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Tagesarchive: 13. Dezember 2017

Römischer Steinquader am Landtag gefunden – Schlummert großes römisches Heiligtum in der Nähe im Boden?

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Die Baugrube am Mainzer Landtag wird für die Archäologen immer mehr zur Schatzgrube: Am Mittwoch präsentierte die Mainzer Archäologiechefin Marion Witteyer einen reich verzierten römischen Steinquader, der aus der Grube geborgen wurde. Der 2000 Jahre alte Quader war Teil der römischen Stadtmauer – und steht womöglich für etwas viel größeres: Der Quader könnte Teil eines großen römischen Tempels gewesen sein, der den Mainzer Isis-Tempel noch weit in den Schatten stellen würde. Und der dürfte noch ganz in der Nähe im Boden liegen…

Der Landtag in Mainz, davor das neueste Fundstück: ein reich verzierter römischer Steinquader, gefunden links vom Deutschhaus in der Baugrube. – Foto: gik

Im Sommer hatten die Archäologen unter dem Mainzer Landtag bereits die römische Stadtmauer lokalisiert, nun hoben sie einen ganz besonderen Stein aus der Mauer: Einen reich verzierten Eckquader, der unter anderem mit einer Vase, einer Zierleiste, Akanthusblättern an der Seite und einer Schlange geschmückt ist. „Ein Stein, der die Archäologen weiser macht“, nannte ihn Marco Sussmann vom Landtag – in der Tat: Der Stein öffnet eine echte Adventstür in die Mainzer Vergangenheit. Seit Herbst 2015 wird das ehrwürdige Deutschhaus, Sitz des Mainzer Landtags, umgebaut, für einen neuen Anbau in Richtung des Mainzer Schlosses mussten neue Fundamente ausgehoben werden – ein echter Glücksfall für die Archäologie. Etwa einhundert Kisten voller Funde bargen die Forscher bisher schon aus dem Erdboden.

„Hier hinten, so dachte man, war in Mainz eigentlich nicht viel los“, sagte Witteyer am Mittwoch bei der Präsentation der jüngsten Funde, „das ändert sich gerade – hier war die Hölle los.“ Denn in der Grube am Landtag lokalisierten die Archäologen unter anderem die Grundmauern der alten Kirche Sankt Gangolf, der Registratur und der Martinsburg der Mainzer Bischöfe. Schon im Sommer wurde hier eine wertvolle byzantinische Goldmünze gefunden, jetzt bargen die Forscher außerdem Keramikgefäße aus dem 10. Jahrhundert, eine Flöte, einen Läusekamm und einen Würfel aus Tierknochen aus dem Mittelalter sowie einen mit Silber verzierten Messergriff aus dem 16. oder 17. Jahrhundert. „Hier wurde gezockt“, sagte Witteyer schmunzelnd, die Vielzahl bunter Funde von der Römerzeit bis in die Neuzeit belegten zudem „eine intensive Nutzung des Geländes schon in frühfränkischer Zeit“.

Zahlreiche Funde aus der Baugrube am Landtag belegen eine spätrömisch-frühfränkische Siedlung an diesem Ort. – Foto: gik

Am Rheinufer in Höhe von Landtag und Schloss befand sich eine spätrömisch-fränkische Siedlung, das ist neu für die Mainzer Stadtgeschichte: Bislang hatte man die frühe fränkische Siedlung nur um den Dom herum angesiedelt, mit einer Ausbreitung bis zum heutigen Landtag hatte man nicht gerechnet. Doch schon die Ausgrabungen in der Mainzer Johanniskirche, dem Alten Dom von Mainz, machten in den vergangenen Monaten deutlich: Die frühe fränkische Siedlung war viel bedeutender, als bislang bekannt. Auch die Fundamente der heutigen Johanniskirche reichen wohl bis in 5. Jahrhundert nach Christus zurück, das würde den Dom der Merowinger zu einer der ältesten Kirchen Deutschlands machen. Mainz sei auch im Mittelalter offenbar eine sehr bedeutsame Siedlung samt Handelsplatz gewesen, sagte der Leiter der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Thomas Metz.

