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Tagesarchive: 16. Februar 2017

Luther rollt am Rosenmontag auf Motivwagen durch Mainz – Evangelische Kirche feiert Reformationsjubiläum

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Sonst sind sie eher Zielscheibe des Spotts im Rosenmontagszug, jetzt nimmt eine der beiden großen christlichen Kirchen erstmals selbst aktiv am großen Fastnachtsumzug in Mainz teil: Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau stellt erstmals einen Motivwagen. Darauf, natürlich: Martin Luther. Ein bisschen grimmig schaut der Reformator drein, in der Rechten einen Hammer, hinter ihm die Kirchentür, an die er soeben seine 95 Thesen angeschlagen hat, die nichts weniger als eine neue Religionsrichtung begründen sollten. Mit dem Motivwagen feiert die Evangelische Kirche das Lutherjahr 2017 – im Herbst ist Luthers Thesenanschlag genau 500 Jahre her.

Motivwagen Luther mit Bibel vorn
Bibel, Schreibfeder und Martin Luther – der Motivwagen der Evangelischen Kirche für den Mainzer Rosenmontagszug – Foto: gik

„Das ist ein Abenteuer“, sagte der Mainzer Dekan Andreas Klodt bei der Vorstellung des Motivwagens am Donnerstag in Mainz ziemlich aufgeregt: „Wir gehen mit dem Wagen raus auf die Gass‘ zu den Leuten, wie es auch Luther gemacht hätte.“ Luther, der stehe natürlich für Protestantismus, seine Bibelübersetzung legte den Grundstein für eine bodenständige, den Menschen zugewandte Religion. Luther sei aber eben auch ein Mann der Lebensfreude gewesen, sagte Klodt, „und so werden wir uns am Rosenmontag auch auf den Weg machen.“

3,40 Meter hoch ragt der Pappmaché-Luther auf dem Wagen auf, von seinem Hirtenstab baumeln die Mainzer Insignien Weck, Worscht und Woi. Dass Luther so ernst schaue, liege vermutlich daran, „dass die Flasche Wein noch zu ist“, sagte Klodt verschmitzt – der Reformator liebte speziell den Rheinwein aus Nierstein und Oppenheim. Am Bug des Wagens liegt die große, aufgeschlagene Bibel, auch eine Hommage an Johannes Gutenberg, dessen Buchdruck-Erfindung erst den Grundstein für die massenhafte Verbreitung von Luthers Thesen und Schriften legte. Dahinter steht eine moderne Bibel, Symbol für eine moderne Kirche, daneben: Schreibfeder und Tintenfass, die seien eine Anlehnung an Luthers Schreibstube auf der Wartburg bei Eisenach, erklärte Dieter Wenger – dort, wo Luther ein Tintenfass nach dem Teufel geworfen haben soll.

Luther auf Motivwagen hoch nah
Martin Luther, ernster Reformator – mit Weck, Worscht und Woi im Gepäck – Foto: gik

Den Wagen entworfen und gebaut hat natürlich der oberste Mainzer Wagenbauer: Dieter Wenger vom Mainzer Carneval Verein (MCV), seit 55 Jahren Herr der närrischen Motivwagen im Mainzer Rosenmontagszug. Wenger sei „eine Legende unter den Wagenbauern“, schwärmte Klodt, und er habe die Fastnachtslaien von der Kirche „ganz toll an die Hand genommen.“ Bilder von Luther und von seinen Statuen hätten er und sein Team gewälzt, verriet Wenger, am Ende entschied man sich für eine ikonographischen Luther, also einen mit hohem Wiedererkennungswert. „Die Leute am Straßenrand haben ja nur Sekunden um zu erkennen, was da auf sie zukommt“, erklärt Wenger, „da geht es um schnelle Wiedererkennung.“

Seit Mitte November werkelten Wenger und sein Wagenbauer-Team an dem Wagen, rund 35.000 Euro ließ sich die Evangelische Kirche das Sondergefährt kosten. Das Reformationsjubiläum sei ein höchst wichtiges Ereignis, sagte Präses Birgit Pfeiffer, „und wichtige Ereignisse werden im Rosenmontagszug glossiert.“ Deshalb freue sich die Evangelische Kirche sehr darauf, dass mit den Mainzern auf der Straße und den Zuschauern an den Bildschirmen zu feiern. Mit der Zugnummer 31 läuft der Luther-Wagen nämlich auch so weit vorne im Zug, dass er auch von der bundesweiten Fernsehübertragung noch erfasst wird.

