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Start 2018 März

Monatsarchive: März 2018

Trauer um Kardinal Lehmann: Papst Franziskus schickt Kondolenzschreiben per Telegramm – Details zur Aufbahrung Lehmanns

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Auch einen Tag nach dem Tod von Kardinal Karl Lehmann treffen in Mainz noch Kondolenzschreiben und Trauerbekundungen aus aller Welt ein. Die wichtigste: Auch Papst Franziskus würdigte den verstorbenen Altbischof von Mainz: „Mit Trauer habe ich die Nachricht vom Heimgang von Kardinal Karl Lehmann erhalten“, schrieb der Papst wörtlich in einem Telegramm an das Mainzer Bistum. Auch Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker äußerten ihre Trauer, alle drei bereits am Sonntag. Am morgigen Dienstag beginnt die öffentliche Aufbahrung Lehmanns in der Augustinerkirche, der Seminarkirche des Priesterseminars. Gleich mehrere Kondolenzbücher stehen zum Eintrag bereit.

Kondolenzbuch für Kardinal Karl Lehmann im Mainzer Dom. – Foto: Bistum Mainz

„Ihnen und allen Gläubigen des Bistums Mainz“, schrieb Papst Franziskus am Montag in einem Telegramm an den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, „versichere ich meine tiefe Anteilnahme und mein Gebet für den Verstorbenen, den Gott, der Herr, nach schwerer Krankheit und Leiden zu sich gerufen hat.“ Das Telegramm, das Vatican News im Wortlaut dokumentiert, ist original auf Deutsch gehalten. Darin würdigt der Papst auch Lehmanns langjähriges Wirken als Theologe und Bischof wie auch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz: Lehmann habe „das Leben von Kirche und Gesellschaft mitgeprägt“, schreibt der Papst: „Stets war es sein Anliegen, offen zu sein für die Fragen und Herausforderungen der Zeit und von der Botschaft Christi her Antwort und Orientierung zu geben, um die Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und über die Grenzen von Konfessionen, Überzeugungen und Ländern hinweg das Verbindende zu suchen. Jesus, der Gute Hirt, schenke seinem treuen Diener die Vollendung und Fülle des Lebens in seinem himmlischen Reich.“

Lehmann, 2001 von Papst Johannes Paul II. nach langem Warten zum Kardinal ernannt, hatte zwei Päpste mitgewählt: 2005 den deutschen Papst Benedikt XVI. und 2013 den heutigen Papst Franziskus. Besonders mit Letzterem verband ihn eine sehr ähnliche Einstellung zu einer Kirche, die sich unter die Menschen begibt und die Fenster aufreißt für frischen Wind und die Entwicklungen der Welt.

Lehmann habe zudem „stets in die Zukunft Europas investiert“, würdigte ihn EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Die Nachricht vom Tode Kardinal Karl Lehmanns hat mich sehr betrübt. Er war Europa und mir ein treuer Freund.“ Zeit seines Lebens habe Lehmann „Brücken der Menschlichkeit und der Solidarität in und für Europa gebaut“, schrieb Juncker weiter. Viel habe er so dazu beigetragen, Ost und West zusammenzubringen, gerade auch im Dialog mit Polen.

„Als moralischer Kompass hat er uns den Weg gewiesen und an die Werte erinnert, die Europa zu etwas Besonderem machen“, sagte Juncker weiter: „Solidarität und Nächstenliebe waren für ihn immer mehr als nur theoretische Konzepte, sie waren ihm ein Handlungsauftrag.“ Der Kommissionspräsident erinnerte auch daran, dass Lehmann gerade in der Flüchtlingsfrage dazu aufrief, sich auf die europäische Kraft des Gemeinsamen zu besinnen und im Sinne der Menschlichkeit zu reagieren. „Seine oft klaren, aber gleichzeitig immer versöhnenden Worte bleiben uns Inspiration und Auftrag, für Europa und seine Werte einzutreten“, betonte Juncker.

Kardinal Karl Lehmann mit Mainz 05-Fanschal. – Foto: Mainz 05

„Ich bin sehr traurig über den Tod von Karl Kardinal Lehmann“, schrieb auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an Bischof Kohlgraf, Lehmann sei der „prägende Kopf“ der Katholischen Kirche in Deutschland gewesen, ein „begnadeter Vermittler“ zwischen den deutschen Katholiken und Rom, in der Ökumene aber genauso auch zwischen Gläubigen anderer Religionen. „Ich denke heute mit tiefer Dankbarkeit an unsere guten Gespräche und Begegnungen über viele Jahre“, sagte Merkel weiter: „Er hat mich mit seiner intellektuellen und theologischen Kraft begeistert und war dabei immer auch ein Mensch voll bodenständiger Lebensfreude. Ich verneige mich vor seinem Lebenswerk und werde ihn in dankbarer Erinnerung behalten.“

Persönlich reagierte auch Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in seinem Kondolenzschreiben: „Jedes Gespräch mit ihm war eine Bereicherung, sein Rat für mich von besonderem Wert“, sagte Steinmeier. Lehmann sei „ein Mann klarer Worte“ gewesen, der bei aller Nachdenklichkeit und Konzilianz auch die politische Kontroverse nicht scheute, wenn es um zentrale Fragen des Zusammenlebens in Staat und Gesellschaft ging. Lehmann sei ein wichtiger Brückenbauer zwischen den Konfessionen und Religionen gewesen und habe dabei „auch mit der Gnade Gottes gerechnet, das merkten die Menschen, die ihm begegneten“, schrieb der Bundespräsident weiter: „Sie spürten es an der Zuversicht und auch an seinem ansteckenden Lachen, das aus der tiefen gläubigen Fröhlichkeit kam, die Karl Kardinal Lehmann ausstrahlte.“

In der Kirche des Priesterseminars in der Mainzer Augustinerstraße wird Kardinal Lehmann ab Dienstagnachmittag aufgebahrt. – Foto: gik

Auch Vertreter des Zentralkomitees der Juden, der Evangelischen Kirche und viele, viele Politiker aller Richtungen würdigten Lehmanns Wirken und gedachten des Brückenbauers und Menschenfreunds – zu viele, um sie alle aufzuführen. Auch der Fußballverein Mainz05 trauerte um sein Ehrenmitglied Lehmann – wo gibt es das sonst schon noch?

Unterdessen legten Bistum Mainz und die Stadt Mainz Kondolenzbücher für Lehmann aus: Bereits am Sonntag lag ein Kondolenzbuch des Bistums im Dom aus, viele Mainzer trugen dort bereits ihre Gedanken und ihre Anteilnahme ein. Auch die Stadt Mainz legte am Montag ein Kondolenzbuch im Mainzer Rathaus aus, ein weiteres wird ab morgen in der Seminarkirche in der Augustinerstraße ausgelegt: Ab Dienstag können dort, in der Kirche des Priesterseminars, die Mainzer persönlich von Kardinal Lehmann Abschied nehmen. Lehmann wird dann bis zum 21. März in der Kirche aufgebahrt. Die Totenwache beginnt um 17.00 Uhr mit einem Requiem, Einlass in die Kirche ist ab 16.30 Uhr.

Der Leichnam Lehmanns werde auf einem Katafalk aufgebahrt und bekleidet sein mit den sogenannten Pontifikalien, teilte das Bistum mit: Violettes Messgewand, Mitra, Bischofsstab, Bischofskreuz und Bischofsring. Für die Vorbereitungen bleibt die Kirche an diesem Tag bis 16.30 Uhr für die Öffentlichkeit geschlossen. Die Kirche ist an diesem Tag bis 19.00 Uhr geöffnet.

Auch im Internet nehmen die Menschen Abschied von Kardinal Karl Lehmann: Das Bistum richtete ein Online-Kondolenzbuch ein. „Danke, dass es Sie gab“, schrieb da ein anderer: „Menschen Ihrer Art und Größe müsste es mehr geben!“ Viele Menschen hinterließen Erinnerungen, persönliche Begegnungen, Segenswünsche. „Ich verneige mich vor einem großen Mann der Kirche“, schrieb ein Beileidsbekunder stellvertretend für viele, ein Berliner Paar: „Danke für Orientierung, Zeugnis und Stärkung!“ Und eine Mainzerin schrieb: „Merci Eminenz , danke Herr Lehmann. Sie waren einzigartig, ich wiederhole mich, wenn ich (zum letzten Mal) zu Ihnen sage „Mach’s gut“!“

Info& auf Mainz&: Die Aufbahrung von Kardinal Karl Lehmann in der Kirche des Priesterseminars in der Augustinerstraße zu Mainz beginnt am Dienstag, 13. März 2018, ab 17.00 Uhr mit einem Requiem, die Kirche ist ab 16.30 Uhr geöffnet. Die Aufbahrung dauert bis Mittwoch, 21. März 2018, wenn ab 14.00 Uhr die Feierlichkeiten zum Begräbnis Lehmanns mit anschließendem Trauerzug zum Dom beginnen – mehr dazu hier. Ab Mittwoch, 14. März, ist die Seminarkirche jeweils von von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Bis zum Dienstag, 20. März, wird in der Seminarkirche täglich um 12.00 Uhr die Sext gebetet, täglich wird außerdem um 17.00 Uhr von den Mitgliedern des Domkapitels abwechselnd ein Requiem gefeiert. In der Seminarkirche liegt auch ein Kondolenzbuch aus, ein weiteres hat die Stadt Mainz im Rathaus ausgelegt, zugänglich zu den üblichen Öffnungszeiten. Zum Online-Kondolenzbuch des Bistums geht es hier.

 

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Schwebendes Labyrinth in der Christuskirche – Kunstwerk von Michael Wolff schwebt im Raum – Kuppel erstrahlt in blauem Licht

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Habt Ihr Euch schon gefragt, warum die Kuppel der Christuskirche in blauem Licht erstrahlt? Die Illumination ist Teil eines Kunstprojekts: ein schwebendes Labyrinth hängt seit dem 1. März im Inneren der Christuskirche zwischen Altar und Kuppel. Das lila-blau leuchtende Labyrinth misst sechs Meter im Durchmesser und schwebt in 20 Metern Höhe im Kirchenraum. Das Werk des Künstlers Michael Wolff ist bis zum 25. November zu sehen, die offizielle Vernissage findet am 7. März statt – und während der gesamten Aktion wird die Kuppel der Christuskirche in blaues Licht getaucht sein. Flankiert wird die Aktion mit zahlreichen Veranstaltungen.

