die Taberna Academica im Erdgeschoss führt zu dem wunderbaren Showroom unter der Passage, in der Ihr den antiken Isistempel samt seiner Geschichte in einer besonders tollen Präsentation erleben könnt. Schließlich war hier einmal der Tempelbezirk des römischen Mogontiacum – und noch heute könnt Ihr antike Statuen und Fluchtäfelchen dort bewundern.

Isis Tempel Präsentation Raum
Isis Tempel im Untergeschoss der Römerpassage – Foto: gik

Auf der Open-Air-Bühne am Philipp-von-Zabern-Platz gibt es Kinder-Breakdance-Performanc und Livemusik mit Cris Cosmo, Schön Mucke Schön, Heliosphere oder Los Mezcaleros – das übrigens in Zusammenarbeit mit der Musik-Agentur Musikmaschine. Gegen 21.45 Uhr verzaubert zum Abschluss eine Feuerakrobatik-Show als besonderes Highlight.

Info& auf Mainz&: Samstag, 09.07.2016 Circus Maximus – Sommerfest und Römerspiele in und um die Römerpassage in Mainz. Spielstationen von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr, Bühnen- und Rahmenprogramm von 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr, Feuerakrobatik-Show um 21.45 Uhr. Mehr Infos zum Programm gibt es leider nur bei Facebook, aber dort auf dieser Seite. Die Römerpassage im Internet findet Ihr hier.

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Mainz feiert am Freitag 200 Jahre Rheinhessen – Festakt und Bürgerfest

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Das ist mal ein besonderes Jubiläum: Mainz feiert am Freitag einmal nicht primär sich, sondern die Region, zu der zu gehören man sich erst langsam besinnt. 200 Jahre Rheinhessen heißt es am Freitag – am 8. Juli ist es genau 200 Jahre her, dass die Region der Reben und Tausend Hügel zu einer Verwaltungsregion ausgerufen wurde. Und die Great Wine Capital Mainz feiert das gebührend: Mit einem Festakt im Staatstheater, vor allem aber mit einem großen Bürgerfest in der Innenstadt. Von 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr heißt es rund ums Staatstheater Feier frei mit Wein, Livemusik, Weinproben und Stadtrundgängen.

fotografiert in der Umgebung von Alzey-Weinheim
Land der tausened Hühel und Weinberge: Rheinhessen bei Alzey-Weinheim – Foto: Rheinhessenwein

Es ist die Weinregion Nummer eins, das Land der tausend Hügel und noch mehr Weinberge, aber auch das Land von Genuss, französischer Lebensart, Toleranz und Völkervielfalt: Rheinhessen gehört zu den ältesten Kulturregionen Deutschlands. Es war genau am 8. Juli 1816, als in Mainz im Erthaler Hof das Gebilde „Rheinhessen“ ins Leben gerufen wurde. Ein Jahr zuvor hatten die Siegermächte auf dem Wiener Kongress die europäische Landschaft nach dem Sieg über Napoleon Bonaparte neu geordnet.

Das galt ganz besonders auch für die Rheinprovinzen, schließlich waren vor allem die linksrheinischen Gebiete von den Franzosen besetzt worden – das Départment du Mont-Tonnerre war von 1798 bis 1814 französische Provinz. Auf dem Wiener Kongress wurde das Department Donnersberg dem Großherzog von Hessen zugesprochen, als Ausgleich für das Herzogtum Westfalen, das die Hessen an Preußen abtreten mussten.

Und so kommt das Kuriosum zustande, dass eine der ältesten Kulturregionen Deutschlands in diesem Jahr ihren 200. Geburtstag feiert. Entlang des Rheins siedelten schließlich schon von alters her die Kelten, die Römer errichteten 9 vor Christus mit Mogontiacum eine ihrer wichtigsten Festungen am Rhein. Jahrhundertelang war die Region zwischen Mainz, Worms, Bingen und Alzey Aufmarschgebiet von Feldherren und Durchzugsgebiet wandernder Völker. Römer, Franken, Franzosen, Schweden und Preußen – welcher Krieg auch immer gerade herrschte, in Rheinhessen standen Heere und Söldner, wurde besetzt, erobert und nicht selten auch verwüstet.