Auf dem Wagen finden 22 Mitfahrer Platz, mit dabei werden neben Dekan und Präses auch bunt gemischt Mitarbeiter und Jugendliche sein. „Luther hat gesagt, es gibt ein Priestertum der Gläubigen, deshalb stehen wir auf dem Wagen alle auf einer Augenhöhe“, sagte Pfeiffer. Das sei statisch gar nicht so leicht umzusetzen gewesen, verriet Wenger, normalerweise hätten Fastnachtswagen für Aktive verschiedene Ebenen, „und ganz oben steht der Präsident.“ Dazu musste das 18 Meter lange Gespann noch eine Anforderung erfüllen: „Der Kopf vom Luther ist abnehmbar, die Kirche kann umgeklappt werden“, erklärt der Wagenbauer, „damit der Wagen unter den Brücken durchpasst.“

Motivwagen Luther mit Dekan und Wagenbauer Wenger
Gespannte Erwartung auf den Rosenmontag mit Luther-Motivwagen (v.l.n.r.): Dekan Andreas Klodt, Pressesprecherin Juliane Diel, Präses Birgit Pfeiffer und Wagenbauer Dieter Wenger. – Foto: gik

 

Denn Luther samt seinem Wagen sollen nicht nur am Rosenmontag, sondern auch den Rest des Reformationsjahres über zum Einsatz kommen, bei Umzügen und Veranstaltungen in der ganzen Republik. Für den Rosenmontag haben sich die Protestanten ebenfalls gut gerüstet: 1.000 Päckchen eigens angefertigter Luther-Bonbons, insgesamt eine Tonne, stehen als Wurfgeschosse parat. Das seien Apfel-Bonbons, verrieten die Protestanten, in Anlehnung an ein Zitat, das Luther zugeschrieben wurde: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Dazu gibt’s für die kleinen Narren kleine Playmobil-Luther-Figuren und Kinderbücher mit der Geschichte der Reformation.

Hinter dem Wagen wird eine Posaunengruppe laufen – und dabei auch eigens für Fastnacht neu gesetzte Luther-Choräle intonieren, verriet Klodt. „Eine feste Burg ist unser Gott“ sei auch dabei, versicherte er noch. Und natürlich hat der Luther-Wagen auch einen Narren-Vers, gedichtet eigens für den Rosenmontagszug: „Seit 550 Jahr‘ gibt’s Protestanten/ weil Luthers Thesen Anklang fanden./ Der Mensch ist Sünde und doch frei,/ für manchen ist das Narretei./ Doch Luther lässt sich nicht beirren:/ Bibel, Weck, Worscht und Woi trotzt allen Wirren!“

Info& auf Mainz&: Mehr über Martin Luther, den Rebellen der Neuzeit, Bibelübersetzer und Weingenießer, und vor allem zum Programm des Lutherjahres in Mainz findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel.

 

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46. Rheinland-Pfalz-Ausstellung zu Grillen und Sicherheit – After-Work-Weinprobe auf Regio-Wein

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Mit zwei neuen Schwerpunktthemen will die 46. Rheinland-Pfalz-Ausstellung in diesem Jahr moderner und attraktiver werden: Die Themen Sicherheit und Grillen träfen „den Nerv der Zeit“ und sollen spannende Informationen rund um Einbruchsschutz und Smart-Home-Produkte sowie das Mega-Thema Grillen bieten, sagt der Veranstalter, die RAM Regio GmbH. Die Rheinland-Pfalz-Ausstellung ist die größte Verbrauchermesse im Land, vom 18. bis 26. März bieten rund 700 Aussteller in zehn Themenwelten und mehreren Sonderschauen Informationen rund um Bauen & Renovieren, Energiesparen, Einrichten, Haushalt & Genuss bis hin zu Fahrzeugen, Urlaub und Dienstleistungen.

Hallenplan RLP Ausstellung 2017
Der neue Hallenplan der Rheinland-Pfalz-Ausstellung 2017 – Grafik: RAM Regio

Die Rheinland-Pfalz-Ausstellung geht mit einem neuen Logo und einem neuen Slogan in ihr 46. Jahr. „Aus Tradition. Für die Region“, heißt der Slogan der Verbraucherschau nun, das Logo ist frischer und moderner geworden. Im vergangenen Jahr litt die Ausstellung unter sinkenden Besucherzahlen und manchmal auch ein bisschen sehr traditionellem Angebot. Auch machte der Umzug der verschiedenen Sparten in die neu geordneten Hallen das Angebot nicht immer übersichtlich.

