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Start 2016 September

Monatsarchive: September 2016

Lärmobergrenze: Al-Wazir will Lärm in Frankfurt für Zukunft deckeln – Leiser wird es nicht

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Da startet wieder einer… – Foto: gik

Lange hat die Region drauf gewartet, nun stellte der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) es endlich vor: Um den Frankfurter Flughafen soll es nun tatsächlich eine Lärmobergrenze geben. Erstmals setzt eine hessische Landesregierung an, dem Flughafen eine Grenze in seiner Entwicklung aufzuzeigen – ein Paradigmenwechsel in sich. Der Haken dabei: Leiser wird es für die Region nicht werden, der Flughafen kann den Verkehr sogar noch leicht steigern. Entsprechend harsch fällt die Kritik aus – von allen Seiten. Die Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) sieht aber „mehr Licht als Schatten.“

Flugzeugturbine mit Himmel
Wie kann man den Lärm aus den Fliegern begrenzen? – Foto: gik

Und so sieht das Lärmobergrenzen-Modell Al-Wazirs aus: Um den Flughafen herum wird eine Fläche rechnerisch festgelegt, in der ein maximaler Dauerschallpegel von 55 Dezibel herrschen darf. Diese Berechnung und die Fläche sind nicht neu: Schon der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens arbeitete mit solchen Dezibel-Flächeberechnungen sowie der Schallgrenze von 55 Dezibel. Der Planfeststellungsbeschluss genehmigte am Ende eine Ausdehnung von 29.994 Hektar Fläche um den Flughafen herum, und genau das will Al-Wazir nun ändern.

Fläche mit einem Dauerschallpegel von 55 Dezibel wird begrenzt

Mit der Lärmobergrenze soll die Fläche, in der ein Dauerschallpegel von 55 Dezibel herrschen darf, auf 22.193 Hektar Größe begrenzt werden. Zum Vergleich: 2015 betrug die Fläche bei Zugrundelegung des tatsächlichen Flugbetriebs 18.917 Hektar. Damit bliebe dem Flughafen nur noch ein Spielraum von rund 3.200 Hektar, den der Flugbetrieb sich ausdehnen darf. Damit soll sicher gestellt werden, dass das derzeitige Lärmniveau auf Dauer nicht wesentlich überschritten wird, argumentiert der Minister: „Wir senken damit das Lärmniveau um 1,8 Dezibel“, damit solle „einerseits Entwicklung ermöglicht, aber andererseits Lärm begrenzt“ werden.

Die Argumentation zeigt das Dilemma des Ministers auf: Einerseits hatte Al-Wazir im Wahlkampf eine Lärmobergrenze und eine Reduzierung des Fluglärms versprochen, andererseits aber sichert der Planfeststellungsbeschluss dem Flughafenbetreiber Fraport eine Entwicklung des Flughafens zu – und der Planfeststellungsbeschluss ist rechtsgültig. Al-Wazir musste also einen rechtssicheren Weg finden, trotzdem eine Lärmobergrenze zu verankern. Gefunden haben will er das nun über die Betriebsgenehmigung des Airports: „Unser Modell sieht vor, über die Betriebsgenehmigung zu gehen, falls es nötig ist“, sagte Al-Wazir.

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Grafik über die Berechnung der L#rmobergrenzen-Region: Die innerste Linie ist der IST-Zustand, die äußerste der erlaubte Ausbauzustand – die Lärmobergrenze ist die Linie in der Mitte – Foto: gik

Anreiz, Flugbewegungen leiser abzuwickeln

Jedes Jahr soll die Lärmausdehnung des Flughafens auf der Grundlage des tatsächlich stattgefundenen Fluglärms berechnet und mit der maximalen Ausdehnung verglichen werden. Wird die Lärmobergrenze überschritten, soll der Flughafen die „gelbe Karte“ gezeigt bekommen – er würde verpflichtet, Lärmreduzierungsmaßnahmen umzusetzen. Würde die Lärmobergrenze zwei Jahre hintereinander überschritten, würde die Zahl der Flugbewegungen so lange eingefroren, bis der Flughafen Maßnahmen zur Lärmreduzierung ergriffen hat. „Das bedeutet nicht, dass der Flughafen am 21. Dezember geschlossen wird“, betonte Al-Wazir, die Lärmobergrenze setze beim Lärm an, nicht bei der Zahl der Flugbewegungen. Zudem müsse der Flughafen regelmäßig, spätestens alle fünf Jahre, einen Lärmminderungsplan vorlegen.

„Die Funktion einer Lärmobergrenze ist, dass es einen Anreiz geben soll, die Flugbewegungen leiser abzuwickeln“, betonte Al-Wazir. 300.000 Menschen seien schon jetzt stark durch Fluglärm belastet, die Norah-Studie habe nun erstmals wissenschaftlich nachgewiesen, dass es ein erhöhtes Krankheitsrisiko durch Lärm gebe. Damit sei Handlungsbedarf gegeben – und neue Erkenntnisse, die eine Änderung der Ausbaugenehmigung erlaubten. „Unter Vorsorgeaspekten ist ein weiterer, unbegrenzter Anstieg einer Lärmbelastung nicht zu verantworten“, sagte Al-Wazir, „wir stellen mit einer Lärmobergrenze sicher, dass das derzeitige Lärmniveau nicht dauerhaft wesentlich überschritten wird.“

Erstmals Flughafenentwicklung mit Lärmentwicklung verknüpft

Da startet wieder einer… – Foto: gik
Erstmals wird dem Frankfurter Flughafen eine Grenze bei der Ausdehnung gesetzt – Foto: gik

Al-Wazir verwies dabei auch auf die 16 Jahre alte Mediation zum Ausbau des Frankfurter Flughafens: Damals sah der in langen Verhandlungen zwischen Region und Luftverkehrswirtschaft ausgehandelte Kompromiss zum Bau der neuen Nordwestlandebahn eine eben solche Lärmobergrenze verbindlich vor. Umgesetzt wurde sie nie, die Widerstände waren deutlich zu groß. Auch jetzt löste allein die Ankündigung einer Vorstellung der Lärmobergrenze ein Feuerwerk an Mahnungen und Kritik von Seiten der Wirtschaft aus: Der Flughafen dürfe auf keinen Fall in seiner Entwicklung begrenzt, seine Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich nicht eingeschränkt werden – das Mantra des ungebremsten Wachstums prasselte auf den Minister in voller Härte ein.

Der reagierte am Dienstag bewusst gelassen und deutlich: „Wir verankern damit ein neues Prinzip“, sagte Al-Wazir, „zum ersten Mal ist die Entwicklung des Flughafens mit der Frage verknüpft, wie viel Lärm der Flughafen macht.“ Zum ersten Mal setzt damit eine hessische Landesregierung nach Jahren des ungebremsten Ausbaus dem Flughafen eine Wachstumsgrenze – und das mit Wissen und Unterstützung der hessischen CDU. Der hessische CDU-Fraktionschef Michael Boddenberg sprach am Dienstag von einem „wichtigen Schritt in Richtung Lärmentlastung“ und mahnte, die Luftverkehrswirtschaft müsse „im Interesse der Region alles technisch Mögliche und ökonomisch Vertretbare tun, um für eine Fluglärmreduzierung zu sorgen.“

Leiser wird es aber nicht – Linke kritisiert „Placebo“

Der Haken an der Sache: Leiser wird es für die Region dadurch nicht, der Lärmpegel von heute wird de facto fest geschrieben. Der Flughafen kann sogar noch eine leichtere Steigerung umsetzen, sowohl von Flugbewegungen als auch von Fluglärm. Die hessischen Linken sprach deshalb auch von „Augenwischerei und reinem Placebo.“ Da keine Dynamisierung nach unten vorgesehen sei – also keine stetige Senkung der Lärmgrenze –, werde die technische Entwicklung künftig sogar eine Zunahme der Flugbewegungen ermöglichen, die Bevölkerung deshalb nicht profitieren, kritisierte Linksfraktionschefin Janine Wissler.

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Reale Entwicklung der Flugbewegungen in Frankfurt im Vergleich zur Prgnose – Grafik: Hessisches Verkehrsministerium

Wissler kritisierte zudem die Berechnung auf der Grundlage des Dauerschallpegels, der aber ist nun einmal im Bundesemmissionsschutzgesetz so festgelegt. „Das Gesetz sieht nun einmal den Dauerschallpegel vor“, sagte Al-Wazir, „wenn man das ändern will, muss man auf Bundesebene das Gesetz ändern.“ Das nun vorgelegte Modell errechne „eine klare, objektive Grundlage und berücksichtigt nicht subjektive Wahrnehmungen wie etwa durch einen Index.“

Al-Wazir setzt zunächst auf Verhandlungen und droht mit Betriebsänderung

Die hessische SPD kritisierte derweil, das Modell sei „weder rechtssicher noch planbar, weder für die Menschen noch für die Airlines.“ Al-Wazirs Vorschlag „zielt eindeutig darauf, Zeit zu gewinnen“, sagte SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel, denn eine freiwillige Vereinbarung könne das nicht sein. „Die Ankündigung im Falle eines Scheiterns der freiwilligen Vereinbarung die Betriebsgenehmigung zu ändern, ist eine untaugliche Drohung“, fügte er hinzu.

Tatsächlich kündigte Al-Wazir an, er werde nun erst einmal der Luftverkehrswirtschaft Verhandlungen über eine Obergrenze anbieten. „Ich meine das ausdrücklich ernst“, betonte er. Erst wenn eine gemeinsame Lösung scheitere, werde er den Weg ü+ber die Betriebsgenehmigung gehen. Das kam bei den Vertretern auf der Wirtschaft auf der Pressekonferenz auch gar nicht schlecht an: Man habe schließlich selbst eine freiwillige gemeinsame Lösung gefordert, sagte ein Vertreter des Verbandes hessischer Unternehmer, das Angebot des Ministers sei positiv.

Flughafen Gewirr Maschinen Vorfeld - Foto Fraport
Ungebremstes Wchstum – das hätte die Wirtschaft gerne – Foto: Fraport

Wirtschaft schäumt über „Tabubruch“

In der anschließenden Sitzung der Fluglärmkommission klang das offenbar aber anders: Teilnehmer berichteten nachher, die Luftverkehrswirtschaft gehe auf die Barrikaden und werfe Al-Wazir „Tabubruch“ und „Vertrauensbruch“ vor. Gleichzeitig lehnte der Bundesverband der Luftverkehrswirtschaft die Lärmobergrenze „grundsätzlich“ ab und warf dem Minister vor, „der Investitionssicherheit am Standort Deutschland einen schwarzen Tag und eine düstere Zukunft zu bescheren.“ Statt „Wettbewerbsverzerrung“ und Bedrohungen werbe man „für gemeinsame Wege zu einer weiteren Reduktion des Fluglärms“, und das vor allem durch neue Technik und Erneuerung der Flugzeugflotten.

