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Tagesarchive: 12. Februar 2018

Phantastischer Rosenmontag in Mainz – Mehr als 500.000 feiern friedlich große Narrenparty, Rosenmontagszug rollt störungsfrei

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Rosenmontag 2018 in Mainz - der Zug rollt! - Foto: gik

Was für ein Rosenmontag: Mehr als 500.000 Menschen haben in Mainz friedlich und fröhlich Rosenmontag gefeiert, den großen Narrenumzug bejubelt und Stimmung und Narretei genossen – und das bei Sonnenschein. Petrus muss einfach ein Mainzer sein: Trotz Schnee und Eis in vielen Teilen des Landes lachte in Mainz doch tatsächlich die Sonne vom Himmel. Hunderttausende feierten friedlich und fröhlich die große Narrenparty zum Abschluss der Meenzer Fastnacht, bunt kostümiert. Der Mainzer Rosenmontagszug, einer der größten Deutschlands, rollte weitgehend flüssig und störungsfrei. Der Mainzer Carneval-Verein (MCV) gab am Abend die Zahl der Narren mit mehr als 500.000 Narren an. Am Morgen waren es noch weniger gewesen, doch am späten Nachmittag füllte sich die Stadt. Die meisten feierten nach Angaben der Polizei friedlich und fröhlich den Höhepunkt der Fastnachtskampagne. Zu größeren Zwischenfällen kam es bis 18.00 Uhr nicht, allerdings waren viele stark alkoholisierte Narren unterwegs.

Pünktlich um 11.11 Uhr setzte sich am Morgen der 67. Mainzer Rosenmontagszug seit dem Zweiten Weltkrieg in Bewegung, 7,2 Kilometer lang zog der närrische Lindwurm kreuz und quer durch die Innenstadt. Die Sicherheitsvorkehrungen waren hoch, große Zugmaschinen blockierten Zufahrtsstraßen, es galt ein Lkw-Fahrverbot in der gesamten Innenstadt. Die Polizei zeigte mit zahlreichen Einsatztruppen Präsenz entlang des Zugweges, bis 17.00 Uhr wurden bereits mehr als 300 Personen kontrolliert, darunter 265 Kinder und Jugendliche.

„113 wirkten alkoholisiert, brauchten aber keine medizinische Hilfe“, sagte ein Polizeisprecher zu dieser Zeitung, weit über 60 Liter Spirituosen wurden sicher gestellt. Bei 40 Personen wurden die Personalien aufgenommen „und sie auf ein anständiges Verhalten hingewiesen“, wie es weiter hieß. Insgesamt gebe es zwar „mehr Kontrollierte, aber weniger Straftaten und Widerstände“, betonte die Polizei.

Der große Narrenzug verlief störungsfrei: 161 Narrenschiffe und Komitteewagen zogen durch die Straßen, auf ihnen auch viele Aktive aus den Fastnachtssitzungen. 113 Traktoren und Zugmaschinen zogen die Gefährte, auch 33 Zugpferde kmen zum Einsatz, dazu zwei Ochsen. Zu Zwischenfällen kam es im Gegensatz zum Umzug in Köln nicht, auch die insgesamt 107 Reiter kamen unfallfrei ins Ziel. „Die Vereine haben sich eigens eine eigene Reiterordnung gegeben“, sagte Zugmarschall Markus Perabo. Die Tiere seien übrigens keineswegs ruhig gestellt – die Pferde werden vielmehr im Vorfeld eigens mit Musik für den Umzug trainiert.

Mehr als 8.800 Teilnehmer nahmen am Rosenmontagszug teil, das waren rund 800 weniger als im Vorjahr. Der MCV hatte sich entschieden, einer immer größeren Ausdehnung der Narrenparade einen Riegel vorzuschieben. „Wir sind einfach an der Kapazitätsgrenze, gerade auch was den Bereich der Aufstellung angeht“, sagte Perabo dieser Zeitung: „Ein langer Zug ist schön, aber irgendwann ist es auch mal gut.“ Auch für die Zuschauer sei die Aufnahmekapazität irgendwann begrenzt.