Es habe im vergangenen Jahr Kritik an der Besucherlenkung gegeben, so mancher habe sich in den Hallen nicht mehr zurecht gefunden, räumte die RAM Regio ein. Auch sei der Wunsch nach mehr frischer Luft geäußert worden – den Besuchern hatte bei der gänzlich überdachten Hallenlösung einfach der Gang durchs Freie gefehlt. Nun wurde das Konzept grundlegend geändert, das Angebot neu strukturier,t und die Hallen sind nun wieder wie früher einzeln von außen begehbar. Insgesamt stehen nun 22.000 Quadratmeter Hallenfläche zur Verfügung.

Dass die geschlossene Lösung ad acta gelegt wurde, habe auch einen ganz praktischen Grund, erklärt Messe-Chef Sebastian Kreuser: „Durch den neuen Zuschnitt des Messegeländes mit der Verlängerung Richtung Ebersheim konnten wir unser Konzept nicht mehr optimal umsetzen.“ Vor den Hallen werden nun auch wieder mehr Aussteller ihre Produkte präsentieren.

Angebot zu Grillen ausgebaut, Thema Sicherheit großer Schwerpunkt

RLP Ausstellung 2015 - Grill Forum Ausstellung
Schon auf der Rheinland-Pfalz-Ausstellung 2015 war das Grill-Forum ein Besuchermagnet – Foto: gik

Auch will die Schau wieder mit zwei sehr aktuellen Themen punkten: Das Thema „Grillen“ ist in, nun soll das Angebot von Grillgeräten und Grillzubehör ausgebaut werden. In der „Grillforum Valentin Halle“ wird es hochmoderne Grillgeräte, stylisches Zubehör, Gewürze und Saucen geben, „auf Wunsch alles auch gleich zum Mitnehmen“, verichert Kreuser. Tägliche Grill-Shows sollen dazu leckere Rezepte und Ideen für die nächste Gartenparty liefern. „Wir haben sowohl zu Fragen der Sicherheit wie auch beim Freizeitthema Grillen Orientierungsbedarf festgestellt“, berichtet Kreuser, dem wolle man mit dem neuen Messeangebot entsprechen.

Tatsächlich ist Sicherheit rund ums Haus ein großes Thema, gerade auch angesichts der Einbruchsserien in Mainz in den vergangenen Jahren. Dem will die Sicherheitsmesse „Sicheres Zuhause“ Rechnung tragen: Da demonstrieren Berater, wie wenig Zeit Profis benötigen, um eine Haustür aufzuhebeln, Vertreter der Polizei hingegen verraten, wie man sich genau davor schützen kann. Ein tägliches Vortragsprogramm der Polizeipräsidien Mainz und Westhessen sowie der Landeskriminalämter Rheinland-Pfalz und Hessen bietet vertiefende Informationen, auf der Agenda stehen Themen wie „Maßnahmen zum Einbruchschutz“ und „Verhalten für ein sicheres Zuhause“.

Seniorengerechtes Wohnen, Smart-Home und Sicherheit im Internet

RLP Ausstellung Touristik Welt 2016
Die Touristik-Welt auf der Rheinland-Pfalz-Ausstellung 2016 – Foto: gik

Ein weiteres Schwerpunktthema widmet sich dem „seniorengerechten Wohnen“, Senioren sind traditionell eine wichtige Besuchergruppe der Rheinland-Pfalz-Ausstellung. Hier geht es um innovative Meldesysteme, die helfen, das Leben auch in fortgeschrittenem Alter selbstbestimmt in den eigenen Wänden zu gestalten. Seniorengerechte Smart-Home-Produkte sollen etwa ungewöhnliche Impulse wahrnehmen und die Angehörigen per SMS informieren. Polizei und Verbraucherschützer informieren aber auch rund um das Thema „Sicheres Internet“, hier geht es darum, wie man den Missbrauch der Daten verhindert, „Fake-Shops“ im Internet erkennt oder Cybermobbing insbesondere gegenüber Kindern begegnen kann. Täglich ab 16.00 Uhr bietet die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz den Vortrag „Sicher ins Internet“ an.

Traditionell bietet die Rheinland-Pfalz-Ausstellung aber eine breite Vielfalt von Themen. In diesem Jahr werden es zehn Themenwelten in 18 Messehallen, die Bandbreite reicht von Outdoor-Kleidung über Haustüren bis hin zu Kosmetik, Möbeln oder Küchengeräten. Am ersten Messewochenende (18. bis 20. März) finden zudem die Sonderschauen „TouristikWelt“ und „FaireWelten“ statt, am zweiten Wochenende (24. bis 26. März) die Weinmesse „RegioWein“.