Der Sinn einer Lärmobergrenze, sagte Al-Wazir dazu auf der Pressekonferenz, sei genau dieser: „Dass sie nie erreicht wird, sondern von Anfang an einen Anreiz für die Luftverkehrswirtschaft setzt, Flugbewegungen leiser abzuwickeln und diese Grenze nie zu erreichen.“ Deutlich härter dürfte hingegen die Auseinandersetzung mit der Fraport werden: Der Flughafenbetreiber hatte bereits im Vorfeld angekündigt, gegen eine Anordnung klagen zu wollen und pochte am Dienstag erneut auf den Planfeststellungsbeschluss. Das Lärmobergrenzenmodell sei „unserer Sicht nicht akzeptabel“, eine Lärmobergrenze dürfe „die Ausbauziele nicht konterkarieren“, sagte Fraport-Chef Stefan Schulte.

Die langfristige Zahl von bis zu 701.000 Flugbewegungen pro Jahr dürfe nicht in Frage gestellt, „der höchstrichterlich bestätigte Planfeststellungsbeschluss als Grundlage für milliardenschwere Investitionen am Flughafen nicht willkürlich angetastet werden“, schimpfte auch der hessische Verband der Unternehmer in seiner offiziellen Mitteilung.

Fluglärmkommission: Wirksames Anreizsystem für Lärmminderung

„Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Landesregierung endlich den jahrelangen politischen Bekenntnissen und Versprechungen Taten“ zu einer Lärmobergrenze folgen lasse, sagte hingegen der Vorsitzende der Fluglärmkommission, der Raunheimer Bürgermeister Thomas Jühe. Durch eine Begrenzung des Lärmanstiegs erlangten nun auch die Anwohner im Flughafenumland „erstmalig Planungssicherheit – ein Privileg, welches bislang nur die Luftverkehrswirtschaft für sich in Anspruch nehmen konnte.“ Gleichzeitig werde „ein wirksames Steuerungs- und Anreizsystem etabliert, um heute bereits technisch mögliche Lärmminderung an der Quelle durch leisere Flugzeuge oder Flugverfahren auch tatsächlich in die Praxis zu überführen.“

Boah ist der wütend! - Foto: gik
Den Anwohnern reicht der Lärm schon lange, hier der wütende Deutsche Michel beim Rosenmontagszug in Mainz – Foto: gik

Das Bündnis der Bürgerinitiativen mochte dagegen nicht von einem „großen Wurf“ sprechen: Ein Absenkung des Lärmniveaus sei nicht vorgesehen, eine freiwillige Einigung „blauäugig“, sagte Sprecher Thomas Scheffler. Auch seien im Mediationsergebnis damals lokale Lärmobergrenzen vorgesehen gewesen, hier werde aber nur ein einheitlicher Lärmdeckel für alle vorgesehen.

Eder: Lärmschutz bekommt eigenes Gewicht – Scharfe Kritik der SPD

Als „unzureichend und halbherzig“ wertete hingegen die rheinland-pfälzische SPD das Modell: „Es ist nicht verständlich, dass Hessen sich weigert, eine klare Obergrenze für erlaubte Flugbewegungen festzulegen“, sagte der Mainzer SPD-Abgeordnete und Neustadt-Ortsvorsteher Johannes Klomann. Die Landesregierung in Wiesbaden „mogelt sich damit um eine Antwort herum auf die zentrale Frage: Wie viele Maschinen können höchstens im Rhein-Main-Gebiet starten und landen, damit der Lärm für die Menschen noch erträglich ist?“, schimpfte er.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) begrüßte hingegen die Lärmobergrenze als „ersten Schritt zur Begrenzung von Lärmzuwächsen.“ Rheinland-Pfalz halte im Übrigen eine bundesgesetzliche Regelung für erforderlich, die insbesondere Lärmobergrenzen einführe, die gesetzliche Nachtruhe festschreibe sowie Luftfahrtbehörden und Flugsicherungsorganisation zu einer Aufwertung des Schutzes vor Fluglärm verpflichte. Die Mainzer Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner (Grüne) betonte, der Frankfurter Flughafen werde damit weltweit der erste Aiport mit rechtlich verbindlichen Lärmobergrenzen sein, das könne Signalwirkung für andere Flughäfen entfalten.

In Mainz hingegen äußerte sich Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) vorsichtig-positiv: „Ich kann verstehen, wenn Leute enttäuscht sind“, sagte sie Mainz&, das Modell werde nicht dazu führen, dass es leiser werde. „Aber es ist ein Signal in die Region hinein, dass der Lärmschutz ein eigenes Gewicht bekommt und dass nicht allein die Wirtschaftlichkeit zählt, betonte Eder. Mit einer Lärmobergrenze werde es nicht so laut werden, wie es hätte werden können und vor allem genehmigt sei. Das sei „ein Signal, dass die Luftverkehrswirtschaft nicht mehr machen kann, was sie will“, betonte Eder: „Das ist ein Richtungswechsel und ein mutiger Schritt.“

Info& auf Mainz&: Die ganze Pressemitteilung des Hessischen Verkehrsministeriums samt Präsentation könnt Ihr hier im Internet nachlesen. Eine Grundlage für die Errechnung der Lärmobergrenze bildeten übrigens Fluglärmkarten des Deutschen Fluglärmdienstes, den Mainz&-Bericht dazu gibt es hier.

 

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Fluglärm: Software LNAS soll Piloten zu leiseren Anflügen steuern – Test in Frankfurt

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Mainzer kennen die Geräusche nur zu gut: Es quietscht, es jault, es dröhnt, denn der Flieger oben gibt noch einmal kräftig Schub, und das Fahrwerk ist auch schon ausgefahren. Die Begleitgeräusche beim Landeanflug gehören zu den nervigsten Geräuschen des Fluglärms über Mainz, nun will dem eine neue Software zu Leibe rücken: LNAS steht für Low Noise Augmentation System, eine neue Assistenzsoftware im Cockpit, die den Piloten exakt den idealen Zeitpunkt zur Nutzung der Landeklappen und zum Ausfahren des Fahrwerks zeigt. Seit Montag wird LNAS am Frankfurter Flughafen getestet, der Termin für die Pressekonferenz dazu war natürlich nicht zufällig gewählt: Am heutigen Dienstag stellt der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sein Konzept für eine Lärmobergrenze in Frankfurt vor.

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Pilot des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im Cockpit des A320-Testfliegers, ganz links auf dem Bildschirm läuft LNAS – Foto: gik

Zum ersten Mal würde damit ein großer Weltairport in Deutschland einen Lärmdeckel erhalten – ein bislang unerhörtes Ansinnen, das der bislang regierenden CDU nie im Leben eingefallen wäre. Doch die Grünen trotzten der CDU die Lärmobergrenze im Koalitionsvertrag ab, mehr als zwei Jahre brauchte Al-Wazir für die Umsetzung. Und schon Tage vor dem Termin reagierten Luftverkehrswirtschaft und Wirtschaft höchst aufgeschreckt: Man überbot sich mit Appellen an die Politik, doch bitte keine strikte Grenze zu erlassen, betonte, viel besser wäre es doch, eine Lärmreduzierung in freiwilliger Kooperation zu suchen – und beteuerte erstmals öffentlich, den Lärm auch wirklich reduzieren zu wollen. Alleine schon die Ankündigung einer Lärmobergrenze setzte also erhebliche Energien in Richtung Lärmminderung frei, „das ist in der Tat so“, bestätigte uns Al-Wazir persönlich.

Am Montag nun wurde eiligst eine Pressekonferenz angesetzt für ein neues System zur Lärmreduzierung, das allerdings tatsächlich bei einem höchst wichtigen Punkt ansetzt: LNAS will die belastenden Störgeräusche beim Landeanflug reduzieren. Entwickelt wurde das System seit Oktober 2015 vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), als Ergebnis aus einer Doktorarbeit übrigens.

Ausgehend von den Daten eines DLR-Testfliegers A320 wurde ein Simulationsmodell eines idealen vertikalen Anflugprofils entwickelt. In der Praxis seien die Piloten „vom Idealverlauf sehr weit entfernt“, erklärte Stefan Levedag, Leiter des DLR-Instituts für Flugsystemtechnik. Die Landung eines Flugzeugs sei nämlich eine ungeheuer komplexe Aufgabe: Das sei, wie wenn man mit einem Auto im Parkhaus runterfahre, „dabei aber ein Loch im Auspuff und laut quietschende Bremsen hat, möglichst wenig bremsen und wenig Gas geben will.“

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Das ideale Profil eines Landeanflugs in Frankfurt und die Abweichungen davon durch die realen Flüge – Grafik: DLR

Einflussfaktoren von außen wie Wetter oder die Ansagen aus dem Tower erschwerten die Aufgabe zusätzlich, in der Praxis sei es deshalb „für den Menschen fast nicht möglich, so ein Profil ideal abzufahren.“ Die Technik soll nun den Menschen dabei unterstützen, Geschwindigkeit, Fahrziel und Störklappen deutlich präziser einzusetzen. Die neue Assistenzsoftware zeigt den Piloten im Cockpit exakt den idealen Zeitpunkt zur Nutzung der Landeklappen und zum Ausfahren des Fahrwerks. Das Ziel ist ein möglichst langer Sinkflug im geräuscharmen Leerlauf, in ein bis zwei Jahren könnte es flächendeckend zum Einsatz kommen.

Das helfe übrigens auch beim Sparen von Sprit, betonte Al-Wazir: „Ökonomie ist an dieser Stelle dann gleich Ökologie.“ Das Land Hessen unterstützte die Entwicklung von LNAS denn auch mit 560.000 Euro, das Geld sei „gut angelegt“, betonte Al-Wazir. Zwar werde durch die neue Technik der Flieger nicht schlagartig komplett leise, ein leiser Anflug aber sei ein wichtiger Baustein bei der Lärmreduzierung. Genau die will der Minister künftig bestrafen, wenn ein gewisses Maß überstiegen wird: Laut Informationen hessischer Medien könnte dann die Erlaubnis zu Start und Landung tatsächlich ausgesetzt werden.

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ATRA, der Testflieger des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, in Frankfurt – Foto: gik

Kein Wunder, dass Flughafen-Betreiber Fraport und Fluglinien ausgesprochen aufgeschreckt reagierten. LNAS unterstreiche „einmal mehr unsere Anstrengungen, aktive Schallschutzmaßnahmen voran zu treiben“, beeilte sich denn auch Fraport-Vorstand Anke Giesen zu betonen. Es sei doch wichtig, gemeinsam Lösungen und „freiwillig wirksame Maßnahmen“ für eine Lärmobergrenze zu finden, unterstrich auch Condor-Chefpilot Dietmar Wolff am Montag ausdrücklich – nur bitte ohne strikte Anordnung der Politik.