Fünf Stunden lang dauerte der Umzug auch so schon, in der ganzen Innenstadt wurden die bunten Kostüme und die Narrenwagen bejubelt. Das Helau donnerte, Bonbons, Bälle und Süßigkeiten regneten nur so auf die Narren am Wegesrand hernieder. Für besonders viel Gelächter sorgten die 13 politischen Motivwagen des MCV: Da ragte SPD-Chef Martin Schulz als „Rohrkrepierer“ aus der rauchenden SPD-Kanone, stemmte sich die Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) verzweifelt gegen den Bibelturm am Gutenberg-Museum, den eine Bürgerinitiative zu Fall bringt. Aus dem braunen Sumpf ragte unterdessen AfD-Chef Alexander Gauland, der eine Horde Zwerge fragt: „Wollt Ihr den totalen Zwerg?“

Die närrischen Motivwagen sorgten für echte Hingucker im Rosenmontagszug. – Foto: gik

„Wir sind sehr, sehr zufrieden mit dem Verlauf des Zuges“, sagte Perabo. Zwar gab es zwischendurch immer mal wieder Lücken im Zugablauf, aber am Ende rollte alles, wie es sollte – sogar die Zugente. Die hatte ja in den vergangenen Jahren schon einmal schlapp gemacht, nach dem Zug 2017 habe sich dann ein Spezialist für Käfermotoren beim MCV gemeldet, verriet Perabo. Nun rollte das Entchen fit wie selten durch den Zug, und hatte es so eilig, dass wir nur noch einen schnellen Schnappschuss schießen konnten.

Ein Problem bescherten den Narren aber die neuen französischen Eigentümer des Autobauers Opel: Der stellte in den vergangenen Jahren mehr als 80 Opel-Cabrios für die Kappenfahrt zur Verfügung, die traditionell am Fastnachtsdienstag das Ende der Straßenfastnacht markiert. In diesem Jahr habe Opel die Fahrzeuge nicht ausgeliehen, sagte Perabo, „die haben den Rotstift angesetzt.“ Der Kappenfahrt drohte das Aus, die Komitteeter behalfen sich schließlich anders: Neben Privatwagen wurden Winzertraktoren organisiert – und 15 Elektrocaddies eines Golfclubs.

Update: Die Mainzer Polizei zog am Dienstag Bilanz der Feiern, und die fiel ähnlich aus wie am Mittag: Viel aggressives Verhalten, sehr viel sicher gestellter Alkohol, viele Einsätze am Abend, aber weniger Platzverweise und deutlich weniger Straftaten als 2017. Das Einsatzkonzept sei aufgegangen, bilanzierte die Polizei zufrieden. So wurden etwa im Vorfeld des Rosenmontags gegen 21 Personen (2017:19) ein Aufenthalts- und Betretungsverbot erwirkt. Bei diesen wurde aufgrund ihres Verhaltens aus dem Vorjahr prognostiziert, dass sie auch in diesem Jahr durch aggressives Verhalten auffallen würden. Verstöße dagegen wurden keine festgestellt. Trotz des schönes Wetters und der tollen Stimmung kam es in den Abend- und Nachtstunden zu vielen Einsätzen der Polizei wegen Streitigkeiten und Körperverletzungen, teilte die Polizei weiter mit.

Weitgehend friedlich feierten Zehntausende noch nach Ende des Rosenmontagszuges weiter, so die Polizei. – Foto: gik

Kontrolliert wurden 758 Personen (2017: 522), davon 190 alkoholisiert wirkende Jugendliche. 75 Liter Alkohol wurden vernichtet (2017: 10), es gab 53 Platzverweise (2017: 112) und 25 Gewahrsamnahmen bei Nichtbefolgung (2017: 26). Sicherstellung erfolgten 27 Mal (2017: 28), davon 9 Anscheinswaffen, die echten Waffen zum Verwechseln ähnlich sehen, wie Pistolen, Revolver, Maschinenpistole, und ein Schwert. Herausragende Fälle: Eine alkoholisierte Person erlitt bei einer Körperverletzung eine Gehirnerschütterung und musste durch den Rettungsdienst versorgt werden.

113 Straftaten zählte die Polizei zudem (2017: 137) davon 73 Körperverletzungen (2017: 60), 9 Diebstahlsdelikte (2017: 57), 15 Widerstandshandlungen gegen Einsatzkräfte (2017: 2), und eine Beleidigung (2017: 9). Drei Einsatzkräfte erlitten leichte Verletzungen. Der Kameramann eines Fernsehteams, welches die Polizei begleitete, wurde durch einen alkoholisierten Feiernden geschlagen und beschimpft. Eine gute Nachricht hingegen: sexuelle Nötigungen wurden in keinem einzigen Fall angezeigt, 2017 hatte es fünf solcher Vorfälle gegeben.

