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Tagesarchive: 1. Oktober 2017

#woraufwirstolzsind – Mainz&-Leitartikel: Erfinden wir den Tag der Deutschen Einheit neu!

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Der Tag der Deutschen Einheit steht vor der Tür, und nicht wenige stellen sich die Frage: Was soll das Fest eigentlich? In Mainz fällt ein Wanderzirkus gigantischen Ausmaßes ein, gleichzeitig präsentieren sich die immer gleichen Großzelte auf jeder Einheitsfeier, egal wo in der Republik. Bürger fühlen sich durch Absperrmaßnahmen mehr ausgegrenzt als einbezogen, vielen geht der Sinn verloren. Dabei war der Tag der Deutschen Einheit noch nie so wichtig wie heute: Gerade nach dem Ergebnis der Bundestagswahl ist es tausendfach wichtig, für die Demokratie zu werben, für eine friedliches Zusammenleben, gegen Hass und Ausgrenzung auf die Straße zu gehen. Mainz& will einen kleinen Beitrag dazu leisten: Unter dem Hashtag #woraufwirstolzsind werden wir bis 3. Oktober Gedanken Twittern, posten, schreiben, die uns mit Freude und Stolz erfüllen, in diesem Land zu leben.

Als Deutschland unbeschwert feierte: Zuletzt beim Gewinn der Fußball-WM 2014 in Mainz – Foto: gik

Braucht Deutschland mehr Stolz? Rechtsgerichtete Gruppierungen wie die AfD predigen einen neuen Nationalstolz, wollen zurück zu einem Hurra-Patriotismus – die Rechten füllen damit eine Lücke, die Jahrzehnte lange Bescheidenheit der Deutschen aufgerissen hat. Es war die Scham nach dem Holocaust, diesem schrecklichsten aller Massenmorde der Menschengeschichte, die den Deutschen ihren Nationalstolz ausgetrieben hatte – zu Recht. Noch vor zehn, zwanzig Jahren war es verpönt, stolz darauf zu sein, Deutsche/r zu sein, die Kölner Rockgruppe Brings sang einst: „Ich weiß nicht mal, was so ne Frage soll! Es will beim besten Willen in meinen Kopf nicht rein, stolz auf einen Zufall zu sein!“

Das war 2001, knapp zehn Jahre nach den ersten gravierenden ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen, als ein rechter Mob nahezu ungestört gegen ein vietnamesisches Flüchtlingswohnheim wüten konnte – und Brings sangen an gegen eine mögliche neue Welle deutsch-nationaler Ressentiments. Nein, stolz Deutscher zu sein – das wäre uns nie in den Sinn gekommen. Dann kam die Fußball-Weltmeisterschaft 2006, und während des Sommermärchens entdeckte Deutschland auf einmal ein völlig neues Nationalgefühl: ungezwungen, weltoffen, tolerant – und stolz auf die eigenen Jungs. Auf einmal schwenkte man Deutschlandfahnen, feuerte die eigenen Leute an und feierte ein gigantisches Fest der nationalen (Fußball-)Einheit.

Mauern und Frust statt Vorfreude: So braucht dieses Fest wirklich kein Mensch… – Foto: privat

Man fragt sich im Jahr 2017, was aus dieser friedlichen, fröhlichen, unbeschwerten Lockerheit geworden ist, aus diesem neuen Nationalgefühl, das erstmals Menschen in Ost und West, Nord und Süd, Alt und Jung zu vereinen schien. Die Bundestagswahl 2017 hat überdeutlich gemacht: Die Hassparolen-Schreier, die Spalter, die Wütenden haben Oberhand gewonnen in diesem Land. Nicht unbedingt von der Menge her, doch diese Minderheit schafft es, den Tonfall in der Republik zu bestimmen, zu prägen, ja: zu verändern. Von „jagen“ und „Fressen“ ist auf einmal die Rede, wer besonders laut schreit und provoziert, bekommt besonders viel Aufmerksamkeit – gerade auch in den Medien.