Römische Narrencohorte - Foto: gik
Römer, Fastnacht, Bütt – die Schnorreswackler brachten das auf die Bühne – Foto: gik

So wurde die Region zwar einerseits zum Schmelztiegel der Völker, die ständigen Bedrohungen hinterließen aber auch Spuren: Bis heute sind rheinhessische Dörfer eher abweisend, stehen die Hoftore nicht so selbstverständlich offen, wie etwa in der Pfalz. Dazu kommt eine Mentalität, die ihr Licht eher unter den Scheffel stellt, als Erfolge selbstbewusst zu Markte zu tragen – Rheinhessen ist bescheiden, zu bescheiden oft.

Dabei ist die Region zwischen Bingen, Alzey, Worms und Mainz ein Land großer Innovationen und starker Wirtschaft, hier sitzt mit Boehringer Ingelheim einer der größten Pharmakonzerne Deutschlands und mit der Universität Mainz eine der fünfzehn besten Hochschulen des Landes. Der Landkreis Mainz-Bingen ist einer der reichsten, wenn nicht gar der reichste der Republik, in Rheinhessen werden Windräder gebaut (Juwi) und Wohnmobile (in Sprendlingen) – und Glasprodukte erfunden, die Küchentechnik revolutionierten und bis in den Weltraum reisen (Schott).

Vor allem aber sind es die Winzer, die in den vergangenen Jahren langsam, aber stetig einen Imagewechsel der Region herbei führen: Bis vor zehn Jahren war Rheinhessen vor allem das Land der Fasswein-Weine, Massenprodukten mit vergleichsweise wenig Qualität. Das hat sich gründlich geändert: Zwar ist Rheinhessen mit rund 26.5000 Hektar bestockten Weinbergen noch immer das größte Weinbau treibende Bundesland in Deutschland, werden hier fast zwei Drittel der deutschen Weine produziert.

Foto Brüder Braunewell mit Hängematte - Foto Weingut Braunewell
Neue Coolness, geile Weine – junge rheinhessische Winzer wie die Brüder Braunewell mischen die Weinszene auf – Foto: Braunewell

Doch inzwischen schaut die ganze Weinbauszene nach Rheinhessen, denn vor allem die jungen Winzer haben eine wahre Revolution eingeläutet – auf den Schultern von Qualitätspionieren. Heute gehören die jungen Winzer Rheinhessens zu den innovativsten in Deutschland, ihre Weine heimsen weltweit Preise ein – und die rheinhessischen Weine gehören zu den mineralisch-feinsten, hochwertigsten und vielfältigsten weltweit. Und das sagen nicht wir: Junge Winzer mit dem Namen Lisa Bunn, Mirjam Schneider, Braunewell, Dreissigacker, Huff, Pfannebecker, Schätzel, Thörle…. werden inzwischen in Weingazetten bis nach Frankreich und New York hoch gelobt und schwer bestaunt. „Die Rheinhessen sind meine Vorbilder“, sagte jüngst ein Jungwinzer zu uns – und der saß am Kaiserstuhl, einer der besten Weinregionen Deutschlands und Europas.

Das Jubiläum 200 Jahre Rheinhessen soll denn auch nicht nur die Region bundesweit mehr in den Fokus rücken, sondern auch nach innen wirken: Rheinhessen brauche mehr Selbstbewusstsein und mehr Bewusstsein für die eigene Identität, fordert Peter Eckes, Chef des Rheinhessen-Marketings, das sei nämlich „noch nicht so entwickelt, wie wir uns das wünschen.“ Rheinhessen brauche Visionen für seine Zukunft – und auch die eigene Bevölkerung müsse noch stolzer darauf werden, in welch schöner, kreativer und lebenswerter Region man lebe.

