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Start 2018 März

Monatsarchive: März 2018

225 Jahre Mainzer Demokratie – Bundespräsident Steinmeier wirbt für „faszinierende und anspruchsvolle Demokratie“

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Es war vor genau 225 Jahren, als Andreas Josef Hofmann vom Balkon des Deutschhauses in Mainz die Republik ausrief. „Der ganze Strich Landes von Landau bis Bingen (…) soll von jetzt an einen freyen, unabhängigen, unzertrennlichen Staat ausmachen, der gemeinschaftlichen, auf Freiheit und Gleichheit gegründeten Gesetzen gehorcht“, hieß es damals im Artikel 1 des Dekrets, mit dem der rheinisch-deutsche Nationalkonvent gegründet wurde. Es war das erste, nach demokratischen Gebilden gegründete Staatswesen auf deutschem Boden. Die Mainzer Republik sei „so etwas wie der Beginn des Weges zur parlamentarischen Demokratie in Deutschland“ gewesen, sagte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier am Montagabend in Mainz. Steinmeier war zum Antrittsbesuch als Bundespräsident gekommen, er besuchte das Gutenberg-Museum, den Landtag und auch den verstorbenen Kardinal Karl Lehmann. Sein Thema: Das Warnen vor „dem Risiko der Selbstzerstörung“ der Demokratie.

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier vor dem Mainzer Gutenberg-Museum mit (v.l.n.r.): Museumsdirektorin Annette Ludwig, OB Michael Ebling (SPD), First Lady Elke Büdenbender, Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und deren Mann Klaus Jensen. – Foto: gik

„Herr Steinmeier! Herr Steinmeier!“ ruft der kleine Marian aufgeregt von der Ballustrade. Es ist Montagnachmittag, und gerade ist der Bundespräsident auf dem Mainzer Markt vorgefahren. Nur rund 50 Bürger sind am hellichten Tag gekommen, die meisten sind auch eher zufällig hier. Steinmeier stört das nicht, er strahlt, mischt sich unter die Menge, schüttelt Hände und stattet natürlich auch Marian einen Besuch ab. „Toll war das“, sagte eine Mainzerin strahlend: „Sonst sieht man den Herrn Steinmeier ja nur im Fernsehen, jetzt sieht man ihn mal live.“

„Wir sind gestartet bei Frost und kommen hier bei Sonnenschein an, das entspricht der Atmosphäre, mit der wir hier empfangen werden“, sagt Steinmeier gut gelaunt. Am Morgen hatte der Bundespräsident seinen Antrittsbesuch in Rheinland-Pfalz mit einem Besuch auf dem Hambacher Schloss in der Pfalz begonnen. „Orte der Demokratie“ lautet das Motto der Antrittsreise des Bundespräsidenten durch Deutschland, in Rheinland-Pfalz erlebte er die Orte, an denen die Demokratie in Deutschland ihre ersten Schritte erprobte.

Gut gelauntes Treffen mit Bürgern auf dem Mainzer Markt: Bundespräsident Steinmeier. – Foto: gik

1832 marschierten in Hambach Studenten und Intellektuelle hinauf zum Schloss, um Freiheit, deutsche Einheit und Demokratie zu fordern. Sie schwenkten die schwarz-rot-goldene Fahne, die später die Nationalflagge Deutschlands wurde und sie sangen „das Lied der Deutschen“ – unsere heutige Nationalhymne. „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“, heißt es darin, „danach lasst uns alle streben, brüderlich mit Herz und Hand.“ Das Lied von Heinrich Hoffmann von Fallersleben, es war Ausdruck der ungeheuren Sehnsucht nach Freiheit, nach Gleichheit – und nach Mitbestimmung.

„Wir müssen wieder werben, wir müssen wieder debattieren, wir müssen auch wieder streiten für Demokratie in Europa“, sagte Steinmeier auf dem Hambacher Schloss, der Blick in die Geschichte zeige eben auch, „dass Einigkeit und Recht und Freiheit alles andere als selbstverständlich sind.“ Steinmeier erinnerte auch daran, dass der Siegeszug der Demokratie in Deutschland nicht allein das Werk von Akademikern war: „Dass wir heute in Einigkeit und Recht und Freiheit leben, verdanken wir auch dem Mut von Kaufleuten, Handwerkern, Arbeiterinnen und Arbeitern“, betonte er.

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier lässt sich die Druckerpresse von Johannes Gutenberg in Mainz erklären… – Foto: gik

Und der Bundespräsident erinnerte daran, dass die Demonstranten damals ein „conföderiertes republikanisches Europa“ mit Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie der Gleichberechtigung der Frauen gefordert hatten. In Mainz besuchte der Bundespräsident gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender denn auch den Ort, der die weite Verbreitung von Wissen und Diskussionen erst möglich machte: Im Gutenberg-Museum ließ sich das Präsidentenpaar gemeinsam mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) die Funktion der Druckerpresse erklären, die einst Buchdrucker Johannes Gutenberg erfand.

„400 Jahre lang wurde so gedruckt“, erklärte Buchdruckermeister Michael Sobotta und ließ den Präsidenten tatkräftig Hand anlegen an der Druckerpresse. „Für eine Bibel musste dieser Vorgang 1.282 Mal wiederholt werden“, sagte Sobotta nach dem Druck einer Seite. Steinmeier guckt beeindruckt. „Gutenberg war und ist in aller Munde“, sagt er, das Gutenberg-Museum „ein kulturelles Highlight dieser Stadt und dieses Landes.“

… und legt selbst tatkräftig mti Hand an. – Foto: gik

Die Gutenberg-Bibel besichtigte Steinmeier natürlich auch, traf im Anschluss junge Menschen im Druckerladen. Er wolle von ihnen „lernen, wie sie sich die mediale Zukunft vorstellen“, sagte Steinmeier. Die Inhalte der Politik seien natürlich komplex, das dürfe aber „kein Grund sein, Politik und politische Berichterstattung auf Partei-Taktik, Egotrips und markige Auftritte, auf „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ zu reduzieren“, mahnte der Präsident.

Zuvor hatte der Bundespräsident dem Leichnam des jüngst verstorbenen Kardinal Karl Lehmann die Ehre erwiesen und sich ins Kondolenzbuch in der Augustinerkirche eingetragen. Am Mittwoch wird der Bundespräsident erneut zur Trauerfeier in Mainz erwartet. Am Mittag war Steinmeier zudem mit dem rheinland-pfälzischen Kabinett zusammengekommen – beim Mittagessen mit „gehobenem Tellergericht“ und edlen rheinland-pfälzischen Weinen: Einen Nahe-Riesling „Paradies“ vom Weingut Korrell aus Bad Kreuznach gab es. Es war nicht der einzige gute Tropfen für Steinmeier: Eine Kiste mit zwölf edlen Weinen des Landes darf der Bundespräsident mit nach Hause nehmen, darunter ein Heerkretz Riesling Großes Gewächs vom Weingut Wagner-Stempel, ein Riesling „Alte Reben“ aus dem Boppacher Hamm von Spitzenwinzer Matthias Müller, ein Blauschiefer Spätburgunder von Meyer-Näkel von der Ahr, ein Kalkmergel Spätburgunder des Spitzenwinzers Knipser.

Steinmeier bei seiner Rede am Abend im Mainzer Landtag im Landesmuseum beim Festakt 225 Jahre Mainzer Republik. – Foto: gik

Beim Gespräch in der Staatskanzlei habe sich Steinmeier intensiv nach den Vorgängen im pfälzischen Kandel erkundigt, sagte Dreyer. Dabei sei es speziell um die rechten Demonstrationen gegangen, auch darum, wie die AfD das Klima im Landtag verändert habe. Seit in Kandel ein junger afghanischer Flüchtling seine 15-jährige Ex-Freundin tötete, überrennen rechte Gruppen von außen den Ort und organisieren Proteste, darunter auch extrem Rechte wie die Identitäre Bewegung oder Der Dritte Weg.

Der Einzug von Hass und Verachtung in den politischen Diskurs machten ihm Sorgen, betonte Steinmeier am Abend in seiner Rede in Mainz: „Ich halte sie für genauso gefährlich wie die Flucht aus der Politik.“ Demokratie sei „eine anstrengende Staatsform, sie koste Zeit, Geduld und Nerven. „Politisches Engagement ist nicht immer cool und attraktiv, sondern oft unglamourös und kleinteilig“, sagte Steinmeier. Wenn „mit Häme oder Ironie auf das manchmal schwerfällige demokratische Ringen“ geblickt werde, wenn Politik verächtlich gemacht werde, „dann spielt das den Antidemokraten in die Karten.

Denn, betonte Steinmeier: „Es gibt keine Erlösung von der Politik.“ Eine Demokratie höre auf, Demokratie zu sein, „wenn sie sich über ihre liberalen Grundlagen hinwegsetzt. Demokratie bleibt nicht Demokratie ohne Menschen- und Bürgerrechte, ohne die Herrschaft des Rechts und den Schutz von Minderheiten – auch wenn manche heute, sogar in Europa, das Gegenteil behaupten“, warnte Steinmeier. Eine Demokratie brauche das Engagement ihrer Bürger, sie brauche Debatten, Sicheinmischen – und immer das Ringen um den Konsens. „Eine Welt ohne Politik ist keine bessere Welt, sie ist eine gefährliche Illusion“, warnte Steinmeier: Wie solle die Republik denn sonst die vielfältigen Interessen in unserer pluralen Gesellschaft friedlich zum Ausgleich bringen, wenn nicht durch „das zähe Ringen am Verhandlungstisch“, durch Kompromisse und durch Repräsentanten, die die Auseinandersetzung und dieses Ringen nicht scheuten?

Versammlung des Mainzer Jakobinerclubs im ehemaligen kurfürstlichen Schloss in Mainz im November 1792. – Foto: Landesmuseum Mainz via Wikimedia

„Von den Beschlüssen, die wir hier fassen, hängt das Glück vieler tausend Menschen ab“, schrieb einst der Naturforscher Georg Forster. Forster war Mitglied jenes „Rheinisch-Deutschen Freistaats“, der am 18. März 1793 in Mainz ausgerufen wurde – dem Beginn der Mainzer Republik. In der allerdings mussten die Mainzer am Ende zur Zustimmung gezwungen werden, zumindest fanden das die französischen Besatzer: Wer über die neue Republik abstimmen wollte, musste erst einen Eid auf die neue Staatsform schwören und der alten entsagen. Zahlreiche Bürger verweigerten dies – darunter Vertreter der Zünfte, die vom alten Adelsstand wirtschaftlich viel profitierte hatten, und die ihre Sonderrechte nicht einem allgemeinen Wirtschaftszugang opfern wollten.