 

Und die Politik reagiert mit Ausgrenzung, Abschottung und Härte – gerade auch im Vorfeld des Tags der Deutschen Einheit in Mainz: Noch nie litt ein Einheitsfest unter so harschen Sicherheitsvorkehrungen wie das Fest in Mainz. Hochsicherheitszone, Sperrgebiet – Stadt und Bürger wurde das vor die Nase gesetzt. Der Gipfel die Bitte an die Anwohner, „bleiben Sie von den Fenstern weg“ – was für ein fatales Zeichen der Abschottung! Aus Angst vor Terror wird eine Stadt zur Festung gemacht, aus Angst vor Pfiffen und Unmutsbekundungen die Bürgern selbst ausgesperrt. Was für eine Bankrotterklärung von Politik und Staat!

Niemand hielt es mal für nötig, sich bei den Bürgern zu bedanken oder gar zu entschuldigen, die Kommunikation haperte erheblich: Die Polizei verwies auf die Stadt, die Stadt auf die Staatskanzlei, die Staatskanzlei auf ihre alles andere als übersichtliche Homepage. Die Verkehrsüberwachung konnte nicht sagen, wann welche Parkplätze gesperrt wurden, Fahrradständer und E-Ladesäulen wurden still gelegt – zuständig mochte dafür niemand sein. Es beschlich einen das Gefühl: Niemand wollte für den Wahnsinn den Kopf hinhalten.

#woraufwirstolzsind – Gutenbergs Erfindung und Meinungsfreiheit, freie Rede, Narretei. – Foto: gik

Die Mainzer fühlten sich in der Konsequenz ausgesperrt, weggedrängt, alles andere – nur nicht einbezogen. Vorfreude auf das Einheitsfest? Suchte man in den Wochen vor der Feier vergeblich. Wie schade. Mehr noch: wie fatal! Gerade jetzt bräuchte es ein Einbeziehen der Bürger, einen Aufstand der Anständigen, ein Aufbegehren der demokratischen Mehrheit! Gerade in einem Jahr wie diesen könnte eine weltoffene, tolerante und sehr bodenständige Stadt wie Mainz der Republik zeigen, wie man feiert – wir hoffen sehr, dass das trotz all der Hindernisse und Beschränkungen noch gelingt.

Denn dieses Land hat eigentlich allen Grund, stolz zu sein auf seine Errungenschaften: eine im Großen und Ganzen wunderbare funktionierende Demokratie, großartige Meinungs- und Pressefreiheit, einen großartigen Erfinder- und Tüftlergeist und nicht zuletzt die fantastischen Menschen, die anpacken, sich engagieren, das Land gestalten. Weltoffenheit Lebensfreude, Kultur, Erfindungen á la Gutenberg, unseren Wein – wir müssen beileibe nicht pauschal „stolz darauf sein, Deutsche zu sein“, aber wir dürfen mit Recht stolz sein auf das, was Menschen in diesem Land geschaffen haben. Genau darauf wollen wir in den kommenden Tagen mit kleinen Beiträgen, Gedanken, Erinnerungen unter dem Hashtag #woraufwirstolzsind hinweisen. Zum Nachdenken anregen. Lust machen, auf ein unverkrampftes Stolz-Sein auf unser Land und seine Errungenschaften. 

Das Bürgerfest wird in den kommenden zwei Tagen vieles davon spiegeln und zeigen: Mainzer Wissenschaft von Herzforschung bis Wolkenstudien, 3D-Druck, Live-Schmieden oder Kühe melken, Handwerk und Hightech, moderne Energieerzeugung und smart Farming – Rheinland-Pfalz wird eine Fülle seiner Errungenschaften präsentieren, nicht zuletzt die grandiosen Weine. Der Tag der Deutschen Einheit aber, so glauben wir, braucht dringend einen Neustart: Ein Fest mehr für die Bürger, kleiner vielleicht, in jedem Fall näher an den Menschen, mehr Feier als Konsum, mehr Miteinander anstatt Materialschlacht. Es wäre wunderbar, wenn Deutschland Nationalfeiern wie in Frankreich entwickeln würde: Lokale Feste voller Lebensfreude, mit Feuerwerk, Wein und gutem Essen. Auf geht’s: erfinden wir den Tag der Deutschen Einheit neu – von unten!