Denn schließlich sind in den vergangenen Jahren viele Menschen aus der Rhein-Main-Region nach Mainz und Rheinhessen gezogen – die Identifikation mit der Region selbst aber fällt noch schwer. Denn was ist eigentlich typisch rheinhessisch? Nun, wir haben das für uns mal so definiert: Eigensinnige Querköpfe mit hoher Kreativität und noch höherem Genusssinn, der mit Sicherheit von den Franzosen beeinflusst wurde. Eine bodenständige Weltläufigkeit, die gelassen (auf-)nimmt, was immer da gerade vorbei kommt – und genau weiß: Wir sind immer noch hier. Entlang des Rheins. Die Völkermühle Europas von Carl Zuckmayer.

Jugendmaskenzug 2016: Diese innovativen Rheinhessen mit ihren Windrädern!  - Foto: gik
Jugendmaskenzug 2016: Diese innovativen Rheinhessen mit ihren Windrädern! – Foto: gik

Und eine Region, in der das freie Wort und die Demokratie immer eine große Rolle spielten – nicht umsonst wurde mit der Mainzer Republik 1792 in Mainz die erste demokratische Republik auf deutschem Boden ausgerufen. Sie währte nur wenige Monate, aber sie hinterließ einen Durst nach Freiheit und eine innere Unabhängigkeit gegen die Obrigkeit, die auch zum Erstarken der Fastnacht führte: Die freie Rede, mit der man der Obrigkeit die Leviten las und Volkes Stimme laut kund tat, sie ist bis heute die Keimzelle der politisch-literarischen Fastnacht, für die Mainz in aller Welt berühmt ist.

Literaten, Buchdruck-Erfinder, Kabarettisten und Fastnachter – sie stehen in derselben Tradition und prägen bis heute die Rheinhessen-Hauptstadt Mainz. Und wer jetzt auf Alzey verweist, der heimlichen Hauptstadt Rheinhessens, nun, die kleine Weinstadt in Rheinhessen ist die Heimat von Volker von Alzey, Minnesänger und Kämpfer im Nibelungenlied.. Und damit wären wir beim Meister Heinrich Frauenlob… Und des Teufels General… und Anne Seghers… und dem Mainzer Unterhaus.

Wunderschöne Bilder auf der LU am Staatstheater - Foto: gik
Party rund ums Staatstheater in Mainz gibt’s am Freitag zum 200. Geburtstag Rheinhessens – Foto: gik

Es ist denn auch ein Kabarettist, der am Freitag durch den großen Festakt zum 200. Bestehen Rheinhessens führt: Lars Reichow wird die Veranstaltung im Staatstheater moderieren, bei der unter anderem Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) persönlich gratuliert. Ansonsten aber wird am Freitag vor allem gefeiert: Von 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr steigt rund um Staatstheater und Dom ein großes Bürgerfest.

Jaminfive, Urban Fox, Jules n’Art, Jay Schreiber , Gretchens Pudel und TheVibes sorgen auf dem Leichhof für den musikalischen Schwung, diverse Führungen zeigen ein Stück Rheinhessen in Mainz, und an neun Pavillons rund um den Dom präsentieren sich rheinhessische Winzer – und die Gewinner der Best ofGreatWineCapitalAwards. Die haben auch raffinierte rheinhessische Köstlichkeiten für den Teller im Gepäck.

Besondere Höhepunkte sind die FrühSchoppen, DämmerSchoppen und SpätSchoppen – drei Themenweinproben, moderiert von Zauberkünstler Oliver de Luca und jeweils einer rheinhessischen Weinmajestät. Fünf ausgesuchte rheinhessische Weine der mit dem Best Of-Award von Great Wine Capitals ausgezeichneten Weingüter gilt es dabei auf dem Leichhof zu probieren. Die Teilnahme pro Themenweinprobe und Person beträgt 15,- Euro, Tickets gibt’s beim Tourist Center im Brückenturm.

Info& auf Mainz&: Freitag, 8. Juli, Geburtstag 200 Jahre Rheinhessen. Der Festakt von 11.00 Uhr bis 13.00 Uhr im Staatstheater Mainz ist leider nur für geladene Gäste. Aber zwischen 11.00 Uhr und 23.00 Uhr Bürgerfest rund um Staatstheater und Dom in der Mainzer Innenstadt. Mehr Infos und das genaue Programm findet Ihr unter www.mainz.de.

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