Die Mainzer Republik hielt nur drei Monate, am Ende scheiterte sie an zwei Dingen: An den Kanonen der preußischen Truppen, die im Juni 1893 Mainz eroberten – und an der mangelnden Begeisterung der Bürger. Wenn Bürger aufhörten, sich für die Demokratie zu engagieren, wenn sie antidemokratische Akteure einfach gewähren ließen, mahnte Steinmeier, wenn „politische Kräfte Glücks- oder Heilsversprechen abgeben, oder wenn sie von sich behaupten, im Namen des eigentlichen, des „wahren Volkswillens“ zu handeln“ – immer dann sei Demokratie in Gefahr.

Die Mainzer Jakobiner, sie waren Idealisten, und sie waren bereit, für ihre Ideale sogar in den Tod zu gehen. „Nur Freiheit oder Tod!“, sangen die Mainzer Jakobiner zu den Klängen der Marseillaise, dem Freiheitslied der Französischen Revolution, deren Ideale sie verehrten. Und nicht wenige von ihnen starben, wie der Mainzer Jakobiner Adam Lux, der in Paris unter der Guillotine sein Leben verlor. „Wenn Ihr die Demokratie erreicht habt“, flehte Lux seine Landsleute an, „dann haltet sie in Ehren!“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Mainzer Republik von 1893 lest Ihr in diesem Mainz&-Artikel sowie in unserem Bericht über den Mainzer Revolutionär Adam Lux genau hier. Die ganze Rede von Bundespräsident Steinmeier könnt Ihr hier beim Bundespräsidialamt nachlesen. Ergebnisse neuester Forschungen zur Mainzer Republik gibt es übrigens kommenden Donnerstag, den 22.3.2018: Dann stellen Studierende der Uni Mainz ab 18.00 Uhr im Mainzer Stadtarchiv wissenschaftliche Arbeiten zum Thema vor – mehr dazu hier.

 

 

 

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„Die Welt schweigt. Warum???“ – Junger kurdischer Kämpfer in Afrin klagt an – Arzt Trabert und Journalist Huch beunruhigt

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„Ich werde bald tot sein“, schreibt Rizgar, „die Welt schweigt – Warum???“ Rizgar ist ein junger kurdischer Kämpfer in der nordsyrischen Stadt Afrin, seit knapp einer Woche ist die Stadt eingekesselt und liegt unter massivem Beschuss, am Freitagabend wurde das einzige Krankenhaus der Stadt schwer von türkischen Granaten getroffen, meldete Spiegel Online – 16 Menschen dort sollen gestorben sein, darunter zwei schwangere Frauen. „Dass all das bei uns überhaupt nicht zur Sprache kommt, ist unerträglich“, kritisiert der Mainzer Arzt Gerhard Trabert: „Es ist unerträglich, dass die Politik den völkerrechtswidrigen Einmarsch nicht kritisiert.“ Auch der gebürtige Mainzer Journalist Tobias Huch warnt vor „einem Blutbad“ in Afrin und sagt: „Die Lage ist katastrophal.“ Mainz& durfte ein Chatprotokoll einsehen, das Trabert vor fünf Tagen mit dem jungen kurdischen Kämpfer Rizgar in Afrin führte.

Ruinen von Häusern und Autos in einer zerstörten Stadt in der nordsyrischen Region Rojava. – Foto: Trabert

Trabert weiß, wovon er redet: Mehrfach ist der Arzt im vergangenen Jahr und noch einmal Anfang Februar dieses Jahres in die Region Rojava gereist. Den Norden von Syrien kennt man bei uns eigentlich nur als vermintes Kriegsgebiet in den Nachrichten, ein Kampfgebiet, in dem die kurdische Armee lange und sehr erfolgreich gegen die Terrormilizen des Islamischen Staates (IS) verteidigte. Kobane wurde zum Symbol des Widerstands der kurdischen Truppen, allen voran der YPG. Im Windschatten des Bürgerkriegs entstand hier eine autonome Region, unabhängig vom syrischen Machthaber Assad – und es entstand eine ganz eigene Gesellschaftsform: „Rojava praktiziert Demokratie“, sagt Trabert, „das ist die einzige Region im Mittleren Osten, wo es ein demokratisches Konzept gibt.

In den Orten der sogenannten „Demokratische Föderation Nordsyrien“ werde ein basisdemokratisches Modell praktiziert, berichtete Trabert im Juni 2017 nach seiner Rückkehr von einer Reise, bei der er Medikamente und Aufbauhilfe nach Rojava brachte. Es gebe dort eine paritätisch gewählte Regierung aus allen Stämmen, Kulturen und Religionen, sagte Trabert. Die einzelnen Themen des öffentlichen Lebens seien Räten zugeteilt, so gebe es etwa einen Bildungsrat, einen Nachbarschaftsrat, einen Stadtplanungsrat, in ihnen werde die Versorgung organisiert.

Wiederaufbau mit neuen Häusern in einer Stadt in der nordsyrischen Region – Foto: Trabert

Frauen seien in den Räten mit 50 Prozent beteiligt, auch Minderheiten paritätisch vertreten – und das Modell funktioniere hervorragend. Sogar der Wiederaufbau werde von den Räten organisiert, in Kobane etwa entstünden neue Wohnungen, Felder würden bewirtschaftet, Ernten eingeholt, der Alltag kehre zurück. Doch nun ist der Frieden in Nordsyrien  zerstört, mit Afrin hat sich der türkische Präsident Recep Erdogan ausgerechnet eine der Städte ausgesucht, die bisher vom Krieg verschont geblieben waren. Mehrere hunderttausend Menschen sollen dort eingeschlossen sein.

„Afrin fällt“, schreibt Rizgar, „wir verlieren. Das ist eine Tragödie hier. Eine Million Menschen sind in Gefahr. Wir haben so viele Tote. Zivilisten. Kämpfer sterben. Wir leisten Widerstand.“ Und dann schickt Rizgar eine Filmsequenz, die eine junge Frau zeigt und schreibt: „Meine Freundin, tot vor 5 Tagen. Es tut so weh. Ich muss gehen. Oh mein Gott.“

In einem zerstörten Haus in der nordsyrischen Provinz Rojava – Foto: Trabert

Rizgar sei ein 21-jähriger Kämpfer der kurdischen YPG-Miliz in Afrin, erzählt Trabert. Vor fünf Tagen führte der Mainzer Arzt eine Unterhaltung mit Rizgar über den Nachrichtendienst Whatsapp in Afrin, was der junge Mann schrieb, erschütterte den Arzt, der schon oft in Krisengebieten unterwegs war und unter anderem mit der Sea Watch Flüchtlinge im Mittelmeer retten half. Rizgar habe mit 18 Jahren in Kobane gegen den IS gekämpft, erzählt Trabert, auf seinen Reisen nach Nordsyrien im März und im Juni 2017 habe er „diesen mutigen sensiblen jungen Mann“ persönlich kennen gelernt.

„Er erzählte mir von den Kämpfen und zeigte mir das Gebäude in dem er eingesetzt war“, erinnert sich Trabert. „Und er zeigte mir die Stellen, wo viele seiner Freunde starben. Rizgar ist jung, glaubt an Freiheit und Demokratie.“ Und obwohl der junge Mann kein Deutsch und kaum Englisch spreche, habe er ihm auf seinem Smartphone in Deutsch gezeigt: „Doc, wenn Du etwas brauchst, sag mir Bescheid!“

Nun sitzt Rizgar, der Trabert „Lord Doc“ nennt, in Afrin fest, und die Lage spitzt sich rasant zu. Die türkische Armee bombardiere das Stadtzentrum von Afrin ununterbrochen und nehme keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, sagt Trabert im Gespräch mit Mainz&: „Das ist ein Kriegsverbrechen.“ Seit dem massiven Angriff auf Afrin seien 227 getötete Zivilisten dokumentiert, davon 32 Kinder und 28 Frauen. 651 Zivilisten seien verletzt, davon 87 Kinder und 93 Frauen – die Zahlen stammen von den vergangenen drei, vier Tagen. Trabert hat sie vom Kurdischen Roten Halbmond in Afrin, er steht in Kontakt mit zwei Ärzten in der Stadt. „Eine medizinische Versorgung ist aufgrund der ständigen massiven Bombenangriffe nicht möglich“, berichtet Trabert, „die Ärzte haben einen dringenden Appell: Stoppt die Bombenangriffe, damit wir die Menschen ärztlich versorgen können!“

Kinder in einem Behelfskrankenhaus in der nordsyrischen Provinz Rojava. Die Kinder und auch ihre Eltern haben selbstverständlich zugestimmt, fotografiert zu werden. – Foto: Trabert

„Die Situation ist dramatisch, der Rote Halbmond warnt vor einer humanitären Katastrophe“, sagt auch Tobias Huch, Gründer der Hilfsorganisation Liberale Flüchtlingshilfe. Huch war einst Vorsitzender der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz, seit einigen Jahren lebt er als Journalist im Ausland. Die Liberale Flüchtlingshilfe mit Sitz in Mainz gründete er bereits vor Jahren, Huch hat enge Kontakte zu Kurden, hat die Region wiederholt bereist.

„Afrin ist eine Stadt des freien Kurdistans, die bisher eigentlich vom Krieg verschont geblieben war“, sagt Huch: „Afrin war eine friedliche Oase im Norden Syriens.“ Die Basisdemokratie in der Region sei „ein System mit wirklicher Teilhabe, in dem auch jede Minderheit ihre Stimme hat“, sagt auch Huch, echte Frauenrechte gebe es dort. „Die alte patriarchalische Kultur wird dadurch durchbrochen, und das funktioniert“, sagt Huch, „die Leute sind begeistert.“ Vor einer Woche noch schaffte es Huchs Hilfsorganisation, einen Lkw voller Medikamente nach Afrin zu bringen, in letzter Minute. Schmerzmittel, Antibiotika, dringend benötigte Hilfsmittel im Wert von fast 20.000 US-Dollar schaffte die Liberale Flüchtlingshilfe Anfang März nach Afrin.