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Rette die Blunies! – Computerspiel zum Tag der Deutschen Einheit von Trierer Studenten entwickelt

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Ein echtes Labyrinth ist die Demokratie, und Du musst Craftie, Scoopy und Blunie einen Weg hindurch bahnen – gar nicht so einfach. Denn dabei kommen einem schon mal Mauern, Sümpfe oder Fake News in den Weg – dann muss der Spieler schnell eine Universität oder eine Ausbildungsstätte bauen, damit die durch Bildung gestärkten Figuren den Sumpf beiseite räumen können. „Man muss auf die Bürger aufpassen“, sagt Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), und tippt begeistert auf dem Tablet herum, „damit sie nicht links und rechts verloren gehen.“ Das Spiel heißt nicht Demokratie, sondern Blunokratie, „Rette die Blunies“ wurde eigens für den Tag der Deutschen Einheit erstellt – von Trier Game Design Studenten. Mainz& hat die Macher besucht und das Spiel schon mal getestet, am Montag könnt Ihr es in Mainz live selbst ausprobieren oder im Internet testen.

Demokratiespiel „Rette die Blunies“ mit Walter Ulbricht, der gar keinen Mauerbau verkündet…. – Foto: gik

 

Die Idee sei bei einem Treffen der Ministerpräsidentin mit den Trierer Game Designern entstanden, berichtet Linda Breitlauch, Professorin für Gamedesign an der Hochschule Trier: „Die Idee war, ein Spiel zum Thema Demokratie zu entwickeln, extra für den Tag der Deutschen Einheit.“ Anderthalb Jahre lang grübelten, testeten und designten ihre Studenten im Studiengang Intermedia Design in Trier, entwickelten die Spielidee und die Inhalte, programmierten die Abläufe. Sieben Spiele-Levels gibt es, erklärt Teamleiter Frank Kramp: „Wir wollten das komplexe Thema demokratisches Zusammenleben in ein einfaches Spiel gießen.“

Heraus kam ein Computerspiel im Stil eines Labyrinthes, durch das sich die Figuren einen Weg zum Ziel suchen müssen. Der Spieler kann die verschiedenen Wegestrecken gegeneinander verschieben, um seinen Figuren den Weg zu ebnen. Die Ebenen verschieben sich aber gerne auch mal selbstständig gegeneinander, dann laufen die Blunies auf einmal vom Spielfeld – wenn man Bürger verliert, gibt das natürlich Minuspunkte: Jeder Blunie ist wertvoll! Dazu poppen immer wieder unvorhergesehene Hindernisse auf: Sümpfe oder Fake News lenken die Figuren ab, oder Walter Ulbricht verkündet auf einmal: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“ – woraufhin prompt eine Mauer Blunie und Co. den Weg versperrt.

Überwinden kann man die Hindernisse nur mit Hilfe von Ausbildung: Eine Hochschule, eine Handwerkerausbildung, eine Kunsthochschule und eine journalistische Redaktion müssen gebaut werden, um die Figuren fortzubilden. „Alle diese Fähigkeiten sind nötig, um ans Ziel zu kommen“, erklärt Kramp. Und man muss schnell bauen, damit die Blunies nicht stecken bleiben oder im Labyrinth herumirren… Rette die Blunies!

Perfekt auf dem Tablet: Das Labyrinthspiel wurde von Studierenden des Studiengangs Game Design an der Uni Trier entwickelt.

Die Levels heißen Grundgesetz und Spendensumpf, auch Sepp Herberger kommt vor. „Auch wenn es so klein aussieht, da steckt richtig viel Arbeit drin“, betont Professorin Breitlauch. Mit dem Projekt hätten ihre Studierenden gelernt, ein Computerspiel unter echten Bedingungen zu entwickeln, Programmierer und Designer arbeiteten gemeinsam. „Diese Kooperation ist bundesweit einmalig“, sagte Breitlauch.