Unter dem Landtagsanbau kam zudem die mittelalterliche Stadtmauer zutage, erbaut auf den Fundamenten der alten römischen Stadtmauer – das ließ die Forscher schon im Sommer staunen. Nun trat in dieser Stadtmauer auch noch ein ganz besonderes Stück zutage: Ein Eckstein aus dem 1. Jahrhundert nach Christus, geschmückt mit einem Relief von so herausragender Qualität, wie es die Archäologen in Mainz bisher nicht gefunden hatten. „Ein Stein dieser Größe setzt ein Gebäude erheblicher Größe voraus“, sagte Witteyer, „der Stein war Teil eines monumentalen Baus der Römerzeit, den man im 3. Jahrhundert abgerissen hat.“ Im dritten Jahrhundert wurde mit dem Bau einer Stadtmauer gegen die einfallenden Stämme der Völkerwanderungszeit begonnen, die Mauer schützte Mainz bis zum 30-jährigen Krieg im 17. Jahrhundert.

Reich verziert mit Vase, Voluten, Akanthenblättern und einer kleinen Schlange – der römische Steinquader. – Foto: gik

Für den Bau wurden Steinblöcke benachbarter Gebäude aus der Römerzeit verwendet, die entweder verfallen waren oder abgerissen wurden. Im dumpfig-matschigen Boden des Rheinufers wurden für die Stadtmauer statt der üblichen zwei Reihen Steinquader sogar vier Quader verwendet, alles wohl Steine ehemaliger Römermonumente. „Wir wissen, dass dort unten auch ein Altar verbaut ist, das können wir sehen“, sagte Witteyer. Bergen aber könne man den Altar nicht, das Herausheben mit schwerem Gerät sei an dieser Stelle für den Neubau nicht vorgesehen. Archäologie bedeute eben auch, die Funde für die Nachwelt und damit auch im Boden liegend zu erhalten, sagte Witteyer und fügte noch hinzu: Vereinbart mit dem Bauherren sei, dass man nicht weiter grabe als für das Fundament nötig.

Den verzierten Steinquader aber konnten die Archäologen mit Hilfe einer Baufirma bergen, nun rätseln die Archäologen über seine Bedeutung. Der Stein gehöre mit hoher Wahrscheinlichkeit in einen sakralen Kontext, sagte Witteyer, darauf weise die Qualität des Reliefs hin, aber auch die dargestellte Vase, aus deren Seite sich eine Schlange winde. Das Tier könne Zeichen für Fruchtbarkeit und Erde sein – oder auch für eine Gottheit aus dem asiatischen Raum. So war die Schlange gemeinsam mit dem Raben Zeichen für Mithras, ein besonders bei römischen Soldaten beliebter Sonnen-Kult aus dem persischen Raum.

Eine Flöte, ein Würfel aus Tierknochen und ein Stück einer bunt verzierten Perle – alles Funde aus dem Mittelalter aus der Baugrube am Mainzer Landtag. – Foto: gik

Weist der römische Steinquader also auf einen großen Mithrastempel hin? So weit wollte Witteyer nicht gehen, fest stehe aber: In der Umgebung des Landtags fanden Archäologen bisher jede Menge Altäre aus dem Umkreis des Militärs. „Ich gehe davon aus, dass hier in der Nähe ein großes sakrales Heiligtum steht“, sagte Witteyer. Das müsse doch sicher „stand“ heißen, fragte Mainz& nach.“Nein“, sagte Witteyer mit fester Stimme: „Steht.“ Damit sind sich die Archäologen also sicher, dass irgendwo in der Nähe ein weiterer Römertempel im Boden ruht.

Etwa 500 Meter entfernt, unter der heutigen Römerpassage, fanden Archäologen bei Bauarbeiten im Jahr 2000 einen römischen Isistempel, damals eine Sensation. Experten vermuteten damals schon eine sakrale Tempelstraße in der Umgebung. „Wir wissen, dass es weitere Tempelanlagen gibt, wir wissen nur nicht, wo die  genau liegen“, sagte Witteyer. Der Steinquader nun weise auf einen monumentalen Tempelbau hin, der womöglich in einem Umkreis von einhundert Metern gestanden habe – „und der Tempel“, sagte Witteyer, sei „viel größer als Isis und etwas ganz Eigenes.“

Bis Ostern haben die Archäologen nun noch Zeit für die Erforschung des Untergrunds, weitere Funde werden erwartet. „Wir hoffen noch darauf, die Schlosspforte zu finden“, sagte Witteyer, „hier waren Mühlen, Schiffe, der Holzlagerplatz des Erzbischofs, da muss es auch eine Pforte durch die Stadtmauer gegeben haben.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Funden in der Baugrube am Mainzer Landtag findet Ihr hier bei Mainz&, mehr zu dem Bauprojekt Landtag selbst genau hier.