After-Work-Weinprobe auf der „RegioWein“ am Freitagabend bis 20 Uhr

RLP Ausstellung - Weine vom Weingut WOW - Wolfgang Bender
Weine vom Weingut WOW von Wolfgang Bender auf der RegioWein 2016 – Foto: gik

Die Weinmesse auf der Rheinland-Pfalz-Ausstellung war vor zwei Jahren neu ins Leben gerufen worden, für viele Messebesucher eine attraktive Möglichkeit, Weine und Winzer aus Regionen wie Mosel, Pfalz oder Nahe persönlich kennen zu lernen. Auch präsentiert sich die Weinbauhochschule Geisenheim regelmäßig mit einem umfangreichen Vortragsprogramm, mit Riechstation und einem veritablen Weinberg auf der „RegioWein“. Doch die Messe litt auch darunter, dass Besucher tagsüber eher weniger Wein probieren wollten, abends die Messe aber schon um 18.00 Uhr dicht machte – viel zu früh für Berufstätige, um noch auf einen Wein vorbei zu kommen.

In diesem Jahr wird dem mit einem neuen Format Rechnung getragen: Am Freitag, 24. März, findet erstmals eine „After-Work-Weinprobe“ statt, die „RegioWein“ öffnet dann bis 20.00 Uhr ihre Tore zum Schlendern und Verköstigen. Dazu wird die RegioWein verkürzt: Auf Wunsch der Winzer findet sie nur noch an drei Messetagen statt, eben vom 24. bis 26. März. Rund 40 Winzer werden an den drei Messetagen vor Ort sein.

Infos& auf Mainz&: 46. Rheinland-Pfalz-Ausstellung  vom 18. bis 26. März 2017 auf dem Messegelände in Mainz-Hechtsheim. Geöffnet täglich 10.00 bis 18.00 Uhr. Eintritt regulär 9,- Euro, ermäßigt 7,- Euro. Das Nachmittagsticket, gültig von 14.00 bis 18.00 Uhr, ist für 5,- Euro zu haben und gilt am Freitag, 24. März, auch für die „RegioWein“. Die hat am 24. März bis 20.00 Uhr geöffnet, der Rest der Messe schließt aber regulär um 18.00 Uhr. Kinder bis zwölf Jahre haben in Begleitung Erwachsener freien Zutritt. Das Auto kann den ganzen Tag für 3,50 Euro, nachmittags für 2,- Euro, auf den vorgesehenen Flächen geparkt werden. ÖPNV-Tipp: Bus- und Bahnfahrer wählen im RMV-Tarifgebiet 65 das „Kombiticket“, dann gilt ihr Fahrschein auch als Eintrittskarte zur Messe. Weitere Infos im Internet unter www.rheinland-pfalz-ausstellung.de.

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Mainzelbahn: MVG trifft sich mit Anwohnern, CDU kritisiert Vorgehen der MVG – Erlhof zu Nachbesserungen

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Der Streit um den richtigen Umgang der Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) und der Stadt Mainz mit den Mängeln der neuen Mainzelbahn geht weiter. Die CDU kritisierte nun noch einmal scharf den Umgang der MVG mit den Beschwerden von Anwohnern, die über erhebliche Erschütterungen ihrer Häuser samt Risse in den Wänden klagen. „Es ist an der Zeit, das eigene Agieren zu überdenken, berechtigte Fragen umgehend zu beantworten und die vielen Probleme unverzüglich zu beheben“, sagte CDU-Kreischefin Sabine Flegel. Die MVG trifft sich am Donnerstagabend mit Anwohnern zum Gespräch – und will am Freitagmorgen darüber auch die Presse informieren. Die Anwohner fordern unterdessen einen klaren Zeitplan für Nachbesserungen und weiter einen unabhängigen Gutachter.

Mainzelbahn am Ostergraben mit Häusern nah
Neue Mainzelbahnstrecke am Ostergraben, in den anliegenden Häusern gibt es Beschwerden wegen Erschütterungen – Foto: gik