Fraport und Wirtschaft argumentieren, der Flughafen dürfe im stark steigenden internationalen Wettbewerb auf keinen Fall in seiner Entwicklung eingeschränkt werden. Tatsächlich aber sind die Flugzahlen in Frankfurt bisher weit unter den Prognosen geblieben, Experten sehen denn auch Spielraum, über den Planfeststellungsbeschluss eine Lärmobergrenze einzuziehen. Al-Wazir entgegnete denn auch dem Condor-Chefpiloten, er freue sich, „ein Plädoyer für die Lärmobergrenze gehört zu haben – wir sehen, bei entsprechender Anstrengung geht vieles, was man vorher für unmöglich hielt.“

LNAS wurde bisher in Flugzeugsimulatoren und an einzelnen kleineren Flughäfen erprobt, seit Montag wird das System nun erstmals drei Tage lang im Normalbetrieb eines Airbus A320 am Frankfurter Flughafen eingesetzt – der Stresstest für das System. Das Programm umfasst insgesamt fünf Testflüge von jeweils fünf Stunden einschließlich Start, Landung und Turnaround in Frankfurt auf die Landebahn Nordwest. Bei jedem Testflug wird der DLR-Flugkapitän von vier Piloten begleitet, die jeweils zwei Anflüge im normalen Betrieb durchführen, einmal mit Assistenzsystem und einmal ohne. Zudem werden umfangreiche Messdaten zu Geschwindigkeit, Treibstoffverbrauch und Lärm erhoben.

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DLR-Projektleiter Abdelmoula mit der Assistenzsoftware LNAS im Inneren des Testfliegers – Foto: gik

Die neue Technik habe „auch im normalen Verkehr ohne Sonderbehandlung sehr gut funktioniert“, sagte uns DLR-Projektleiter Fethi Abdelmoula, trotz starken Rückenwinds. „Die Piloten waren sehr überrascht“, berichtete er, das System habe die einzelnen Schritte deutlich später vorgesehen, als die Piloten sie sonst durchgeführt hätten: Statt bei 2.000 Fuß wurde das Flugzeug erst bei 1.000 Fuß mit allen Klappen fertig zur Landung gemacht, deutlich niedriger und näher am Flughafen als sonst.

Eine exaktere Punktlandung sei so möglich, sagte Abdelmoula, dazu kämen die Einsparungen beim Kerosin: 8 bis 10 Kilogramm pro Flugzeug und Anflug seien realistisch. „Wir können näher an den Flughafen heranfliegen, das Fahrwerk später ausfahren“, bestätigte Lufthansa-Pilot Sven Schötteling: „Man merkt dann, das System hat Recht.“

Info& auf Mainz&: Die Ergebnisse des Testbetriebs von LNAS sollen bereits im November 2016 auf der 4. Internationalen Konferenz zum aktiven Schallschutz (ICANA) präsentiert und anschließend veröffentlicht werden. Mehr zum Projekt mit detaillierten Infos und Daten sowie weiteren Links findet Ihr auf den Seiten des Umwelthauses Frankfurt, dem Nachfolger des Forums Flughafen, genau hier.

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Ode an die Freude: Stadt Mainz stellt Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Staatstheater ein

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Das lautstarke Singen der Ode an die Freude im Mainzer Staatstheater als Protest gegen eine Demonstration der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) hat keine strafrechtlichen Konsequenzen für Intendant Markus Müller. Nach der Staatsanwaltschaft stellte nun nämlich auch die Stadt Mainz ihr Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Müller ein. Der einzig in Frage kommende Tatbestand sei nicht erfüllt, das Verfahren werde eingestellt, teilte die Stadt am Montag mit – zehn Monate nach dem Vorfall. Und damit erwies sich auch im zweiten Verfahren gegen Müller die Tatsache: Gestört habe das Staatstheater die Kundgebung zwar – aber Recht verletzt hat es damit nicht.

Bunt statt braun Staatstheater
Sieg der Toleranz: Auch Stadt stellt Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit gegen das Staatstheater ein – Foto: gik

Die Staatsanwaltschaft hatte im Mai entschieden: Zwar stellte das lautstarke Singen der Ode an die Freude tatsächlich eine grobe Störung dar, verhindert wurde die Kundgebung der AfD auf dem Theatervorplatz dadurch aber nicht. Demzufolge war die Störung auch nicht strafrechtlich relevant – die Anzeige der Mainzer Polizei gegen das Staatstheater wurde damit zurückgewiesen. Das Staatstheater hatte im November 2015 zu Beginn der AfD-Demonstration auf dem Gutenbergplatz eine Probe des Theaterchores im Foyer abgehalten, und bei offenen Fenstern und zum Teil auch auf dem Balkon zum Platz lautstark Beethovens „Ode an die Freude“ geschmettert.

Natürlich war das Singen ausgerechnet der Europa-Hymne volle Absicht und als Protest gegen den Aufzug der Rechtspopulisten gemeint, die damals noch nicht in den Mainzer Landtag eingezogen waren. Intendant Müller hatte zudem stets betont, man habe die AfD-Demo nicht verhindern, aber sehr wohl auf europäische Werte wie Toleranz hinweisen wollen. Die AfD übrigens bedankte sich damals höflich für die akustische Untermalung, die ihre Kundgebung tatsächlich für einige Minuten verzögerte. Gegen 19.15 Uhr aber beendeten die Theaterleute ihren lautstarken Protest gegen rassistische Parolen, die AfD konnte wie geplant ihre Veranstaltung durchführen, alle Reden wurden gut hörbar gehalten.

Die Veranstaltung der AfD habe „trotz der Unterbrechungen durch Musik und Gesang insgesamt planmäßig und mit allen vorgesehenen Programmpunkten auf dem Gutenbergplatz durchgeführt werden können“, bilanzierte die Staatsanwaltschaft im Mai, es bestehe kein hinreichender Tatverdacht für eine Verhinderung einer Versammlung oder gar eine Nötigung. Das Verhalten der Mainzer Polizei, die im Nachgang der Demonstration von Amts wegen Anzeige gegen das Staatstheater erstattet hatte, war damit noch einmal fragwürdiger geworden – Kritiker hatten darin eine Art vorauseilenden Gehorsam gesehen.

Spruch Nathan der Weise am Staatstheater
Mit Nathan der Weise protestierte das Staatstheater gegen dumpfen Nationalismus der AfD vor der Tür – Foto: gik

Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin – wie üblich – das Verfahren an die Stadt verwiesen zur Prüfung einer Ordnungswidrigkeit, doch eine solche mochte die Stadt nun auch nicht erkennen: Zwar habe aus der Sicht der Behörde eine Störung der AfD-Versammlung durch die Aktion des Staatstheaters vorgelegen, der Versammlungsleiter der AfD-Versammlung oder dessen Ordner hätten die störenden Personen aber „nicht wiederholt zurechtgewiesen und zum Abstellen der Störung aufgefordert.“ Damit aber fehle „diese tatbestandlich geforderte Zurechtweisung durch den Versammlungsleiter oder dessen Ordner.“

Im Klartext: Weil sich also die AfD nicht selbst beschwerte, sondern der Störung gelassen zusah, sieht die Stadt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nicht als erfüllt – und diese fehlende Beschwerde könne nicht „durch die von Amts wegen getätigten Durchsagen der Polizei“ ersetzt werden. Das Verfahren sei deshalb einzustellen, teilte die Stadt weiter mit – eine Argumentationskette, die uns Meenzerisch-spitzfindig erscheint…

Mainz&-Kommentar: Das Ende könnte man denn auch mit dem alten Shakespear’schen Satz kommentieren: Viel Lärm um nichts. Oder besser: Viel Lärm um eine Aktion voller Witz, Zivilcourage und Esprit. Die Mainzer Polizei jedenfalls – sonst ja durchaus mit Humor und Augenmaß gesegnet – hat sich hier nicht mit Ruhm bekleckert. Dass die Aktion des Staatstheaters legal war, konnte jeder schon an dem Abend selbst erahnen, was die Polizei zu ihrem massiven Vorgehen motiviert hat, bleibt im Nachhinein doppelt und dreifach unverständlich. Wir jedenfalls wünschen uns mehr solche kreativen, intelligenten und kulturreichen Staatsbürger-Aktionen zur Verteidigung von Demokratie, Toleranz und offenem Menschenbild. Unsere Zeit hat es bitter nötig.

Info& auf Mainz&: Die Vorgänge rund um die Ode gegen Rassismus könnt Ihr in diesem Mainz&-Artikel nachlesen, den ganzen Text zur Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft genau hier auf Mainz&.

 

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Rheingau & Nahe kämpfen um die Krone der Deutschen Weinkönigin – Rheinhessen nicht im Finale

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Boah, war das spannend, erst gegen 19.30 Uhr fiel die Entscheidung, wer kommende Woche um die Krone der Deutschen Weinkönigin kämpfen darf. Und diese sechs Gebietsweinköniginnen sind im Finale: Mosel, Nahe, Rheingau, Hessische Bergstraße, Franken und Württemberg. Nicht dabei: Rheinhessen. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr 200 Jahre Rheinhessen verpatzte Sabrina Becker ihren Auftritt auf der großen Bühne – eine große Enttäuschung für die 25 Jahre alte Winzerin aus Spiesheim. Dabei kann die deutlich mehr, doch wie sagte die Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts, Monika Reule, so treffend: „Heute war wirklich die Tagesform entscheidend.“

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Das sind die sechs Finalistinnen für die Wahl der deutschen Weinkönigin 2016 – Foto: gik

So war es – und da hatten einfach andere die Nase vorn. In der Rheingoldhalle vor mehr als 1.000 Besuchern entschieden Auftreten, Nervosität, Spontanität und Charme, wer ins Finale einziehen durfte. Ganz vorne stand am Samstag beim sogenannten Vorentscheid aber das Fachwissen: Da galt es zu erklären, wie Perlwein gemacht wird, was ein Betonei ist, was Primäraromen sind oder was der Unterschied zwischen Eiswein und Trockenbeerenauslese ist. Die Fragen stellte eine Masterjury von Weinexperten, und die hakte durchaus auch nach, wenn die Antwort zu dünn ausfiel.

Auch die 70-köpfige Jury aus Politik, Medien und Weinwelt schaute ganz genau hin, schließlich gilt es die Botschafterin auszuwählen, die im kommenden Jahr auf rund 200 Terminen deutsche Weine im In- und Ausland vertritt. Die Deutsche Weinkönigin ist unser Aushängeschild für deutschen Wein, sie muss erklären können, aber auch unterhalten, Weinwissen vermitteln, aber auch Lust machen auf deutsche Weine. Hohe Anforderungen also – und da fiel doch so manche, die im Vorfeld gehandelt wurde, auf der Bühne symbolisch gesehen herunter.