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Widerstand gegen Citybahn: CDU will zusätzliche Rheinbrücke – FDP sieht derzeit keine Notwendigkeit – BI gegen Bahnprojekt

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Die Pläne für die Citybahn zwischen Mainz und Wiesbaden stoßen in Mainz auf erhebliche Skepsis. „Wenn wir eine Citybahn wollen, brauchen wir eine zusätzliche Rheinbrücke“, sagte der Verkehrsexperte der CDU im Mainzer Stadtrat, Thomas Gerster, im Gespräch mit Mainz&: „In unserer Fraktion herrscht große Skepsis.“ Mit der Straßenbahn auf der Theodor-Heuss-Brücke drohe erhebliches Verkehrschaos, gerade auch, wenn mal eine Bahn liegen bleibe. Auch die Mainzer FDP ist von dem Bahnprojekt noch nicht überzeugt: „Ich sehe den Bedarf dafür derzeit nicht“, sagte der Mainzer FDP-Chef David Dietz im Mainz&-Interview – andere Verkehrsprojekte hätten derzeit Vorrang. Scharfe Kritik an dem Projekt kommt auch von einer Wiesbadener Bürgerinitiative, Unterstützung dagegen von der Mainzer SPD und dem Verkehrsclub Deutschland.

Eine Citybahn auf der Theodor-Heuss-Brücke? CDU und FDP sehen das skeptisch. – Fotomontage: gik

Am Dienstag hatten die Oberbürgermeister von Mainz und Wiesbaden in Wiesbaden die Kosten-Nutzen-Analyse für das neue Großprojekt samt Trassenvorschlag vorgestellt. Die Citybahn soll nach dem Willen der Wiesbadener schon ab 2022 die beiden Landeshauptstädte von Wiesbaden Innenstadt über Biebrich, Amöneburg und Kastel miteinander verbinden. Das 305 Millionen Euro-Projekt würde die Stadt Mainz nach derzeitiger Schätzung rund 34 Millionen Euro kosten, in Mainz müsse eine neue Strecke von der Theodor-Heuss-Brücke zum Hauptbahnhof gebaut werden. Wiesbaden will die Citybahn von Mainz aus vorantreiben, damit müssten die Bauarbeiten auf Mainzer Seite beginnen.

In Mainz hat sich bislang der Stadtrat mit dem Projekt aber noch kaum beschäftigt, lediglich einmal sei der Verkehrsausschuss bisher grob informiert worden, sagte Thomas Gerster, Verkehrsexperte der CDU-Stadtratsfraktion. „Bei uns gibt es noch gar keine Streckenplanung“, sagte Gerster, auch die Kosten seien bislang völlig unklar – insbesondere die für die notwendige Verstärkung der Theodor-Heuss-Brücke. „Die Vorstellung, dass auf der Brücke noch eine Straßenbahn mitfährt, finde ich schwer vorstellbar“, sagte die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel am Dienstagabend, „wie haben zweieinhalb Brücken in Mainz, und schon jetzt erleben wir ständig Verkehrschaos. Das wird sicher nicht besser.“ Man sei es den Pendlern „schuldig, dass wir über eine Erweiterung nachdenken“, forderte Flegel, erst mal eine Citybahn zu bauen, sei der falsche Weg.