Schwebendes Labyrinth in der Kuppel der Mainzer Christuskirche. – Foto: Loreen Fetthauer

„Mein Labyrinth ist nur mit den Augen begehbar“, sagt Wolff selbst dazu: Es schwebe als Lichterscheinung auf der Ebene des Kuppelkranzes und „teilt den Raum, wie ein Diaphragma, in ein Darunter und ein Darüber.“ Der offene Kreis im Mittelpunkt, zentral über dem Altar, verbinde die beiden Räume. Es ist nicht das erste Projekt Wolffs in Zusammenarbeit mit der Christuskirchengemeinde. „Das Labyrinth ist bereits meine vierte Installation in der Christuskirche“, berichtet Wolff: „Seit 13 Jahren bin ich mit dem Kirchenraum sehr vertraut. Diese Achse zwischen Altar und Kuppel fasziniert mich.“

Die 1896 bis 1903 erbaute Christuskirche ist eine Kuppelkirche, also ein Bau, in dem sich das Kirchenschiff unter der Kuppel befindet. In der Mainzer Christuskirche ordnet sich das Kirchen“schiff“ so rund um den Altar in der Mitte an, über den Köpfen entfaltet sich ein lichter Kirchenraum mit besonderer Atmosphäre. Genau in diesem Zwischenraum hängt nun Wolffs schwebendes Labyrinth. Das stehe von alters her für die Suche nach einem höheren Sinn und sei ein seit Ende des 4. Jahrhunderts im Christentum häufig verwendetes Symbol. „Es hat seine metaphorische Wirkung im Laufe der Zeit bis heute nicht eingebüßt“, sagt der Künstler. Die Idee für das Kunstwerk sei, Menschen durch dieses Jahrtausende alte und universell verbreitete Symbol „einzuladen, auch über ihr eigenes Leben, ihre Suche nach Lebenssinn und ihren Glaubensweg neu nachzudenken.“

Rasenlabyrinth in der Burgruine Reichenfels in Thüringen, ein solches Rasenlabyrinth findet sich auch auf dem Disibodenberg – solche Labyrinthe sind heute auch Treffpunkte für feministische Gruppen. – Foto: Wikimedia CTHOE

 

Labyrinthe sind ein uraltes Muster der Menschheit, erste Felsritzungen wurden etwa auf Sardinien aus der Zeit zwischen 3.500 und 2.500 vor Christus gefunden. Berühmt ist natürlich das Labyrinth des Palastes von Knossos, in dem der Legende nach Theseus den Minotaurus erlegte, und aus dem er Dank des Wollknäuels der Ariadne wieder herausfand. Die verschlungenen Wege des Labyrinths scheinen die Menschen schon immer fasziniert zu haben: Labyrinthe finden sich bei den Griechen, den Römern und später in den Fußböden zahlreicher mittelalterlicher Kirchen.

Da war das Labyrinth bereits zu einem Symbol der Spiritualität und vom Christentum übernommen geworden. Heute wird das Symbol des Labyrinths von feministischen Bewegungen als Zeichen für weibliche Fruchtbarkeit und Schönheit reklamiert. Entsprechende Rasenlabyrinthe werden für moderne Meditationen benutzt – eines findet Ihr etwa auf dem Disibodenberg an der Nahe.

Auch das Labyrinth in der Christuskirche soll zum Nachdenken und Meditieren anregen und Aufmerksamkeit wecken. „Wir möchten einladen, nachzudenken und ins Gespräch zu kommen“, sagte die Christuskirchen-Pfarrerin Bettina Klünemann. Das schwebende Labyrinth werde noch bis November in der Kuppel hängen, „und sicher viele Menschen zum Staunen und Nachdenken bringen.“ Schon der seit der Woche vor Fastnacht blau leuchtende Kirchturm habe viele Passanten „nachfragen lassen, was hier geschehe“, sagte Klünemann.

Künstler Michael Wolff beim Aufbau des schwebenden Labyrinths in der Christuskirche. – Foto: Loreen Fetthauer

Geschehen soll rund um das schwebende Kunstwerk noch so einiges: Neben Konzerten und Workshops mit Kindern und Jugendlichen soll es „blaue Stunden“ mit Musik und Texten aus Literatur und Wissenschaft, aber auch thematische Gottesdienste und Angebote über meditativen Tanz, Körpererfahrungen sowie zur Stille und Meditation geben. Die Vernissage findet am Mittwoch, 7. März, um 19.00 Uhr statt. Ab dann bis zum 25. November kann das Labyrinth in der täglich bis 18.00 Uhr geöffneten Christuskirche besichtigt werden. Die Kirchengemeinde plane aber auch Sonderöffnungszeiten am Abend, sagte Klünemann weiter.

Auch zur Nacht der offenen Kirchen am 7. September wird die Christuskirche geöffnet sein, um Interessierten die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Kunstwerk auseinanderzusetzen: Schon bei der „Himmelsleiter“ von Michael Wolff im Jahr 2015 sei die Resonanz enorm gewesen, sagte Klünemann, das sei das Besondere an den Werken des Künstlers: „Dass sie Menschen in ihrem Fühlen und Denken über sich selbst hinausführen und sie ‚Neuland‘ für sich entdecken – außen und in ihrem Innern. Das hat für mich viel mit christlicher Freiheit zu tun.“

Info& auf Mainz&: Schwebendes Labyrinth in der Mainzer Christuskirche, Kunstwerk von Michael Wolff. Die Vernissage findet am Mittwoch, 7. März 2018, um 19.00 Uhr statt. Das Labyrinth kann dann bis zum 25. November täglich bis 18.00 Uhr besichtigt werden. Sonderöffnungszeiten an den Abenden sind geplant, checkt dafür mal die Homepage der Christuskirche – genau hier.

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„Ein wirklich großer Mensch ist von uns gegangen“ – Reaktionen zum Tod von Kardinal Karl Lehmann

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Die letzte Messe im Mainzer Dom: Kardinal Karl Lehmann beim Gottesdienst zu seinem Abschied als Bischof von Mainz im Mai 2016. - Foto: Screenshot gik

Der Mainzer Altbischof Kardinal Karl Lehmann ist tot, und Mainz, ja ganz Deutschland, verneigt sich vor einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, vor einem Theologen und Kirchenlenker, der die Menschen tief berührt und seine Kirche über Jahrzehnte hinweg geprägt hat. Wohl selten hat der Tod eines Bischofs und Kirchenfürsten so viele Reaktionen hervorgerufen wie der Tod von Kardinal Karl Lehmann. Politiker aller Couleur, Kirchenfürsten, Ministerpräsidenten, Abgeordnete und nicht zuletzt die Mainzer selbst würdigten am Sonntag den verstorbenen Kardinal und Altbischof in seltener Einigkeit: Von uns gegangen ist eine große Persönlichkeit, ein außergewöhnlicher Theologe, ein zutiefst menschlicher Bischof – ein wirklich großer, ein beeindruckender Mensch.

Der Bischof und sein Nachfolger: Kardinal Karl Lehmann 2017 mit seinem Nachfolger Peter Kohlgraf. – Foto: Bistum Mainz

Bischof Kohlgraf: „Ein wirklich großer Mensch ist von uns gegangen.“

Sein Tod „macht mich traurig, wir werden seiner stets in Hochachtung und Liebe gedenken“, sagte Lehmanns Nachfolger Peter Kohlgraf: „Mit Kardinal Karl Lehmann ist wirklich ein großer Mensch von uns gegangen.“ In den Jahrzehnten als Bischof und Vorsitzender der Bischofskonferenz habe Lehmann „die Herzen vieler Menschen erreicht und sich hohen Respekt erworben“, sagte Kohlgraf: „Mit einem weiten Herzen und einem klaren Blick für die Themen der Menschen hat er sein Bischofsamt ausgeübt.“ In der Bischofskonferenz sei es ihm immer wieder gelungen, die unterschiedlichen Positionen ins Gespräch zu bringen. Wie kaum ein anderer habe Lehmann theologische Bildung und pastoralen Einsatz verbunden. Weit über den Bereich der katholischen Kirche hinaus war er ein geschätzter Gesprächspartner.

Kohlgraf sagte, er habe Lehmann persönlich viel zu verdanken, nicht nur, weil ihn der Altbischof am 27. August 2017 persönlich zum Bischof von Mainz weihte. „Er stand mir mit Rat und Tat zur Seite“, sagte Kohlgraf. Bereits vor seiner Bischofsernennung habe er ihn in den Jahren als Professor an der Katholischen Hochschule wirksam unterstützt, in vielen Begegnungen als väterlicher Begleiter gewirkt. „Ich danke Gott, dass ich Karl Lehmann kennenlernen durfte“, sagte Kohlgraf.

Im SWR Fernsehen erzählte Kohlgraf, er sei noch am Samstag bei Lehmann gewesen, kurz vor dessen Ende. Es sei „schmerzlich zu sehen gewesen“, wie seine Kräfte in den vergangenen Wochen nachgelassen hatten. Lehmann sei bis zuletzt von sorgenden Menschen umgeben gewesen, von ehemaligen Wegbegleitern, dem Weihbischof und anderen Priestern, die sich ihm verbunden wussten. „Auch heute Nacht war er nicht allein. Er ist gut vorbereitet und in innerem Frieden in die Begegnung mit unserem Herrn gegangen, an den er geglaubt und den er ein Leben lang verkündigt hat“, sagte Kohlgraf: „Ich vertraue darauf, dass er nun in Gottes Händen geborgen ist.“

Reinhard Marx: ein beeindruckender Mensch, ein begnadeter Theologe, ein menschlicher Bischof

Der Münchner Bischof, Kardinal Reinhard Marx, weiht im Mainzer Dom den neuen Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, Altbischof Lehmann schaut zu. – Foto: gik

„Mit großer Betroffenheit und Trauer“ habe er die Nachricht vom Tod Lehmanns aufgenommen, sagte der Münchner Bischof, Kardinal Reinhard Marx, der heutige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Er erinnere sich gut an ihre ersten Begegnungen, „die von Herzlichkeit und Offenheit, vor allem von der Lust an der theologischen Debatte“ geprägt gewesen seien. „Ein großer Theologe, Bischof und Menschenfreund geht von uns“, sagte Marx: „Mit seinem Tod verlieren wir einen warmherzigen und menschlichen Bischof, den eine große Sprachkraft auszeichnete. Ich trauere mit den Gläubigen des Bistums Mainz. Die Kirche in Deutschland verneigt sich vor einer Persönlichkeit, die die katholische Kirche weltweit wesentlich mit geprägt hat.“