Die Polizei Mainz hatte in diesem Jahr am Schillerplatz und in der Dagobertstraße sichtbare Polizeipunkte als Anlaufstelle für Hilfesuchende aller Art angeboten. Diese seien moderat angenommen worden, hieß es weiter. Das Vermittlungsangebot der Polizei Mainz für Beratungsgespräche durch den Frauennotruf wurde nicht in Anspruch genommen.

Bei kaltem, aber trockenem Wetter feierten mehrere zehntausend Menschen friedlich und bei guter Stimmung noch stundenlang nach Ende des Rosenmontagszuges zwischen Schillerplatz und Markt, hieß es im Polizeibericht weiter: Erst gegen 01:00 Uhr am frühen Dienstagmorgen leerte sich der Schillerplatz und die Letzten gingen nach Hause. Im Gegensatz zu dem Jahr 2017, als unmittelbar nach Ende des Rosenmontagszuges ein kalter Starkregen einsetzte, der viele Feiernde früh nach Hause trieb. Gefeiert aber wurde in diesem Jahr in Kneipen und Kellern, in den Hauptquartieren der närrischen Vereine, und einfach überall – eine große, fröhliche Narrenparty!

Info& auf Mainz&: was noch fehlt? Genau: Unsere Fotogalerie! Bitteschön:

 

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Profis in der Fernsehfastnacht: Reichow löst Debatte aus – KCK und CCW präsentieren in Gemeinschaftssitzung tolle Redner und großes Fastnachtskaleidoskop

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Die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ erlebte einen ungewöhnlichen Moment: Ausgerechnet bei Profi-Kabarettist Lars Reichow fiel vergangenen Freitag die Stimmung im Saal in den Keller. Das war nicht nur an den Fernsehbildschirmen deutlich wahrzunehmen, gleich mehrere Zuschauer, die live im Saal dabei waren, bestätigten dies: „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte einer. Auch zuvor schon hatte Detlev Schönauer mit seinem Bio-Lehrer deutlich weniger punkten können als in den Jahren zuvor – die Auftritte der beiden Profis lösten umgehend eine Debatte in Mainz aus: Braucht die Fernsehfastnacht Profis?

Fiel am Freitag bei der Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ im Saal beim Publikum durch: Kabarett-Profi Lars Reichow. – Foto: gik

Es ist eine Debatte, die so alt ist wie die Mainzer Fastnacht: Soll man Profis auf der Fastnachtsbühne, gar der heiligen Fernsehbühne „Mainz bleibt Mainz“ zulassen – oder zugunsten sogenannter „Laien-Redner“ verbannen? Nur: Die Grenzen zwischen Profitum und Laienauftritt waren in der Mainzer Fastnacht schon immer fließend. Tobias Mann, Ramon Chormann, auch Margit Sponheimer selbst und nicht zuletzt Herbert Bonewitz – nicht wenige Kabarettisten oder Comedians begannen ihre Laufbahn auf der Mainzer Fastnachtsbühne und schafften von dort den Sprung in die Kleinkunstsäle der Republik.

Für Ärger aber sorgt, wenn Profis von außen scheinbar Laien vorgezogen werden – so wird es in diesem Jahr mit Schönauer und Reichow diskutiert. Beide hatten offenbar Wildcards für die Fernsehsitzung – und das ging nach hinten los. „Der hat mir nicht gefallen“, schrieben Zuschauer etwa auf Twitter, „Wolle mer’n eroilosse?“ Den Bio-Lehrer? Kann man den auch wieder rauslasse?“, twitterte eine Anna. Schönauer war bereits während der Kampagne in manchen Sälen weitaus weniger angekommen als in den Vorjahren, seinem Bio-Lehrer fehlte das neue, zündende Element.