Für das Demokratie-Spiel sei zudem eine Menge Recherche in Sachen Demokratie und Geschichte nötig gewesen, „dabei ging es auch darum: Was sind eigentlich demokratische Werte“, berichtet die Professorin weiter: „Das ersetzt mindestens ein Semester Politikstudium.“ Alle Studierende seien nicht zuletzt durch das Spiel sehr an Politik interessiert, von Verdrossenheit sei da keine Spur, sagt Breitlauch: „Ich schwöre, es gibt keinen einzigen Studenten, der nicht wählen gehen wird.“

Das Computerspiel soll nun am Tag der Deutschen Einheit in Mainz präsentiert werden, im Landesmuseum werden Besucher die Gelegenheit zum Spielen haben. Entwickelt wurde es als Spiel für Computer und auch Tablets, künftig soll es auch Apps für Smartphones geben. „Wir sind schon total gespannt, wie es ankommt“, sagt Breitlauch. Einen Fan haben die Blunies-Macher jedenfalls schon einmal: „Es ist toll und sehr süß“, schwärmte Ministerpräsidentin Dreyer bei der ersten Präsentation des Spiels in Trier: „Es bringt Sinn und Zweck der Demokratie auf spielerische Art näher.“ Das Motto der Einheitsfeier, die in diesem Jahr am 2. und 3. Oktober in Mainz stattfindet, sei schließlich „Zusammen sind wir Deutschland“, und genau das spiegele auch das Spiel wieder, sagte Dreyer: „Nur gemeinsam kommt man ans Ziel.“

Info& auf Mainz&: Das kleine Demokratie-Spiel „Rette die Blunies“ wird am Tag der Deutschen Einheit im Mainzer Landesmuseum präsentiert, dort hat der rheinland-pfälzische Landtag seine Infomeile aufgeschlagen. Wer das Spiel schon einmal testen will: Auf dieser Internetseite könnt Ihr die Blunokratie schon einmal ausprobieren. Aber Achtung: Das macht süchtig…

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Betonsteine, 7.400 Polizisten, Fensterverbot – Strengste Sicherheit für den Tag der Deutschen Einheit

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Es sah aus, am Samstag, als spiele jemand in der Mainzer Innenstadt mit Lego, mit Betonlego, um genau zu sein: An 117 Zugangspunkten wird die Innenstadt von Mainz abgeriegelt gegen mögliche Bedrohungen, 147 Betonsteine und 47 mobile Sperrgegenstände kommen dabei zum Einsatz. Zwei Tage vor Beginn des Bürgerfestes zum Tag der Deutschen Einheit in Mainz wird es damit ernst: Mainz wird zur Sicherheitszone. Es wird wohl der größte Polizeieinsatz aller Zeiten – für Mainz, für Rheinland-Pfalz und auch für die Einheitsfeier selbst. 7.400 Polizisten werden am 2. und 3. Oktober im Einsatz sein, davon kommen 20 Prozent aus anderen Bundesländern. Für den 3. Oktober gibt es eine Hochsicherheitszone rund um Dom und Rheingoldhalle, und hier gilt in der Tat für die Anwohner, was schon gerüchtehalber kursierte: „Gehen Sie nicht ans Fenster….“

Pressekonferenz zur Sicherheit am Tag der Deutschen Einheit in Mainz. – Foto: gik

„Unser Auftrag ist, der Sicherheit höchste Priorität einzuräumen“, betonte Innenminister Roger Lewentz (SPD) im Vorfeld des Festes, die Sicherheitslage lasse keine andere Wahl. In der Tat: Die grundlegende terroristische Anschlagsgefahr, etwa durch Attentäter des Islamischen Staates, ist nach wie vor vorhanden, wenn auch eher abstrakt. „Wir haben überhaupt keine Hinweise darauf, dass das Fest in irgendeinem Fokus einer Bedrohung ist“, betonte der Minister. Dennoch beobachte man jedwede Szene sehr genau. Die Nervosität ist hoch bei den Sicherheitsbehörden, schließlich wird am 3. Oktober die komplette Spitze der Bundesrepublik in Mainz erwartet: Bundespräsident, Bundeskanzlerin, Bundestagspräsident, jede Menge Bundesminister und Ministerpräsidenten – es kommt, was in Deutschland Rang und Namen hat. Mehr als 100 als gefährdet eingestufte Personen würden erwartet, sagte Lewentz.