Das galt etwa für die Kandidatin vom Mittelrhein, Sarah Hulten, aber auch die Sächsische Weinkönigin Daniela Undeutsch, beide legten fachlich einfach ganz dünne Auftritte hin – zu wenig für eine Deutsche Weinkönigin. Andere glänzten dafür, allen voran Anja Antes von der Hessischen Bergstraße: Die Rebzüchterin legte einen ganz starken inhaltlichen Auftritt hin und bestach auch noch durch passables Englisch – eine große Schwachstelle bei den meisten an diesem Abend. Auch Louisa Follrich aus dem Rheingau bezirzte durch ihren britischen Akzent und legte auch sonst einen ganz starken Auftritt hin.

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Da waren es noch 13: Die Kandidatinnen zur Wahl der Deutschen Weinkönigin zu Beginn des Vorentscheids mit Moderator Holger Wienpahl – Foto: DWI/Annika Stehle

Zu den Favoritinnen dürfte aber Lena Endesfelder von der Mosel gehören – die Winzerin aus Mehring bezauberte durch charmant verpacktes Fachwissen, das wird kommende Woche ganz spannend… Ebenfalls im Finale: Mara Walz aus Württemberg, Christina Schneider aus Franken und Clarissa Peitz von der Nahe. Einen rabenschwarzen Tag hingegen erwischte die Rheinhessin Sabrina Becker: Das Weinwissen zu Winzergenossenschaften rutschte nicht, dann kam die 25-Jährige nicht mehr richtig ins Spiel, der Auftritt blieb blass – am Ende war die Enttäuschung groß. Doch Becker bleibt, ein fantastisches Jahr als rheinhessische Weinkönigin hingelegt zu haben, vielleicht fehlte nach dem intensiven jahr auch einfach die Kraft.

Die kurzweilige, von Holger Wienpahl moderierte Sendung, bot indes durchaus verschiedene Möglichkeiten, die eigenen Stärken auszuspielen: Beim „Weinquicki“ galt es möglichst viele Begriffe zu einem Weinwort zu nennen, bei den Weinnachrichten den Fehler zu finden. Louisa Follrich spielte sich da in die Herzen der 70-köpfigen Jury, nachdem die Rheingauerin zuvor einen einwandfreien Fachauftritt abgeliefert hatte. „Es war eine so tolle und starke Gruppe“, schwärmte Follrich hinterher, „man konnte überhaupt nicht sicher sein, im Finale zu sein.“ Am Ende war es „ganz knapp, aber eindeutig“, wie Reule verriet.

Info& auf Mainz&: Wer die 68. Deutsche Weinkönigin und Nachfolgerin von Josefine Schlumberger wird, entscheidet sich am Freitag, den 30. September, in der live vom Südwest-Fernsehen übertragenen Wahlgala gegen 22.00 Uhr. Mehr zur Deutschen Weinkönigin und den Kandidatinnen lest Ihr in diesem Mainz&-Artikel und auf www.deutscheweinkoenigin.de.

 

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Weinsensorium und Wahl der Deutschen Weinkönigin – Spannende Entdeckungsreise in Weinwelt

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Am heutigen Samstag geht es endlich los: Die Wahl der Deutschen Weinkönigin beginnt in der Mainzer Rheingoldhalle! Am Nachmittag stellen sich beim Vorentscheid die 13 Kandidatinnen der Jury und dem Publikum – es geht um Weinfachwissen, Auftreten, Persönlichkeit. Nur sechs können ins Finale am 30. September einziehen, dann entscheidet sich, wer 68. Deutsche Weinkönigin wird. Während es in der Rheingoldhalle ans Eingemachte geht, könnt Ihr vor der Tür eine ganz besondere Reise in die Welt des deutschen Weins erleben: Das Weinsensorium ist eine Erlebniswelt der modernen Art – spielerisch, vergnüglich und fundiert geht es hier um Weinwissen und Weingenuss.

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Einsteigen bitte und anschnallen – Es geht in die Weinentdeckungswelt Weinsensorium – Foto: gik

„Einsteigen, bitte, nehmen Sie Platz!“, fordert uns der nette Steward an der Tür auf, und wir sinken in die Flugzeugsitze und fühlen uns gleich ein wenig wie im Urlaub. „Wir fliegen heute nicht nach New York, sondern in die 13 deutschen Weinanbaugebiete“, eröffnet unser Reiseguide – und serviert uns Weißwein und Rosé. Die müssen wir allerdings blind verkosten und erraten, welcher Wein was ist – das birgt einiges an Überraschungen… Ist das jetzt Rosé im Glas oder gar Rotwein? Selbst für uns Experten ist das gar nicht einfach zu erraten.

Und schon sind wir mitten drin in der wunderbaren Welt des Weins – und ganz weit weg vom Alltag vor der Tür. Mitten in der Stadt, auf dem Jockel-Fuchs-Platz, steht das Weinsensorium des Deutschen Weininstituts (DWI), auf 400 Quadratmetern gibt es hier für jeden eine ganz persönliche Entdeckungsreise. Und das ist wörtlich zu nehmen: Beim Weinsensorium schaut man selbst hinter Türen und öffnet Schleusen, probiert, riecht, fasst an. So beginnt eine vergnügliche Reise durch Elemente, Weingläser und Weingerüche.

Da trommelt hinter einer Tür im Raum der Elemente Regen, ein Kühlschrank birgt Kälte, und Wärmeleuchten bringen die Kraft der Sonne dem Besucher auf die Haut. Der Einfluss der Elemente im Weinberg, hier wird er spürbar gemacht. Daneben warten drei Vitrinen mit Gesteinen: Muschelkalk, Schiefer und Vulkangestein. Eine Sprühflasche mit Wasser steht bereit, „erst sprühen, dann riechen“, steht daneben – und tatsächlich: Mit Wasser benetzt, entfalten die Gesteinsbrocken einen ganz charakteristischen Geruch, der sich tatsächlich im Wein wiederfinden lässt.

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Tür auf für den Regen: Entdeeckungswelt Weinsensorium – Foto: gik

„Wir wollen irritieren, aber auch inspirieren“, sagt DWI-Geschäftsführerin Monika Reule. Ziel sei, das Thema Wein einfach mal in einem interaktiven, spielerischen Umfeld zu präsentieren. Wein sei ein spannendes und gefragtes Thema, doch die Leute „wollen ja nicht belehrt werden, sondern unterhalten“, sagt Reule.

Seine Premiere hatte das Weinsensorium 2008 in Berlin, konzipiert wurde es für Menschen außerhalb der Weinanbaugebiete. „Die sind oft ganz weit weg von deutschem Wein“, sagt Reule, „also haben wir gesagt, wir bringen die Region zu ihnen.“ Hamburg, Leipzig und Erfurt, dort überall stand das Weinsensorium schon, in Mainz trage man damit natürlich „Eulen nach Athen“, räumt Reule ein. Aber hier findet nun einmal in diesem Jahr die Wahl der Deutschen Weinkönigin statt – zu Ehren des Jubiläums 200 Jahre Rheinhessen.

13 junge Damen stellen sich zur Wahl, alle 13 haben ein Jahr lang als Gebietsweinkönigin eines der 13 deutschen Anbaugebiete vertreten. Besonders viel Routine brachte das einer ein: Sabrina Becker, der rheinhessischen Weinkönigin im Jubiläumsjahr, die Winzerin aus Spiesheim dürfte eine der Favoritinnen bei der Wahl heute sein. Die 25-jährige absolvierte ihre Winzerlehre im Weingut Karl May in Osthofen und im Ingelheimer Weingut Mett und ist außerdem gelernte Bürokauffrau – Weinköniginnen sind heute fähige, gut ausgebildete Fachfrauen.

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Start frei für den Wahlkampf: Die 13 Kandidatinnen für die Wahl zur Deutschen Weinkönigin vor dem Weinsensorium – Foto: gik

Gehandelt werden aber auch Daniela Undeutsch aus Sachsen, Bankkauffrau mit eigenem Weinberg, oder aber Clarissa Peitz von der Nahe – die 21-Jährige ist schon gelernte Industriekauffrau, kommt aus einem Weingut in Wallhausen und absolviert gerade ein ausbildungsintegriertes Duales Studium für Marketing bei Boehringer Ingelheim. Hoffnungen machen sich auch die Rheingauerin Louisa Follrich aus Hattenheim oder die Mittelrhein-Weinkönigin Sarah Hulten: Die gebürtige Koblenzerin studiert zwar Medien und Kulturwissenschaften in Düsseldorf, im Job aber zieht es sie in die Weinwirtschaft.

Sie alle müssen heute in der Rheingoldhalle fundiertestes Weinwissen beweisen: Fragen über Maischegärung, Roséherstellung, Barriques, Orange Wine oder Steillagenarbeit – wer heute Deutsche Weinkönigin werden will, muss fundiertestes Weinwissen vorweisen können. Aber auch Auftreten, Repräsentieren, sehr gutes Englisch und gewisse Entertainment-Qualitäten sind gefragt, schließlich muss die Deutsche Weinkönigin rund 200 Termine im In- und Ausland im Dienste deutscher Weine absolvieren.

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Eintauchen in die Welt des Weins im Weinsensorium – Foto: gik

Dabei steht sie mal vor Botschaftern und mal vor Touristen, muss Chinesen und Japaner ebenso für deutsche Weine begeistern können wie Seeleute, Bierbrauer, Politiker oder Messebesucher in den USA. Sie muss von den Weinregionen berichten und die richtigen Weine zu verschiedenen Essen empfehlen können – Weinkönigin sein, das ist heute ein Top-Marketingjob. Rund um die Welt jettet die Weinmajestät dabei, „es ist eine Crashausbildung, die man tragen kann, wie eine Bachelor-Ausbildung“, sagt die scheidende 67. Deutsche Weinkönigin Josefine Schlumberger.

Als Chance wird das Amt heute begriffen – und genauso hat sich auch die Weinvermittlung verändert: Im Weinsensorium fordert uns inzwischen eine Torwand auf, statt Fußbällen unsere Köpfe in verschiedene Öffnungen zu stecken. Darin: Gerüche verschiedener Rebsorten. Riesling riecht natürlich nach Apfel und Zitrone, Silvaner nach Kräutern, Dornfelder intensiv nach Kirsche. Treffer! Im Raum nebenan kann man sich am Bildschirm durch einen Comic zu den verschiedenen Stationen der Weinherstellung klicken.