Dem schloss sich die CDU kurz vor dem Treffen zwischen MVG und Anwohnern noch einmal ausdrücklich an: Es sei doch „absolut verständlich“, dass die Anwohner „angesichts der Probleme einen neuen, neutralen Gutachter für die Körperschallmessungen fordern, der die bisher berechneten Werte überprüft“, sagten Flegel und CDU-Fraktionschef im Stadtrat, Hannsgeorg Schönig. Die MVG solle in dieser Frage den Betroffenen entgegenkommen „und nicht krampfhaft an dem bisherigen Gutachter festhalten, der bereits die Plangutachten erstellt hat.“ Das derzeitige Vorgehen „schüre Misstrauen und berechtigte Zweifel, ob hier objektiv und neutral vorgegangen werden soll“, betont die CDU. Auch trage dieses Verhalten „mit Sicherheit nicht zu einer Entspannung der Situation bei.“ Stattdessen müsse die MVG „alles dafür tun, um die Verärgerung und die Frustration unter den Anwohnerinnen und Anwohnern nicht noch größer werden zu lassen.“

Mainzelbahn-Anwohner erwarten von MVG konkreten Zeitplan für Nachbesserungen

Tatsächlich ist die Atmosphäre vor dem Treffen zwischen Anwohnern und MVG von Misstrauen geprägt. Mehr als 40 Anwohner der neuen Mainzelbahn-Strecke in Bretzenheim beklagen massive und substanzielle Störungen in ihren Häusern durch die neue Bahn – Mainz& berichtete ausführlich. Die von ihnen gebildete Interessengemeinschaft beklagt indes weiter, von der MVG seien bisher konkrete Angaben zu Nachbesserungen ausgeblieben. Man erwarte von der MVG am Donnerstag konkrete Aktionen und Zeitangaben, wie und wann die Probleme gelöst werden könnten, sagte der Sprecher der Beschwerde führenden Anwohner, Architekt Andreas Horn, Mainz&. Bislang habe die MVG den Anwohnern nämlich keine Maßnahmen mitgeteilt, von raschen Änderungen könne auch acht Wochen nach Inbetriebnahme der Mainzelbahn „keine Rede sein.“

Letzteres schrieb Horn in einem Brief an SPD-Fraktionschef Eckart Lensch im Vorfeld der Stadtratssitzung vom 8. Februar, in dem gleichen Brief übte der Architekt scharfe Kritik an den bisherigen Reaktionen der Ampel-Koalition im Rathaus in Sachen Mainzelbahn: „Ich hatte nicht erwartet, dass Sie sich lediglich mit dem Thema befassen, sondern dass Sie konkret der MVG gegenüber Forderungen stellen“, schrieb Horn in dem Brief, der Mainz& vorliegt. Er habe erwartet, dass sich auch die SPD für die Interessen der Bretzenheimer Bürger einsetze, doch bislang habe er über die Medien für Aufmerksamkeit für die Probleme sorgen müssen, schreibt Horn weiter und fügt hinzu: „Bisher habe ich immer gedacht, dass die im Mainzer Stadtrat vertretenen Parteien nicht nur Parteipolitik, sondern auch Sachpolitik betreiben.“

Mainzelbahn ganz dicht am Haus in Bretzenheim
Wo die Mainzelbahn fast die Hauswand küsst: Haus in der Marienborner Straße / Am Ostergraben in Bretzenheim – Foto: gik

Prompt änderte die SPD in der Stadtratssitzung ihren Zungenschlag: „Ja, es gibt Probleme bei der Mainzelbahn“, bekannte SPD-Verkehrsexpertin Christine Pohl, und Lensch selbst sprach nun auf einmal von „berechtigten und wichtigen Problemen“. Ein solches Großprojekt wie die Mainzelbahn könne „nicht sofort in dem geschliffenen Maß laufen wie geplant“, sagte Lensch. In Bretzenheim werde man aber „andere Lösungen finden müssen als nur zu hoffen, dass sich das System einspielt.“ Die SPD-Fraktion habe der MVG am 31. Januar kritische Punkte vorgetragen und mit der Geschäftsführung besprochen. „Wir erwarten von Ihnen, dass Sie die Probleme lösen, aber auch, dass wir das Vertrauen haben, dass Sie die aufgetretenen Mängel beseitigen“, betonte Lensch.

FDP sieht MVG-Aufsichtsrat am Zuge, Grüne sehen „einen normalen Verlauf“

Am 31. Januar hatte das noch deutlich anders geklungen, da hatten die Ampel-Fraktionen nach dem Treffen mit der MVG vornehmlich von „Anlaufschwierigkeiten“ gesprochen und die „erheblichen Fortschritte“ bei den Nacharbeiten gerühmt. FDP-Fraktionschef Walter Koppius versicherte nun im Stadtrat, auch die FDP nehme „die Beschwerden sehr ernst, mindestens so ernst wie die CDU“, man suche „nach raschen Lösungen.“ Der richtige Ort dafür seien aber der Aufsichtsrat der MVG – der allerdings tagt nicht-öffentlich, ein freier Informationsfluss an Öffentlichkeit, Anwohner und Medien ist danach, wie bei Aufsichtsräten üblich, nicht gegeben.

