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Tagesarchive: 15. April 2018

Mainzer sagen Nein zum Bibelturm – 77,3 Prozent Mainzer stimmten gegen den Bau am Gutenberg-Museum – Neu: Endergebnis

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Die Mainzer sagen Nein zum Bibelturm: Die Bürger der Stadt haben am Sonntag mit großer Mehrheit den Bibelturm am Gutenberg-Museum abgelehnt. Beim ersten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt Mainz stimmten am Sonntag 77,3 Prozent gegen den modernen Turm in unmittelbarer Nähe des Doms. 22,7 Prozent sagten Ja zu dem Projekt. Insgesamt waren rund 161.200 Mainzer aufgerufen, über das umstrittene Bauprojekt abzustimmen. 49.663 Mainzer sagten Nein, nur 14.555 Ja. Die Wahlbeteiligung gilt mit rund 40 Prozent als hoch für ein Bürgerbegehren, das notwendige Quorum von 15 Prozent für eine Richtung wurde erreicht.

Bibelturm oder nicht Bibelturm, das war die Frage beim ersten Bürgerentscheid in der Geschichte von Mainz. Die Mainzer sagten Nein. – Fotomontage: gik

Damit fällt das Nein zum Bibelturm ungewöhnlich deutlich aus. Das Thema bewegte die Gemüter über Wochen hinweg und spaltete stellenweise die Stadt tief, rund 161.200 Wahlberechtigte waren zur Abstimmung aufgerufen, bereits im Vorfeld hatten mehr als 26.000 Mainzer Briefwahlunterlagen angefordert. Für die Gültigkeit des Bürgerbegehrens war es nötig, dass sich 15 Prozent der Abstimmungsberechtigten für Ja oder für Nein entschieden, das waren rund 24.000 Stimmen. Das Ergebnis von 77,3 Prozent gegen den Turm wurde am Abend prompt als Ohrfeige für die Stadtspitze gewertet, die Bürgerinitiative „Mainz pro Gutenberg“, die für den Turm geworben hatte, sprach gar von einem „Versagen“ und „Scheitern“ von Ebling persönlich.

Der Sprecher der BI „Mainz für Gutenberg“, Henning von Vieregge, warf der Stadtverwaltung „bodenlosen Leichtsinn“ und Oberbürgermeister Ebling gar persönliches „Versagen“ vor. „Ich habe nicht gemerkt, dass der OB um den Turm kämpft“, sagte Vieregge und konfrontierte Ebling in der Pressekonferenz mit den Worten: „Sie sind gescheitert, dies ist ein Tiefpunkt in ihrer sonst sehr erfolgreichen Karriere.“

Diesen Bibelturm an dieser Stelle auf dem Liebfrauenplatz wollten die Mainzer nicht. – Foto: gik

An diesen Bibelturm sei „alles gehängt worden, was die Mainzer an Kritik an der Stadtpolitik haben“, sagte Vieregge „und ich sage Ihnen, jeder Mainzer hatte drei Punkte. „Die Stadt habe hingegen, als sie gemerkt habe, dass es Gegenwehr gegen den Turm gibt, eben „kein Konzept entwickelt“ und sei nicht auf die Bürger zugegangen, kritisierte Vieregge: „Hat man miteinander geredet, hat die Stadt Pläne entwickelt, bevor sie beschlossen hat, das Marktfrühstück und den Bibelturm dorthin zu legen? Ist das geschehen? Nein!“ Einen Bürgerentscheid zu machen, „und nicht jedem Bürger eine Informationsbroschüre ins Haus zu schicken, ist ein Unding“, fügte Vieregge hinzu. Mainz& hatte am Samstag berichtet, dass die Informationsbroschüre offenbar nicht jeden Haushalt der Stadt erreicht hatte.

Auch der zweite Sprecher der BI, Johannes Strugalla, äußerte sich tief enttäuscht: Die Ablehnung verhindere die Entwicklung des Gutenberg-Museums „auf lange Zeit“, der Bürgerentscheid sei „zu spät gekommen“. Auch wegen des „verspäteten Informationsflusses der Stadt“ sei es für die Befürworter nicht zu schaffen gewesen, „mit Vernunft und guten Argumenten“ für den Turm zu überzeugen, sagte Strugalla: „Die Diskussion hätte früher stattfinden müssen“, der Bürgerentscheid sei zu spät gekommen.