Die Deutsche Bischofskonferenz sei Lehmann „zu großem und weit über seinen Tod hinausreichenden Dank verpflichtet“, sagte Marx weiter. Lehmann habe als ihr Vorsitzender „Höhen und Tiefen erfahren“, immer habe ihn die Frage umgetrieben, wie eine menschendienliche und zugleich traditionsverpflichtete Kirche beschaffen sein sollte. „Die persönliche Wertschätzung, die er jedem Gesprächspartner gegenüber zeigte, sein unglaubliches Gedächtnis – Karl Lehmann vergaß nichts – und seine theologische Weite waren glückliche Jahre für unsere Bischofskonferenz“, betonte Marx. In der Konferenz habe der Theologieprofessor den Kollegen „bisweilen längere Ausführungen halten und uns auf den Stand der Forschung bringen“ können. Drei Mal – 1993, 1999 und 2005 – wurde Lehmann im Amt als Vorsitzender bestätigt, bevor er sich 2008 aus gesundheitlichen Gründen zurückzog, erinnerte Marx: „Es wäre nicht Karl Lehmann gewesen, hätte er dann nicht den Vorsitz der Glaubenskommission unserer Konferenz für mehrere Jahre übernommen.“

Marx erinnerte auch an die „Kölner Erklärung“ von 1988, das Ringen um den richtigen Weg in der Schwangerenkonfliktberatung und das Bekanntwerden von Fällen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Lehmanns Amtszeit. Aber auch daran, wie Lehmann Papst Johannes Paul II. 1996 in Berlin beim Gang durchs Brandenburger Tor begleitete, den Weltjugendtag 2005 in Köln mitfeierte, die Ökumene mit Leben erfüllte. Lehmann sei stets vom Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils geprägt gewesen, er habe es sich „zur Lebensaufgabe gemacht, das Konzilserbe zu wahren und dafür zu werben“, sagte Marx. Auch in stürmischen Zeiten habe er fest im Glauben gestanden, „ja, Karl Lehmann konnte nichts in seinem Glauben erschüttern.“

Der Münchner Bischof, Kardinal Reinhard Marx, links neben Kardinal Karl Lehmann bei dessen Abschied im Mai 2016. – Foto: Screenshot gik

„Seine theologische Finesse werde ebenso fehlen wie seine kantigen Wortmeldungen“, sagte der Müncher Bischof weiter: Mit dem Tod Lehmanns verliere die Kirche in Deutschland eine prägende Gestalt und unser Kontinent einen überzeugten Europäer. „Kardinal Lehmann war ein beeindruckender Mensch und vorbildlicher Geistlicher“, vor allem aber sei Lehmann „Priester, Seelsorger und Bischof, ein begnadeter Theologe und ein guter Freund“ gewesen: „In stiller Trauer verneige ich mich vor einem Freund, einem Mitbruder, der uns allen Orientierung gegeben hat.“

Dreyer: Rheinland-Pfalz trauert um einen wichtigen Mahner und Ratgeber

Aber auch die Politik würdigte Lehmann: „Rheinland-Pfalz trauert um einen großartigen Menschen und eine herausragende Persönlichkeit“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Sonntag: „Karl Kardinal Lehmann wusste um die Zeichen der Zeit.“ Er habe die Konflikte in Kirche und Gesellschaft benannt und die weltweiten Herausforderungen erkannt. Wichtige Themen habe er immer wieder aufgegriffen und sich in christlicher Verantwortung mit ihnen auseinandergesetzt. „Dabei war er der Politik immer ein kritischer und wichtiger Mahner und Ratgeber. Auch in schwierigen Zeiten hat er klare Positionen bezogen und Mut zum Umdenken gemacht“, betonte die Ministerpräsidentin.

Das Bistum Mainz umfasst auch weite Teile des Landes Hessen. – Foto: gik

Lehmann habe Brücken gebaut zwischen verschiedenen Konfessionen, zwischen verschiedenen Religionen und auch zwischen Kirche und Politik. Aber er habe auch stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Anliegen der Menschen gehabt, betonte Dreyer: „Für ihn galt der Grundsatz, dass die Kirche dort mitanpackt, wo Hilfe gebraucht wird. Auch in der Flüchtlingskrise hat er Maßstäbe für Nächstenliebe gesetzt. Wer ihm begegnete, konnte erfahren, dass er es ernst meint mit dem, was er verkündet.“ Glaubensstärke und Humor, Intellekt und Gelassenheit, diese seltene Kombination habe Lehmann ausgezeichnet.

Bouffier: Lehmann wird als authentischer Repräsentant und Erneuerer der katholischen Kirche fehlen

„Kardinal Lehmann wird dieser Welt als authentischer Repräsentant und Erneuerer der katholischen Kirche fehlen“, sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), auf dessen Hoheitsgebiet ein Großteil des Mainzer Bistums liegt. Nicht nur die Menschen in Hessen hätten Lehmann „tief ins Herz geschlossen und seine Arbeit wertgeschätzt – Karl Kardinal Lehmann war ein Glücksfall für den deutschen Katholizismus und das Bistum Mainz“, sagte Bouffier.

Mit Beharrlichkeit habe Lehmann den Geist der Ökumene, das Zusammenführen von katholischer und evangelischer Kirche, wahrhaft gelebt und sei als Bischof ein hochgeschätzter Ansprechpartner in der Gesellschaft für Fragen und Nöte der Zeit gewesen. „Über die Parteigrenzen hinweg war Lehmann auch für die Politik in Hessen und auf Bundesebene ein geistig und geistlich bereichernder Gesprächspartner“, sagte Bouffier: „Ich trauere aufrichtig um ihn.“

Klöckner: Gütig, lebensfroh und beliebt, der gute Geist und das Gesicht von Mainz

„Mit dem Tod von Karl Kardinal Lehmann verlieren wir eine bedeutende Persönlichkeit, ein Stück Geschichte, einen wahren Zeugen des Glaubens, einen herausragenden Wissenschaftler und Philosophen“, sagte die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, selbst studierte katholische Theologin. Lehmann sei „tiefgläubig, herzlich, wortwitzig und gesellig gewesen – stets lebensnah und verständig im Umgang.“ Als warmherziger Zuhörer seien ihm die Sorgen und Nöte der Menschen stets ein Anliegen gewesen.

Sie selbst habe Lehmann „als differenzierten Theologen und bodenständigen Kirchenmann, als vertrauenswürdigen Gesprächspartner und Zuhörer geschätzt“, sagte Klöckner weiter. Lehmann sei das bekannte Gesicht und der gute Geist in Mainz gewesen, „auch für jene, die keinen Bezug zur Katholischen Kirche haben.“ Kardinal „Lehmann war eine Institution“, betonte Klöckner, „gütig, lebensfroh und beliebt bei den Menschen. Er wird fehlen – nicht nur in der Landeshauptstadt.“

Auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) würdigte den verstorbenen Mainzer Ehrenbürger Lehmann. – Foto: Alexander Heimann

Ebling: Anstoßgeber für Debatten, Offenheit für die Menschen

„Wir werden ihn sehr vermissen“, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) für eben diese Landeshauptstadt – Mainz nimmt auch Abschied von einem ihrer Ehrenbürger, zu dem Lehmann 2001 ernannt worden war. Lehmann sei eine hochgebildete Persönlichkeit gewesen, „die in herausfordernden Zeiten Orientierung geben konnte und stets durch seine Warmherzigkeit und Empathie als Mensch zu überzeugen wusste.“ Ihn habe besonders seine Offenheit für die Menschen ausgezeichnet, und es werde vielleicht diese Eigenschaft sein, „die wir wohl mit am meisten vermissen werden“, sagte Ebling.

Lehmann sei immer Anstoßgeber für Debatten gewesen, in der Weltkirche, in Deutschland und in Mainz, aber auch Brückenbauer zwischen Kirche und Gesellschaft. „Er hat die an ihn gerichteten Erwartungen als Wegweiser, Brückenbauer und Moderator nicht nur erfüllt, sondern auf vielfache Weise übertroffen“, sagte Ebling weiter: „Hohe theologische Kompetenz und persönliche Glaubwürdigkeit verbanden sich in seiner Person auf überzeugende Weise und strahlten weit über unsere Stadtgrenzen hinaus.“

Wissing: Entschiedener Streiter für Toleranz, Menschlichkeit und den christlichen Glauben

Von einem schweren Verlust für das Land sprach der stellvertretende Ministerpräsident und FDP-Landeschef Volker Wissing. Lehmann sei ein großer Botschafter des christlichen Glaubens gewesen, „ein Mensch, der seinen Glauben nicht nur gepredigt, sondern ihn mit Lebensfreude, Menschlichkeit und Herzenswärme gelebt hat.“ Lehmann habe die Rolle der Kirche aus der Mitte der Gesellschaft heraus verstanden und im Zweifelsfall stets die Menschen über Dogmen gestellt. „Kardinal Lehmann war im wahrsten Sinne ein guter Hirte und sein Tod ist ein schmerzhafter Verlust für das ganze Land“, sagte Wissing: „Wir werden diesem großen Katholiken und entschiedenen Streiter für Toleranz, Menschlichkeit und den christlichen Glauben ein ehrendes Andenken bewahren.

Lehmann mit dem damaligen Vorsitzenden des Mainzer Dombauvereins Rainer Laub (links) sowie der heutigen Vorsitzenden Sabine Flegel (ganz rechts). – Foto: Bistum Mainz

Der Tod Lehmanns lasse auch die FDP-Fraktion im Mainzer Landtag „in großer Trauer zurück“, sagte deren Vorsitzende, die Mainzerin Cornelia Willius-Senzer: „Wir gedenken eines großen Geistlichen, der immer einen guten Blick für die Herausforderungen des Weltlichen hatte.“ Lehmann sei stets mit viel Empathie und Herzlichkeit auf seine Mitmenschen zugegangen. „Ihm ist es gelungen, Menschen zusammenzuführen und Gräben zu überwinden“, sagte Willius-Senzer.