 

7.400 Polizisten, Luftraum über Mainz gesperrt und überwacht, Drohnenverbot

Die Sicherheitsvorkehrungen wurden den Mainzern denn auch weitestgehend von oben diktiert: „Wir sind sehr stark fremdgesteuert“, räumte der Leiter des Führungsstabs bei der Polizei, Georg Litz, ein. Und so wird Mainz an den kommenden beiden Tagen lückenlos bewacht und überwacht: 7.400 Polizisten sorgen für die Sicherheit auf Straßen und Plätzen, darunter sind auch Spezialeinheiten und schwer bewaffnete Sicherheitskräfte. Über 40 Einsatzkonzeptionen wurden für den Tag entwickelt, die Polizei wird auf dem Bürgerfest massiv Präsenz zeigen. Dazu wurde der Luftraum über Mainz für den Zeitraum vom 2. Oktober, Morgendämmerung, bis zum 3. Oktober Mitternacht, durch das Bundesverkehrsministerium gesperrt, und das in einem Radius von 4,6 Kilometern um die Innenstadt herum.

Polizeihubschrauber meets Polizeiboot auf dem Rhein – hier nur zu Übungszwecken. – Foto: gik

 

In dieser Zeit ist jeglicher sogenannte Flugverkehr auf Sicht, also durch Kleinflugzeuge, verboten, ausgenommen sind davon die großen Linienflieger und die anfliegenden Flugzeuge in Frankfurt. Die Polizei weist aber ausdrücklich darauf hin, dass auch jeglicher Flug von Drohnen oder Flugmodellen innerhalb des Zeitraums und der Zone verboten sind – also auch von den Rheinwiesen auf hessischer Seite. Die Polizei selbst wird mehrere Polizeihubschrauber, ein Polizeiflugzeug und auch Polizeidrohnen einsetzen, damit soll zum einen bei der Verkehrslenkung auf den umliegenden Autobahnen geholfen, aber auch Luftraumaufklärung geleistet werden. Insbesondere das deutlich leisere Polizeiflugzeug werde dabei so eingesetzt, dass Lärmbeeinträchtigungen für die Bürger in Mainz insbesondere zur Nachtzeit möglichst vermieden werden, teilte die Polizei mit.

Auch der Rhein wird natürlich überwacht, die Polizei wird hier verstärkt mit Booten der Wasserschutzpolizei im Einsatz sein – am Samstag demonstrierte sie schon einmal für Journalisten das Zusammentreffen eines Hubschraubers mit einem Schiff auf dem Rhein. Das war allerdings tatsächlich nur für die Kameras, falls Ihr Euch gewundert habt. Die Schifffahrt wird offiziell nicht eingeschränkt, offenbar hat man sich aber bemüht, größeren Schiffsverkehr insbesondere für den 3. Oktober im Vorfeld umzuleiten – dann gilt eigentlich rund um die Rheingoldhalle eine Hochsicherheitszone.

Brücke und Innenstadt für Autoverkehr gesperrt, Betonbarrieren an 117 Stellen

Das Bürgerfest am 2. Oktober wird vor allem durch Sicherheitskräfte auf dem Fest und Drumherum, aber auch durch massive Verkehrseinschränkungen geschützt. Die Innenstadt wird komplett für jegliche Form des Autoverkehrs gesperrt, selbst die Busse müssen draußen bleiben – sie machen am Hauptbahnhof und am Südbahnhof Halt, wo genau lest Ihr hier bei Mainz&. Selbst die Theodor-Heuss-Brücke wird von Montag, 9.00 Uhr, bis Dienstagnacht komplett für jegliche Form des Verkehrs gesperrt. „Die Brücke liegt unmittelbar im protokollarischen Bereich, deshalb können wir dort keinen Individualverkehr zulassen“, sagte Einsatzleiter Werner Reichert. Dass aber nicht einmal Busse über die Brücke fahren dürfen, sorgte im Vorfeld für Unmut – für Mobilitätseingeschränkte Personen soll es einen Mobi-Shuttle geben, der Rest muss ab dem Brückenkopf in Mainz-Kastel laufen.

Betonsteine und andere Barrieren als Straßensperre in der Mainzer Innenstadt. – Foto: gik

An 117 Zugangsstellen werden zudem seit Samstagmorgen Barrieren aufgebaut, die jede Form eines Angriffs mit einem Lkw oder einem anderen Fahrzeug auf die Festmeile verhindern sollen. Rund um die Kaiserstraße, entlang der Rheinachse sowie rund um Schillerplatz und Höfchen geht deshalb seit heute mit dem Privat-Pkw praktisch nichts mehr. Neben großen, tonnenschweren Betonklötzen werden hier auch fahrbare Barrieren in Form von großen Polizeiwagen aufgebaut, teilweise wurden auch mit Beton gefüllte Baucontainer installiert. Abgebaut werden diese Barrieren ab dem 4. Oktober, hieß es heute – wann genau, konnte uns leider keiner sagen.