Auf dem Weg dahin macht eine Galerie des Lachens gute Laune, am Ende hängt ein Spiegel – der Besucher wird Teil der Installation und kann sein eigenes Weingesicht im Rahmen fotografieren. Aus den Kopfhörern daneben strömen Weingedichte, Johann Gottfried von Herder etwa, der „den köstlichen Wein, der vom Boden seinen Geschmack nimmt“ preist: „Saft und Farbe, so sind wir die Gewächse der Zeit.“ Die Reise in die Welt der deutschen Weine – sie kommt spielerisch-leicht daher, aber zugleich tiefgründig. Die Tüte für den „Stein für Daheim“ hängt schon bereit. Ein Glas Wein gibt’s in der Weinlounge kostenlos dazu – wer will, kann sich hier durch alle 13 Weinanbaugebiete probieren.

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Genießen in der Weinlounge des Weinsensoriums – mit Mainz& macht’s mehr Spaß 😉 – Foto: gik

Info& auf Mainz&: Die Wahl der Deutschen Weinkönigin startet am Samstag ab 16.00 Uhr, auf SWR.de könnt Ihr die Vorbefragung in einem Livestream miterleben. Auf @mainzund twittern wir zudem live aus der Befragung – Mainz& sitzt nämlich in der Jury. Die Entscheidung, wer 68. Deutsche Weinkönigin wird, fällt dann am Freitag, den 30. September, in der live vom SWR-Fernsehen übertragenen Wahlgala. Mehr zur Wahl der Deutschen Weinkönigin und zu den Kandidatinnen findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel und auf www.deutscheweinkoenigin.de. Das Weinsensorium ist noch bis zum 3. Oktober in Mainz täglich von 12.00 Uhr bis 21.00 Uhr auf dem Rathausplateau zu erleben, der Eintritt ist frei. Mehr dazu hier im Internet.

Dann mal los, Mädels!

 

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Neuer Präsident beim MCV: Reinhard Urban führt den größten Fastnachtsverein von Mainz

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Er trägt stets Fliege und kommt eigentlich aus Bayern, nun soll er den Mainzer Carnevals-Verein (MCV) in die Zukunft führen: Reinhard Urban, langjähriger Leiter der Rechtsmedizin an der Mainzer Uniklinik, ist neuer Präsident des MCV. Der 67-Jährige wurde am Donnerstagabend mit 66 Prozent der Stimmen gewählt, ein wahrhaft närrisches Ergebnis. Er muss nun den wichtigsten Mainzer Fastnachtsverein für die Zukunft rüsten, Nachwuchs, Sicherheit und Medien werden die wichtigsten Themen sein. Auf der MCV-Hauptversammlung ging es zudem um den ausgefallenen Rosenmontagszug und den Umbau im MCV-Haus.

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Der Rechtsmediziner Reinhard Urban auf dem Cover der Mainzer Vierteljahreshefte – nun führt er den MCV

„Ich bedanke mich für den Vertrauensvorschuss“, freute sich Urban nach seiner Wahl, allerdings fiel der nicht uneingeschränkt aus: Urban wurde mit 72 Ja-Stimmen bei 109 abgegebenen Stimmen gewählt, das entsprach 66 Prozent – eine überwältigende Zustimmung war das nicht. Der MCV hat schwierige Zeiten hinter sich, der scheidende Präsident Richard Wagner war nicht unumstritten – vor einigen Jahren trat MCV-Schatzmeister Horst Mundo im Streit zurück, Wagner verklagte ihn gar, zog erst kurz vor dem Gerichtstermin die Klage zurück.

Der 67 Jahre alte Wagner war am Donnerstag nicht mehr zur Wiederwahl angetreten, nun also soll Urban den Verein in die Zukunft führen. Urban ist gebürtiger Münchner, studierte und promovierte in den Fächern Chemie und Medizin an der Technischen Universität (TU) und an der Ludwig Maximilians Universität in München. Die Rechtsmedizin faszinierte ihn, als Wahrheitsforscher im Reich der Toten wurde er bekannt. Nach Stationen in München und der medizinischen Hochschule in Hannover kam Urban 1991 nach Mainz. Seit 2003 ist er Inhaber der C4-Professur für Rechtsmedizin und Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Mainz.

2001 bis 2013 war Urban außerdem Dekan des Fachbereichs Medizin der Mainzer Uni und 2009 bis 2013 Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin. Die Rechtsmedizin machte er zu einem führenden Institut seiner Zunft, gründete unter anderem eine Vorsorgeerkennung für misshandelte Kinder. Im MCV wirkte Urban lange im Hintergrund, 2015 wurde er Vorstandsvorsitzender der neu gegründeten Mainzer Fastnachts-Genossenschaft, die künftig die Straßenfastnacht in Mainz organisieren soll – unter Einbeziehung anderer Fastnachtsvereine. Urban appellierte nun an die MCV-Mitglieder, bei allen ernsten Themen  wie der Sicherheit „nicht vergessen, dass wir Fastnacht feiern, unseren Spaß haben wollen und unseren Humor nicht verlieren.“

Das war sie, die Fastnacht im Mai - Experiment gelungen! - Foto: gik
MCV – zwischen Tradition und der Suche nach der Zukunft – Foto: gik

MCV: Viele Umbauten, Investitionen, Herausforderungen

Einen Neuanfang hatte der MCV zuletzt auch in Sachen Räumlichkeiten zu bewältigen: Nachdem der Verein die Stadtwerke Mainz als Mieter verlor, entschloss man sich, das Haus in der Emmeranstraße komplett umzubauen. Büro- und Gewerbeflächen wurden zu Wohnungen umfunktioniert, um eine höhere Rendite zu erwirtschaften und den Immobilienwert zu steigern. Rund 127.000 Euro investierte der MCV in den Umbau, dazu kamen noch einmal Mietausfälle in Höhe von rund 60.000 Euro.

Dazu investierte der Verein im abgelaufenen Geschäftsjahr in eine neue Vereins-Software, aber auch in eine neue Telefon- und Schließanlage sowie in ein Videoüberwachungssystem. So stand am Ende des Geschäftsjahres ein Verlust von rund 105.000 Euro, und aktuell baut der MCV auch sein Haus in der Klarastraße um – „mit deutlich höherem Investitionsaufwand“, wie es hieß. Insgesamt betrug die Bilanzsumme des MCV im vergangenen Wirtschaftsjahr immerhin rund 3,3 Millionen Euro.

„Das abgelaufene Geschäftsjahr 2015/2016 hat uns in fast all unseren Geschäftsfeldern vor große Herausforderungen gestellt“, räumte denn auch der scheidende Präsident Richard Wagner ein. Das Jahr sei aber genutzt worden, um „den MCV fit für die kommenden Jahre zu machen.“ Das mache sich bereits bezahlt: Inzwischen seien die Wohnungen in der Emmeranstraße komplett vermietet, durch die neue Vereins-Software sänken bereits jetzt die Personalkosten.

Kein Minus durch abgesagten Rosenmontagszug

Die MCV-Oberen grüßten im Frack - Foto: gik
Grüßten froh beim Rheinhessenumzug im Mai: Michael Bonewitz (links) und Reinhard Urban – Foto: gik

Keinen Verlust machte der MCV hingegen mit dem ausgefallenen Rosenmontagszug: Das epochale Ereignis – zum ersten Mal musste der große Mainzer Umzug wegen Wetterkapriolen des Orkans Ruzicka abgesagt werden – schlug sich zumindest nicht negativ in der Kasse nieder. Alle Sponsoren und Förderer der Mainzer Straßenfastnacht hätten auf eine Rückzahlung ihres Förderbeitrags verzichtet, betonte Wagner – ohne das wäre der MCV mit 150.000 Euro ins Minus geraten. Dazu trug natürlich auch der nachgeholte Umzug am 8. Mai als Rheinhessenumzug bei, der bei schönstem Wetter durch die Straßen rollte.

Der MCV verlor allerdings die Einnahmen für die Übertragungsrechte des Rosenmontagszuges im mittleren fünfstelligen Bereich und musste deutlich mehr für Organisation und Sicherheit der Straßenfastnacht ausgeben. So stand am Ende bei der Straßenfastnacht ein Minus von rund 41.000 Euro zu Buche, doch weil die Saalfastnacht ein Plus von rund 64.000 Euro erwirtschaftete, stand der MCV am Ende mit einem Plus von rund 23.000 Euro da.

„Das Resümee fällt insgesamt positiv aus“, betonte Wagner denn auch. Der Verein sei mit dem MCV-Haus für die Zukunft gut gerüstet und werde schon im laufenden Geschäftsjahr wieder schwarze Zahlen schreiben: „Ich übergebe meinem Nachfolger ein gut bestelltes Haus und einen finanziell gut gerüsteten MCV.“

Party, Mediengesellschaft, Nachwuchs – Herausforderung Zukunft

Der allerdings sieht sich zumindest auf fastnachtlichem Feld großen Herausforderungen gegenüber: Der Nachwuchs auf der Bühne muss gefördert, der Spagat zwischen Fernsehtauglichkeit und urtümlicher Meenzer Fastnacht hinbekommen werden. Dazu droht die Fastnacht in immer strikteren Sicherheitsauflagen zu ersticken, und sie muss einen Weg in eine moderne, zeitgemäße Form in Zeiten der Mediengesellschaft finden – und das ist jetzt der Analyseteil dieses Artikel ;-). Denn in den vergangenen Jahren gab es auch Kritik an der Bissigkeit der Mainzer Narren – Karikaturist Klaus Wilinski, langjähriger Zeichner der Motivwagen des MCV, verband jüngst seinen Rücktritt vom Amt auch mit Kritik an zu großer Angepasstheit der Mainzer Narren.

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Sitzungen zwischen Tradition und Party – eine der Herausforderungen für die Zukunft beim MCV – Foto: gik

Für viele Junge sei die Fastnacht „mehr Party als Brauch“, beschreibt zudem der Fastnachtsforscher Günter Schenk eine große Herausforderung. Gerade der MCV als Organisator der Mainzer Straßenfastnacht muss da Wege und Formate finden, zwischen der politisch-literarischen Fastnacht und dem Bedürfnis nach wilder Party zu vermitteln. „Wenn der Karneval als Volksfest überleben will, muss er integrierend wirken“, mahnt Schenk zudem in seinem Buch „Karneval zwischen Tradition und Kommerz “ gerade auch mit Blick auf Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund. Die aber finden sich bislang in den Reihen des MCV wenig bis gar nicht.