Auch Detlev Schönauer blieb als Bio-Lehrer in diesem Jahr eher farblos und sorgte für einen Stimmungsabfall in der Fernsehsitzung. – Foto: gik

Reichow hingegen löste mit seinem Auftritt bei „Mainz bleibt Mainz“ fast schon einen Shitstorm aus, da fielen Worte wie „peinlich“, „unterirdisch“ und „Tiefpunkt“ – der Kabarettist fiel zum Großteil bei den Zuschauern durch. „Stimmung fällt bei Reichow in den Keller“, schrieb gar die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel auf Facebook. Dabei hatte die Mutter aller Fernsehsitzungen einmal einen einfachen Anspruch: Das beste abzubilden, was die Mainzer Fastnacht in den Sälen der Saison zu bieten hat. Doch davon entfernt sich die Fernsehsitzung zunehmend – Beispiel gefällig?

 

Da trafen sich am 28. Januar die Fastnachtsvereine Karneval Club Kastel (KCK) und Carneval Club Weisenau (CCW) zur großen Gemeinschaftssitzung in der Mainzer Rheingoldhalle. Sechseinhalb Stunden lang entfaltete sich da ein Best of der beiden Vereine – wie schon eine Woche zuvor bei GCV und Eiskalten Brüdern wurde es ein Feuerwerk hervorragender Narretei. Da servierten die Eisbären eine bunte Musik-Revue von Elvis bis Elton John, brachte Thorsten Ranzenberger als trauriger Narr den Saal zum Schmelzen und zeigte Gunther Raubach eine durch den Kamprad-Tod unversehens höchst aktuelle Ikea-Shopping-Nummer – und kam dabei ganz ohne peinlich anrührende Witze aus.

„Hoppes“ Hansi Greb reiste närrisch in diesem Jahr nach Rom, herrlich das Humba nachts um halb drei vor dem Vatikan. Greb ist natürlich ein alter Stammgast der Fernsehbühne, sein Vortrag kam womöglich nicht ganz an vorige Jahre heran – ein Garant für gute Stimmung ist er aber immer.

Fantastischer Auftritt als Red-Akteur bei der Gemeinschaftssitzung von KCK und CCW: Rüdiger Schlesinger. – Foto: gik

 

Vor allem aber zeigten, KCK und CCW, dass die Mainzer Narrenszene längst viel mehr politische Redner zu bieten hat, die in hohem Maße das Rüstzeug für die Fernsehbühne mitbrächten. Da sezierte Rüdiger Schlesinger als Red-Akteur souverän, mit spitzer Feder und höchst gekonnten Reimen, die Politschwätzer des Jahres und legte sogar eins ums andere Mal eine Gesangseinlage ein: „Er kann in drei Sekunden fünf mal lügen, kann Mauern bauen bis zum Firmament“, besang Schlesinger da etwa US-Präsident Donald Trump und hängt gleich noch ein eindringliches Plädoyer für die Demokratie an – der „Guddi Gutenberg“ hätte es kaum besser gekonnt. Phantastisch noch die Roboter-Einlage: Wer die Bundespolitik so treffsicher glossieren und dabei auch noch rappen und das Publikum mitnehmen kann – der gehört schlicht und ergreifend auf die Fernsehbühne.

Auch Bernhard Knab brillierte in diesem Jahr mit einem ganz starken Vortrag. Der „Deutsche Michel“ sprach Klartext über GroKo und KaKa, AfD, Erdogan, Trump und den G20-Gipfel, Knab schaute wahrhaft „dem Volk aufs Maul“, wie es in der Mainzer Fastnacht gute alte Narrentradition ist und sparte auch nicht mit Rat: „Zeigt Geschlossenheit im Land, das Hin und Her nicht imposant“, mahnte der „Michel“ – ein starker Vortrag der alten Polit-Narrenschule und eine Identifikationsfigur auch für Zuschauer bundesweit.

Große Maske, tolle Rolle, hervorragend gespielt, frenetisch gefeiert: Markus Weber als „Fräulein Baumann“. – Foto: gik

Auch Sänger Andy Ost wurde mit seinem „Humortrainer“ politisch, was seiner Nummer ausgesprochen gut bekam. Sein fantastisches „Born on Rosenmonday“ aber hätte im Jubiläumsjahr von Fastnachtsikone Margit Sponheimer ganz klar ein Anwärter für die Fernsehsitzung sein müssen – Ost aber kam ebenso wenig zum Zuge, wie etwa Thomas Neger mit seiner Hommage „Wenn Margit singt…“

 

Stattdessen durften die Altrheinstromer einen Ultra-Kurz-Auftritt in der Fernsehsitzung absolvieren, der weder dem Potenzial der Gesangstruppe gerecht wurde, noch den Zuschauern – die Schnellnummer trog eher zum Eindruck der Gehetztheit bei „Mainz bleibt Mainz“ bei, den viele Zuschauer in sozialen Netzwerken äußerten.