Grüne: Schwerer Verlust eines Brückenbauers

Von einem „schweren Verlust“ sprachen auch die Grünen: „Mit seiner weltoffenen Glaubensauffassung versuchte er stets, die Glaubenstraditionen der katholischen Kirche mit den modernen Lebenswelten zu vereinbaren“, sagte der Grünen-Landesvorsitzende Josef Winkler: „Es ist ein schwerer Verlust für die Katholische Kirche aber letztlich auch für die Evangelischen Christen, denn kaum ein anderer Bischof hat sich so für die Ökumene eingesetzt wie Kardinal Lehmann.“

Auch der Fraktionschef der Grünen im Mainzer Landtag, Bernhard Braun, würdigte den Brückenbauer, dessen christliche Maxime der Nächstenliebe stets wichtigster Grundsatz seines Handelns war. „Von Verständnis und Milde geprägt war seine liberale Haltung zu den verschiedensten gesellschaftlichen Themen“, sagte Braun: „Mit seiner Zuwendung zu Menschen in Not und mit seiner vereinenden Haltung gegenüber allen Menschen wird uns Karl Kardinal Lehmann lange in Erinnerung bleiben.“

Lewentz: Verneige mich vor seinem Lebenswerk

„Die Nachricht vom Tode Karl Kardinal Lehmanns erfüllt mich mit tiefer Trauer“, sagte auch SPD-Landesvorsitzender, Innenminister Roger Lewentz. Mit Lehmann verliere Rheinland-Pfalz einen Mann mit weltweitem Ansehen, der durch seine Nahbarkeit gerade bei den Menschen im Bistum Mainz äußerst beliebt war. „Seine moderne, liberale Haltung in vielen theologischen Fragen wirkt bis heute nach“, sagte Lewentz. Die SPD Rheinland-Pfalz verliere „einen verlässlichen Ansprechpartner sowie einen Verbündeten im Streben nach einer offenen Gesellschaft.“ Lehmann sei „stets ein exzellenter Zuhörer und ein kritischer Mahner gewesen“, sagte Lewentz: „Ich verneige mich vor seinem Lebenswerk.“

Über Jahrzehnte hinweg sei Lehmann „in Deutschland das Gesicht einer menschennahen, positiven und gut gelaunten Kirche“ gewesen, sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Mainzer Landtag, Alexander Schweitzer. Lehmann habe wie kein anderer unterschiedliche Eigenschaften vereint: „Er war ein Intellektueller und großer Theologe, er war nahbar, humorvoll und nah bei de Leut. Er war liberal, werteorientiert und nie beliebig.“ Lehmann sei Kämpfer und Streiter gewesen, aber auch „Vordenker und Wegbereiter der Annäherung der katholischen und evangelischen Kirche“, sagte Schweitzer weiter. Und als bisher erster und einziger Katholik erhielt er die Martin-Luther Medaille der Evangelischen Kirche in Deutschland für seine einzigartigen Verdienste um die Ökumene.

Der Bischof und die Fastnacht: Lehmann mit Narrenkappe vor dem Mainzer Dom, Zeichen seiner Weltzugewandtheit. – Foto: Bistum Mainz

Bleicher: Mainz steht tief in seiner Schuld

Natürlich trauern die Parteien und Politiker in Mainz um den Mainzer Altbischof: Lehmann habe „unsere Stadt für mehr als drei Jahrzehnte geprägt“, sagte der SPD-Vorsitzende Marc Bleicher, und immer sei er für die Menschen da gewesen. Gerade für die Katholiken sei er „Begleiter und Impulsgeber“ gewesen, „seine Antworten auf die Fragen unserer Zeit zeigten den Gläubigen Wege im modernen, oft unübersichtlichen Leben.“

In Mainz sei Lehmann in vielen Lebensbereichen präsent gewesen, in der Kultur, der Wissenschaft, der Wirtschaft, als Unterstützer von Mainz 05 oder in der Fastnacht, sagte Bleicher weiter: „Sein Wirken endet nicht mit seinem Tod. Er hat uns gezeigt, wie man handeln kann und manchmal handeln muss.“ Lehmann habe zu einem respektvollen Miteinander „unschätzbar viel beigetragen“, betonte Bleicher: „Wir alle in Mainz stehen tief in seiner Schuld.“

Flegel: „Sein Lachen hat bestens zu Mainz gepasst“

„Voller Dankbarkeit“ verabschiedete sich auch der Mainzer Dombauverein von seinem Bischof, der Verein war 1999 in der Amtszeit Lehmanns gegründet worden. „Bischof im Bistum Mainz zu sein, war für ihn nicht einfach nur eine kirchliche Stellenbeschreibung“, sagte die Dombauvorsitzende und Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel: Lehmann sei „sehr schnell zum echten Mainzer geworden“, er mochte die Mainzer und ihre Lebensart und habe sich mit Freude einbinden lassen in tagesaktuelle Ereignisse wie Fußball, Fastnacht und andere für Mainz charakteristische Ereignisse. „Sein Lachen hat bestens zu Mainz gepasst“, sagte Flegel.

Das Besondere aber an Karl Kardinal Lehmann war sicher auch dies: Er inspirierte Menschen weit über die katholische Kirche hinaus, und sein Tod bewegt auch viele, die der Kirche kritisch gegenüberstanden. „Obwohl ich weder Katholikin noch überhaupt Christin bin, hat mich die Nachricht vom Tod des „Lehmännchens“ gerade schwer getroffen“, schrieb stellvertretend für viele andere Mainz&-Leserin Tina Gewehr: „Ich mochte ihn als Mensch und hatte Achtung vor seinem Lebenswerk. Möge die Erde ihm leicht sein.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Tod von Kardinal Karl Lehmann und zu seinem Leben lest Ihr hier bei Mainz& – dort auch Informationen zu Aufbahrung und Beisetzung des geliebten Mainzer Altbischofs.

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Versöhner, Mahner, Büchernarr und Menschenfreund – Mainz trauert um Kardinal Karl Lehmann – Mainzer Altbischof stirbt mit 81 Jahren

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Die Trauer in Mainz ist immens, die ganze Stadt hält an diesem Sonntag inne: Am frühen Morgen ist Karl Kardinal Lehmann, der Mainzer Altbischof, gestorben. Mit nur 81 Jahren erlag Lehmann am Sonntag, 11. März, gegen 4.45 Uhr den Folgen eines Schlaganfalls. Vor wenigen Tagen hatte das Bistum bekannt gegeben, Lehmann gehe seiner letzten Pilgerfahrt entgegen, nun trat er sie an. Die Trauer und Bestürzung sind groß: Politiker aller Richtungen, aus Land und Bund, dazu natürlich Kirchenvertreter, aber nicht zuletzt die Bevölkerung, sie alle trauern um einen großen Menschen, Bischof und Kirchenlenker. „Er wird uns fehlen“, war einer der häufigsten Sätze. Beigesetzt wird Lehmann am 21. März in der Bischofsgruft des Mainzer Doms.

Kardinal Karl Lehmann 2016 bei der Messe zu seinem Abschied als Bischof von Mainz im Mainzer Dom. – Foto: Screenshot gik

Um 14.30 Uhr am Sonntag verkündete die große Martinusglocke des Mainzer Doms es aller Welt: Karl Kardinal Lehmann ist tot. 30 Minuten lang dröhnte die große Glocke vom Turm des Mainzer Doms gemäß der Botschaft ihrer Inschrift: „Nur das Erste, das Erhabene künd‘ ich euch, Siegesbotschaft, Friedenskunde, Großer Männer Todesstunde.“ Es war die Todesstunde eines großen Mannes, die von der großen Glocke verkündet wurde: „Karl Kardinal Lehmann wurde am heutigen Sonntag aus seinem irdischen Leben von Gott zu sich gerufen.“

55 Jahre lang war er Priester, 33 Jahre lang Bischof von Mainz, erst im Mai 2016 hatte er das Bischofsamt von Mainz niedergelegt: Nur knapp zwei Jahre nach seinem Eintritt in den Ruhestand erlag Lehmann mit gerade 81 Jahren den Folgen eines Schlaganfalls. Im September 2017 hatte Lehmann den Schlaganfall mitsamt einer Hirnblutung erlitten, seither hatte sich der Altbischof in Reha befunden, es gehe ihm gut, hatte es immer wieder geheißen. Doch vor wenigen Tagen teilte das Bistum dann mit: „Seine Kräfte schwinden deutlich, so dass wir in nächster Zeit um sein Leben bangen müssen. Er selbst hat signalisiert, dass er sich nun auf den Weg macht – das letzte Stück seiner irdischen Pilgerreise.“

Die letzte Messe als Bischof von Mainz zelebrierte Kardinal Karl Lehmann am 16. Mai 2016 im Dom zu Mainz. Nun ist er mit 81 Jahren gestorben. – Foto: Screenshot gik

Am Sonntagmorgen dann verkündete Lehmanns Nachfolger, der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf Lehmanns Tod: „Das Bistum Mainz trauert um einen weit über die Kirche hinaus hoch anerkannten Theologen und Seelsorger, einen leidenschaftlichen Brückenbauer zwischen den Konfessionen und einen Zeugen des Glaubens inmitten der Gesellschaft. Wir verlieren einen allseits geliebten Bischof, der mit seiner Lebensfreude, seiner Menschlichkeit und seinem Glaubenszeugnis in den vielen Jahren seines Wirkens nicht nur im Bistum Mainz, sondern auch in der Deutschen Bischofskonferenz als langjähriger Vorsitzender Herausragendes geleistet hat. Wir danken Gott für das Geschenk seines Lebens und bitten um das Gebet für unseren verehrten Kardinal.“

Karl Kardinal Lehmann hat die deutsche katholische Kirche und das Bistum Mainz geprägt wie kein anderer: Am 3. Juni 1983 wurde der Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie zum Bischof von Mainz gewählt, 21 Jahre lang lenkte er als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz die Geschicke der Katholiken in Deutschland. Es waren harte Jahre: Lehmann kämpfte um Einheit unter den deutschen Bischöfen, und er kämpfte gegen einen zunehmend dogmatischen Katholizismus aus Rom und in den eigenen Reihen.

„State in Fide“, steht fest im Glauben, lautete sein Leitspruch als Mainzer Bischof, und in allen Kämpfen stand Lehmann fest auf seinen Überzeugungen. Es war genau das, was ihm die Anerkennung aller Seiten, aus der Politik und auch von seinen Gegnern einbrachte: Lehmanns Überzeugungen waren fest verwurzelt in einem humanistischen Menschenbild und in seinem katholischen Glauben. Der Theologieprofessor – mit nur 32 Jahren der jüngste Deutschlands – war ein tiefer Kenner seines Glaubens, der Bibel, aber auch der theologischen Wissenschaft. Kaum jemand konnte seinem reichen Wissen das Wasser reichen – Lehmann stand fest auf den theologischen Wurzeln, das verschaffte ihm Respekt bei Freunden und Gegnern.

Kardinal Karl Lehmann beim Festakt zu seinem Abschied als Bischof von Mainz in der Rheingoldhalle im Mai 2016. – Foto: Screenshot gik

Es war das Zweite Vatikanische Konzil, das den jungen Priester Karl Lehmann zutiefst geprägt hatte, der Aufbruch und die Offenheit jener Zeit, die Lehmann als Student in Rom hautnah miterlebte. Dort traf er die großen Theologen seiner Zeit, dort traf er auch den berühmten deutschen Konzilstheologen Karl Rahner, an dessen Seite Lehmann das Zweite Vatikanische Konzil erlebte. Lehmann, am 16. Mai 1936 in Sigmaringen als Sohn eines Volksschullehrers geboren, hatte ab 1957 Theologie und Philosophie in Rom studiert. Von dort brachte er eine menschenzugewandte Kirche mit, die er Zeit seines Lebens praktizierte.