Nun droht der Stadt Afrin das gleiche Schicksal wie dieser zerstörten Stadt in der nordsyrischen Provinz Rojava. – Foto: Trabert

Das ausgerechnet diese demokratische Oase nun von Erdogan bombardiert wird, dass der türkische Präsident von „Terroristen“ und „Befreiung“ spricht, macht Huch wütend. „Hier geht es nicht um Befreiung, sondern um einen Kampf gegen ein demokratisches Gebilde“, sagt er. Erdogan habe Angst, dass die westlich orientierte Basisdemokratie Rojavas „ein Exportschlager wird“. Nun werde eine funktionierende Stadt zerstört, in die sich die Menschen vor dem Krieg geflüchtet hätten. „Es droht ein Blutbad“, warnt Huch.

Die türkischen Truppen hätten gezielt die Wasser- und Stromversorgung zerstört, berichtet auch Trabert, und auch er ist wütend, dass die Welt die Kurden so im Stich lässt. Schlimmer noch: Durch Erdogans Invasion nehme der Terror des Islamischen Staates im Süden wieder zu, „östlich von Rakka flammen die Kämpfe wieder auf“, berichtet Trabert aus seinen Quellen. „Vieles spricht sogar dafür, dass IS-Kämpfer mit Erdogans Truppen gemeinsam kämpfen“, sagt er: „Was Erdogan vorgibt, den Terrorismus zu bekämpfen, wird im Gegenteil gefördert, der IS wieder stark gemacht.“

Chatprotokoll zwischen Gerhard Trabert und Rizgar (Afrin) am 12.3.2018. – Quelle: Trabert

60 Kilo Medikamente brachte auch Trabert im Februar noch nach Afrin, sie würden dort dringendst benötigt, sagt er: „Es gibt kein Insulin, zu wenig Schmerzmittel und Antibiotika“, sagt er. Schätzungenn zufolge seien im Syrienkrieg allein 200.000 bis 300.000 Menschen allein deshalb gestorben, weil sie nicht medizinisch versorgt werden konnten. Nun töteten die türkischen Truppen und ihre Verbündeten ohne Rücksicht. In Rojava, sagt Trabert noch, sei ihm immer wieder begegnet, „dass die Menschen fassungslos sind, dass die Welt schweigt.“

Vor vier Tagen schrieb Trabert an den jungen Rizgar: „Wir werden uns sehen. Ich werde versuchen, Anfang April wieder nach Rojava zu kommen.“ – „Ah, mein Freund, ich werde bald tot sein. Du sprichst mit einem toten Mann“, antwortete Rizgar: „Die Welt schweigt. Warum???“

Info& auf Mainz&: Das gesamte Chatprotokoll zwischen Rizgar und Gerhard Trabert könnt Ihr hier auf Facebook nachlesen. Auf der Internetseite von Traberts Verein Armut und Gesundheit findet Ihr weitere Informationen und Interviews auch zum Krieg in Syrien. Wir haben schon mehrfach über die humanitäre Mission von Gerhard Trabert berichtet, vor allem im Zusammenhang mit seinen Einsätzen auf der Sea Watch im Mittelmeer, einen dieser Berichte findet Ihr hier. Alle Fotos in diesem Artikel wurden uns von Gerhard Trabert zur Verfügung gestellt, er hat sie auf seiner Reise Anfang Februar 2018 durch die Region Rojava gemacht. Die Kinder in einem Behelfskrankenhaus und auch ihre Eltern haben selbstverständlich zugestimmt, für eine Veröffentlichung fotografiert zu werden, sonst hätten wir das Foto nicht veröffentlicht. Die UN hat übrigens inzwischen die Invasion der Türkei in Nordsyrien als einen Verstoß gegen das Völkerrecht eingestuft – passiert ist trotzdem nichts. Den zitierten Bericht auf Spiegel Online findet Ihr hier. Die Homepage der Liberalen Flüchtlingshilfe findet Ihr hier im Internet und hier auf Facebook – dort kann man auch für Hilfe für Afrin spenden.

 

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Disney, Donald & Friends: Große Disney-Ausstellung ab Mittwoch im Mainzer Landesmuseum

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Sie zählen zu den Helden unserer Kindheit, sie sind Weltstars und beglücken mit ihren fabelhaften Geschichten und unverwechselbaren Charakteren jede Generation aufs Neue: Mickey Maus, Donald Duck & Friends. Vor knapp 90 Jahren schuf der amerikanische Filmproduzent, Oscar-Preisträger und visionäre Unternehmer Walt Disney kleine, gezeichnete Figuren, sie sollten zu Klassikern der Comic-Literatur werden – und zu Ikonen des 20. Jahrhunderts. Klar, dass das längst auch ein Fall fürs Museum ist: Am Mittwoch öffnet im Mainzer Landesmuseum eine große Ausstellung zu „Walt Disney – Mickey, Donald & Friends.“ Auf fast 600 Quadratmetern sind dann rund 300 Exponate rund um die Comichelden zu sehen, die Ausstellung geht der Frage nach, wer die Comic-Zeichner waren und wie sie ihre Welten lebendig werden ließen.

Zeichnung der weltberühmten Mickey Maus von C. Barks. – Foto: Disney Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann

Im Zentrum der Ausstellung stehen die drei Altmeister der Disney-Comics aus den 1930er Jahren: Floyd Gottfredson, der Zeichner der Mickey Maus, Al Taliaferro, der Zeichner Donald Ducks und Carl Barks, „Vater“ zahlreicher Figuren wie Onkel Dagobert, Daniel Düsentrieb und den Panzerknackern. Die Ausstellung präsentiert zahlreiche Blätter mit Zeichnungen, ein Großteil davon aus der „Sammlung Reichelt und Brockmann“. Doch das Mainzer Landesmuseum präsentiert auch erstmals einige wertvolle Tuschezeichnungen von Carl Barks, die das Museum in seinem eigenem Bestand hat.

„Was sicher die wenigsten wissen ist, dass wir schon seit fast 25 Jahren eine große Anzahl an Tusche- und Bleistiftzeichnungen von Carl Barks in den Sammlungsbeständen des Landesmuseums haben“, sagte Kulturstaatsekretär Salvatore Barbaro am Montag bei der Präsentation der Schau. Gezeigt werden unter anderem historische Vorbilder, Skizzen, Vorzeichnungen und ganze Bildergeschichten zu Barks.

Rund 300 Exponate ermöglichen insgesamt einen umfassenden Blick auf die Entwicklung der weltbekannten Figuren, von der Skizze bis zum fertigen Comic, und auf die Arbeitsweise ihrer berühmtesten Zeichner, von damals bis heute. Denn den Kultzeichnern von damals werden schließlich auch noch die zeichnerischen Nachfahren gegenübergestellt: Die Comic-Künstler Don Rosa, Jan Gulbransson und Ulrich Schröder haben hierfür Blätter aus ihren Ateliers zur Verfügung gestellt, die zum Teil noch nie ausgestellt wurden.

Donald Duck, gezeichnet von Al Talieferro – Foto: The Walt Disney Company

„Auf diese Weise wird nicht nur der individuelle Einfluss der Zeichner auf ihre Figuren visualisiert, auch die Zeit, in der die Arbeiten jeweils entstanden, wird dargestellt“, sagte Eduard Sebald, Kurator der Ausstellung und Leiter der Graphischen Sammlung und der Abteilung Kunsthandwerk im Vorfeld. So erzählen dann Korrekturen, Anmerkungen und Ausbesserungen auf Skizzen und Vorzeichnungen auch von der Entwicklung der Figuren und ihrer Welten bis zum fertigen Comic.

Comic-Fans und Disney-Liebhaber dürfen sich aber auch sonst auf eine ganze Reihe außergewöhnlicher Exponate mit Seltenheitswert freuen: so wird das erste Mickey-Maus-Buch „The Adventures of Mickey Mouse“ aus dem Jahr 1931 präsentiert, von dem es weltweit nur noch wenige Exemplare gibt. Originelle Gegenstände aus dem Alltag zeigen zudem, wie rasch sich die beliebten Figuren zu eigenen Sujets gewandelt haben. „Mit Walt Disney haben wir ein wunderbares Ausstellungsthema gefunden, das alle Generationen gleichermaßen begeistert“, freute sich Barbaro.

Bereits seit Wochen läuft die PR-Maschinerie für die Ausstellung, das Landesmuseum und die Generaldirektion Kulturelles Erbe arbeiten dafür erstmals mit der Mainzplus Citymarketing zusammen. Vor dem Mainzer Staatstheater steht seit Wochen eine überdimensionale Mickey Maus-Figur, gefertigt von niemand Geringerem als dem Mainzer Wagenbauer Dieter Wenger. Mickey Maus rollte nämlich auch schon an Rosenmontag durch die Mainzer Straßen: Auf einem Motivwagen, der eigens für die Ausstellung gefertigt wurde. Die Macher hoffen so, Besuchermengen weit über die Grenzen von Mainz hinaus anzulocken.

Die überlebensgroße Micky Maus wirbt bereits seit Fastnacht für die Disney- Ausstellung im Landesmuseum. – Foto: Mainzplus Citymarketing

Das 200 Jahre alte Mainzer Landesmuseum wiederum versteht sich nicht nur als Museum für archäologische Funde sowie für Gemälde, sondern als ein Haus, das sämtliche Bereiche, die für Kunst- und Kulturgeschichte des Landes Rheinland-Pfalz relevant sind, abbildet. Schon mit der Ausstellung „VorZeiten“ ging das Museum neue Wege, nun öffnet man sich mit „Walt Disney“ noch einmal einem neueren Publikum.

„Mickey, Donald und seine Freunde rund um Entenhausen zählen zu den Helden unserer Kindheit und erobern seit ihrer genialen Schöpfung Herzen wie Kinosäle gleichermaßen“, betont Kurator Sebald: „Nun gehen wir der Frage nach: Wer waren die Zeichner hinter den Figuren, wer waren die Comic-Künstler, die die Charaktere lebendig werden ließen, ihre Welten erfanden und ihre Geschichten über Jahrzehnte weiter erzählten?“

Info& auf Mainz&: Die Ausstellung „Walt Disney – Mickey, Donald & Friends“ öffnet am Mittwoch, den 14. März 2018, im Mainzer Landesmuseum an der Großen Bleiche ihre Tore und ist dann bis zum 29. Juli zu sehen. Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm mit Führungen, Workshops, Filmen, Vorträgen und vielen Aktionen rund um den Kosmos Entenhausen begleitet, Details dazu gibt’s auf der Homepage des Landesmuseums, genau hier. So gibt es etwa ab Mai Familienführungen am Sonntagmorgen und am Internationalen Museumstag am 13. Mai ist der Eintritt gleich ganz frei. Am 10. Juni 2018 findet zudem ein Comic-Tag für die ganze Familie im Museum statt, am 16. und am 17. Juni lädt das Museum zum Open-Air-Kino im Innenhof mit Disney-Filmen.