Bei KCK und CCW tummelt sich auch Woody Feldmann, die Comedian brachte wieder einmal mit ihrer unverwechselbaren Art, mit ihrer grandiosen Stimme und einer Ode an den Thermomix den Saal zum Beben. Auch Feldmann ist ein Profi-Comedian, einen Anspruch auf die Fernsehsitzung erhebt die Hessin deswegen aber noch lange nicht – sie würde auch kaum als typisch meenzerischer Fastnachtsvortrag durchgehen.

Hervorragend als „Deutscher Michel“ unterwegs: Bernhard Knab bei KCK und CCW. – Foto: gik

Doch ein anderer Halbprofi schafft genau das: Markus Weber, Apotheker von der Bergstraße, hat mit seinem „Fräulein Baumann“ ein große Narrenfigur geschaffen. Weber spielt die 113 Jahre alte Lady mit sensationeller Maske, Mimik und Stimmfärbung, vom letzten Detail des Kostüms bis hin zu Bewegungen und Sprachmelodie stimmt da alles. Und wenn „Fräulein Baumann“ die Asche aus der Urne des Verstorbenen zum Streuen gegen Glatteis nimmt, bleibt im Saal kein Auge trocken. Er habe sein „Fräulein Baumann“ eigens für die Fastnacht geschaffen und greife damit die alte Mainzer Fastnachtstradition des Mannes in Frauenkleidern auf, erzählt Weber im Gespräch mit Mainz& – die aber ist seit den legendären Putzfrauen Fraa Babbisch und Fraa Struwwelich verwaist.

Die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ verzeichnete in diesem Jahr einen besonders hohen Zulauf junger Zuschauer: 850.000 Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren, 9,6 Prozent Marktanteil in dieser Zielgruppe – so viele junge wie lange nicht mehr schalteten die ehrwürdige Mutter aller Fastnachtssitzungen ein. Zum Abräumer des Abends wurde denn auch einer der jüngsten Teilnehmer: Florian Sitte markierte mit seiner „Angela Merkel“ das absolute Highlight der Sitzung, dicht gefolgt von den Schnorreswacklern.

Insgesamt schalteten 6,42 Millionen Menschen die Mainzer Sitzung ein, etwas weniger als ein Jahr zuvor beim SWR – die Sendung rockten nun schon zum zweiten Mal nach den „Tramps vun de Palz“ junge, innovative Nicht-Profis. Auch in den übrigen Vereinen hat die Mainzer Fastnacht eine Fülle kreativer Aktiver zu bieten – wir sagen nur RotRockRapper, Bockius Brothers und und und. Zeit, dass „Mainz bleibt Mainz“ wieder abbildet, was die Mainzer Fastnacht zu bieten hat. Und das war jetzt der Kommentar-Satz zur Analyse.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Programm der Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ 2018 lest Ihr hier auf Mainz&, und hier unseren Bericht von der Generalprobe der Fernsehsitzung am Mittwoch vor Fastnacht. Lust auf mehr innovative, hochkarätige Fastnacht? Dann schaut mal hier beim GCV vorbei.

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House of Drecksäck – Macht, Intrigen, (Bau-)Gruben und das verlorene Marktfrühstück – Meenzer Drecksäck 2018

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House of Drecksäck - die neue Kultserie im Haus der Jugend. - Foto: gik

„Demokratie wird sooo überschätzt“, sagte Peter Underwutz, jetzt brauche es dringend jemanden, der die Dinge in die Hand nimmt, „das Notwendige tut.“ Die Sau wurde schon überfahren, eine Journalistin stürzt vom Stadtwerke-Hochhaus – es geht um alles oder nichts in Mainz. „Die Macht in dieser Stadt liegt im Stadtwerketurm“, bekräftigt Underwutz, „und die Ruine des Rathauses ist Symbol seiner Machtlosigkeit.“ In ihrem 23. Jahr spielen die Meenzer Drecksäck 2018 „House of Drecksäck“ – und heraus kommen ein sensationeller Eröffnungsfilm, eine heiße Sitzung und tiefböse Anspielungen auf Intrigen, Politik, (Bau-)Gruben und das Mainzer Marktfrühstück. Keine Frage: Der Kampf um die Macht in der Stadt hat begonnen, und die Drecksäck gehören wahrlich nicht zu den Verlierern…