Aus Rom brachte Lehmann aber auch ein tiefes Wissen über die Kurie und den Vatikan mit. „Wer die Hintertreppen des Vatikans kennt, der überlebt auch den Aachener Karneval“, sagte er einst – da zeichneten die Karnevalisten den Mainzer Bischof gerade mit dem „Orden wider den tierischen Ernst“ aus. Nur eine Würdigung passte vielleicht noch besser zu ihm: 2002 wurde Lehmann mit dem „Goldenen Schlitzohr“ ausgezeichnet. Es würdigte einen Mann, der längst zum großen Brückenbauer und Diplomaten geworden war, einem Kirchenlenker, der nach Ausgleich und Versöhnung strebte.

Lenker des Bistums und der katholischen Kirche in Deutschland: Kardinal Karl Lehmann. Foto: Bistum Mainz

Doch Lehmann war auch Kämpfer und Streiter für seine Überzeugungen. 1987 wurde er überraschend zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt, und er machte daraus ein Bollwerk gegen reaktionäre Tendenzen. Immer wieder musste Lehmann die vergleichsweise liberalen Positionen der Deutschen gegenüber dem mehr an Strenge strebenden Rom vertreten. Der Mainzer Bischof machte mit klaren Worten für Ökumene und zur Zulassung von Frauen als Diakoninnen sowie zu Kirchenvolksbegehren und zur Anerkennung von Homosexuellen von sich reden.

Zum Tiefpunkt der Konflikte mit Rom wurde 1998 der Papstbrief zum Ausstieg aus der Schwangerenkonfliktberatung. Lange hatte Lehmann mit Papst Johannes Paul II. in dieser Frage gerungen, lange für den Verbleib der Kirche in der Beratung gekämpft – Lehmann sah die Beratungsstellen immer als Hilfe für die ringenden Frauen. Der Papst entschied anders und verfügte den Ausstieg – es war eine bittere Niederlage für Lehmann. Aufgeben kam gleichwohl nie in Frage für den Mainzer Bischof: Er suchte nach Wegen, die Beratung zu retten, sprach von „Umstieg statt Ausstieg“ – und half tatkräftig mit bei der Gründung des kirchlich getragenen Vereins Donum Vitae mit.

Die folgenden Jahre bemühte sich Lehmann, den tiefen Graben zwischen Rom und den deutschen Bischöfen zu schließen, leicht war das nicht. Sein standhaftes Eintreten für seine Haltung galt als der Grund, warum Johannes Paul II. ihm lange die längst überfällige Ernennung zum Kardinal verweigerte. 2001 ernannte der Papst in Rom 37 neue Kardinäle – nur Lehmann war wieder nicht dabei. Das Grummeln aus Mainz und aus Deutschland muss bis nach Rom geschallt haben: Neun Tage später schob der Papst die Ernennung einiger Kardinäle nach – darunter auch die von Bischof Karl Lehmann. Die Mainzer jubelten und feierten die hohe Ehre – Lehmann war längst ihr „Karlchen“, ihr „Lehmännchen“ geworden.

Karl Lehmann und die Bücher: Der wissenshungrige Büchernarr las und schrieb oft nächtelang – und veröffentlichte selbst mehr als 30 Bücher. – Foto: Bistum Mainz

1968 war Lehmann Theologieprofessor in Mainz geworden, bevor er 1971 an die Universität Freiburg ging. Von dort kam er als Bischof nach Mainz, und die Mainzer merkten schnell, was sie an dem jungen Kirchenmann hatten: Lehmann predigte Toleranz, wo andere Bischöfe seiner Zeit – allen voran der Fuldaer Dyba – für Ausgrenzung und Spaltung standen. Lehmann bewies Humor, posierte auch schon mal mit Narrenkappe und Fastnachtsorden, feierte bei Fastnachtssitzungen in vorderster Reihe mit. Auch ins Fußballstadion zog es den Bischof, auf der Tribüne saß er mit dem Fanschal um den Hals zwischen den Menschen und kickte auch schon mal für einen guten Zweck den Ball auf dem Rasen ins Tor. „Das Normale hat seine eigene Würde“, hat Lehmann einmal gesagt – er selbst bekannte sich offen dazu, Abba-Fan zu sein und flanierte gerne an Markttagen über die Domplätze, immer das Gespräch mit den Menschen suchend.

Es war wohl seine unendliche Neugier auf Gott und die Welt, die den Mainzer Bischof mitten im Leben hielt. Legendär ist seine Bücherliebe, mehr als 120.000 Bücher soll seine Privatbibliothek im Bischofshaus umfassen. Aus einer Buchhandlung kam er nie ohne einen Stapel Bücher heraus, Lehmann verschlang Bücher – und er schrieb sie, nächtelang, und immer mit der Hand. Mehr als 30 Bücher hat Lehmann veröffentlicht, 4.200 gedruckte Seiten von Hirtenbriefen und anderen Schriften, ungezählte Predigten. Lehmann blieb, auch als Diplomat und Kirchenlenker, immer auch Kirchenlehrer, sein Rat wurde von Politikern aller Couleur gesucht und geschätzt – auch in Europa. Lehmann war längst zum leidenschaftlichen Europäer geworden, die Laudatio beim Festakt zu seinem Abschied hielt niemand Geringeres als der damalige Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD). Im Alter fand der Bischof und Kardinal einen Weg, seiner Haltung aller Gegenwehr zum Trotz dennoch einen Weg zu bahnen und erlebte mit Genugtuung, wie ihm die Kirche wieder entgegen kam. „Nachdenken“, sagte er einmal im Gespräch mit Journalisten, „hat die Kirche noch nie verboten.“ Nur infrage stellen dürfe man sie eben nicht – da war Lehmann allen „liberalen“ Meinungen zum Trotz, streng konservativ.

Am Ende verließen ihn die Kräfte: Lehmann bei der Bischofsweihe seines Nachfolgers Peter Kohlgraf im Mainzer Dom. – Foto: gik

Er messe „mit langem Atem“, sagte Lehmann bei seiner letzten Pressekonferenz zu seinem Abschied als Mainzer Bischof im Frühjahr 2016, gerade auch was die Entwicklung seiner Kirche angehe. Der Mainzer Bischof hatte nicht, wie andere, mit 70 Jahren seinen Abschied genommen, sondern bis zu seinem 80. Geburtstag durchgehalten – es war wie ein Abschiedsgeschenk an seine Mainzer und an seine katholische Kirche in Deutschland. So nahm Lehmann seinen Abschied erst unter dem reformfreudigen neuen Papst Franziskus – und ersparte so womöglich dem Bistum Mainz die Ernennung eines erzkonservativen Nachfolgers.

Zwei Päpste hatte Lehmann mitgewählt, den konservativen Benedikt und den neuen Papst Franziskus, mit Letzterem verband Lehmann viel Gemeinsames. Lehmanns letzte große Amtshandlung wurde denn auch die Weihe seines Nachfolgers Peter Kohlgraf zum Bischof von Mainz am 27. August 2017. Schon da hielt sich Lehmann nur mit Mühe aufrecht und musste von zwei Seiten gestützt werden. Nur wenige Wochen später streckte ihn ein Schlaganfall mit Hirnblutung nieder.

Die Mainzer waren schockiert, der menschennahe Bischof voller Wissen hat die Stadt und ihre Menschen tief geprägt – weit über die katholische Kirche hinaus. „Ich bin gar nicht katholisch, aber….“ war einer der meist gesagten Sätze am Sonntag und in den Tagen davor: Aber Lehmann habe für die Stadt und für Deutschland viel getan, habe Menschlichkeit und Humanismus bewiesen, habe für Toleranz und eine beeindruckende Frömmigkeit gestanden, die mitten im Leben verwurzelt war. Karl Kardinal Lehmann hat die Menschen tief beeindruckt, die ihn trafen, und er hat Mainz seinen Stempel aufgedrückt, so wie er selbst zu dem weltoffenen, toleranten Mainz passte wie kaum ein anderer. Und so gilt an diesem Sonntag ein weiterer Satz: Er wird uns fehlen.

Gegen 4.45 Uhr am frühen Sonntagmorgen starb Karl Kardinal Lehmann, Alt-Bischof von Mainz in seiner Bischofsresidenz neben dem Mainzer Dom. Eine halbe Stunde lang dauerte das Totengeläut zu seinen Ehren, zu einer ersten Andacht am Sonntagnachmittag um 15.00 Uhr kamen bereits Hunderte Menschen. In seinem letzten Gottesdienst als Bischof von Mainz sagte Lehmann zum Abschied: „Seid wachsam, seid mutig, seid stark – und alles, was Ihr tut, geschehe in Liebe.“

Info& auf Mainz&: Die Beisetzung Lehmanns findet am Mittwoch, den 21. März, statt: Bereits ab dem kommenden Dienstag, den 13. März, ab 17.00 Uhr wird Lehmann in der Seminarkirche in der Mainzer Augustinerstraße aufgebahrt. An den Folgetagen – ab Mittwoch, 14. März – ist die Seminarkirche jeweils von von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Bis zum Dienstag, 20. März, wird in der Seminarkirche täglich um 12.00 Uhr die Sext gebetet, täglich wird außerdem um 17.00 Uhr von den Mitgliedern des Domkapitels abwechselnd ein Requiem gefeiert. In der Seminarkirche liegt auch ein Kondolenzbuch aus. Am 21. März wird Lehmann dort ab 14.00 Uhr verabschiedet. Von der Seminarkirche wird ein Trauerzug über Augustinerstraße, Leichhof, Schöfferstraße, Höfchen und die Domplätze zum Bischofsportal des Mainzer Doms führen. Dort findet um 15.00 Uhr das Requiem, die Totenmesse für Lehmann, statt. Der verstorbene Mainzer Bischof wird anschließend in der Bischofsgruft des Mainzer Doms beigesetzt. Mehr zu Karl Kardinal Lehmann lest Ihr in diesem Mainz&-Porträt zu seinem Abschied als Mainzer Bischof im Jahr 2016 sowie in diesem Mainz&-Bericht vom Abschied selbst am 16. Mai 2016. Die Bischofsweihe seines Nachfolgers Peter Kohlgraf, die Lehmann vornahm, könnt Ihr hier nachlesen. Mehr Reaktionen zu Lehmanns Tod gibt es gleich hier auf Mainz&.

 

 

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Kardinal Karl Lehmann ist tot

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Die letzte Messe im Mainzer Dom: Kardinal Karl Lehmann beim Gottesdienst zu seinem Abschied als Bischof von Mainz im Mai 2016. - Foto: Screenshot gik

Kardinal Karl Lehmann ist tot. Der Mainzer Alt-Bischof verstarb am Sonntagmorgen in seiner Bischofsresidenz in Mainz an den Folgen eines Schlaganfalls. Mainz trauert – wir trauern auch. Um einen großen Bischof, Brückenbauer, Mahner, Versöhner. Um ein Schlitzohr, einen Intellektuellen und einen Menschenfreund. Mehr gleich hier auf Mainz&.