Eintrittspreise & Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 10.00-17.00 Uhr, Dienstag 10.00-20.00 Uhr, Montag geschlossen, für Schulklassen aber Sonderöffnungszeiten nach Absprache möglich. Eintrittspreise (inkl. Zutritt zur Dauerausstellung): Erwachsene: 12,- Euro, ermäßigt 9,- Euro, Kinder bis 6 Jahre Eintritt frei, Kinder ab 6 Jahre: 7,- Euro. Familienkarte (max. 2 Erw., mind. 1 Kind): 24,- Euro. Rollstuhlfahrer inkl. Begleitperson sowie Behinderte (ab 80%): Eintritt frei. Gruppen ab 10 Personen: 9,- Euro pro Person. Audioguide: 2,- Euro.

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Zeitreise mit der Nerobergbahn – Mit Wasserballast betriebene Standseilbahn rollt seit 130 Jahren – Saisonstart am 24. März 2018

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Wart Ihr schon mal auf Wiesbadens Hausberg, dem Neroberg? Nein? Solltet Ihr unbedingt tun – und Ihr solltet nicht zu Fuß gehen. Denn bergan zuckelt man nostalgisch, schräg und kultig mit einem ganz besonderen Gefährt: Der Nerobergbahn. Seit 130 Jahren rollt die Standseilbahn aus dem 19. Jahrhundert bereits den Neroberg hinauf und natürlich auch wieder hinunter. Das Besondere an der Nerobergbahn: Sie die älteste mit Wasserballast betriebene Standseilbahn in Deutschland. Eine echte Zeitreise. Am 24. März startet die einzigartige Bahn in die Saison 2018, 270.000 Fahrgäste genossen das Vergnügen einer Fahrt mit Wiesbaden „schrägstem Wahrzeichen“. Mainz& hat die Nerobergbahn 2015 schon mal besucht – und damals diese Reportage mitgebracht. Viel Spaß! Details zur Saisoneröffnung gibt’s am Ende noch einmal.

Nerobergbahn im April 2013 - Foto by James Steakley
Die Nerobergbahn auf der Strecke – Foto: James Steakley via Wikimedia

Die Fahrt führt mitten durch den Wald, mehr als 400 Meter lang ist die Strecke, 83 Höhenmeter überwindet die Bahn und schafft damit am steilsten Stück eine Steigung von 26 Prozent. Am Ende der dreieinhalb Minuten Fahrzeit steht der Fahrgast auf dem 245 Meter hohen Neroberg – und kann die wunderschöne Aussicht auf Wiesbaden genießen. Als Touristenbahn wurde die Nerobergbahn denn auch gebaut, 1888 war das, der Erbauer: der Baden-Badener Unternehmer Carl Rudolph.

Kaiser Wilhelm II. traute der Standseilbahn nicht so recht

Es war die Zeit, als der Tourismus so richtig zum Zeitvertreib der adligen Eliten geworden war – auch die Seilbahn Rüdesheim samt dem Niederwald-Denkmal wurden in dieser Zeit errichtet. 1888, da war die Weltkurstadt Wiesbaden bereits der Treffpunkt von Adel und Kaiser, im „Nizza des Nordens“ traf sich die Elite Europas, gerade auch aus Russland. Auch der deutsche Kaiser Wilhelm II. weilte regelmäßig in Wiesbaden, da kam die Bahn auf den Neroberg gerade recht.

„Man sagt, Kaiser Wilhelm ist immer mit dem Pferd hochgeritten, weil er der Bahn nicht getraut hat“, weiß Sabine Füll zu erzählen – nun, der Kaiser war nicht der modernste aller Monarchen. Füll ist seit Januar 2015 die Betriebsleiterin der Nerobergbahn, und einfach so durfte die Betriebswirtin das nicht werden: „Ich musste einen Betriebsleiter-Lehrgang machen und saß dann in einem Lehrgang über Seilbahnen“, berichtet Füll. Dreieinhalb Wochen lang büffelte sie als einzige Frau zwischen lauter Ingenieuren Grundlagen des Maschinenbaus und technische Systeme wie die Notbremse.

Betriebsleiterin Füll könnte auch die Zugspitz-Seilbahn leiten

„Ich könnte jetzt auch die Seilbahn auf die Zugspitze leiten“, sagt Füll, und lacht, doch der Lehrgang, sagt sie, sei schon wichtig gewesen: „Der Betriebsleiter ist für den sicheren und ordnungsgemäßen Bahnbetrieb verantwortlich“, betont sie, „da gehört auch dazu, jede Schraube an der Bahn zu kennen.“ Denn schließlich ist die Nerobergbahn nicht irgendeine Standseilbahn: Sie ist die einzige mit Wasserballast betriebene Standseilbahn in Deutschland – und eine der letzten ihrer Art weltweit.

Nerobergbahn Wasserablauf - Ausschnitt Viedeo ESWE
Wasserablauf der Nerobergbahn, Ausschnitt aus ESWE-Video

Das Prinzip ist eigentlich ganz simpel: Zwei Wagen hat die Bahn, der obere wird mit Wasser befüllt, rollt zu Tal und zieht dabei durch sein Gewicht den unteren Wagen nach oben. Mindestens 3.500 Liter müssen in der Bahn sein, allein um das Gewicht des Wagens zu bewegen. Für jede Person muss mehr Wasser gefüllt werden, maximal kann die Bahn 40 Personen in einem Wagen befördern – dafür braucht es dann 7.000 Liter.

Einzigartiges Antriebssystem mit Wasser

„Unser Antriebssystem ist einzigartig, das macht den Reiz aus“, berichtet Füll, „gerade Kinder stehen da mit offenem Mündern.“ Zusehen, wie das Wasser aus dem Tank rauscht oder hinein – eine echte Attraktion der Nerobergbahn. Weltweit gibt es nur drei andere solche Bahnen, erzählt Füll: in England, in Portugal und in der Schweiz. Die zweite Besonderheit ist die Weiche in der Mitte der Strecke, dort rauschen dann die beiden Wagen aneinander vorbei, bevor sie wieder auf die Hauptschiene einschwenken.

Und dann ist da natürlich noch der steinerne Viadukt, der in vier großen Bögen das Nerotal überspannt. Heute kaum zu glauben, aber das Bauwerk war bei seinem Bau heftig umstritten – es wurde als unpassender technischer Eingriff in die Natur empfunden.

Revision im Winter, Finanzprobleme zu Anfang

Natürlich braucht die alte Bahn in den nassauischen Farben blau und gelb liebevolle Pflege: Der Oberbau der Wagen wurde 1962 erneuert, der Unterbau aber mit Wassertanks und Achsen stammt noch original aus 1888. Alle Ersatzteile müssen heute extra angefertigt werden. „Wir machen unserer Revision selbst, immer zwischen November und März“, berichtet Füll. Jeder Wagen werde dann auseinander genommen, die Teile gepflegt und anschließend wieder zusammen gesetzt. „Das dauert den ganzen Winter“, sagt Füll.

Wiesbaden Nerobergbahn 2011 - Foto Laurenz Bobke, WI
Die Nerobergbahn 2011 – Foto: Laurenz Bobke via Wikimedia

Die Winterpause hat Tradition: Von Anbeginn an erzwang der Frost im Winter die Pause der Nerobergbahn. Die Wiesbadener liebten das Ausflugsziel, nur in den 1920er Jahren wurde der Betrieb ein Mal eingestellt – zu teuer. Schon ihr Erbauer Rudolph musste die Bahn nach nur zwei Jahren 1890 wieder verkaufen – man munkelte, er war in Geldnöten. An mangelnden Fahrgästen kann es nicht gelegen haben: 1888 bis 1889 wurden knapp 115.000 Personen befördert und Einnahmen von 27.500 Mark erzielt – bei Betriebskosten von 11.000 Mark.

Ausländische Filmteams, Selbstmord vom Viadukt in deutschem Krimi

Heute wird die Nerobergbahn von den Wiesbadener Verkehrsbetrieben ESWE betrieben und befördert mehr als 300.000 Personen im Jahr, das sei „fast kostendeckend“, sagt Füll. Im Zweiten Weltkrieg waren die Gleise der Bahn schwer getroffen worden, 75 Meter fehlten, ein Betriebsleiter stellte nach dem Krieg die Gleise wieder her. Doch da beschlagnahmten zunächst die Amerikaner die Bahn für ihre Offiziere, erst ab April 1948 durften auch die Wiesbadener wieder mitfahren.

Auch heute noch sind viele Gäste ausländische Touristen. Das japanische und das amerikanische Fernsehen seien regelmäßig zu Gast, berichtet Füll, der russische Präsident Putin fuhr allerdings nur winkend an der Bahn vorbei. Auch deutsche Krimiserien wurden schon entlang der Bahn in Szene gesetzt. So stürzte sich in der Serie „Der Staatsanwalt“ mit Rainer Hunold jemand von der Brücke des Viadukts über das Nerotal. In der Realität hatte die Nerobergbahn in ihren 127 Jahren aber noch nie einen einzigen Unfall.

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Nerobergbahn auf Viadukt 2008 Foto: Wolfgang Pehlemann Wiesbaden via Wikimedia- Foto: gik

Golden Retriever Fan der Nerobergbahn

Und selbst bei Tieren hat die Bahn Fans: „2014 saß auf einmal ein Golden Retriever auf der Plattform und wollte, ganz allein, hochfahren“, berichtet Füll. Der Hund durfte. „Die Bahn“, sagt Füll, „ist nicht nur ein Job, sie ist Einstellungssache.“ An der Talstation erinnert im ehemaligen Toilettenhäuschen heute ein kleines Museum an die alten Zeiten, alte Zahnräder, Fahrkarten und Fahrkartenautomaten sind hier zu sehen – und die erste Fahrkarte, Preis: 20 Pfennig.

Heute kostet eine Fahrt mit der Nerobergbahn 4,- Euro, wer Berg- und Talfahrt zusammen bucht, zahlt 5,- Euro. Oben auf dem Neroberg lockt aber nicht nur die tolle Aussicht über Wiesbaden und das Rheintal bis nach Mainz: Hier steht auch die russische Kirche, die 1847 bis 1855 von Herzog Adolf von Nassau zu Ehren seiner früh verstorbenen Gemahlin gebaut wurde, der russischen Prinzessin Jelisaweta Michailowna, Großfürstin von Russland und Herzogin von Nassau. Außerdem stehen hier der Kletterwald Neroberg und natürlich das herrliche Opelbad.