Sensationelle Filmreihe der Meenzer Drecksäck 2018: House of Drecksäck mit Günter Beck und Birgit Schütz. – Foto: gik

„House of Cards“ heißt die überaus erfolgreiche US-Serie rund um das Intrigenspiel der Macht im amerikanischen Washington, die Drecksäck machen daraus in ihrem 23. Jahr „House of Drecksäck“ – ein furioses Intrigenspiel um die Macht in Mainz. Und das kommt nicht nur stilgetreu als dreiteilige Serie daher, sondern auch unglaublich originalgetreu zur Vorlage: Stil, Farben, Dialoge, Settings, alles, wirklich alles spiegelt das US-Vorbild aufs feinste. Der Vorspann ahmt das große US-Vorbild detailgetreu nach, die Kameraeinstellungen folgen ganz dem Zuschnitt auf Gesichter und Settings, a „Asides“ dürfen natürlich nicht fehlen. Und selbst einen Kneipentreff gibt es – es ist natürlich die Mainzer Kultkneipe Andau.

Nur wer sich selbst zum Narren macht, feiert echte Fassenacht, hieß es mal… Isso: Günter Beck. – Foto: gik

Und so entfaltet sich vor den staunenden Augen der Zuschauer im Saal im Haus der Jugend ein wahnwitziges Panorama aus Intrigen, Machtsumpf und Politschach, das den Zuschauer gleichwohl fragen lässt, ob er nicht gerade einen tiefen Blick hinter die Fassaden der Meenzer Handkäsmafia wirft… In „House of Drecksäck“ jedenfalls mutieren Margit und Peter Becker zum Geschwisterpaar Underwutz, das die Macht in Mainz zu übernehmen versucht, obligatorische Affäre mit einer ehrgeizigen Journalistin inklusive. Und so kommt es zu Erpressung und Mord, und nach der Journalistin landet auch die Verkehrsdezernentin erschlagen in einer Baugrube – vor die Straßenbahn konnte sie Underwutz nicht werfen, denn es herrschte mal wieder Schienenersatzverkehr…

„House of Drecksäck“ spielt munter mit der Mainzer Stadtpolitik, es hagelt Anspielungen und Seitenhiebe auf Baustellen, die Mainzelbahn, das desolate Rathaus und das völlig marode Taubertsbergbad. Dessen Renovierung wird von Peter Underwutz feste sabotiert, und natürlich ist der Gag dabei, dass der im richtigen Leben grüner Bürgermeister und Sportdezernent von Mainz ist und gerade verzweifelt versucht, eben jenes Schwimmbad vor dem Zusammenbruch zu retten. Günter Beck liefert als Peter Underwutz sein Meisterstück als intriganter Strippenzieher, feste unterstützt von einer grandiosen Riege weiterer Laiendarsteller – und so mancher Figur aus dem wahren Mainzer Leben. Fastnacht ist eben, wenn Oberbürgermeister und Verkehrsdezernentin sich selbst spielen in Rollen, die sie gleichzeitig fleißig karikieren.

„Himmel, Arsch und Arne Jacobsen, ICH hab doch das Ding nicht verkommen lassen“, flucht da der OB alias Michael Ebling (SPD) haltlos über das Rathaus. Doppelbödig (mindestens), rasant und unglaublich gut gemacht, übertreffen sich die Drecksäck in ihrem 23. Jahr filmisch um Längen selbst. Überhaupt dreht sich in dieser Kampagne der Alternativfastnachter vieles um Macht, Politik und die Katastrophen in Deutschland und in der Welt – gut so! Die Drecksäck legen den Finger tief in die verschiedenen politischen Wunden – Anzüge spielen dabei erstaunlicherweise eine Hauptrolle – , und kehren damit auch ein Stück weit zu ihren Wurzeln zurück.