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Kardinal Lehmann: Bistum bangt um sein Leben, Kräfte schwinden – Bischof Kohlgraf ruft zum Gebet auf

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Da war Lehmann schon schwer angeschlagen... - Foto: gik

Mainz muss wohl bald Abschied von seinem geliebten Alt-Bischof, Kardinal Karl Lehmann, nehmen: Sein Nachfolger, Bischof Peter Kohlgraf, rief die Gläubigen im Bistum am Montag zum Gebet für Lehmann auf. Lehmanns „Kräfte schwinden deutlich, so dass wir in nächster Zeit um sein Leben bangen müssen“, schrieb Kohlgraf in seinem Brief: „Er selbst hat signalisiert, dass er sich nun auf den Weg macht – das letzte Stück seiner irdischen Pilgerreise.“ Lehmann hatte im September 2017 einen Schlaganfall mitsamt einer Hirnblutung erlitten und sich seither in Reha befunden. Bislang hatte es vom Bistum immer geheißen, der Zustand des Kardinals sei stabil, Lehmann erhole sich gut.

Kardinal Karl Lehmann bei der Bischofsweihe von Peter Kohlgraf im August 2017. – Foto: gik

Nun aber teilte Bischof Kohlgraf mit: „Sein Zustand war über Monate hinweg stabil, hat sich aber nicht wirklich zum Besseren gewendet. Nun schwinden seine Kräfte deutlich, so dass wir in nächster Zeit um sein Leben bangen müssen.“ Der Kardinal sei „ruhig und gelassen“, er werde „von den Ordensschwestern und Pflegekräften sehr gut versorgt.“ Doch offenbar fühlt Lehmann seine Zeit für gekommen, die Mainzer müssen sich wohl bald auf eine traurige Nachricht aus dem Bischofshaus gefasst machen.

Lehmann hatte 33 Jahre lang das Bistum Mainz geleitet, durch viele Stürme. Erst an seinem 80. Geburtstag im Mai 2016 hatte er die Leitung des Bistums niedergelegt, schon da war der Kardinal von Krankheit gezeichnet, ging nur noch hinkend und mit Hilfe eines Stocks. Geistig präsentierte sich Lehmann da allerdings noch als hellwacher Beobachter von Gesellschaft und Politik, sein Abschied war voller Feierlichkeit und Humor. „Sie waren ein Glücksfall für unser Land“, würdigte ihn der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).

Ein Jahr später, im August 2017, konnte Lehmann noch persönlich im Mainzer Dom seinen Nachfolger Peter Kohlgraf weihen, doch schon bei dieser Zeremonie konnte der Mainzer Kardinal kaum noch aus eigener Kraft stehen. Nur wenige Wochen später dann erlitt Lehmann den schweren Schlaganfall. Nun scheint sich der von den Mainzer überaus geliebte Kardinal und Alt-Bischof auf seine letzte Reise zu machen. „Begleiten wir ihn mit unseren Gebeten, damit ihm Trost und Vertrauen für dieses Wegstück zuteilwerden“, schrieb Bischof Kohlgraf nun und dankte allen, „wenn wir in diesen Tagen als große Gebetsgemeinschaft im Bistum unseren Kardinal begleiten und mittragen.“

 

 

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5. März: 20 Jahre Bündnis der Bürgerinitiativen gegen Fluglärm – Ryanair baut Basis in Frankfurt weiter aus

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Es waren einfach richtig viele: 100. Montagsdemo - Foto: gik

Seit Tagen dröhnt wieder einmal heftiger Fluglärm über Mainz, da kommt ein Jubiläum gerade Recht: Am kommenden Montag, dem 5. März, wird das Bündnis der Bürgerinitiativen (BBI) gegen Fluglärm rund um den Frankfurter Flughafen 20 Jahre alt. Seit 1998 kämpft das Bündnis gegen den Fluglärm aus Frankfurt, Anlass war der damals gestartete erneute Ausbau des Rhein Main-Airports. Seit der Eröffnung der Landebahn Nordwest organisiert das Bündnis die legendären Montagsdemos am Frankfurter Flughafen, am 5. März wird es die 240. Montagsdemo sein. Und die Aktualität ist weiter hoch: Gerade kündigte Ryanair einen weiteren Ausbau seiner Strecken in Frankfurt an. Die gute Nachricht: Die Billigfluglinie hat ihre Verspätungsflüge nach 23.00 Uhr deutlich reduziert.

Die 100. Montagsdemo am Frankfurter Flughafen im Jahr 2014, organisiert vom Bündnis der Bürgerinitiativen. – Foto: gik

Im November 1997 forderte die Lufthansa erstmals öffentlich den Bau einer weiteren Start- und Landebahn – die Bürger rund um den Flughafen waren alarmiert. Kein weiterer Ausbau des Airports im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet, das war das Versprechen der Politik nach dem Bau der Startbahn West gewesen. „Die Ausbaugegner aus der Zeit des Kampfs gegen den Bau der Startbahn West sowie weitere Initiativen, die sich zwischenzeitlich gegründet hatten, waren alarmiert“, erzählt Thomas Scheffler, Sprecher des BBI. Am 5. März 1998 traf sich in Frankfurt das Forum „Keine Flughafenerweiterung – für ein Nachtflugverbot von 22-06 Uhr“ – an diesem Abend wurde das Bündnis der Bürgerinitiativen (BBI) offiziell gegründet.

Was folgte waren die Planungen für einen weiteren Ausbau, flankiert von dem Mediationsverfahren zwischen 1998 bis Anfang 2000, initiiert vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD). Das BBI-Bündnis sparte nicht an Kritik: Der Ausbau sei doch längst beschlossen, die Mediation solle lediglich Akzeptanz schaffen. „Das Bündnis sollte leider recht behalten“, bilanziert Scheffler. Am 21. Oktober 2011 eröffnete am Frankfurter Flughafen die vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gebaute neue Nordwestlandebahn, für Mainz und Rheinhessen die schlechteste aller Varianten: Die Nordwestlandebahn exportiert einen großen Teil des Lärms nach Rheinhessen, bei Ostwind wurden nun weite Teile des Mainzer Stadtgebiets mit Lärm überzogen.

„Was das Bündnis geleistet hat, ist sicher einmalig“

Plakat des BBI gegen Fluglärm zur 150. Montagsdemo am Frankfurter Flughafen am 28.9.2015. – Foto: BBI

Auch in Mainz gründete sich daraufhin die Initiative gegen Fluglärm, die in den folgenden Jahren zu einem der wichtigsten Akteure der Montagsdemos am Frankfurter Flughafen wurden. Auch diese Montagsdemos waren eine direkte Folge der neuen Landebahn: Am 14. November 2011 trafen sich erstmals einige hundert Bürger der Region im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens, um gegen den horrend gewachsenen Fluglärm in der Region zu protestieren – und tun es seither an jedem  Montag außerhalb der Schulferien. Die 250. Montagsdemo am kommenden 5. März 2018 markiert eine beispiellose Protestgeschichte in der Bundesrepublik.

Mit den Montagsdemos habe „der Protest eine neue Dimension“ erreicht, sagt Scheffler, immer neue Initiativen gegen Fluglärm wurden gegründet und schlossen sich dem Bündnis an. Der Einzugsbereich reiche heute von Rheinhessen über Mainz und Frankfurt bis zum Bayerischen Untermain, von Darmstadt bis in den Taunus. Im November 2000 hatte es das Bündnis geschafft, die Bürgerinitiativen im Rhein-Main Gebiet zu vereinen. Ein wichtiger Grundsatz: Lärmverschiebungen zu Ungunsten anderer Kommunen werden strikt abgelehnt, das St.-Florians-Prinzip außer Kraft gesetzt – das Resultat war eine neue Einigkeit und Geschlossenheit, wie sie die Politik vorher nicht als Gegner kannte.

Stärken des BBI seien „seine Unabhängigkeit, sein Selbstbewusstsein und seine Toleranz“, sagt Scheffler. So sei es gelungen, dass sich Initiativen mit teilweise gegensätzlichen Interessen zusammen fanden und auf gemeinsame Ziele verständigten. Das Bündnis sei zudem überparteilich und werde allein von ehrenamtlicher Arbeit getragen, betont Scheffler: „Was das Bündnis der Bürgerinitiativen in den letzten Jahren geleistet hat, ist sicherlich einmalig.“

Bis heute meldet sich das Bündnis regelmäßig zu politischen Entwicklungen in Sachen Fluglärm zu Wort. Monatliche Delegiertenversammlungen bringen die Mitglieder auf den neuesten Stand,und gemeinsame Aktionen sowie Stellungnahmen werden dort verabredet. Das BBI ist Mitglied in der „Bundesvereinigung gegen Fluglärm e.V.“, der europaweiten „Uecna European Union against Aircraft Nuisances“ und dem „Berliner Manifest“, einem bundesweiten Zusammenschluss von Initiativen an Flughafenstandorten.