3. Oktober: Hermetische Sicherheitszone rund um Dom und Rheingoldhalle

„Es wird unvermeidbar zu Beeinträchtigungen kommen“, räumte denn auch Polizeieinsatzleiter Reichert ein, Ziel sei aber immer, diese Beeinträchtigungen „so gering wie möglich“ zu halten. Man wisse, dass die Bürger Sicherheitsmaßnahmen positiv aufnähmen. „Wir wollen, dass die Bürger feiern, dass sie Freude haben, dass sie in Mainz erscheinen“, betonte Reichert: „Bürgerfest heißt nicht Bürgerfestung.“ Am 3. Oktober wird sich das aber wohl anders darstellen: Wenn die Bundespitze nach Mainz kommt, wird es rund um Dom und Rheingoldhalle eine hermetisch abgesperrte Sicherheitszone geben. Die Bundesprominenz trifft nämlich am Morgen am Gutenberg-Museum ein (9.30 Uhr), dort trägt man sich ins Goldene Buch der Stadt Mainz ein, dann geht es zum Gottesdienst in den Mainzer Dom (9.50 Uhr).

Ein massives Polizeiaufgebot wird die Einheitsfeier schützen. – Foto: gik

Von 10.00 Uhr bis 11.00 Uhr findet im Dom ein ökumenischer Gottesdienst statt, danach machen Bundespräsident und Bundeskanzlerin einen kurzen Abstecher auf den Markt, um dort wartende Bürger zu treffen. Es wird ein Treffen an Absperrgittern sein: Quer über den Mainzer Markt wird am Dienstag (und nur dann) eine Absperrung verlaufen, normale Bürger müssen aus der Hochsicherheitszone draußen bleiben. Nicht einmal die Promis dürfen sich dort frei bewegen: Die Gäste werden vom Gottesdienst in die etwa 500 Meter entfernte Rheingoldhalle per Bus (!) gefahren, auch das geschieht aus Sicherheitsgründen. „Wir werden durch ein komplexes Shuttlesystem die Gäste zur Rheingoldhalle bringen müssen“, sagte Litz – das erinnert in der Tat stark an den Besuch des US-Präsidenten George W. Bush im Februar 2005 in Mainz.

„Gehen Sie nicht ans Fenster, könnte zu Missverständnissen führen…“

Bush fuhr damals durch menschenleere Straßen, Journalisten wurden in Bussen durch ebendiese menschenleeren Straßen zwischen Dom und Rheingoldhalle hin und her gekarrt – ein absurdes Theater. Und noch etwas erinnert an 2005: Damals standen Scharfschützen auf den Dächern, Anlieger durften nicht ans Fenster. Das wird wohl auch dieses Mal wieder so sein: „Wir haben jeden einzelnen der 680 Anwohner im Sicherheitsbereich persönlich besucht, um ihnen zu erklären, was ihr Problem ist an dem Tag“, sagte Litz: „Wir haben gebeten, nach Möglichkeit sich nicht ans Fenster zu stellen oder am Fenster irgendwelche Bewegungen zu vollführen.“ Das nämlich „kann zu Problemen und Missverständnissen führen.“

Die Polizei fühlt sich für alle Eventualitäten bei der Einheitsfeier gerüstet. – Foto: gik

Diese Hochsicherheitssperrzone gilt am 3. Oktober bis zu einer Zeit irgendwann nach Ende des offiziellen Festaktes zum Tag der Deutschen Einheit, der von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr in der Rheingoldhalle stattfindet. Man werde „sukzessive“ den Markt und den Bereich hinunter zum Fischtorplatz und zum Rhein wieder freigeben, betonte die Polizei am Samstag – wann genau das sein werde, könne man aber noch nicht sagen. Grund für die Hochsicherheitszone und das Aussperren der Bürger ist nämlich nicht nur die Sicherheit: Unter allen Umständen sollen Szenen wie 2016 in Dresden verhindert werden, als aufgebrachte Wutbürger vorwiegend der Pegida-Bewegung die Feierlichkeiten mit Pfiffen und Buhrufen störten.