Immerhin sprach Koppius auch von „erheblichen Problemen bei der Fahrplanänderung“, wohingegen die Grünen weiter keinerlei Probleme sehen mochten: Mainz habe es geschafft, ein 100-Millionen-Euro Infrastrukturprojekt pünktlich auf den Weg zu bringen, die Anfangsschwierigkeiten seien „ein normaler Verlauf“, sagte Ansgar Helm-Becker lediglich – der Rest gehöre in die Fachausschüsse. „Nehmen Sie bitte die Sorgen ernst und sagen Sie, Sie haben verstanden“, appellierte hingegen die Bretzenheimer Ortsvorsteherin Claudia Siebner (CDU) an die Mitglieder des Stadtrats.

Von der Schwierigkeit, Beschwerde führenden Anwohnern einfach mal zu glauben

Mainzelbahn Hindemithstraße mit Wendekreis
Die Schmieranlage für die Wendeschleife der Mainzelbahn auf dem Lerchenberg hat Lieferschwierigkeiten – Foto: gik

„Ich habe auch erst einmal die einen oder anderen Bedenken der Anwohner in den Wind geschlagen“, bekannte der Marienborner Ortsvorsteher Claudius Moseler (ÖDP), „bis ich mich mal in die Marienborner Straße gestellt habe…“ Dabei waren dem Stadtrat offenbar die Augen und Ohren aufgegangen, danach lautete sein Fazit: „Die technischen Macken müssen möglichst schnell erledigt werden, damit wir nicht die Akzeptanz der Mainzelbahn gefährden.“ Die Mängel müssten in den Gremien diskutiert und schnellstmöglich behoben werden, ausgedünnte Busfahrpläne überprüft werden. Dabei wäre es doch sinnvoll, „örtliches Wissen abzuschöpfen, wo Lücken sind“, riet Moseler.

„Wesentliche Mängel begleiten die Mainzelbahn“, unterstrich CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster und verwies erneut auf Risse in Wänden, nicht verlegte Rasengleise und eine Ausdünnung des Fahrplans für viele Mainzer in unterschiedlichen Stadtteilen. Es gebe eben nicht Gewinner und Verlierer der Umstellung, „es gibt hauptsächlich Verlierer der neuen Verbindungen“, betonte Gerster und fügte ironisch an, die Gewinner des neuen Fahrplans hätten sich bislang „leider sehr gut versteckt.“ Auch Flegel rügte, wenn große Stadtteile in Mainz nur noch im Stundentakt bedient würden, „ist das nicht gerade der große Gewinn.“

CDU: Warum wurde Schmieranlage nicht früher bestellt?

Die CDU fordert umfangreiche Nachbesserungen beim Fahrplan sowie das schnelle Abstellen der Mängel. Auch stelle sich die CDU die Frage nach der Professionalität der MVG, sagte Flegel: „Warum hat man die Schmieranlage für den Lerchenberg nicht gleich vor zwei Jahren bestellt?“ „Niemand hat schlicht und ergreifend mit so langen Lieferzeiten für die Schmieranlage gerechnet“, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) dazu im Stadtrat. Die Anlage sei nun für Mitte März zugesagt, „wir erwarten, dass die dann auch geliefert ist.“

Mainzelbahn Kreuzung Ostergraben neu
Nicht funktionierende Ampeln bei der Querung der Mainzelbahn in Bretzenheim sorgten bereits für Ärger – Foto: gik

Eder betonte zudem: „Wir wollen die Probleme überhaupt nicht beschönigen oder kleinreden.“ Sie bedaure die Belastungen für die Anwohner ausdrücklich, „wir sind doch die ersten, die sich freuen würden, wenn dieses Projekt die größte Akzeptanz haben würde und alles rund läuft.“ Es habe aber „nie jemand gesagt“, am 11. Dezember werde alles fertig und gut sein. Es gebe schlecht verarbeitete Schweißnähte und noch nicht richtig funktionierende Weichen, räumte die Dezernentin ein, daran arbeite die MVG aber mit Hochdruck und hoher Professionalität.