Rößner gratuliert Bündnis für „unermüdlichen Kampf“

Geheimnis des Erfolges: Gemeinsam kämpfen, nicht spalten lassen. Plakat des BBI zur 100. Montagsdemo im Jahr 2014. – Plakat: BBI

Auch in der Politik hat sich das BBI inzwischen hohe Respekt erworben, zur 200. Montagsdemo gaben sich gar Politikgrößen aus Stadt, Land und auch aus Rheinland-Pfalz am Flughafen die Ehre – und verneigte sich vor der Ausdauer der Protestanten. Die Mainzer Bundestagsabgeordnete Tabea Rössner (Grüne) gratulierte und dankte im Vorfeld des Jubiläums allen beteiligten Initiativen und AktivistInnen „für das unerschöpfliche Durchhaltevermögen und den unermüdlichen Einsatz in den vergangenen 20 Jahren.“ Ohne die Anti-Fluglärm-Kämpfer „sähe es heute vermutlich noch viel düsterer aus“, sagte Rößner. Sie wünsche den Aktiven, „auch in Anbetracht der immer wieder herben Rückschläge, nicht ihren Mut und die Hoffnung auf die Wiedergewinnung der Lebensqualität in der Region zu verlieren.“

Trotz Jubiläums, so Rößner weiter, „dürfte den beteiligten Bürgerinitiativen und Fluglärmbetroffenen im Rhein-Main Gebiet wohl kaum zum Feiern zumute sein: Denn 20 Jahre später hat sich die Situation der Fluglärmbetroffenen im Großraum Frankfurt nicht verbessert.“ Die Lärmbelastung habe massiv zugenommen, mit dem Bau des neuen Terminals 3 und der Ausrichtung auf Billigflieger werde „ein weiterer erheblicher Zuwachs des Fluggastaufkommens und damit eine Steigerung des Lärmaufkommens erwartet.“

Ryanair verringert Verspätungsflüge nach 23.00 Uhr

Besonders der irischen Fluglinie Ryanair werfen Fluglärm-Gegner eine rücksichtslose Politik vor, hatte Ryanair doch in den ersten Monaten seines Betriebs in Frankfurt in erheblichem Ausmaß das Nachtflugverbot gebrochen: Bis zu 35 Landungen der Iren gingen im November und Dezember 2017 verspätet nach 23.00 Uhr ein. Rechtzeitig zum 20. Jubiläum des BBI meldete nun der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) Verbesserung: Die Zahl der verspäteten Landungen von Ryanair sei im Februar auf ganz neun gesunken, das sei ein Rückgang von über zwei Drittel. Der Druck der Politik wirke offenbar, sagte Al-Wazir: „Die Botschaft kam offenkundig an: Wer in Frankfurt starten und landen will, der hat sich an die geltenden Nachtflugregeln zu halten. Darauf werden wir auch weiterhin akribisch achten.“

Allerdings war Ryanair laut des hessischen Verkehrsministeriums immer noch für 35 Prozent der verspäteten Landungen in Frankfurt verantwortlich, im Januar waren es noch 70 Prozent gewesen. Ryanair baut unterdessen seine Basis am Frankfurter Airport immer weiter aus: Am 26. Februar startete eine neue Strecke nach Dublin und will zum 25. März weitere vier Strecken (Porto, Venedig Treviso, Valencia und Zadar) vom Hunsrück-Flughafen Hahn nach Frankfurt Rhein-Main verlegen.

Kreativer Protest gegen Fluglärm bei einer Montagsdemo. – Foto: gik

 

50 Abgeordnete gründen Parlamentskreis Fluglärm im Bundestag

In Berlin gründeten unterdessen drei Bundestagsabgeordnete aus der Region den „Parlamentskreis Fluglärm“: Rund 50 aus CDU, SPD, Grünen, Linken, FDP und AfD wollen darin zusammenarbeiten, um Bürger besser vor Fluglärm zu schützen. Initiiert wurde der Parlamentskreis von den Mainzer Abgeordneten Ursula Groden-Kranich (CDU) und Tabea Rössner (Grüne), sowie von der Frankfurterin Ulli Nissen (SPD). „Dass rund 50 Abgeordnete aus allen Parteien an unserem Parlamentskreis mitwirken möchten, zeigt, welch große Bedeutung das Thema Fluglärm hat“, betont Groden-Kranich.

Rößner sagte, sie sei „überwältigt“ von der großen Teilnahme: „Lärm nimmt zu und belastet immer mehr Menschen“, betonte sie. Der Kreis hoffe, Lösungen gemeinsam auf den Weg zu bringen und den Druck auf die Bundesregierung deutlich erhöhen zu können. Der Parlamentskreis will auch Ansprechpartner für Bürgerinitiativen sein, Hauptziel ist es, ein Eckpunktepapier zur Reduzierung des Fluglärms zu entwickeln.

Info& auf Mainz&: Am 5. März 2018 begeht das Bündnis der Bürgerinitiativen gegen Fluglärm rund um den Frankfurter Flughafen sein 20-jähriges Bestehen. Auf der 240. Montagsdemonstration ab 18.00 Uhr im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens soll Gründungsmitglied Martin Kessel sprechen. Die Bürgerinitiative gegen Fluglärm in Mainz-Lerchenberg weist übrigens aus aktuellem Anlass darauf hin: Gegen den Fluglärm kann man sich beschweren – und zwar auf der Internetseite http://www.dfld.de/, das ist der Deutsche Fluglärmdienst. „Unter „Messwerte im Raum Frankfurt/M.“ finden Sie unsere Fluglärmmessstation Mainz/ Lerchenberg***. Sie finden Hilfe unter: Wie erstelle ich eine Fluglärm-Beschwerde?“, informiert die BI. „Jede Beschwerde signalisiert den Verantwortlichen unsere Wahrnehmung der Belastung und unseren Unmut darüber.“ Das BBI gegen Fluglärm findet Ihr hier im Internet.

 

 

 

 

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Wildschweinjagd am Samstag auf dem Mombacher Waldfriedhof – Friedhof am 3. März bis 14.00 Uhr gesperrt

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Seit Ende 2017 treiben Wildschweine auf dem Mombacher Waldfriedhof ihr Unwesen. Die Tiere pflügten auf der Suche nach Futter ganze Felder um und beschädigten Rasenflächen – nun hat der Wirtschaftsbetrieb der Stadt Mainz die Nase voll: Kommenden Samstag, den 3. März, soll nun eine Wildschweinjagd auf dem Mombacher Waldfriedhof dem ein Ende setzen. Der Friedhof bleibt deshalb bis 14.00 Uhr geschlossen, alle Eingänge werden überwacht, damit sich niemand versehentlich in die Jagd verirrt.

Wildschweine verwüsten seit Ende 2017 den Mombacher Waldfriedhof, nun soll eine Jagd helfen. – Foto: Wikimedia/Wirtschaftsbetrieb Mainz

Das Problem bestehe vermehrt seit Ende 2017, sagte Sprecher Christian Schulze gegenüber Mainz&. Seither habe man versucht, das Problem durch einen Jäger zu lösen, der nachts im Einsatz gewesen sei. Das habe aber leider nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Deshalb habe sich der Wirtschaftsbetrieb nun entschieden, eine sogenannte Drückjagd durchzuführen. Dabei werden die Wildschweine ähnlich wie bei einer Treibjagd durch Treiber aufgestört und auf die Jäger zugetrieben, im Einsatz werden am Samstag zwei Jäger sein, erfuhr Mainz&. Die Jagd soll in den Morgenstunden stattfinden, das Gelände werde vor Beginn noch einmal komplett abgelaufen, um sicher zu stellen, dass sich wirklich niemand auf dem Friedhof befinde.

„Um den Terminplan für Beisetzungen auf dem größten Mainzer Friedhof unter der Woche nicht einzuschränken haben wir uns bewusst für einen Samstag entschieden“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Wirtschaftsbetriebs Jeanette Wetterling. Mit der Wildschweinjagd hofft der Wirtschaftsbetrieb das Problem reduzieren zu können. Probleme mit Wildschweinen gibt es in Mombach schon länger, und Mainz ist da beileibe kein Einzelfall: In Wiesbaden sorgte im August 2017 ein Wildschwein für Aufregung, das mitten durch die Innenstadt spazierte und schließlich erschossen werden musste. Experten warnen schon länger vor einer erheblichen Ausbreitung der Wildschweine, die immer öfter in Ortschaften herumspazieren, für Menschen aber gefährlich werden können. Derzeit wird zudem vermehrt ein Abschuss von Wildschweinen gefordert, weil über sie ein Einschleppen der Afrikanischen Schweinepest befürchtet wird.

Ob die Drückjagd auf dem Mombacher Waldfriedhof am Samstag das Wildschweinproblem löst, ist unklar. Deshalb werde sich in den kommenden Wochen der Jäger auch weiter nachts auf die Lauer legen, teilte der Wirtschaftsbetrieb mit. Deshalb ist: außerhalb der Öffnungszeiten zwischen 17.00 und 08.00 Uhr der Zutritt auf den Friedhof strengstens verboten.

Info& auf Mainz&: Wildschweinjagd am Samstag, den 3. März 2018 auf dem Mombacher Waldfriedhof, der Friedhof ist deshalb bis 14.00 Uhr gesperrt. Auch in den Wochen danach ist der Zutritt zum Friedhof zwischen 17.00 und 08.00 Uhr untersagt – dann liegt ein Jäger auf der Lauer, um weitere Wildschweine zu schießen.

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„Dieselfahrverbote sind jetzt ein Muss, kein Kann – Debatte geht weiter – Ließ Baustelle Bahnhofstraße Stickoxid-Werte sinken?

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Einen Tag nach dem Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts zu Dieselfahrverboten in deutschen Städten hat die Diskussion über das Problem Verkehr erst so richtig begonnen. Während der Großteil der Politik gebetsmühlenartig betonte, Diesel-Fahrverbote ließen sich noch vermeiden, sprach der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, von einer „schallenden Ohrfeige für mehrjährigen Rechtsbruch“ und versprach: „Diesel-Fahrverbote kommen noch in diesem Jahr in hochbelasteten Städten für alle Diesel bis einschließlich Euro 4.“ Auch die ÖDP unterstrich, mit dem Leipziger Urteil seien Diesel-Fahrverbote kein „Kann“ mehr, sondern ein „Muss“ – und warf der Mainzer Stadtspitze „Realitätsverlust“ vor. Tatsächlich werten Experten das Leipziger Urteil lediglich als Anfang einer grundlegenden Verkehrswende: Nicht nur Diesel-Fahrzeuge, auch Benziner würden damit künftig Fahrverbote drohen, Deutschland müsse sich grundlegend neu orientieren.

Dicke Luft in deutschen Städten – die Leipziger Richter ließen am Dienstag Fahrverbote dagegen zu. – Foto: Stadt Mainz

Tatsächlich hatten die Leipziger Richter in ihrem Urteilsspruch – das nun endlich auf der Homepage einsehbar war – explizit auch Benzinmotoren erwähnt: Der Beklagte habe „ein ganzjähriges Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart in Betracht zu ziehen“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Das verpflichtete Städte mit hohen Stickoxidüberschreitungen, genau diese „so kurz wie möglich“ zu halten, und wenn dazu Fahrverbote die einzige wirksame Möglichkeit sei, „sind diese in Betracht zu ziehen“, heißt es weiter.

„Fahrverbote sind nun ein Muss, kein Kann“

Damit aber gebe das Gericht der DUH in vollem Umfang Recht, die derzeit Fahrverbote gegen Städte einklage – auch gegen Mainz, betonte der Mainzer ÖDP-Chef Claudius Moseler, der hinzufügte, er sei „fassungslos“ ob der Reaktion von Oberbürgermeister Ebling (SPD) auf das Gerichtsurteil: Wie könne man denn immer noch propagieren, ein Fahrverbot könne für Mainz verhindert werden, kritisierte Moseler. Nach diesem Gerichtsurteil seien Fahrverbote „kein „Kann“ sondern ein „Muss“, wenn die Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte kurzfristig nicht anders erreicht werden könne – „und genau das ist in Mainz seit Jahren der Fall“, sagte Moseler.