Viel Arbeit also für den neuen Präsidenten, unterstützt wird er von einem ebenfalls weitgehend neu gewählten Vorstand: Vizepräsident bleibt Alexander Leber (81 Ja-Stimmen), Schatzmeister ist weiterhin Guido Seitz (77 Ja-Stimmen), Jürgen Schmidt (86 Ja-Stimmen) bleibt Schriftführer und Michael Bonewitz (91 Ja-Stimmen) Pressesprecher. Neu in den Vorstand gewählt wurden Markus Perabo (92 Ja-Stimmen), der neue Zugmarschall und Sprecher der Zugleitung, Walter Born (83 Ja-Stimmen), Jürgen Gerster (84 Ja-Stimmen) und Scheierborzeler Markus Beer (95 Ja-Stimmen).

Info& auf Mainz&: Mehr zum Mainzer Carnevals-Verein findet Ihr auf dessen Homepage, genau hier.

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Autorennen, Schaf im Zaun, Diebstahl, Unfälle – Einsätze im Minutentakt beim Twittermarathon der Mainzer Polizei

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Verletzter Greifvogel, eingeklemmtes Schaf – es ist ja schon ein bisschen verrückt, worum sich die Polizei Mainz so alles kümmern muss. Im Minutentakt ratterten am Freitag die Meldungen über den Twitteraccount der Mainzer Polizei, zum ersten Mal gab es einen Twitter-Marathon im Mainzer Polizeipräsidium. Und da konnte man schon mal ins Staunen kommen, wie sehr die Beamten auf Trab gehalten werden: Einbruchsversuche, Ladendiebstahl, verwirrte Frau, ein Betrunkener auf der Fahrbahn und zahlreiche kleinere Verkehrsunfälle – 12 Stunden lang gab und gibt es noch spannende Einblicke in den ganz realen Polizeialltag.

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Twitterten live von der Polizeiarbeit: Pressestellenleiter Peter Metzdorf (links) und Polizeioberkommissar Alex Fehr (rechts) – Foto gik/Polizei Mainz

„Das ist der ganz normale Alltagswahnsinn“, sagte Peter Metzdorf, Leiter der Pressestelle der Mainzer Polizei schmunzelnd zu Mainz&: „Wir sitzen hier in der Einsatzleitstelle und twittern, sobald die Ereignisse reinkommen.“ Um 12.00 Uhr startete der erste Twitter-Marathon der Mainzer Polizei, das Ziel: Zeigen, was im ganz normalen Alltag der Polizei so passiert. Bürgernähe und Transparenz von Polizeiarbeit seien natürlich die Ziele, sagte Metzdorf: „Sie sehen ja, was hier so passiert – das ist wirklich im Minutentakt.“

„15:34 In Bad Kreuznach sitzt ein Mann auf der Straße und behindert den Verkehr“, hieß es da etwa, nur eine Minute später dann: „15:35 Zeuge entdeckt Hebelspuren an seiner Balkontür in Heidesheim. Kriminalpolizei fährt vor Ort.“ Und in der gleichen Minute: „15:35 A60/Hechtsheim: Motorrad fährt auf LKW auf und bleibt unverletzt – Glück im Unglück. Autobahnpolizei ist unterwegs.“ Eine defekte Fußgängerampel in Saulheim beschäftigte die Beamten am Freitag ebenso wie eine Hochzeitsgesellschaft in Mainz, die samt Kutsche den Verkehr behinderte.

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Skurriles, Ernstes, Panne, Diebstahl, Unfall – die ganz normale Polizeiarbeit in 12 Stunden via Twitter – Foto: gik

Im Mainzer Hafen musste sie zwischen einem geschassten Matrosen und dessen Kapitän in einem Streit um noch zu zahlenden Lohn vermitteln, dazu Metallteile auf der Pariser Straße und der Diebstahl einer Flasche Wasser, eine Anwohnerin, die „Drogengeruch“ und Hanfpflanzen auf dem Nachbarbalkon bemerkte – die Bandbreite der Einsätze war wahrlich groß.

Natürlich gab es auch die ernsthafteren Ereignisse: Ein Unfall mit einem Rettungswagen, der Diebstahl einer Handtasche aus dem Rollator einer älteren Dame oder mehrere geklaute Wertsachen aus Spinden in einem Reha-Zentrum in Mainz. Überhaupt wurde viel geklaut an diesem Freitag, „wir ermitteln“, „nehmen Spuren auf“, twitterte die Polizei dann, oder auch: „15-jähriger Ladendieb klaut Playstationzubehör in Bad Kreuznach. Lohnt sich nie!“

Überhaupt waren es die kleinen, aber feinen Zusätze in den Twitternachrichten, die den hohen Unterhaltungswert des Twitter-Marathons ausmachten: „Unbekannte schlugen Lager in Rohbau in Nieder-Olm auf. Wir kümmern uns um die ungebetenen Gäste“, hieß es etwa um 14.18 Uhr. Oder um 16.28 Uhr: „Greifvogel kollidiert am AB Dreieck Nahetal mit PKW und verletzt sich dabei. Wir versuchen, ihm zu helfen.“ Das galt dann auch für ein armes Schaf, das sich in Heidesheim in einem Zaun verheddert hatte. „Wir eilen zur Befreiung“, twitterte die Polizei eilig. Das allerdings war vergebens, denn um 19.12 Uhr hieß es dann: „Streife konnte kein Schaf mehr finden. Es konnte sich vermutlich selbst befreien. Hoffentlich findet es wieder heim.“

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Halbzeit mit Schaf und Autorennen: Twitter-Marathon der Mainzer Polizei – Foto: gik

„Es darf nicht brutal ernst sein, wir wollen auch mal lockerer sein, die Bürger mögen das sehr“, sagte Metzdorf, aber übertreiben dürfe die Polizei den lockeren Ton natürlich auch nicht, „wir sind ja kein Spaßverein.“ Denn der Einsatz auf Twitter, er hat auch einen durchaus ernsten Hintergrund: „Das Ziel ist auch, unseren Twitter-Account noch mehr publik zu machen und Follower zu gewinnen“, sagt Metzdorf, „wir wollen auch für den Ernstfall gerüstet sein – damit wir, wenn wir wirklich mal eine größere Lage haben, die Leute auch blitzschnell informieren können.“

Der Amoklauf in einem Münchner Einsatzzentrum hat es gerade deutlich gemacht, damals informierte die Polizei die Münchner über Sperrungen und Gefahrenlage auf dem Kurznachrichtendienst. Das sei ein durchaus wichtiges Medium in solchen Lagen, wichtiger sogar als Facebook, betonte Metzdorf: „Twitter ist einfach schneller“ – auf dem Nachrichtendienst verbreiten sich News im Sekundentakt und im Schneeballsystem. Dafür gerüstet zu sein, „das steckt schon auch hinter dem Twitter-Marathon“, betonte Metzdorf.

Und so saßen am Freitag zwei Leute ständig am Polizeicomputer: Polizeioberkommissar Alex Fehr twitterte im Minutentakt, und Metzdorf selbst kümmerte sich um die Reaktionen der User. „Die Rückmeldungen sind durchaus positiv: schön, dass ihr das macht, interessant, hinter die Kulissen zu blicken“, berichtete Metzdorf. Und Nein, der Twitter-Einsatz hindere keinen Kollegen daran, die Arbeit auf der Straße zu machen: „Wir sind so gut – wir können twittern und unsere Arbeit machen“, sagte Metzdorf mit einem Schmunzeln: „Das ist hier mal ‚Polizei Uncut‘ – nichts geschönt, nichts dazu erfunden.“

Info& auf Mainz&: Den ersten Twitter-Marathon der Mainzer Polizei könnt Ihr noch bis 24.00 Uhr unter dem Twitter-Account @polizeimainz mitverfolgen. Wenn Ihr ein Account auf Twitter habt – hier ist der Link.

 

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UPDATE – Stadt will Baustellenmanagement durch externe Berater verbessern – CDU: Ohrfeige für Eder

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Nach monatelanger Kritik der Mainzer will die Stadt Mainz nun doch nach Verbesserungsmöglichkeiten ihres Baustellenmanagements suchen. Ein ex­ter­nes Bü­ro solle un­ter­su­chen, wie die Ab­läu­fe im Bau­stel­len­ma­nage­ment ver­bes­sert wer­den kön­nten, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) der Allgemeinen Zeitung. Die CDU-Opposition wertete das prompt als „Abwatschen“ der zuständigen Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne), eine bessere Koordinierung sei „längst überfällig“. Ebling betonte wiederum, das sei ausdrücklich nicht als Kri­tik an den städ­ti­schen Mit­ar­bei­tern zu ver­ste­hen, die für die Bau­stel­len­ko­or­di­na­ti­on zu­stän­dig seien. Update: Inzwischen reagierten auch Grüne und die Linke (siehe unten).

Baustelle Alicenbrücke
Die Baustellen in Mainz nervten in den vergangenen 18 Monaten gewaltig – Foto: gik

Damit startet der Mainzer OB seine Initiative just zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Dauerbaustellen für die Mainzelbahn mit großen Schritten ihrem Ende nähern. Mit der Mainzelbahn habe die neue Studie „nichts zu tun“, sagte Stadtsprecher Marc-André Glöckner Mainz&: „Die Baustellen werden in der Stadt ja nicht weniger, deshalb macht das immer Sinn.“ Noch in diesem Jahr solle es deshalb eine Ausschreibung geben für eine „Organisationsuntersuchung“, die dann 2017 stattfinden solle. Ein externes Büro soll demnach die Abläufe und Strukturen in der Verwaltung und bei der Koordination von Baustellen untersuchen und Verbesserungsvorschläge machen.

Stadt: Hat mit Mainzelbahn nichts zu tun

Die Überlegungen gebe es schon länger im Rathaus, betonte Glöckner, Komplexität und Zeitdruck bei den Baustellen würden immer vielfältiger. Auch seien hier immer mehr Player unterwegs – neben Stadtwerken und Wirtschaftsbetrieben wollten zunehmend auch Kommunikationsfirmen Leitungen verlegen. Dazu klagen die Durchführenden, dass oft die Unterlagen über bereits verlegte Leitungen ausgesprochen lückenhaft oder fehlerbehaftet sind – bei den Baustellen zur Mainzelbahn tauchten mehrere Male Leitungen unerwartet an anderer Stelle auf als gedacht. Das wiederum führte zu Verzögerungen.

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Baustellen, die sich irgendwie nie bewegen… damit soll in Zukunft Schluss sein – Foto: gik

Die Untersuchung solle deshalb aufzeigen, wie „das Maß an Störung im öffentlichen Raum, aber auch Verwaltungsaufwand und Kosten minimiert werden können“, wie es im Ausschreibungstext heißt. Bei den Kosten gehe es aber keineswegs darum, Mitarbeiter abzubauen, betonte Glöckner – vielmehr hoffe man darauf, durch bessere Organisation langfristig Kosten einzusparen. Ein Ergebnis könne deshalb auch sein, dass das Baustellenmanagement mehr Mitarbeiter brauche, sagte Glöckner – die zuständige Stelle klagt über deutlich zu wenig Personal zur Bewältigung der hinzugekommenen Aufgaben.