Rocken den Saal: die Junggesellinnen vom A-Cappella-Chor. – Foto: gik

Und politische Wunden gab es im vergangenen Jahr ja wahrlich genug: „Alle elf Minuten verliebt sich jemand in eine neue Koalition“, spottet der „Parteishipper“ Joachim Knapp – Deutschland hängt in einer Zeitschleife fest, Murmeltiertag in Berlin… Der Protokoller der Drecksäck kehrt nach einem Jahr Pause zurück und seziert mit feinen Wortspielen den GroKolores der Berliner Politik. Völlig zu Recht erhält er für seinen eher leisen Vortrag die erste Standing Ovation des Abends – und natürlich tanzt gleich mal die große rosa Sau ausgelassen über die Köpfe im Saal.

In der Drecksau-Kapsel zurück zur Erde: Die Laienspielgruppe mit tollen Einfällen und vielen Seitenhieben auf die Stadtpolitik. – Foto: gik

Für den ersten ausgelassenen Höhepunkt sorgt danach der A-Capella-Chor. Der Junggesellinnenabschied im gereiften Alter zieht urkomisch auf der Suche nach dem verschwundenen Marktfrühstück in Mainz und gibt dabei der Stadtpolitik kräftig einiges mit – vor allem in Sachen Luxuswohngebiet Zollhafen. „Es ist vorbei, bye, bye Nordmole“, singen die Damen (und der eine Herr): „Hier ist es nicht schee, Mainzer Szene adé.“ Auch das zum französischen Restaurant mutierte Weinhaus Bluhm kriegt sein Fett weg, die Junggesellinnen irren „schoppenlos durch die Nacht“. Ihr „eisgekühlter Rieslingschoppen“ aber verzückt den Saal so sehr, dass der minutenlang gar nicht mehr aufhören mag zu singen – die Menge tobt fast wie weiland bei Ernst Neger und seiner „Humba“…

Mit verschwundenem Riesling und einem fünf Millionen Liter Depot unter dem Weinhaus Bluhm kämpft auch die Crew der USS Drecksack, deren Weintank – von langer Reise aus den unendlichen Weiten des Alls zurückgekehrt – restlos leer ist. Die großartige Laienspieltruppe um Hermann Junglas landet erstmal in Nordkorea und dann auf Jamaika, bevor sie mit bitterbösen Anspielungen auf die Stadtpolitik gespickt die geschlossene Grenze zu Wiesbaden – Obergrenze: 200 Mann Tageskontingent – überwinden muss. Eine zutiefst närrische Reise in andere Dimensionen mit großartiger Schauspielerei – allen voran Birgit Schütz – und sogar einem tollen Rap zum Schluss.

Melia Pace liest wieder einmal ihrem Vater Günter Beck die Leviten – großartig! – Foto: gik

Apropos Schauspielerei: Zum heimlichen Star reift da gerade der jüngste Drecksack heran. Melia Pace brilliert nicht nur als Assistentin in „House of Drecksäck“, sondern hat auch wieder einmal ihren Vater Günter Beck voll im Griff: “ Du musst ein Arschloch sein, die bestimmen die Welt“, erklärt sie ganz unverblümt ihrem Herrn Vater: „Nichts tut dir leid, das Wort „Ehrlich“ streichst Du am besten komplett aus deinem Wortschatz – und genau das macht einen erfolgreichen Politiker aus.“ Ob die verzweifelte Suche nach einem Redetext beim Kaninchenzüchterverein die Leiden eines Bürgermeisters verarbeiten? „Das Schwein bestimmt das Bewusstsein“, sagt Beck so treffend in einer dieser herrlichen Zwischenmoderationen, in denen er und seine kongeniale Partnerin Birgit Schütz mal als Essig Essenz-Werbeduo, mal als Kleingartenvereinsvorsitzende im Vorbereitungsstress glänzen.

Schattenmann Markus Höffer-Mehlmer kämpft mit närrischen Verschwörungstheorien. – Foto: gik

Das ist großes Kleinkunstkino mit viel hintergründigem Humor, vor allem wenn die Drecksäck mal schnell eine Saalbefragung in Sachen Eintrittskarten starten und der Kommentar dazu lautet: „Ich hätte nicht geglaubt, dass das so ausfällt…“ In Mainz wird jetzt eben alles per Bürgerentscheid geklärt, während der OB das „Partymonster“ gibt, lästern die Drecksäck – Bibelturm und Rathaus lassen grüßen.