Saisonstart für 2018 ist am 24. März um genau 10.00 Uhr, am Eröffnungstag dürfen alle Geburtstagskinder mit einer Begleitperson kostenlos mit der Bahn fahren (bitte ein Ausweisdokument vorzeigen). Am langen Osterwochenende – von Karfreitag, 30. März, bis Ostermontag, 2. April – warten weitere Attraktionen auf die Besucher wie eine kostenlose Führung auf dem Walderlebnispfad und ein Osterrätsel-Gewinnspiel. Die offizielle Geburtstagsparty zum 130. Geburtstag findet am 26. August 2018 von 12.00 bis 18.00 Uhr mit einem Nerobergbahn-Fest auf dem Plateau des Berges statt.

Info& auf Mainz&: Alles über die Nerobergbahn findet Ihr auf dieser Internetseite der Stadt Wiesbaden. Die Bahn fährt von Mai bis August täglich von 9.00 Uhr bis 20.00 Uhr im 15-Minuten-Takt. Im April, September und Oktober lauten die Fahrzeiten 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Erwachsene zahlen 4,- Euro für die einfache Fahrt, hin und zurück 5,- Euro, Kinder von 6 bis 14 Jahren zahlen einfach 2,50 Euro, hin und zurück 3,- Euro. Es gibt Familien- und Gruppenkarten. Noch mehr Einzelheiten zu Geschichte und Technik findet Ihr in diesem Wikipedia-Artikel.

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Beisetzung Kardinal Lehmanns am 21. März 2018: 1.200 Plätze für Besucher im Dom, Übertragung auf Domplätze

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Die Beisetzung für den vergangenen Sonntag verstorbenen Kardinal Karl Lehmann rückt näher, am Mittwoch, den 21. März, ist es soweit: Um 15.00 Uhr findet dann im Mainzer Dom der Trauergottesdienst mit anschließender Beisetzung statt. Das Bistum Mainz geht von einem enormen Andrang aus, der Gottesdienst wird deshalb auch auf die Domplätze übertragen. Zahlreiche Ehrengäste werden erwartet, für sie sind rund 300 Plätze im Dom reserviert. Für Besucher bleiben damit 1.200 freie Plätze im Dom, es wird erwartet, dass die in Windeseile belegt sein werden. Möglicherweise werde sogar der Kreuzgang mit Monitoren ausgestattet. Zuvor wird der Leichnam Lehmanns in einem Sarg mit einem Trauerzug von der Augustinerkirche zum Dom überführt. Lehmann war vergangenen Sonntag mit 81 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben.

Der Mainzer Dom bei der Bischofsweihe von Peter Kohlgraf. Mindestens so voll wird es kommenden Mittwoch beim Trauergottesdienst für Kardinal Lehmann werden. – Foto: gik

Es dürfte einen enormen Andrang geben am kommenden Mittwoch, der Tod des Kardinals hat eine große Bestürzung und ungeheure Anteilnahme weit über Mainz hinaus ausgelöst. Erwartet werden am Mittwoch im Mainzer Dom deshalb mit großer Sicherheit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sowie Spitzen der Kirchen, selbst Bundespräsident Frank Walter Steinmeier reist persönlich zu der Trauerfeier an – Steinmeier ist bereits Montag und Dienstag zu seinem Antrittsbesuch in Rheinland-Pfalz, am Montagnachmittag besucht er in Mainz unter anderem das Gutenberg-Museum und das Landesmuseum.

Rund 300 Plätze werden im Mittelschiff des Mainzer Doms für die Ehrengäste frei gehalten, die weiteren Plätze werden aber frei zugänglich sein. Wie das Bistum mitteilte, ist der Dom am Tag der Beerdigung am Morgen zunächst geschlossen und wird ab 13.00 Uhr für die Trauergäste geöffnet. Der Zugang erfolgt über das Marktportal und das Liebfrauenportal, an den Eingängen wird es aus Sicherheitsgründen Taschenkontrollen geben. Das Bistum bittet darum, keine größeren Taschen oder Rucksäcke mit in den Dom zu bringen.

Lehmanns Leichnam liegt derzeit aufgebahrt in der Seminarkirche in der Augustinerstraße, von hier wird der Kardinal mit einem Trauerzug in den Dom überführt. – Foto: gik

Insgesamt werden rund 1.500 Besucher Platz im Dom finden, abzüglich der 300 Ehrengäste bleibt Platz für 1.200 Normalsterbliche. In den Seitenschiffen werde es nur Stehplätze geben, im Dom selbst aber Bildschirme und Leinwände wie schon bei der Bischofsweihe aufgestellt sein, damit die Besucher von überall her das Geschehen gut verfolgen können. Auch den Trauerzug wird man hier live miterleben können. Auch ein Rollstuhlfahrerbereich wird eingerichtet.

Weil der Platz im Dom nicht ansatzweise ausreichen wird, überträgt das Bistum den Gottesdienst auch auf die Domplätze: Auf dem Liebfrauenplatz wird es eine Übertragung auf einer Großbildleinwand geben. Dort sind auch rund 1.000 Sitzplätze vorgesehen, ähnlich wie bei der Bischofsweihe im vergangenen Jahr. Möglicherweise würden noch weitere Besucher den Gottesdienst auf Monitoren im Kreuzgang des Mainzer Doms verfolgen können, heißt es vom Bistum weiter. Der Empfang der Heiligen Kommunion werde bei den Außenübertragungen ebenfalls möglich sein, so dass alle Besucher vor dem Dom und im Kreuzgang den Gottesdienst mitfeiern könnten. Vor dem Dom und im Kreuzgang werden auch Gottesdiensthefte erhältlich sein.

Liveübertragung des Gottesdienstes, wie hier bei der Bischofsweihe Kohlgrafs, wird es auch kommenden Mittwoch auf dem Liebfrauenplatz geben. – Foto: gik

Die öffentliche Aufbahrung in der Seminarkirche endet am Dienstag, 20. März, nach dem letzten Requiem um 17.00 Uhr, das vom Mainzer Dompfarrer Franz-Rudolf Weinert gehalten wird. Am Mittwoch, dem 21. März, bleibt die Kirche in der Augustinerkirche erst einmal für die Öffentlichkeit geschlossen. Um 12.00 Uhr werden dann in den Kirchen des Bistums Mainz alle Glocken für eine Viertelstunde zum Gedenken an den Verstorbenen geläutet. An diesem Tag ist außerdem für alle kirchlichen Gebäude Trauerbeflaggung vorgesehen.

Ab 14.00 Uhr wird Kardinal Lehmann dann in der Seminarkirche verabschiedet und in einem Trauerzug in den Mainzer Dom überführt. Der Trauerzug erfolgt schweigend, allein die größte Glocke des Mainzer Domes, die Martinus-Glocke, wird dabei läuten. Der Weg des Trauerzuges führt von der Seminarkirche über Augustinerstraße, Leichhof, Schöfferstraße, Höfchen sowie die Domplätze und gelangt über das Bischofsportal am Liebfrauenplatz in den Mainzer Dom.

Den Gottesdienst wird dann Lehmanns Nachfolger auf dem Mainzer Bischofsstuhl Peter Kohlgraf halten. Kohlgraf war erst am 27. August 2017 von Lehmann persönlich zum Bischof geweiht worden, es wird ein bewegender Tag für den Neu-Mainzer werden. Nach dem Gottesdienst wird Kardinal Lehmann in der Bischofsgruft des Mainzer Doms beigesetzt, allerdings unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Presse – aus Platzmangel. Womöglich wird es aber eine Übertragung in den Dom geben.

Info& auf Mainz&: Beisetzung von Kardinal Karl Lehmann am Mittwoch, den 21. März 2018. Der Dom wird um 13.00 Uhr für Besucher geöffnet, der Trauerzug zwischen Seminarkirche und Dom erfolgt ab 14.00 Uhr. Der Trauergottesdienst selbst beginnt um 15.00 Uhr und wird live vom Südwestfernsehen sowie vom Hessischen Rundfunk übertragen. Mehr zum Tod Kardinal Lehmanns und der ungeheuren Anteilnahme lest Ihr hier: „Ein großer Mensch ist von uns gegangen.“ Unser Porträt „Versöhner, Mahner, Büchernarr und Menschenfreund“ lest Ihr hier auf Mainz&. Lehmann ist seit vergangenem Dienstag in der Seminarkiche in der Augustinerstraße aufgebahrt, mehr dazu hier.

 

 

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4. RegioWein mit mehr als 45 Winzern – Rheinland-Pfalz-Ausstellung geht mit Wein und Touristik ins Abschlusswochenende

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Morgen ist es wieder so weit: Die RegioWein öffnet ihre Tore!: Zum vierten Mal präsentiert sich die kleine Weinmesse auf der Rheinland-Pfalz-Ausstellung den Besuchern, erwartet werden an diesem Wochenende mehr als 45 Winzer aus sieben Anbaugebieten – das ist neuer Rekord. Parallel zur großen Fachmesse ProWein können hier die Mainzer in intimem Rahmen neue Weine probieren, Raritäten entdecken und ganz neue Weingüter erkunden – die Winzer stehen direkt am Stand und präsentieren ihre Weine selbst. Auch kann man die Weine direkt vor Ort kaufen und mitnehmen, perfekt für den Start ins Weinjahr 2018. Mit der 4. RegioWein startet die Rheinland-Pfalz-Ausstellung in ihr zweites Messewochenende, noch bis Sonntag, den 18. März, kann man rund 700 Aussteller in elf Themenwelten entdecken – vom Schwerpunkt Bauen und Wohnen bis hin zu Freizeit, Reisen, Kleidung, Genuss…

Weine entdecken, mit dem Winzer klönen – auf der RegioWein hier beim Weingut Bender 2017. – Foto: gik

Die Ausstellungsmacher zogen nach der ersten Hälfte der Rheinland-Pfalz-Ausstellung schon mal ein zufriedenes Fazit: Die Messe sei weiter ein Publikumsmagnet, hieß es bei der Pressekonferenz zur Halbzeit am Mittwoch. Die Rheinland-Pfalz-Ausstellung ist auch in ihrer 47. Ausgabe die größte Verbrauchermesse in Rheinland-Pfalz. Auf 27.000 Quadratmetern, in 16 Hallen und elf Themenwelten, gibt es Informationen zu Themen wie Haushalt, Energie, Fahrzeuge, Dienstleistungen und Mode. Ein großer Schwerpunkt der rund 700 Aussteller liegt wie immer im Bereich Bauen und Wohnen, von Türen über Naturholzmöbel bis hin zu Treppenliften oder Dachbau bis hin zu Fertighäusern reichen die Angebote. Ein wichtiger Bereich ist auch dem Gartenbau und dem Grillen vorbehalten, dazu gibt es Gewürzstände, Leder oder ganze Küchen zu entdecken.