MVG macht defekte Detektorplatten im Boden für Ampel-Chaos verantwortlich

Auch sei der Stadt immer klar gewesen, dass noch Ampeln eingerichtet werden müssten, sie gehe davon aus, dass spätestens in zwei Wochen alle Ampeln so geschaltet sein würden, wie es sein soll. Dabei sei die Stadt allerdings auch auf die Firma Siemens angewiesen. MVG-Geschäftsführer Jochen Erlhof verriet Mainz& am Rande der Stadtratssitzung, das Problem liege bei mangelhaften Detektorplatten im Boden. Die seien dafür zuständig, eine Ampel für den querenden Verkehr bei einer anrollenden Bahn auf Rot zu stellen, falls das Funksignal aus einer Bahn heraus das nicht leiste.

Das Prinzip mit den Detektorplatten sei eine Rückfallebene, weil im Schnitt eines von 100 Funksignalen nicht die Ampelschaltung auslöse, erklärte Erlhof. Dann besorgten die Platten im Boden den Vorgang, wenn sie durch eine anrollende Bahn aktiviert würden. „90 Prozent der Anlage laufen längst“, sagte Erlhof, acht habe man aber nicht einbauen können, weil sie Mängel aufwiesen. Dazu gibt es offenbar weitere Lieferschwierigkeiten bei Gleisen und Weichen, räumte Erlhof ein – einen verbindlichen Liefertermin für die fehlerhafte Weiche am Arbeitsamt habe die MVG immer noch nicht.

Mainzelbahn Haltestelle Kisselberg kleiner - Foto gik MVG
Am Kisselberg halten zwar Busse, nicht aber die Mainzelbahn. Das soll sich erst mit der geplanten Fußgängerbrücke ändern – in zwei Jahren – Screenshot: gik

Fußgängerbrücke zum Kisselberg frühestens in zwei Jahren

„Wir werden alle Mängel beseitigen und alle Grenzwerte einhalten“, versicherte Erlhof gegenüber Mainz& zudem mit großer Entschiedenheit, bat zugleich aber um ein wenig Geduld: „Wir fahren den Fahrplan jetzt sieben Wochen lang“, betonte er. Um entscheiden zu können, was wie laufe, brauche man noch mehr Zeit. Das gelte auch für die Anbindung des Kisselbergs und des dortigen Studentenwohnheims: Eine Anbindung der derzeitigen Bedarfshaltestelle an die Straßenbahn sei für die Zukunft keineswegs ausgeschlossen, hänge aber mit der geplanten Fußgängerbrücke über die Saarstraße zusammen.

„Die Haltestelle am Stadion ist nur fürs Stadion gedacht und entspricht nicht den Anforderungen für den Regelbetrieb“, sagte auch Dezernentin Eder – der Halt sei nur eine Zwischenlösung, bis die Fußgängerbrücke stehe. Für die sei die Entwurfsplanung abgeschlossen, derzeit werde der Zuschussantrag bei den zuständigen Stellen gestellt. Parallel dazu arbeite die Stadt an der Ausführungsplanung, Baubeginn könne aber frühestens im 2. Quartal 2018 sein. Damit wäre die Fußgängerbrücke frühestens zum Sommer 2019 fertig – in mehr als zwei Jahren.

Evaluierung des Liniennetzes ja – aber unter Vorbehalt des Finanzdeckels

„Wir werden natürlich eine Evaluierung des Liniennetzes vornehmen“, sagte Eder weiter – und musste doch eines einräumen: Ein Mehr im Ausbau des ÖPNV sei ja wünschenswert, aber die MVG habe nun einmal einen Finanzdeckel von 15 Millionen Euro einzuhalten. Das aber würde bedeuten – Achtung Analyse – dass im Fahrplan tatsächlich zugunsten der Mainzelbahn umgeschichtet wurde – und auf Kosten von guten Busverbindungen gespart wurde.

Auch stehe eine Evaluierung des Liniennetzes unter einem neuen Bauvorbehalt, sagte Eder: Am 1. März soll der Umbau der Bahnhofstraße starten, und der wird erneut erhebliche Auswirkungen auf Fahrpläne und Liniennetze haben. „Wir haben hier ein ausgewogenes System“, es gebe keineswegs hauptsächlich Verlierer“, wies sie zugleich die Kritik der CDU zurück. Auch habe es ja im Vorfeld der Mainzelbahn ausführliche Untersuchungen und Gutachten in Bezug auf Schall gegeben. dass es nun Risse in Häusern wegen der Mainzelbahn gebe, „weisen wir von uns.“ Sollte aber nachgewiesen werden, dass es Schäden durch den Bau der Mainzelbahn gebe, „wird natürlich eine Schadensregulierung übernommen“, sicherte Eder zu. Auch bedaure sie ausdrücklich Belastungen für die Anwohner durch fehlende Rasengleise, die würden aber kommen, sobald es die Witterung erlaube. „Wir erachten immer noch das Projekt Mainzelbahn als Erfolg“, unterstrich die Dezernentin zudem, „ich bitte sehr darum, dass wir den Erfolg nicht schlecht reden.“

Kommentar: Warum werden Kritiker noch immer als „Nörgler“ und „Nestbeschmutzer“ diffamiert?