FDP: Debatte über Citybahn noch gar nicht begonnen, Entscheidung nicht gefallen

Vorgeschlagene Streckenführung für die Citybahn zwischen Mainz und Wiesbaden. – Karte: ESWE/Citybahn

„Es wird so getan, als wäre die politische Entscheidung schon gefallen“, kritisierte auch Dietz im Mainz&-Interview, „das ist sie tatsächlich aber nicht.“ Die Aussage ist durchaus brisant, regiert die FDP doch in der Mainzer Ampel-Koalition mit – ohne die FDP hat die im Stadtrat keine Mehrheit. Wolle Mainz eine Citybahn, müsse dafür eine politische Entscheidung gefällt werden, „und die fällt im Mainzer Stadtrat“, betonte der FDP-Kreischef nun – und drohte damit indirekt mit einem Nein. Ebling hatte am Dienstag angekündigt, der Mainzer Stadtrat solle sich im Februar mit dem Projekt befassen. Dietz warnte nun vor übereilten Beschlüssen: „Ich sehe den Bedarf nicht, im Februar eine endgültige Entscheidung zu fällen“, sagte er. In Mainz sei über das Projekt Citybahn überhaupt noch nicht geredet worden, „die Debatte kann nicht zu Ende sein, bevor sie angefangen hat“, kritisierte er.

Als Knackpunkt für das Projekt sehen die Mainzer Parteien vor allem die Theodor-Heuss-Brücke: Nach dem Willen der Planer soll die Citybahn mit zwei Spuren über die Straßenbrücke zwischen der Mainzer Innenstadt und Kastel rollen, die Bahn in die Straße integriert werden. Die Citybahn werde „im Verkehr mitschwimmen“, der Verkehrsfluss darunter nicht leiden, hieß es bei der gemeinsamen Sitzung der Verkehrsausschüsse am Dienstagabend. „Wer das glaubt, der freut sich auch in besonderer Weise auf das Christkind“, kommentierte Dietz diese Aussage gegenüber Mainz&: „Ich kann es mir nur sehr, sehr schwer vorstellen, dass die Bahn keinerlei Einfluss haben soll auf den Verkehrsfluss.“

FDP: Brücke zur Baustelle machen, ist „blanker Wahnsinn“, Bedarf nicht gegeben

Nicht viel Platz auf der Theodor-Heuss-Brücke, eine Citybahn soll hier aber auch noch rollen. – Foto: gik

Gerade bei innerstädtischen Stoßzeiten bezweifle er sehr, dass eine Bahn zusätzlich auf der Brücke ohne Folgen für den Verkehr und die Staus bleiben solle, sagte Dietz weiter. Noch immer leide die Mainzer Innenstadt unter der eingeschränkten Benutzbarkeit der Schiersteiner Brücke sowie unter den Baustellen auf dem Mainzer Autobahnring. In dieser Situation eine weitere Brücke zur Baustelle zu machen, „wäre der blanke Wahnsinn“, warnte Dietz. Und gerade die Baustellen in diesem Jahr hätten ja gezeigt, wie schnell die Innenstadt kollabiere: „Wir haben es im Chaossommer erlebt, was das für Probleme gebracht hat.“

Gleichzeitig betonte Dietz, die FDP sei „keine apodiktischen Gegner“ des Citybahn-Projektes, ein Projekt mit einer solchen Größe brauche aber Akzeptanz. „Nach diesem Chaossommer habe ich da größte Bedenken“, sagte Dietz, „ich sehe die Akzeptanz in Mainz für das Projekt nicht gegeben.“ Er selbst sei ein großer Freund des Öffentlichen Nahverkehrs, die FDP habe den Ausbau der Mainzelbahn aus voller Überzeugung unterstützt. Auch das Grundargument, dass das westliche Rhein-Main-Gebiet nähe zusammenrücke, sei beileibe nicht falsch.

„Für eine Citybahn sehe ich derzeit aber den Bedarf nicht“, sagte Dietz. Es sei verständlich, dass Wiesbaden das Projekt so massiv vorantreibe, „aber das ist deren Sache.“ Für Mainz „sehe ich den Druck in keinster Weise“, betonte der Liberale. Nach dem Bau der Mainzelbahn hätten nun erst einmal andere Verkehrsprojekte Vorrang, etwa der Ausbau der Rheinhessenstraße, der Ausbau der A643 in der Verlängerung der Schiersteiner Brücke oder der Ausbau des Mainzer Rings. Bei all diesen Projekten gebe es noch viele offene Fragen, „wir haben mit Verkehrsprojekten in Mainz gut zu tun“, sagte Dietz. Zudem plädiert die FDP dafür, erst einmal den Bau zweier Rheinbrücken bei Ingelheim und bei Nierstein zu prüfen und auf den Weg zu bringen, auch das werde die Mainzer Verkehrssituation entlasten.