Ausgeweitet wurde in diesem Jahr noch einmal der Bereich Sicherheit: Auf der Sonderschau „Sicheres Zuhause“ demonstrieren Experten, wie schnell ein unsicheres Fenster von Einbrechern geknackt werden kann und geben Tipps zur Einbruchvorsorge. Das war schon im vergangenen Jahr ein echter Besuchermagnet, viele Menschen ließen sich auch von den Experten des Landeskriminalamts und der Polizei beraten. Ergänzt wird der Bereich in diesem Jahr durch die Sonderschau „Smart Home“, in der es um Hausüberwachung und Steuerungsanlagen geht. Auch gibt es wieder eine Fotoausstellung: In diesem Jahr sind es Ansichten aus „Mainz vor ’45 – und heute“.

Ausstellung TouristikWelt im Jahr 2016. – Foto: gik

An den Wochenenden locken zudem Sonderschauen die Besucher noch einmal besonders auf das Hechtsheimer Messegelände: Nach Spielwelt und Faire Welten am ersten Messewochenende startet an diesem Freitag die Reisemesse TouristikWelt. Vom 16. bis 18. März präsentieren hier rund 90 Aussteller Informationen und Angebote rund um Wochenendausflüge, Fahrradreisen, Wellnesstrips oder Seniorenreisen. Auch Informationen zu Karibik-Kreuzfahrten, Safaris in Tansania oder Touren mit der transsibirischen Eisenbahn finden die Besucher hier. Die Bundesgartenschau Heilbronn 2019 präsentiert sich hier ebenso wie die Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt, die Landesgartenschau Bad Schwalbach 2018 oder Unternehmen wie Wigwam Naturreisen.

Besonderes Highlight für Mainzer Weinfans ist aber natürlich die RegioWein: Vom 16. bis 18. März stehen mehr als 45 Winzer ab dem 16. März bereit, um den Messebesuchern Lust auf Wein und die Weinregionen zu machen. Die Aussteller kommen dabei in diesem Jahr aus Rheinhessen und der Pfalz, vom Mittelrhein, der Nahe und der Mosel sowie aus dem benachbarten Rheingau. Mit dabei ist zum ersten Mal auch die Hessische Bergstraße, vertreten durch die Bergsträsser Winzer – das lohnt sich!

Der Weinberg der Uni Geisenheim auf der RegioWein. – Foto: gik

Ansonsten sind wieder viele neue Weingüter auf der Messe vertreten, eine gute Gelegenheit, neue Weine und Winzer zu entdecken: Auf die RegioWein kommen traditionell eher viele unbekanntere Weingüter, die aber keineswegs schlechtere Weine haben: Die Winzer aus weiter weg liegenden Regionen nutzen hier gerne die Gelegenheit, in Mainz ein neues Publikum zu erschließen. Auch für Gastronome ist das eine tolle Chance, gute und oft auch günstige Weine zu entdecken, die perfekt zu ihrem Essen passen.

Bewährt hat sich auch der After-Work-Weinabend am Freitag, der Zuspruch war so groß, dass die Messe den Abend noch einmal verlängert hat: Bis 21.00 Uhr habt Ihr jetzt Zeit, Euch durch die vielen spannenden Weine zu probieren. Neu ist dazu der Schwerpunkt Weinwandern auf der RegioWein: Aus allen vertretenen Weinregionen werden attraktive Wanderrouten vorgestellt, die Einkehrmöglichkeiten bei an der Strecke liegenden Winzern beinhalten. „Sieben Weinbauregionen, von Mainz aus leicht zu erreichen, bieten eine Vielfalt nicht nur hervorragender Weine, sondern auch sehr unterschiedlicher Landschaften, die unbedingt einen Besuch lohnen“, sagte Sebastian Kreuser, Chef der die Messe organisierenden RAM Regio GmbH. Mit dabei auf der RegioWein ist auch wieder die Weinbau-Uni Geisenheim mit ihrem Lehrweinberg, Studierende erklären hier alles über Rebanbau und Aromenvielfalt.

Info& auf Mainz&: Die 47. Rheinland-Pfalz-Ausstellung ist noch bis zum 18. März einschließlich geöffnet, täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr. Die 4. RegioWein geht vom 16. bis zum 18. März, der After-Work-Weinabend am Freitag bis 21.00 Uhr. Der Eintritt zur Rheinland-Pfalz-Ausstellung kostet 9,- Euro, wer am Freitag nur die RegioWein besuchen will, kann ab 14 Uhr ein Nachmittagsticket für 5,- Euro lösen. Alle Informationen findet Ihr hier im Internet, Informationen speziell zur RegioWein gibt es auch noch hier. Dort gibt’s auch Infos zu der eigenen RegioWein-App!

 

 

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Warnstreik in Kitas der Stadt Mainz am Donnerstag, 22.3.2018: 33 Kitas zu, Müllabfuhr und Busverkehr betroffen

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Am Donnerstag erreicht der aktuelle Warnstreik im Öffentlichen Dienst Mainz, betroffen sein werden vor allem Kindertagesstätten, die Müllabfuhr und offenbar auch der Busverkehr. Die Stadt Mainz teilte am Dienstag mit, dass am Donnerstag wegen des Warnstreiks 33 Kitas streikbedingt geschlossen bleiben. Von den 53 städtischen Kitas werden 18 geöffnet sein, davon neun regulär und neun mit eingeschränkten Öffnungszeiten. Auch der Entsorgungsbetrieb könne von den Warnstreiks betroffen sein, hieß es von der Stadt – auch die Müllabfuhr wird wohl betroffen sein, eventuell auch die Straßenreinigung. Auch die Mainzer Mobilität teilte auf ihrer Homepage mit, man gehe davon aus, dass auch Busse und Bahnen bestreikt würden – in welchem Ausmaße wisse man noch nicht.

Beim großen Kita-Streik 2015 stürmten erboste Eltern gar die Ratssitzung im Mainzer Rathaus. – Foto: gik

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat zum Warnstreik aufgerufen, um den Druck auf die Arbeitgeberseite in den laufenden Tarifstreiks zu erhöhen. Die hätten auch in der zweiten Tarifrunde noch nicht einmal ein Angebot vorgelegt, kritisiert die Gewerkschaft. Ver.di fordert eine Gehaltserhöhung von 6,0 Prozent, mindestens aber 200 Euro, auch damit der öffentliche Dienst als Arbeitgeber attraktiv bleibt. In den vergangenen Jahren sei die Lohnentwicklung im Öffentlichen Dienst hinter der bei Privatunternehmen zurück geblieben, hier gebe es Nachholbedarf. Und durch die derzeit sprudelnden Steuereinnahmen sei Geld dafür durchaus vorhanden – die Beschäftigten sollten daran teilhaben.

Ver.di habe alle Arbeitnehmer, Auszubildende und Praktikanten bei der Stadtverwaltung Mainz zu einem ganztägigen Warnstreik am 22. März 2018 aufgerufen, teilte die Stadt mit. Einzelheiten, welche Bereiche tangiert sein werden, seien der Stadtverwaltung als Arbeitgeber vorab nicht bekannt. Man wisse aber bereits, dass von den insgesamt 53 städtischen Kitas sind 33 streikbedingt am Donnerstag, geschlossen sein werden. Zwei städtische Kitas  haben an diesem Tag „Teamtage“ und seien daher geplant geschlossen. Diese Schließtage sei, wie in diesen Fällen üblich, mit dem Elternausschuss der Kitas abgestimmt worden und allen Eltern dieser zwei Kitas seit Ende 2017 bekannt.

18 städtische Kitas sollen am Donnerstag geöffnet bleiben, teilweise jedoch nur eingeschränkt. Von diesen 18 Kitas haben neun regulär – teilweise unterstützt von nicht-streikendem Personal aus anderen Kitas – geöffnet. Die anderen neun Kitas müssen streikbedingt ihre Öffnungszeiten einschränken, bieten aber in dieser Zeit die übliche Betreuung für alle Plätze an. Alle Eltern der vom Streik tangierten städtischen Kitas wurden per Elternbrief darüber informiert, in welcher Weise ihre Kita vom Streik betroffen sei, betonte die Stadt. Die Leitungen der Kindertagesstätten vermittelten Kontakte unter den betroffenen Eltern, damit diese sich bei der Betreuung gegenseitig helfen könnten.

Beim Warnstreik 2014 blieben Bushaltestellen verwaist. Foto: S.Babst

Auch müssen die Mainzer davon ausgehen, dass es Ausfälle bei der Müllabfuhr und der Straßenreinigung geben kann. Es würden wohl auch Mitarbeiter des Entsorgungsbetriebes am Warnstreik teilnehmen, es sei daher mit Verzögerungen oder der Verschiebung des Abfuhrtages zu rechnen, hieß es bei der Stadt. Ob und inwieweit es zu weiteren Einschränkungen von Dienstleistungen für die Bürger – beispielsweise bei der Straßenreinigung – komme, sei bisher nicht abzusehen. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass es in städtischen Ämtern und bei Dienstleistungen der Stadt allgemein zu Ausfällen komme.

„Es zeichnet sich landesweit eine hohe Beteiligung ab“, sagte Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz, die ebenfalls zu den Warnstreiks aufgerufen hat. Die kommunalen Arbeitgeber hätten auch in der 2. Verhandlungsrunde der laufenden Tarifverhandlungen kein Angebot vorgelegt, kritisierte Hammer, das sei „eine Provokation.“

Die Steuereinnahmen von Bund und Kommunen sprudelten durch die hervorragende Wirtschaftsentwicklung schon seit Jahren und sollten Prognosen zufolge kontinuierlich weiter um etwa vier Prozent im Jahr steigen. „Eine angemessene Beteiligung der Arbeitnehmer an der positiven Haushaltsentwicklung ist überfällig“, betonte Hammer. Die Gehälter der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst müssten wachsen, wenn Bund und Kommunen als Arbeitgeber attraktiv bleiben wollten. Die Hauptkundgebung der GEW findet am Donnerstag in Kirchheim-Bolanden gegen 12.00 Uhr auf dem Römerplatz statt.