Ereignisse wie in Dresden sollen unter allen Umständen verhindert werden

In Dresden habe es „verteilt an vielen Stellen Möglichkeiten gegeben“, sich an Absperrungen aufzuhalten, „da entstanden an vielen Stellen unschöne Szenen“, sagte Litz und musste zugleich einräumen, dass es in Mainz weder eine Pegida-Bewegung noch ähnlich agierende rechtsgerichtete Gruppierung gebe. Trotzdem wurden nach Dresden die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft – kein anderer Tag der Deutschen Einheit erlebte jemals ein solches Sicherheitsaufgebot wie der Mainzer. Welches Unbehagen bei den rheinland-pfälzischen Politikern darüber herrscht, machte Innenminister Lewentz deutlich: „Natürlich werden wir uns im Anschluss an den Festakt unter die Bürger mischen“, betonte der Minister: „Den ein oder anderen Pfiff müssen wir als Politiker eben aushalten.“

Verbot für große Rucksäcke und Taschen, Regenschirme, sperrige Gegenstände

Blick ins „Allerheiligste“: In die Einsatzzentrale zum Tag der Deutschen Einheit bei der Polizei in Mainz. – Foto: gik

An beiden Tagen des Bürgerfestes und der Einheitsfeier gilt auch de facto ein Verbot für Rucksäcke und größere Taschen in der Mainzer Innenstadt: Man solle bitte keine Taschen größer als DinA3-Format mitbringen, ebenso wenig Regenschirme oder andere sperrige Geräte, sagte Litz. Und das, obwohl für den 2. Oktober in Mainz durchaus Regen angesagt ist… Gegen das Fest und seine Ausmaße, aber auch einfach im Umfeld der medialen Aufmerksamkeit wurden denn auch mehrere Demonstrationen angemeldet: Bereits am 30. September sollte eine Nachttanzdemo durch die Mainzer Neustadt rollen, die vor allem gegen die Wohnungsnot protestieren wollte.

Ein Bündnis linker Gruppierungen wollte zudem am 3. Oktober gegen die Feier der Einheit protestieren: „Diesem Deutschland keine Feier“ hieß es in einem Demo-Aufruf – Deutschland sei zu ungerecht und zu unsozial und bekämpfe den aufsteigenden Rassismus sowie Ungerechtigkeit in der Welt zu wenig. Die Demonstranten wollten vom Hauptbahnhof die Kaiserstraße hinunter ziehen, dort aber tobt auf der Verfassungsmeile ein wichtiger Teil des Festes. Am Samstag teilte das Bündnis „Nixzufeiern“ enttäuscht mit, man werde am 3. Oktober lediglich seine Auftaktkundgebung am Hauptbahnhof um 11.30 Uhr abhalten und dann die Kundgebung beenden – ein Demonstrieren außerhalb der Hör- und Sichtweite der Festivitäten sei sinnlos.

„Dabei wäre es besonders nach dieser Bundestagswahl wichtig, gegen Nationalismus und dem völkischen Gewese einer AfD zu demonstrieren“, klagen die Organisatoren: Es gibt viele Gründe und Anlässe, sich über den Zustand der Republik und der Gesellschaft Gedanken zu machen und diese gerade an einem solchen Tag in der Öffentlichkeit zu verhandeln.“ Heute würden dagegen kritische Stimmen „in die Nichtsicht- und Nichthörbarkeit abgedrängt“, das „Fest für Demokratie“ wandele sich hingegen „in eine bierselige Farce für einen besinnungslosen Konsumismus.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Sperrzone Mainzer Innenstadt lest Ihr hier bei Mainz&, alles zum Thema Busse und Busumleitungen bis zum 9. Oktober lest Ihr hier. Angesichts der ausufernden Ausmaße des Festes und seiner Sicherheitsvorkehrungen fordert der Mainzer CDU-Politiker Gerd Schreiner eine neue Konzeption für den Nationalfeiertag der Deutschen – mehr dazu lest Ihr hier. Informationen rund um Verkehrsbeschränkungen auch während Auf- und Abbau zum Tag der Deutschen Einheit gibt es hier bei der Staatskanzlei in Mainz.

 

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