CDU: Keine Citybahn ohne weitere Rheinbrücke – Verkehrsinfarkt drohe

Wenn wir eine Citybahn wollen, brauchen wir eine zusätzliche Rheinbrücke“, betonte CDU-Stadtrat Gerster. Die Auswirkungen der Citybahn auf den Verkehr seien viel zu wenig geprüft worden, kritisierte Gerster nach der Ausschusssitzung am Dienstagabend. „Wie fragil das System ist, sehen wir ja tagaus, tagein in Mainz“, warnte Gerster, „wenn eine Bahn auf der Brücke liegen bleibt, wird es zum Verkehrsinfarkt kommen.“ Auch die am Dienstag vorgestellte Verkehrsführung rund um die Brücke und den Kasteler Kreisel beurteilte Gerster skeptisch. Laut der Planer sollen Ampeln die Zufahrten auf die Brücke und in den Kasteler Brückenkreisel regeln, das werde den Verkehrsfluss verbessern, hieß es. „Ich habe noch keine Ampel erlebt, die den Verkehr beschleunigt“, sagte Gerster dazu.

Die Gutachten seien schön gerechnet, argwöhnte der CDU-Mann, „die Rechnungen wurden auf Biegen und Brechen hingebogen.“ Wenn die Citybahn allein die Kostensteigerungen bekomme, wie sie bei der Mainzelbahn eintrafen, werde das die Kosten-Nutzen-Berechnung deutlich negativer ausfallen lassen, warnte Gerster: „Die 1,5 sehe ich nicht, der Quotient wird noch erheblich sinken.“ Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) hatte den durch die Studie errechneten Quotienten von 1,5 als großen Erfolg gefeiert und betont, das zeige, dass sich die Citybahn als Gesamtprojekt rechne. Allerdings hatte der Quotient zuerst bei 1,35 gelegen und war dann durch weitere Berechnungen auf 1,5 gestiegen – wodurch genau, sagten die Planer nicht.

Wiesbadener FDP bezweifelt Kapazitätsberechnung: „Projekt schöngerechnet“ –  Bahnen für Mainz lang?

Mainzer Straßenbahn in Bretzenheim – in Wiesbaden rechnen sie derzeit sogar mit 60-Meter-Bahnen. – Foto: gik

Ich sehe das Ding noch nicht kommen“, zeigte sich Gerster skeptisch, zu dem Projekt Citybahn seien noch viele Fragen offen. So sei von Wiesbadener Seite die Rede von sechzig Meter langen Bahnen, die aber könnten in Mainz gar nicht halten – die Bahnsteige seien dafür viel zu kurz. Darauf wies auch die Wiesbadener FDP hin, die allerdings grundsätzlich gegen das Projekt Citybahn ist: Bei der Kalkulation der Beförderungskapazität der Citybahn werde mit 480 Personen pro Bahn jongliert, klagte der Fraktionschef der FDP im Wiesbadener Rat, Christian Diers, die 480 seien aber nur zu erreichen, wenn 60 Meter lange Doppelzüge eingesetzt würden. Ob und wo diese Doppelzüge fahren sollten, darüber „verweigern bislang die Stadt und ESWE-Verkehr allerdings jede Aussage.“

 

In Mainz betrage die Kapazität der 30-Meter-Bahnen aber nur 185 Personen, auch müssten hier die Haltestellen von 30 auf 60 Meter verlängert werden, sagte Diers weiter: „Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Kapazität schöngerechnet wird, während in Wirklichkeit nur die Hälfte der versprochenen Personen befördert werden kann.“ Die Planer hatten am Dienstag von rund 100.000 Personen gesprochen, die pro Tag die Citybahn nutzen könnten, der überwiegende Teil der Fahrgäste würde allerdings in der Wiesbadener Innenstadt anfallen. „Unser Fragenkatalog wird immer länger“, sagte Diers.