Info&auf Mainz&: Warnstreik im Öffentlichen Dienst am Donnerstag, 22. März 2018, betroffen sind voraussichtlich vor allem Kitas, Busse & Bahnen sowie Müllabfuhr und Straßenreinigung.  Informationen zu den Warnstreiks in Sachen Kitas findet Ihr hier bei der Stadt Mainz, zu den Bussen und Bahnen informiert die Mainzer Mobilität hier im Internet.

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Analystin des Heute, Beobachterin der Angst – Anna Katharina Hahn ist die 34. Mainzer Stadtschreiberin

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Anna Katharina Hahn

Sie ist eine präzise Beobachterin des deutschen Mittelstandsbürgers, eine genaue Analystin unserer Wohlstandsgesellschaft – und eine schonungslose Offenlegerin der dahinter liegenden Ängste und Verunsicherungen. Anna Katharina Hahn heißt die 34. Mainzer Stadtschreiberin, die am Dienstag ihr Amt in Mainz antrat. Die 47-Jährige kommt aus Stuttgart, dort spielen auch viele ihrer Romane, und wie viele ihrer letzten Vorgänger im Amt des Mainzer Stadtschreibers beschäftigt sich auch Hahn in ihrem Werk ganz mit dem Hier und Heute. Die Stadtschreiberpreis-Jury setzt damit eine Linie fort, Autoren mit hochaktuellem Bezug und vielen Anknüpfungspunkten an unsere Zeit nach Mainz zu berufen.

Die neue Mainzer Stadtschreiberin Anna Katharina Hahn – Foto: ZDF/ Jana Kay

Anna Katharina Hahn sei eine „durch und durch heutige Schriftstellerin“, sagte ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler am Dienstag bei der Einführung der Stadtschreiberin im Mainzer Rathaus laut dem Redemanuskript in der Pressemappe. Mainz& konnte am Dienstag leider ausnahmsweise nicht persönlich zur Stadtschreiber-Einführung – was wir sehr bedauern – aber dank schriftlicher Redemanuskripten, Informationen des ZDF und unserer eigenen Recherche können wir Euch doch einen recht guten Eindruck geben.

Demnach wurde Hahn am 20. Oktober 1970 im schwäbischen Ruit auf den Fildern im Kreis Esslingen geboren. Die verheiratete Mutter zweier Söhne lebt heute in Stuttgart. Nach dem Abitur studierte sie in Hamburg Germanistik, Anglistik und europäische Ethnologie und veröffentlichte bereits in den 1990er Jahren erste kürzere literarische Arbeiten. Im Jahr 2000 erschien ihr erster Band mit Erzählungen, „Sommerloch“, 2009 ihr erster Roman „Kürzere Tage“, mit dem ihr der Durchbruch bei den Kritikern und bei den Lesern gelang.

„Kürzere Tage“ erzählt, so sagt es ihre Biographie, von den überforderten Müttern und Vätern im gehobenen Stuttgarter Bürgertum, auch Hahns zweiter Roman „Am schwarzen Berg“ (2012) spielt in dem akademischen Mittelstand Stuttgarts – und zwar zu Zeiten des Protests gegen den Tiefbahnhof Stuttgart 21. Und damit sind wir mitten in der Erklärung, was eine „durch und durch heutige Autorin“ ist.

Hahn nämlich portraitiere und seziere zugleich die Welt des bürgerlichen Mittelstands, schaue tief hinter ihre Kulissen und zeige die Risse und Verwerfungen darin auf, lobten die Redner am Dienstag beim Festakt. Im behaglichen und wohlhabenden Schwabenland, im „gehobenen Mittelstand, aufgeklärt, weltoffen und mit Biokost gut ernährt“ zeige Hahn die feinen Risse und die vielen Ängste auf, die durch diese Gesellschaft gingen, sagte Himmler.

Mit Hahns Büchern schaue man direkt in die Wohnungen der Bundesbürger, „in Fenster mit Kinderzeichnungen, schicke Küchen, Feinkostläden, die Altbauten stehen unter Denkmalschutz, es gibt Gartenpartys und ehrgeizige Waldorf-Kindergärten.“ Darin: Überforderte Übermütter, abwesende Karrieremänner, alte Ehepaare mit Alkoholproblemen und wohlerzogene Kinder. „Eine wackelige Kulisse“, sagte Himmler. Und mit ihrer präzisen Sprache und genauen Beobachtungsgabe gelinge es Hahn, die feinen Risse, die durch diese Gesellschaft gingen, bloßzulegen.

Genaue Beobachterin ihrer Umgebung: Anna Katharina Hahn, die neue Mainzer Stadtschreiberin – Foto: ZDF/ Jana Kay

Einen veritablen „Lauschangriff“ nannte das gar der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD): „Mit dem Geschick einer Chirurgin und dem Gespür einer Detektivin legt sie die Tarnungen, Verkleidungen, Rituale und Tabus frei, hinter denen (die Protagonisten) Schutz suchen. Schutz vor der Einsamkeit, der Isolation und der Leere ihres Lebens und Schutz nicht zuletzt vor sich selbst.“ Hahn belausche und beobachte nämlich auch die innersten Gedanken und Gefühle ihrer Protagonisten, ihre Hoffnungen und Ängste – und fördere mit dem ganz normalen Leben deutscher Mittelstandsbürger etwas ganz anderes zutage: „das nackte Grauen.“ Das mache sich fest, so Ebling weiter, an der Vereinzelung des Individuums, seiner Liebessehnsucht und Bindungsangst, seiner verzweifelten Suche nach Glück und Inhalt durch das schiere Anhäufen von Besitz – und so schildere Hahn „die großen Gesellschaftsthemen und -probleme unserer Zeit.“

„Sie stellen, liebe Frau Hahn, die große Frage, die Frage, die schon immer große Literatur befeuert hat, nämlich: Wie soll man eigentlich leben?“ sagte Himmler. Der psychische und soziale Innendruck ihrer Figuren sei gewaltig, der Leser warte „geradezu darauf, dass es hinter den wohlanständigen Kulissen irgendwann explodiert.“ Hahn selbst habe in einem Interview ihren Figuren attestiert, „dass sie voller Ängste stecken: Angst vor Kriegen und Katastrophen, Angst vor dem Jobverlust, Angst, dass den Kindern etwas zustoßen könnte.“ Und er zitierte Hahn selbst, die einmal zu ihrem ersten Roman „Kürzere Tage“ sagte: „Der kleine Ausschnitt Bürgertum, den ich in meinem Roman thematisiere, baut auf diesen Ängsten auf, die die Leute jeden auf seine Art zucken lassen wie unter Stromstößen.“

Ebling wiederum betonte, damit regten Hahn und ihre Bücher zu intensivem Nachdenken an, „denn fast zwangsläufig befragt man sich beim Lesen selbst, ob die eigenen Lebensziele nicht eher Lebensinszenierungen sind.“ Damit aber beflügelten ihre Werke und Themen auch die Diskussion, „und ich finde, etwas Besseres können wir uns in Mainz für das Amt der Stadtschreiberin gar nicht wünschen.“ Im Übrigen sei Hahn eine Autorin, die „auf Tuchfühlung gehe“ – und damit in Mainz genau richtig: „Schließlich mögen zwar auch wir Mainzer von allerlei diffusen Ängsten und Selbstzweifeln geplagt sein, Bindungsangst und Sozialphobie allerdings scheinen mir nicht dazuzugehören“, sagte der OB. Und so wünsche er der neuen Stadtschreiberin, dass sie mit Mainz schnell vertraut „und hoffentlich sogar ein Stück ‚heimisch‘ in unserer, in ihrer neuen Stadt werden.“

Der Mainzer Stadtschreiberpreis ist mit einem Preisgeld von 12.000 Euro verbunden, dazu steht dem jeweiligen Amtsinhaber für ein Jahr die Stadtschreiber-Wohnung unter dem Dach des Römischen Kaisers zur Verfügung. Erwartet wird zudem, dass der oder die Stadtschreiber/in Lesungen und Veranstaltungen in der Stadt hält und gemeinsam mit dem ZDF ein „Elektronisches Tagebuch“ erstellt. Hahns unmittelbarer Vorgänger Abbas Khider war zwar viel in Mainz unterwegs, eine Dokumentation mit dem ZDF erstellte er allerdings nicht.

Info& auf Mainz&: Zum Archiv der früheren Mainzer Stadtschreiber ab dem Jahr 2000 geht es hier auf der Internetseite der Stadt Mainz. Zur ZDF-Seite der Mainzer Stadtschreiber geht es hier entlang.

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Abschied von Kardinal Lehmann hat begonnen – Aufbahrung in Augustinerkirche – Beisetzung am 21. März

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Der lange Abschied von Kardinal Karl Lehmann hat begonnen: Am Dienstagnachmittag wurde Lehmann in der Augustinerkirche, der Seminarkirche des Priesterseminars in Mainz, aufgebahrt. In seinen Bischofsgewändern, den Bischofsstab an der Seite, ruht Lehmann erhöht auf einer Bahre am Beginn des Altarraums. Eine Woche lang haben die Mainzer und ihre Besucher nun Zeit, sich an dem Leichnam des Kardinals und geliebten Altbischofs zu verabschieden. Gleich zu Beginn kamen einige hundert Menschen, um Lehmann ihren Respekt und ihre Trauer zu bekunden. Die Beisetzung Lehmanns findet am 21. März im Mainzer Dom statt.

Kardinal Karl Lehmann, aufgebahrt in der Augustinerkirche in Mainz. – Foto: gik

Schon vor Öffnung der Augustinerkirche am Dienstag standen die Trauerenden vor dem Portal, um 16.30 Uhr dann strömten die Menschen in die Barockkirche. Lange Schlangen bildeten sich vor dem Sarg. Gehüllt in seine Bischofsgewänder, die Mitra auf dem Kopf, den Bischofsstab an seiner Seite liegt Kardinal Karl Lehmann seit Dienstagnachmittag aufgebahrt in der Kirche. Bis zum 21. März können die Mainzer hier nun täglich Abschied nehmen.