Der von der EU festgelegte Jahresgrenzwert von 40 Mykrogramm pro Kubikmeter werde in Mainz nach wie vor deutlich überschritten. Daran habe auch die Mainzelbahn bislang nichts geändert und eine echte Verkehrswende für unsere Stadt ziehe die Stadtspitze erst gar nicht in Betracht, kritisierte Moseler: „Eblings Vorschläge sind nur halbherziges Flickwerk.“

Die Baustelle in der Bahnhofstraße sehen Experten vom Landesumweltamt als mögliche Hauptursache für die gesunkenen Stickoxidwerte in der Mainzer Parcusstraße. – Foto: gik

Mainz überschreitet seit Jahren den Grenzwert von 40 Mykrogramm pro Kubikmeter Luft deutlich, 2017 waren die Werte allerdings von zuletzt 52 Mykrogramm in der Parcusstraße  auf 48 Mykrogramm gesunken. Fachleute sehen darin allerdings keine Entlastung: Die Werte seien „konstant hoch“, die leichte Absenkung der Messwerte im Jahr 2017 „bewerten wir im Moment noch sehr vorsichtig“, sagte Michael Weißenmayer, zuständiger Leiter für Luftreinhaltung und Messsysteme beim Landesamt für Umwelt in Mainz Anfang Februar gegenüber Mainz&: „Wir führen die Senkungen vor allem auf meteorologische Effekte zurück.“

Experten: Baustelle Bahnhofstraße ließ womöglich Messwerte sinken

Im Sommer 2017 hatte es enorm viel geregnet, das Wasser sorgte für eine Gereinigte und damit bessere Luft – ein Effekt, der sich bei trockenem Wetter sofort wieder verflüchtigen würde. Dass die Stickoxid-Werte in der Parcusstraße um fünf Mykrogramm gesunken waren, führen die Experten des Landesamtes auf eine andere Ursache zurück: Die monatelange Großbaustelle in der Bahnhofstraße könne dafür gesorgt haben, analysierten sie, weil die den hier sonst ausgesprochen starken Busverkehr stark reduziert habe. „Wir können uns schon vorstellen, dass der Busverkehr zwei Gramm Absenkung ausmachen kann, können das aber erst zu einem späteren Zeitpunkt bestätigen“, sagte Weißenmeyer.

Bei der Stadt Mainz heißt es dagegen immer wieder, die Mainzelbahn habe zur Absenkung der Werte beigetragen, Experten halten das aber für unwahrscheinlich: Die Mainzelbahn fahre erst seit viel zu kurzer Zeit, das könne die Senkung noch nicht bewirkt haben. „Der Verkehrsbereich hat seit 1990 eine Erhöhung der Emissionen zu verzeichnen“, sagte die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (SPD), und das gelte selbst für Städte wie Mainz, die auf Fahrradverkehr und saubere Verkehrsmittel wie Straßenbahnen setzten.

E-Autos fördern sehen Experten als wichtigen Baustein zur Verbesserung der Luft in den Städten. – Foto: gik

Die bisherigen Maßnahmen seien weitgehend wirkungslos geblieben, sagte auch Axel Welge, Hauptreferent beim Deutschen Städtetag, auf demselben Symposium: Umweltzonen, dynamische Verkehrssteuerung und Parkraummanagement sowie die Förderung von ÖPNV und Radverkehr seien Maßnahmen, die jetzt schon in den Luftreinhalteplänen der Kommunen stünden, sagt Welge. Genützt habe es bislang wenig.

Übergangsfristen eröffnen Städten Handlungsspielräume

Mögliche Maßnahmen für die Städte, Dieselfahrverbote noch abzuwenden, seien etwa Lkw-Durchfahrtsverbote oder die grundlegende Förderung der Elektromobilität. Der Haken dabei: Die meisten Maßnahmen wirken nicht schnell genug. „Die Richter wollen sehen, dass schnell Bewegung reinkommt“, sagt Welge. Eine Möglichkeit, die Gerichte zu beeindrucken sei deshalb die Nachrüstung aller kommunaler Fahrzeugflotten. Elektroautos aber müsse man auch erst einmal bekommen, derzeit liefere kein einziger deutscher Hersteller Elektrobusse, sagte Mang. Taxen wiederum dürfe der Staat nicht die Nutzung emissionsfreier Fahrzeuge vorschreiben, Lkw-Durchfahrtverbote wiederum scheiterten oft daran, dass es schlicht keine geeignete Ausweichstrecke gebe.

„Jeder weiß, dass die streckenbezogenen Dieselfahrverbote rechtens sein werden“, sagte auch die Referentin für Immissionsschutz im Hessischen Umweltministerium, Marita Mang, auf eben jenem Symposium – und die Städte hätten kaum eine wirksame Maßnahme, Fahrverbote abzuwenden. Wirklich helfen würde nach Einschätzung von Mang und Welge eine Hardware-Nachrüstung der stinkenden Dieselfahrzeuge durch die Automobilindustrie. Noch immer aber scheut sich die Bundespolitik, wirksamen Druck auf die Autoindustrie auszuüben. Bliebe als schnellste Maßnahme die Einführung einer blauen Plakette für dreckige Dieselfahrzeuge. „Dafür bräuchten wir erst einmal eine Bundesregierung“, seufzte Mang.

Lichtblick für die betroffenen Städte: Das Leipziger Gericht verfügte auch Übergangsfristen. Stuttgart etwa dürfe in einem ersten Schritt sofort nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) aussperren. „Zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit dürfen Euro-5-Fahrzeuge jedenfalls nicht vor dem 1. September 2019 mit Verkehrsverboten belegt werden“, heißt es weiter. Auf dieses Zeitfenster setzen die Städte nun ihre Hoffnung – in Mainz hat das Verwaltungsgericht sein Urteil in Sachen Diesel-Fahrverbote nur aufgeschoben, bis das Leipziger Urteil getroffen wurde. Nun rechnet die Stadt mit einem Richterspruch im Sommer – und kündigte deshalb eilends am Dienstag an, den Luftreinhalteplan erneut überarbeiten und die Dieselbusflotte bereits bis Ende 2018 auf Euro 6-Norm-Standard hieven zu wollen. Der Wettlauf um das Beeindrucken der Richter hat begonnen.

ÖDP und Freie Wähler: Handeln statt Klagen, Realität akzeptieren

Fahrverbote würden massiv die Wirtschaft treffen, auch wenn das Gericht Ausnahmen etwa für Handwerker vorschrieb. – Foto: gik

Dem OB werde vielleicht schon im Sommer keine Wahl mehr bleiben, ob er Fahrverbote für Mainz ausspreche oder nicht, unkte daher Moseler. „Statt weiter die Augen vor der Realität zu verschließen und stur die Hände in den Schoß zu legen, ist es an der Zeit, Mainz auf das vorzubereiten, was nun unausweichlich kommt“, forderte er. Auch die Freien Wähler warfen Ebling „Wehleidigkeit“ und „Klagen“ vor: „Anstatt klare Ansagen zu machen, zeigt Ebling immer wieder wehleidig auf den Bund“, kritisierte FWG-Fraktionschef Kurt Mehler. Mit dieser „Larmoyanz“ sei den Mainzern aber nicht geholfen, nun seien Taten gefragt. Immer wieder habe der Stadtrat mit der Mehrheit der Ampel-Koalition Anträger der Opposition für einen Masterplan Mobilität, für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos und zur Installierung von E-Tankstellen im Stadtgebiet abgelehnt und abgeschmettert. Auch den ÖPNV hätte die Stadt längst attraktiver machen können, alle solche Vorschläge seien aber immer wieder „als überflüssig abgetan oder auf die lange Bank geschoben“ worden, kritisierte Mehler: „So funktioniert die Problembewältigung sicher nicht, es wird Zeit, endlich einmal auch in Mainz einen Anfang zu machen.“

Die SPD betonte, man habe ja schon in den vergangenen Jahren Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffe wie die Einführung einer Umweltzone, die Mainzelbahn oder die kommende Umstellung des ÖPNV auf Brennstoffzellenbusse unternommen. Nun gelte es, weitere Maßnahmen umzusetzen, etwa die Citybahn oder auch Konzepte zur Elektromobilität, sagte die SPD-Verkehrsexpertin Christine Pohl. „Mit diesen und anderen Maßnahmen hoffen wir, die Grenzwerte für saubere Luft zukünftig auch ohne Fahrverbote in Mainz einhalten zu können“, fügte sie hinzu.

Umweltvorteile von E-Autos nach Angaben der Energieagentur Rheinland-Pfalz. – Foto: gik

Auch die CDU-Opposition verwies darauf, dass in Mainz schon viel geschehen sei, um die Situation zu verbessern, man spreche sich deshalb „klar gegen Fahrverbote aus“, sagte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster. Nützen wird das der Politik nichts: Fahrverbote, sagte ein Experte noch, „verhängen nicht die Politiker – sondern die Gerichte.“

Experten: Dieselautos sofort mit Hardware umrüsten, Busse auf E-Mobilität umstellen

Die Experten vom Landesumweltamt sehen hingegen durchaus Handlungsoptionen, allerdings der eher drastischen Art: „Wir sehen ein Minderungspotenzial von 20 Mykrogramm bei den Stickoxiden“, sagte Weißenmeyer: „Wenn wir sofort den Verkehr abstellen würden.“ Das sei natürlich keine realistische Option, sagte der Experte weiter, zeige aber die Dimension. Eine dauerhafte Senkung der Werte könne nur gelingen, indem man Autos mit Katalysatoren und Harnstoffreinigern ausstatte. Auch eine Umstellung der Busflotte auf Elektroantriebe würde sich sofort auswirken: „Das würden sie an den Messwerten sofort sehen“, sagte Weißenmeyer: In der Mainzer Parcusstraße ließen sich damit die Stickoxidwerte um etwa zehn Mykrogramm senken.

Die DUH übrigens wertete das Leipziger Urteil als großen Erfolg für die Bürger im Land und ihre Gesundheit: „Heute ist ein großer Tag für ,Saubere Luft‘ in Deutschland“, sagte Resch. Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse sich nun „endlich aus dem Würgegriff der Autokonzerne befreien und eine Politik für die unter Dieselabgasgift leidenden Menschen und die neun Millionen betrogenen Käufer von Euro 5+6 Diesel-Pkw machen.“ Resch betonte zudem, die „kluge und mutige Entscheidung der Richter schafft auch Klarheit für die betroffenen Diesel-Fahrer. Sie können nun die Rückabwicklung des Kaufvertrags oder aber die technische Nachrüstung ihres Fahrzeugs mit einer technisch funktionierenden Abgasreinigung zu allen Jahreszeiten einfordern.“

 

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