BI Mitbestimmung Citybahn: Citybahn zu teuer und zu großer Eingriff ins Stadtbild

Äußerst kritisch sieht auch eine Bürgerinitiative aus Wiesbaden das Bahnprojekt über den Rhein: Die Kosten für die Bahn würden erheblich und weit größer ausfallen als bisher vorgerechnet, kritisierte Andreas Bausinger  von der „Bürgerinitiative Mitbestimmung Citybahn“ im Gespräch mit Mainz&: „Die 19 Millionen Euro für Wiesbaden sind einfach unwahr, wir kommen nach unserer Rechnung auf ungefähr 120 Millionen Euro für die Stadt“, sagte Bausinger. Dabei habe die BI eine Preissteigerung von 30 Prozent angenommen. Nicht eingerechnet seien dabei die jährlichen Folgekosten, die die BI auf 10 bis 15 Millionen Euro pro Jahr schätzt. Das sei auch ein Risiko für den Wiesbadener Haushalt, kritisiert Bausinger, schon jetzt habe Wiesbaden 300 Millionen Euro Schulden, in der Stadt fehlten 400 Millionen Euro für Schulen.

Passt die Citybahn ins Wiesbadener Stadtbild? Eine BI bezweifelt das. – Fotomontage: ESWE

 

Dazu fürchtet die BI eine „Zerstörung des Wiesbadener Stadtbildes“: Die Bahn sei „ein gravierender Eingriff“ ins Stadtbild, kritisierte Bausinger, auch würden dem Verkehr Flächen entzogen. „93 Prozent der Strecke werden in einem eigenen Gleisbett gebaut und eben nicht im Straßenbett“, sagte Bausinger, wie solle das gehen, wenn die prognostizierten 17.000 Pkw durch die Citybahn gar nicht wegfielen – schließlich wachse Wiesbaden. Die BI, die nach eigenen Angaben rund 200 Mitglieder hat, kritisiert zudem, die Wiesbadener seien zu dem Projekt gar nicht gefragt worden: Die nun gestartete Bürgerbeteiligung drehe sich „nur um das Wie, und nicht um das Ob“, kritisierte Bausinger, in der Frage, ob es eine Citybahn überhaupt geben solle, „ist gar nicht vorgesehen, die Bürger ernsthaft anzuhören.“

SPD Mainz und VCD pro Citybahn – Linke fordert Senkung der Kosten des Sozialtickets

„Wir freuen uns über das positive Ergebnis der Kosten-Nutzen-Untersuchung, die Citybahn würde die Mobilitätswende in Mainz weiter vorantreiben“, sagte hingegen der neue Mainzer SPD-Vorsitzende Marc-Antonin Bleicher. Besonders die Entlastung der Innenstadt von weiterem Individualverkehr würde die Lebensqualität enorm ansteigen lassen, die Verbindung der Mainzer Altstadt mit den rechtsrheinischen Mainzer Stadtteilen wäre „ein historischer Schritt.“ Die Citybahn sei leistungsfähig, effizient und ein wichtiger Standortfaktor, heißt es auch vom Verkehrsclub Deutschland, die Bahn sei leise, umweltfreundlich und biete einen besseren Fahrkomfort als Busse. Gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz in Hessen hat man beim VCD einen eigenen Infoflyer mit 10 Gründen für die Citybahn erstellt, den Ihr Euch hier herunterladen könnt.

Auch die Linksfraktion im Mainzer Stadtrat begrüßte die Fortschritte bei der Planung der Citybahn, forderte aber, der Ausbau müsse sozial verträglich sein: Die Linke werde ihre Zustimmung zu dem Projekt „daran koppeln, ob eine soziale Preispolitik bei der MVG angestrebt wird anstatt jährlicher Preiserhöhungen“, sagte Fraktionschef Jasper Proske. In einem ersten Schritt müsse das Sozialticket von den aktuellen 60 Euro auf maximal 25 Euro sinken, das sei etwa der Teil im Hartz IV-Regelsatz, der für Mobilität vorgesehen sei.

Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht über die Pläne zur Citybahn samt Analysen findet Ihr hier auf Mainz&. Die Argumente und Kalkulationen der Bürgerinitiative Mitbestimmung Citybahn findet Ihr auf dieser Internetseite. Eine Gruppe Pro Citybahn findet Ihr hier auf Facebook, die offizielle Citybahn Infoseite hier im Internet.

 

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