Am Sonntag gegen 4.45 Uhr war Lehmann an den Folgen eines Schlaganfalls mit Hirnblutung gestorben. Seither liegt Trauer über der Stadt, Mainz nimmt Abschied von einem wahrhaft Großen. „Ich bin Protestantin und habe ihn ungeheuer geschätzt“, sagte etwa Ingrid Becker. Die Seniorin war eigens aus dem rheinhessischen Udenheim zum ersten Requiem für Lehmann angereist. Seine Bücher hat sie gelesen, ihn bei vielen Vorträgen gehört. „Es gibt nicht so viele Menschen wie ihn“, sagte sie, „ich möchte mich unbedingt von ihm verabschieden.“

Würdiger Abschied von einem geliebten Altbischof und großen Menschen: Aufbahrung Kardinal Lehmanns in der Augustinerkirche in Mainz. – Foto: gik

Es war das, was viele hier bewegte. Katholisch oder nicht-katholisch, gläubig oder weit weg von der Kirche, Lehmann hat die Menschen berührt, tiefer Respekt bewegt sie nun nach seinem Tod. Fast 33 Jahre lang hatte Lehmann das Bistum Mainz geleitet, erst zu seinem 80. Geburtstag im Mai 2016 war er in den Ruhestand getreten. Ein Jahr später, Ende August 2017, weihte er noch seinen Nachfolger Peter Kohlgraf zum Bischof von Mainz, kurz danach erlitt Lehmann einen Schlaganfall mit Hirnblutung, von dem er sich nicht wieder erholte.

„Er war der erste, der mir in Mainz begegnet ist“, sagte eine Mainzerin, die vor 15 Jahren hierher zog, „er war fantastisch.“ Seine Offenheit, seine Persönlichkeit habe ihn ausgemacht, sagte Gerd Stehling, der eigens aus dem hessischen Taunusstein nach Mainz gekommen ist: „Er hat ja auch einiges einstecken müssen.“ 21 Jahre lang lenkte Lehmann als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz die Geschicke der Katholischen Kirche in Deutschland.

Augustinerkirche in Mainz mti dem aufgebahrten Kardinal Karl Lehmann. – Foto: gik

Vielen ist sein Eintreten für eine liberale, menschliche Kirche fest in Erinnerung geblieben, besonders Lehmanns Kampf mit Rom um den Verbleib in der Schwangerenkonfliktberatung. Lehmann verlor den Kampf gegen das Dogma des Papstes, doch sein Einstehen für die Frauen bewegt bis heute. „Er war ein sympathischer Mensch und hat viel Gutes getan“, sagt eine Wolfsburgerin, „und gerade wegen seines Einsatzes für die Frauen war es mir wichtig, heute hier zu sein.“ Lehmanns Eintreten für Pro Familia damals habe ihm sehr gefallen, ergänzt ihr Lebensgefährte und bekennt, er sei damals wegen der Entscheidung des Papstes aus der katholischen Kirche ausgetreten. „Lehmann hat anders gedacht als die Sturmköpfe in Rom“, sagt er noch: „Ich hoffe, dass es noch viele Lehmänner gibt.“

„Glauben bezeugen, Gesellschaft gestalten, das war sein Leben“, sagte der Mainzer Domdekan Heinz Heckwolf zu Beginn des Requiems in der Augustinerkirche. Deshalb habe sich Lehmann immer wieder eingemischt in Politik und Gesellschaft. „Heute stehen wir an seiner Totenbahre, traurig und dankbar“, sagte Heckwolf: „Wir danken ihm, und wir danken Gott für das Leben dieses Menschen.“

Vor Öffnung der Kirche hatte schon der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Leichnam Lehmanns gemeinsam mit weiteren Würdenträgern des Bistums ein Gebet gehalten. „Für mich war er ein ganz außergewöhnlicher Lehrer und Mentor“, sagte danach der Mainzer Weihbischof Udo Bentz Mainz&: „Wir sind uns alle bewusst, dass er ein Erbe hinterlässt, dem wir uns alle verpflichtet fühlen.“ Um 17.00 Uhr begann dann eine Totenmesse mit Gesängen und Gebeten.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) beim Eintrag ins Kondolenzbuch für Kardinal Karl Lehmann in der Augustinerkirche. – Foto: gik

Gekommen zu diesem ersten Requiem für Kardinal Lehmann waren auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (beide SPD). Ebling und der Mainzer Stadtvorstand hatten sich bereits am Morgen in ein Kondolenzbuch im Mainzer Rathaus eingetragen, Dreyer tat es nun in der Augustinerkirche. „Rheinland-Pfalz verliert eine herausragende Persönlichkeit und einen großen Menschen“, schrieb die Ministerpräsidentin in das Kondolenzbuch in der Kirche: „Wir trauern – Kardinal Lehmann wird uns stets in Erinnerung bleiben.“

Info& auf Mainz&: Kardinal Lehmann ist noch die ganze Woche bis zum 21. März in der Augustinerkirche aufgebahrt, täglich wird hier um 12.00 Uhr die Sext gebetet und zudem um 17.00 Uhr ein Requiem gefeiert. Die Seminarkirche ist täglich von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet, hier liegen auch mehrere Kondolenzbücher aus. Das Bistum Mainz hat zudem ein Online-Kondolenzbuch im Internet eingerichtet, zu finden genau hier. Kardinal Lehmann wird am Mittwoch, den 21. März, zu Grabe getragen. Seine letzte Ruhe findet der Kardinal in der Bischofsgruft des Mainzer Doms. Ab 14.00 Uhr wird Lehmann am 21. März verabschiedet, von der Seminarkirche wird ein Trauerzug zum Bischofsportal des Mainzer Doms führen. Dort findet um 15.00 Uhr die große Totenmesse für Lehmann statt.

 

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Gruseligste Fledermaus: Milena Niehues vom Mainzer Staatstheater gewinnt Deutsche Meisterschaft der Maskenbildner in Ausbildung

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Deutsche Meisterschaft für Maskenbildner in Ausbildung / Wettbewerb - Im Rahmen der make-up artist design show Düsseldorf fand am Sonntag, 11. März, die achte Deutsche Meisterschaft für Maskenbildner in Ausbildung statt. Die acht Meisterschaftsteilnehmer präsentieren ihre Arbeiten zum Thema „Monster“. Zur Siegerin wurde Milena Niehues gekürt. Zweite wurde Cara Binder und auf dem dritten Platz landete Lara Krause.

Monster, Masken und Makeup sind ihre Welt: Milena Niehues ist die beste bundesdeutsche Nachwuchs-Maskenbildnerin. Die 25 Jahre alte Azubi vom Mainzer Staatstheater gewann am Wochenende in Düsseldorf die Deutsche Meisterschaft für Maskenbilder in Ausbildung – mit einer sensationellen Performance. Niehues überzeugte die Jury mit einer hochkünstlerischen und sehr gruseligen Interpretation einer Monster-Fledermaus. Die sieben Meisterschaftsteilnehmerinnen hatten die Aufgabe, in 90 Minuten eine effektvolle Maske zum Thema „Monster“ zu erstellen. Am Ende überzeugte Niehues eine internationale Fachjury und errang Platz eins.

Milena Niehues arbeitet an ihrer Monster-Fledermaus bei der Deutschen Meisterschaft für Maskenbildner in Ausbildung in Düsseldorf – Foto: Messe Düsseldorf

Anfang März hatte sich die Auszubildende für die Teilnahme an der Endrunde der letzten acht qualifiziert, ihre Bewerbungsmappe überzeugte da schon die Jury. Ausgerichtet wird der Wettbewerb für angehende Maskenbildner von der Düsseldorfer Fachmesse make-up artist design show, die 2010 erstmals stattfand. Die make-up artist design show ist eigenen Angaben zufolge die einzige Deutsche Fachmesse für Maskenbildner und Visagisten und präsentiert in einer Kombination aus Fachmesse, Vortragsforum und Kreativ-Werkstatt rund 4.000 Fachbesuchern die neusten Trends rund um Makeup und Maskenbildnerei.

Milena Niehues ist in ihrem zweiten Lehrjahr zur Maskenbildnerin am Staatstheater Mainz, die gebürtige Mülheimerin zog dafür eigens nach Mainz um. Bevor sie ihren Traum Maskenbildnerin verwirklichte, schloss Niehues eine Friseurlehre ab und absolvierte ein Freiwilliges Soziales Jahr im kulturellen Bereich in Detmold. „Ich fand es schon immer faszinierend, was man alles mit Make-up und Materialien machen kann und habe immer Leute bewundert, die so kreative Sachen machen“, sagte Niehues nach ihrem Sieg auf der Düsseldorfer Messe Ihren kreativen Input hole sie sich von anderen Maskenbildnern, Freunden, Arbeitskollegen, aus dem Internet oder aus Fachzeitschriften.

Die Monster-Fledermaus, die Milena Niehues den ersten Platz als Deutsche Meisterin der Maskenbildner in Ausbildung einbrachte. – Foto: Messe Düsseldorf, Constanze Tillmann

 

Für ihre berufliche Zukunft hat sie noch keine bestimmten Pläne: „Ich hoffe, dass es nicht das erste und das letzte Mal ist, dass ich so ein großes Projekt verwirklichen durfte“, sagte Niehues, die heute ihre Zwischenprüfung hat – da drücken wir ganz fest die Daumen!

Bei der Meisterschafts-Endrunde mussten die insgesamt sieben Teilnehmerinnen in 90 Minuten eine effektvolle Maske zum Thema „Monster“ erstellen. Missgebildete Ungeheuer aus der Unterwelt, furchterregende Phantasiewesen, berühmte Film-Monster, finstere Aliens oder monströse Unmenschen konnten dabei als Vorlage dienen. Bei der Gestaltung mussten mindestens zwei Drittel des Gesichts geschminkt und mindestens ein Gesichtsteil verwendet werden. Während der Arbeitszeit bewertete eine internationale Fachjury die Arbeit nach festgelegten Bewertungskriterien.

Milena Niehues gestaltete dabei nicht nur das komplette Gesicht, sondern auch den Kopf und das Dekollete des Models – Wahnsinn. Den zweiten Platz belegte Cara Binder vom Nationaltheater Mannheim mit einer Grüffelo-Maske, Dritte wurde Lara Krause vom Theater Augsburg mit einer monströsen Spinne. Mainz& gratuliert ganz herzlich!

Info& auf Mainz&: Mehr zur make-up artist design show samt vieler faszinierender Bilder von ganz vielen Masken und Monstern findet Ihr hier im Internet. Und hier noch zum Vergleich das Foto mit allen drei Erstplatzierten der Deutschen Meisterschaft für Maskenbildner in Ausbildung:

Die drei Erstplatzierten bei der Deutschen Meisterschaft für Maskenbildner in Ausbildung, ganz links: Siegerin Milena Niehues, in der Mitte Platz zwei und ganz rechts Platz drei. – Foto: Messe Düsseldorf
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