Protestschild Dürfen Wählen am Zaun Lesselallee
Diesen Protest artikulierten Kostheimer im Zuge der Fällung der Lesselallee: Bitte den Mund halten, liebe Bürger? – Foto: gik

Kommentar& auf Mainz&: Was ist eigentlich so schwer daran, Anwohner mit fundierten Beschwerden einfach mal zu glauben? Sie nicht als „Nörgler“ und „Querulanten“ und „das sind doch nur einige wenige“ zu diffamieren? Sich einfach mal mit Inhalten und Personen auseinander zu setzen? Es ist doch auffällig: Jeder, der sich die Situation der Anwohner in Bretzenheim entlang der Marienborner Straße und dem Ostergraben mal persönlich vor Ort angesehen, der mit den Menschen geredet und ihre Belege gesehen und gehört hat – redet auf einmal ganz anders. ÖDP-Chef Claudius Moseler brachte es im Stadtrat wunderbar auf den Punkt: Er habe die Beschwerden ja auch erst nicht ernst genommen, sein Umdenken kam erst, als er sich selbst in die Marienborner Straße stellte.

Die Beschwerde führenden Anwohner in Bretzenheim sind keine Querulanten, und sie sind nicht einige ewig-gestrige Nörgler und Leute, die die Straßenbahn immer schon hassten oder auch sonst einen Krieg gegen die Welt führen. Mainz& hat selbst rund 20 Menschen erlebt, die höchst sachlich und völlig unabhängig voneinander fundierte Mängel und Erlebnisberichte vorbrachten, die sofort deutlich machten: Hier ist etwas derbe schief gegangen. Ob es falsche Schweißnähte sind, falsche Gleise oder holpernde Straßenbahnen – diese Menschen machen auf einen Mangel aufmerksam, weil sie keine Nacht mehr schlafen können und sich um ihre Gesundheit und die Standfestigkeit ihrer Häuser sorgen.

Warum also müssen sie mit abfälligen Kommentaren überzogen und von den Verantwortlichen mit übergroßem Misstrauen behandelt werden? Warum wird jemand, der auf einen Mangel aufmerksam macht, gleich als „Miesmacher“, „Schlechtredner“, „Nestbeschmutzer“ beschimpft? Warum wird das Transparent einer Anwohnerin mit der Aufschrift „Mainzelbahn macht Anwohner krank“ in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eingerollt und versteckt, wie die Frau beklagt?

Alle diese Reaktionen wollen nur eines bezwecken: Kritik abwürgen, Ruhe herstellen. Bloß keinen Schatten auf das Projekt Mainzelbahn fallen lassen! Wie klug ist das aber in Zeiten, in denen sich Informationen und auch Gerüchte – richtige oder falsche – in Windeseile verbreiten? Warum brauchen MVG und Stadtspitze Wochen, um alle offensichtlichen Mängel einfach einzuräumen – und dann auch weitgehend verschämt und hinter vorgehaltener Hand? Kluge Öffentlichkeitsarbeit in modernen Zeiten geht anders, wissen Profis: Hätten MVG und Stadt von Anfang an mit offenen Karten gespielt, einfach mitgeteilt, dass Weichen und Schmieranlagen in ärgerlichen Lieferfristen von Herstellern hängen geblieben sind – Mainz hätte geschmunzelt, mitgelitten und wäre fröhlich weiter Mainzelbahn gefahren.

So aber wird Misstrauen geschürt und hinter jeder Ecke Verdacht gewittert. Das fügt der Mainzelbahn mehr Schaden zu, als alle Anfangsschwierigkeiten es gekonnt hätten. „Wir können Straßenbahn!“ sagt die MVG stolz? Mag sein – aber Souveränität hat sich noch immer und zu allen Zeiten im Umgang mit Kritik gezeigt. Vorbild dafür könnte die gerade erfolgte 200. Montagsdemo gegen Fluglärm sein: Da bedankten sich Politiker aller Couleur ausdrücklich und ausgiebig bei den Fluglärmgegnern – FÜR ihren Protest. Und baten allen Ernstes: Liebe Leute, bitte macht weiter, Euer Protest hilft! Eben.

 

 

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