Die Steigerung von böse aber heißt auch in diesem Jahr wieder: Prediger. Peter Herbert Eisenhut nimmt wieder einmal kein Blatt vor den Mund und beerdigt mit tiefschwarzem Humor Starkoch Paul Bocuse, Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, Playboy Hugh Hefner und Ex-Kanzler Helmut Kohl. Eisenhut redet Klartext über Trump und Co, besingt „das kranke Hirn vom Bosporus“, den „Verpisser“ von der FDP ebenso wie die versunkene SPD und die für den Endsieg kämpfende AfD… Da tobt der Saal und fordert – nein, nicht die Sau, sondern eine Zugabe. Die kommt mit der „Mainzelbahn nachts um halb eins“ daher, aber die Sau tobt danach natürlich trotzdem durch den Saal.

Bleibt noch der Mann für alle Verschwörungstheorien: Markus Höffer-Mehlmer konspiriert sich durch diabolische Dreiecke und die Vollmondnächte, in denen im alten Weinkeller im Rathaus Alt-OB Jockel Fuchs umgeht – großartig! Mixer Sirius macht auf Zuruf das Omelett, ist aber dummerweise auf Facebook mit dem EKD-Gerät des Hausarztes befreundet… Die rasante Schussfahrt durch verschwörerische Narretei absolviert auch Höffer-Mehlmer – genau – im grauen Anzug, „House of Drecksäck“ lebt ganz fraglos. Und so gebührt es auch dem Eulenspiegeligsten aller Drecksäcke, den wahrsten aller Sätze des Abends zu sagen: „Der größte Feind der Wahrheit ist doch unsere Faulheit.“

Geniale Hausband: Toni, Ernst und die Hämmerle. – Foto: gik

Der schwul-lesbische Chor macht schließlich noch als wunderbare Warnbaken Mainz unsicher, die Texte aber sind leider viel zu oft zu schlecht zu verstehen, sonst würden wir gerne mehr davon hier wiedergeben. In jedem Fall machen die „King of the Roads“ nicht nur ganz Mainz, sondern auch den Altstadt-Ortsvorsteher Brian Huck (Grüne) verrückt, bevor der Spuk zum Glück nach Wiesbaden entschwindet – da werden die Baken demnächst dringend für den Bau der Citybahn gebraucht…

Fast fünf Stunden lang feiern sich die Drecksäck und ihr Publikum so durch die Nacht, und wo andere Vereine musikalische Zwischennummern haben, sorgt hier die Drecksack-Band „Toni, Ernst und die Hämmerle“ rund um Sänger Hans „Ernst“ Becker für echtes Rock-Konzert-Feeling. Bei den fantastischen Musikern mit den umgedichteten Texten bekommt in diesem Jahr unter anderem Martin Schulz den Blues, die SPD geht „down, down, down“, doch die Sau tanzt und der Saal rockt zur Drecksack-Hymne und der ersten Fleischwurst. Und die Drecksäck sind weiter die einzigen in der Mainzer Fastnacht (so weit wir wissen), die ihre Helfer hinter und neben der Bühne mit einem eigenen Helferlied ehren – Hut ab.

Und apropos erste: Das Männerballett der Mainzer Prinzengarde sorgt zwar in diesem Jahr für Begeisterungsstürme im Saal, aber Jungs, wenn Ihr mal sehen wollt, wie Ihr einen Saal wirklich rockt – kommt bei der Männertanzgruppe der Drecksäck vorbei. Die fünf Herren liefern zwei volle Tanz-Choreographien ab, die nach zwanzig Jahren sogar fast synchron sind… eine absolute Kultnummer mit genialer Lightshow und viel sichtbaren Männermuskeln. Und apropos Lightshow: So toll waren die Meenzer Drecksäck lichttechnisch noch nie in Szene gesetzt.

Info& auf Mainz&: Am heutigen Rosenmontag rollen die Meenzer Drecksäck zudem erstmals mit einem Wagen im Rosenmontagszug mit – haltet mal unter Zugnummer 46 Ausschau nach der großen rosa Sau! Das Helferlied der Meenzer Drecksäck sowie das grandiose Männerballett könnt Ihr übrigens auf dem Mainz&-Youtubel-Kanal anschauen – bitte hier entlang. Viel Spaß! Und wie immer kommt hier noch unsere Fotogalerie. Seht es uns nach, dass wir nicht alle Akteure mit Namen nennen – wir wollen gleich noch zum Rosenmontagszug…

 

 

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