Weitere Großbaustellen warten schon

Auch nach dem Abschluss der Mainzelbahn-Bauarbeiten warten in Mainz eine Reihe von Großbaustellen: Die Erneuerung der Bahnhofstraße, der Umbau der Großen Langgasse, der Ausbau des Mainzer Rings samt Schiersteiner Brücke – Mainz werden die Baustellen wohl in nächster Zeit nicht ausgehen. Aber wieso leistet sich die Stadt mit ihren leeren Kassen eine erfahrungsgemäß teure Studie externer Berater? „Es gibt immer den Vorwurf, dass sei alles ideologisch gesteuert“, sagte Glöckner. Wenn ein externer Dritter als unabhängiger Gutachter tätig werde, „muss niemand den Eindruck haben, dass das politisch-ideologisch geprägt ist.“

Baustellenplan der Stadt aktueller Stand 22.7.15
Der interaktive Baustellenplan der Stadt im Internet – Foto: gik

CDU: Verbesserungen überfällig, Ebling zu spät

Das dürfte sich dennoch nicht vermeiden lassen: Eder betreibe „eine ideologische Klientelpolitik“ anstatt die Interessen aller Verkehrsteilnehmer im Auge zu haben, klagte die CDU am Dienstag erneut. Eine Verbesserung von Koordination und Genehmigung von Baustellen im Stadtgebiet sei „überfällig“, sagten die neue CDU-Kreischefin Sabine Flegel und der CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster. Es sei aber schon „schwer nachvollziehbar, weshalb die Verwaltung auf die Fragen der CDU zu diesem Thema bisher immer geantwortet habe, dass alles gut laufe und die zuständigen Stellen alles im Griff hätten.“

Die Bürger hätten schließlich seit Langem schon den Eindruck, dass bei den Baustellen etwas schief laufe. „Besser spät als nie“, kommentierten deshalb Flegel und Gerster und kritisierten: „Wir fragen uns aber schon, warum bei Herrn Ebling das Kind immer zuerst in den Brunnen fallen muss, bevor etwas unternommen wird.“

Grüne: Mehr Geld und Personal schon lange eingefordert

Inzwischen meldeten sich dazu auch die Grünen und die Linkspartei zu Wort: Die Grünen begrüßten ausdrücklich, dass der OB nun auch erkenne, „dass im Bereich Verkehr insbesondere der Baustellenkoordination und -kontrolle Geld und Personal fehlen.“ Die Anzahl der Baustellen von Versorgungsunternehmen habe sich etwa durch die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes vervielfältigt, die Tätigkeiten seien sehr viel umfangreicher geworden, betonten die Grünen. Zudem gebe es rechtlich keine Handhabe, Sanktionen zu verhängen oder Grabungen zu untersagen.

Bahnhofstraße mit Bus
Die nächste Großbaustelle steht schon vor der Tür: Der Umbau der Bahnhofstraße – Foto: gik

„Eine externe Untersuchung der Abläufe und Strukturen halten wir daher für eine gute Sache“, sagte Fraktionschefin Sylvia Köbler-Gross. Eine Untersuchung alleine sei aber noch keine Verbesserung, das könne nur durch mehr Personal in der Baustellenkoordinierung und bei der Kontrolle des Auf- und Abbaus der Baustellen passieren. Das fordere Verkehrsdezernentin Eder „seit Jahren ein“, nun hoffe man, dass Ebling das auch bei den demnächst anstehenden Stellenplanungen und Haushaltsberatungen unterstütze.

Linke: Umsteuern, statt Kompetenzen nach außen verlagern

Die Linke wiederum findet, dass nicht ausreichend Personal vorhanden sei, müsse doch eigentlich eher ein Zeichen dafür sein, umzusteuern und nicht die Kompetenzen nach außen zu verlagern. „Der neoliberale Politikansatz greift auch hier: Die öffentliche Hand wird kaputtgespart, bis sie nicht mehr effizient arbeiten kann“, kritisierte Fraktionschefin Waltraud Hingst. Danach würden Aufgaben an private Träger übergeben mit dem Argument, dass die öffentliche Hand nicht effizient arbeite. Dabei wäre ein städtisches Verkehrskonzept auch bei der Planung von Baustellen „äußerst sinnvoll“, das aber habe die regierende Ampelkoalition abgelehnt.

Info& auf Mainz&: Besonders nervig war das Baustellen-Chaos in Mainz im Sommer 2015 – damals sprach Mainz& mit Verkehrsdezernentin Katrin Eder, die ihr Management rechtfertigte. Die Stadt hat übrigens seit 2014 einen interaktiven Baustellen-Plan im Internet, auf dem Ihr die aktuellen Baugruben sehen könnt. Einfach auf den Link „Übersicht der aktuellen Baustellen im Online-Stadtplan“ klicken – und schon seid Ihr da. Wenn Ihr dann auf eines der kleinen Baustellenschilder klickt, öffnet sich ein eigenes kleines Fenster mit den Informationen zur Baustelle und sogar einer Telefonnummer zwecks Nachfrage und Beschwerde. Aber Achtung: Ihr müsst den Popup-Blocker deaktivieren, sonst seht Ihr nix.

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Grenzenlos Kultur: Theaterfestival widmet sich zum 18. der Kunst des Unsinns

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Es ist eines der spannendsten Theaterfestivals, die es so gibt: Bei Grenzenlos Kultur stehen behinderte und nicht-behinderte Menschen gemeinsam auf der Bühne, und immer wieder gelingen dabei intensive und berührende Momente, die ein ganz eigenes Licht auf unsere Gesellschaft werfen. Am Donnerstag startet die 18. Ausgabe des Theaterfestivals, und das verneigt sich vor der ältesten aller Avantgarde-Strömungen: Dada, die Kunst des Unsinns, wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Zu sehen sind dabei Bühnenmagier, Puppenshows, eine Dada-Diven-Revue – und einen Tanzschwerpunkt.

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Dada hält Einzug bei Grenzenlos Kultur im 18. Jahr – Foto: Iskender Koekce

„Das ‚grenzenlos‘ in Grenzenlos Kultur galt immer schon für die Kunst- und Theatersparten, wie auch in diesem Jahr die fließenden Übergänge zu Musik und Bildender Kunst beweisen“, schreiben die Organisatoren der Lebenshilfe gGmbH Kunst und Kultur in ihrer Ankündigung. Die Disziplin Tanz war von Anfang an dabei und habe „mit der Unsinnfrage reichlich Erfahrung: Der tanzende Körper sucht ständig nach neuen Formen, er gebiert unmittelbar Sinn und löst ihn ebenso unmittelbar wieder auf.“

2016 gibt es deshalb bei Grenzenlos Kultur einen Tanzschwerpunkt: Panaibra Gabriel Canda lotet in einem Doppelabend die Sprache der Körper aus – und auch noch andere Grenzen: „Während sich in „Metamorphoses“ Zuschreibungen wie „behindert“ und „nicht behindert“ auflösen, wird Candas Körper in den „Marrabenta Solos“ zum Gradmesser gesellschaftlicher Umbrüche in Mosambik.“ Michael Turinsky wiederum choreografiert in „my body, your pleasure“ den Tänzern die Spasmen des eigenen Körpers auf den Leib. Danza Mobile aus Spanien fragt mit ihrer inklusiven Compagnie „Where is down?“ Und Jeremy Wade untersucht in „Together Forever“ zusammen mit dem Publikum, wie es um unsere Hilfs- und Fürsorgebereitschaft steht.

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Der gute Mensch von Downtown – Foto: Melanie Bühnemann

Grenzenlos Kultur hat von Anfang genau diesen Spagat erfüllt: Die gerade in Deutschland so hohen Grenzen zwischen behinderten und Nicht-Behinderten aufzulösen und die Frage zu stellen, wie unsere Gesellschaft mit ihren Benachteiligten umgeht. Und so eröffnet denn auch das Berliner Ensemble „Ramba Zamba“ mit Gisela Höhnes Inszenierung „Der gute Mensch von Downtown“ das Festival – der Abend mit Bühnenlegende und Tatort-Kommissarin Eva Mattes steht einerseits in der Dada-Tradition, die Verrücktheit der Welt mit Verrücktheit zu kontern. „Andererseits stellt er mit Bertolt Brecht die Frage, ob ein gerechtes Leben in einer ungerechten Gesellschaft möglich ist“, heißt es da.

Das berührt natürlich auch die Frage nach unserem Umgang mit Flüchtlingen: „Dada wurde von Menschen erfunden, die in Zürich Zuflucht vor dem Ersten Weltkrieg suchten“, erinnern die Festivalmacher, „100 Jahre später sieht es nicht besser aus in der Welt, beschäftigt uns das Thema Flucht und die Reaktion Europas darauf jeden Tag.“ Das Festival aber widmet sich dem Thema auf komisch-schräge Weise – auf Dada eben. Wie den Bühnenmagier Thom Luz, der in „When I die“ von einer älteren Dame erzählt, die sich von verstorbenen Komponisten wie Liszt und Beethoven ungeschriebene Werke diktieren lässt. „Dabei zerlegt er das Theater in seine Einzelteile – und setzt sie leicht verschoben wieder zusammen“, heißt es in der Ankündigung.

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Grenzenlos Kultur vol. 18: Die letzte Lockerung von Das Helmi – Foto: Das Helmi

Einen schrägen Blick auf die Welt gibt es auch von der Kult-Puppentruppe „Das Helmi“, die mit ihrer Dada-Revue „Die letzte Lockerung“ dem anarchistischen Geist des Dadaismus huldigen. Und das Berliner Theater Thikwa kombiniert in seiner Theaterperformance „Hindernisse auf der Fahrbahn“ Texte von Ernst Herbeck mit Musik und Bildern „zu einem intensiven Abend, der sanft an den Festen der Welt rüttelt.“ Ähnlich verschoben und verschroben: die Alltagsgespräche von Martin Clausen und Kollegen in „Come Together“, die den Wortsinn bis zur Satzmelodie entkleiden und mit absurden Choreografien den Witz kitzeln, „dann umarmen sich Dada und gaga herzhaft.“

„Who cares?“ heißt es beim parallel stattfindenden internationalen Symposium, wenn Wissenschaftler und Experten über Fürsorge und die Möglichkeiten und Grenzen eines selbstbestimmten Lebens und (Kultur-)Arbeitens mit Behinderung diskutieren. In Workshops, Lectures und Performances stellen Theoretiker, Aktivisten und Künstler aus Wirtschaft, Kunst und Sexarbeit ihre kritischen Positionen zu Fragen der Für-Sorge zur Debatte.

21 Veranstaltungen warten bis zum 1. Oktober auf Euch, los geht’s am Donnerstag, den 22. September, mit der Premiere von „Der gute Mensch von Downtown“ – die übrigens ebenso wie die Vorstellung am Freitag schon ausverkauft ist. Insgesamt könnt Ihr rund 150 Künstler mit und ohne Behinderungen aus England, Mosambik, Österreich, der Schweiz, Spanien, USA, Deutschland und anderen Ländern erleben. Alles auf den verschiedenen Bühnen des Staatstheaters Mainz.

Info& auf Mainz&: Grenzenlos Kultur Vol. 18, das integrative Theaterfestival, vom 22. September bis 1. Oktober 2016 in Mainz. Das komplette Programm gibt’s unter www.grenzenloskultur.de. Tickets kosten zwischen 14,- Euro und 35,50 Euro und gibt’s im Mainzer Staatstheater, Online genau hier.

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Eva Vollmer, Proviantamt und Eva Eppard Sieger der Best of Wine Tourism-Awards 2017

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Gleich drei Mainzer Wein-Akteure sind Sieger der Best of Wine Tourism Awards 2017: Die Winzerin Eva Vollmer, das Mainzer Proviantamt und Gourmetköchin Eva Eppard gehören zu den Gewinnern der Auszeichnung des Netzwerkes der Great Wine Capitals in Mainz und Rheinhessen. Sieben Sieger kürte die Jury vergangene Woche, und offenbar zahlte es sich aus, Eva zu heißen – gleich drei Winzerinnen namens Eva heimsten dabei Preise ein. Die dritte: Eva Pauser mit dem Weingut Pauser aus Flonheim. Die Gault Millaut-Sterne des Weintourismus in Rheinhessen sind damit gekürt – alle sieben bieten spannende Weinerlebnisse.

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Weinevents bei Eva Vollmer sind etwas ganz besonderes – wie hier der Scheurebe-Abend – Foto: gik

Mainz ist ja bekanntlich seit Juni 2008 Mitglied in dem ziemlich exklusiven Club von Weinhauptstädten weltweit, dem unter anderem so renommierte Regionen wie Bordeaux, San Francisco oder neuerdings Adelaide in Australien angehören. Das internationale Netzwerk von derzeit acht bedeutenden Großstädten und ihren Weinregionen will gemeinsam Reisen, Bildung und Wirtschaftskontakte untereinander fördern. Schwerpunkt ist natürlich das Thema Wein, jedes Jahr werden deshalb Preise für Weintourismus vergeben, die in den Regionen beispielhafte Initiativen und Aktionen küren, die andere anspornen sollen, Region und Tourismus voran zu bringen.

Die Best of Tourism-Awards küren deshalb jedes Jahr in jeder Region die Top 7 in sieben Kategorien, bewerben können sich nicht nur Weinerzeuger, sondern auch Hotels, Restaurants und alle Unternehmen mit einem speziellen weintouristischen Angebot. Und gleich drei Mainzer sind unter den Preisträgern 2017!

In der Kategorie „Innovative Weintourismuserlebnisse“ siegte nämlich das Weingut von Eva Vollmer aus Mainz-Ebersheim. Die Jury unter Vorsitz von Ernst Walter Görisch, Landrat des Landkreises Alzey-Worms, prämierte damit das reiche Angebot rund um das Thema Wein der Ebersheimer Jungwinzerin: Die tollen Weinpicknicks, Wein und Yoga oder auch Dunkelweinproben, das biete „für jeden Geschmack neue Möglichkeiten, Rheinhessenwein vor Ort zu erleben“, so das Urteil der Jury. In der Tat: Wer schon einmal die Powerfrau Vollmer und die einmalig-entspannte Genuss-Atmosphäre auf dem Ebersheimer Weingut erlebt hat, kann das gut nachvollziehen. Zuletzt gerieten die Gäste beim Scheurebe-Diner Ende August wahrhaft ins Schwärmen. Mehr zum Weingut Eva Vollmer findet Ihr unter www.evavollmer-wein.de.

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Ausgezeichnet: die Rheinhessenvinothek im Mainzer Proviantamt – Foto: Rheinhessenvinothek

Mainzer Sieger Nummer zwei: die Vinothek im Proviantamt wurde in der Kategorie „Weintourismus Service“ ausgezeichnet. Die Vinothek im historischen Ambiente biete „eine besonders breite Auswahl an rheinhessischen Weinerzeugnissen zum Probieren, Genießen und Kaufen“, fand die Jury, mehr noch: „Zahlreiche Weinveranstaltungen, Weinproben, Schulungen, Winzergespräche und Kulturevents werden durch ein ansprechendes, regionales Speisenangebot abgerundet.“ Dazu werde die Beratung – ob persönlich oder digital – groß geschrieben – ein toller Erfolg für die erst kürzlich völlig neu gestaltete und gestartete Rheinhessen-Vinothek. Mehr dazu unter www.proviantamt.de.

Zweite Mainzer Eva, zweiter Preis: Für „Nachhaltigkeit im Weintourismus“ wird das Restaurant Eppard in der 100 Guldenmühle in Appenheim ausgezeichnet – die zweite Wirkungsstätte von Eva Eppard, der Chefin der Kupferberg Terrasse. Die hat die junge Rheinhessin schon gewaltig aufgemischt, und damit schon 2016 ihren ersten Best of Wine Tourism Award eingeheimst – mehr dazu lest Ihr hier auf Mainz&. In ihrem Heimatort Appenheim hat Eppard einen alten Mühlenkomplex mit einer über 150 Jahre alten historischen Getreidemühle restauriert – und darin ein exquisites Restaurant geschaffen.

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Die 100 Guldenmühle in Appenheim vin Eva Eppard – absolut ausgezeichnet – Foto: 110 Guldenmühle

„Am Knotenpunkt von nicht weniger als acht Wander- und Radwegen durch die Region werden regional-mediterrane Gerichte zu Weinen aus Appenheim und der Region angeboten“, lobt die Jury. Nachhaltigkeit und Qualität aber zeigten sich nicht nur in der Produktauswahl, „sondern gerade auch im Erhalt von Bausubstanz und damit rheinhessischer Identität.“ Mehr im Internet unter www.100guldenmuehle.de.

Und damit wären wir bei Eva Nummer drei: In der Kategorie „Architektur, Parks und Gärten“ ging der Best of-Award nämlich an das Weingut Pauser aus Flonheim, wo Jungwinzerin Eva Pauser großartige Rotweine kreiert. Die Jury überzeugte „der umfassende architektonische Anspruch, neben dem Hauptgebäude mit Vinothek und Panoramaterrasse, auch noch die Produktionsstätten und Weinlager mit einzubeziehen.“ Die ausgezeichnete Vinothek gibt nämlich den Blick frei auf die dahinter gelagerten Rotwein-Barriquefässer, so wurden „mit Pausers Quartier im modernen Ambiente wurden Genussräume für Events aller Art und für alle Sinne geschaffen.“ Guckt Ihr hier im Internet: www.weingut-pauser.de.

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Das Restaurant Vis-a-Vis in Osthofen besticht mit seiner wunderschön hergerichteten alten Kuhlkappelle – Foto: Vis-a-Vis

Nach Flonheim ging gleich auch noch ein zweiter Preis: Für die beste „Unterkunft“ wurde das Landhotel im Klostereck der Winzerfamilie Strubel-Roos in Flonheim prämiert. Das Hotel im Ortskern besteche durch drei unterschiedliche Gebäude, befand die Jury: Haupthaus, moderner Neubau und historisches Tagelöhnerhäuschen. Der weinaffine Charakter des Hauses mit seinen 23 Zimmern begegne den Gästen hier überall: „Wein- und Sektproben mit eigenen Sekten und Weinen in der Sektlaunch oder im Weinbistro, wo auch hausgemachte Kuchen und Torten von Tochter Veronika angeboten werden“, lobte die Jury. Na dann: Hinfahren und übernachten! Infos unter www.strubel-roos.de.

Tatsächlich aber verteilen sich die Best of-Awards in diesem Jahr wieder einmal kreuz und quer durch Rheinhessen – gut so! Die Kategorie „Weingastronomie“ nämlich holte das Restaurant Vis-à-Vis in Osthofen. Die Jury belohnte damit den „gelungenen Mix aus anspruchsvoller regional inspirierter Küche, einer umfassenden und rheinhessisch geprägten Weinkarte“ – und einer alten Kuhkappelle, die liebevoll und geschmackvoll umgestaltet wurde. So wurde die Hofreite eines ehemaligen Weinhandelshauses zur ganz besonderen Weingastronomie – und nun preisgekrönt. Besonders lobte die Jury, dass hier neben Weinen des eigenen Weinguts Spieß auch Erzeugnisse anderer prämierter und befreundeter Winzerbetriebe auf der Karte stehen. Alles dazu unter www.visavis-osthofen.de.

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Gitterboxen als Weinregale und eine besondere Kunst-inspirierte Atmosphäre im Weingut Wilmshof in Selzen – Foto: Wilmshof

Bleibt noch die Kategorie „Kunst und Kultur“, und da geht der Award in diesem Jahr nach Selzen: Das Weingut Wilmshof besticht, so die Jury, neben seinem Engagement im Weinbau und einem umfassenden weingastronomischen Angebot „ganz besonders durch das Motto „Wein ist Kunst“, das ganzheitlich gelebt wird“: Der ungewöhnliche Weinladen und die Kunstwerke zeigten den Gestaltungsdrang von Kunstdozent und Winzermeister Tobias Mohr – mit seinen zu Weinregalen umgewandelten Gitterboxen, die dem Raum „eine ganz ungewöhnliche, neue Ästhetik“ geben. Wenn jemand auch Kunstdozent und Winzer zugleich ist, da muss ja etwas besonderes bei herauskommen 😉 Mehr unter www.wilmshof-selzen.de.

Die Best of Wine Tourism Awards werden in jedem Jahr in allen internationalen Great Wine Capitals verliehen. Die nationalen Preisträger sind nun automatisch für die internationale Endausscheidung am 6. November 2016 in Porto/Portugal qualifiziert. Wir gratulieren allen Siegern ganz herzlich und freuen uns – denn die Region Rheinhessen gewinnt durch alle spannende Weinerlebnisse.

Info& auf Mainz&: Alle Sieger der Best of Wine Tourism Awards 2017 sowie die Sieger der vorherigen Jahre findet Ihr hier im Internet auf den GWC-Seiten der Stadt Mainz. Mainz& hat übrigens 2015 den Blogger Wettbewerb der Great Wine Capitals gewonnen, 2016 stellen wir als Bloggerin die Sieger der Best of-Awards 2016 als GWC-Bloggerin vor – mehr dazu findet Ihr hier bei Mainz&.

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