Viele Mainzer Prominente positionierten sich klar gegen den Bibelturm. – Foto: gik

Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum, die mit ihren 13.500 Unterschriften gegen den Turm das Bürgerbegehren ausgelöst hatte, begrüßte das Ergebnis: „Viele Bürger waren mit dieser Planung, egal aus welchem Grund, nicht einverstanden“, sagte BI-Sprecher Nino Haase. Das Ergebnis zeige, „dass man die Bürger bei solchen Projekten früher ins Boot holen muss.“

„Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben“, sagte der Gründer der BI, Thomas Mann, dieser Zeitung. „Wir haben vor zwei Jahren gefordert, die Mainzer zu beteiligen, jetzt wurden sie gefragt“, sagte Mann weiter, das sei ein Erfolg auch für die Stadt. „Wir haben das Gutenberg-Museum extrem in den Mittelpunkt gerückt“, betonte Haase, „wenn wir dieses Momentum weiter nutzen, kann das dem Museum nur etwas bringen.“

Mit den nun erreichten 77,3 Prozent Nein-Stimmen fiel die Entscheidung eindeutiger aus als erwartet: Die Mainzer wollen den modernen, 20,50 Meter hohen Turm direkt neben dem Römischen Kaiser nicht. Der „Bibelturm“ genannte Solitär war in einem Architektenwettbewerb Anfang 2017 von einer Expertenjury als Sieger ermittelt worden. Die Stadt wollte damit dem Gutenberg-Museum mit den weltberühmten Gutenberg-Bibeln zu mehr Aufmerksamkeit und mehr Sichtbarkeit verhelfen und eine „Schatzkammer“ schaffen. Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) schwärmte von einem neuen „Ausrufezeichen“ und „Wahrzeichen“ für Mainz, die Gutenberg-Bibeln könnten endlich in einer angemessen Umgebung gewürdigt werden und wie in einer „Schatzkammer“ gezeigt werden.

Das offizielle Ergebnis des Bürgerentscheids zum Bibelturm. – Foto: gik, Grafik: Stadt Mainz

Die Kritiker sahen hingegen in dem Turm eine moderne „Monstrosität“, die das historische Ensemble am Liebfrauenplatz zerstören und mit seiner gerade zwölf mal zwölf Meter kleinen Grundfläche gar nicht genug Ausstellungsfläche für das Museum schaffen würde. Mehr Raum für das Gutenberg-Museum sei aber dringend nötig: Das in den 1960er Jahren erbaute Haupthaus ist marode und dringend sanierungsbedürftig, genau dafür stellte die Stadt in ihrem Haushalt rund sechs Millionen Euro bereit. Übrig sind davon rund fünf Millionen Euro, die aber sollen nach Aussage Grosses für alle Kosten reichen – inklusive Mehrwertsteuer und Architektenhonorar. Die Architekten hätten „unterschrieben, dass das Geld reicht“, betonte Grosse wieder und wieder, eine Finanzplanung veröffentlichte die Stadt aber erst wenige Tage vor dem Bürgerentscheid.

Vor allem die Finanzierung des Vorhabens sorgte bei den Mainzer für viel Kritik und am Ende wohl auch für die massive Ablehnung: Von den fünf Millionen Euro blieben gerade einmal 3,9 Millionen Euro für die echten Baukosten übrig, rechnete die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum vor, das reiche nie im Leben für umfangreiche Ausschachtungen, eine notwendige „Bauwanne“ im Boden gegen das Rheingrundwasser sowie den Turm selbst mitsamt der versprochenen bronzenen Fassade.

Bibelturm-Kritiker Johannes Gerster hat angeboten, seine Kontakte und Expertise für ein neues Konzept des Gutenberg-Museums samt Finanzierung durch Bund und Land einzubringen. – Foto: gik

Ebling plädierte am Abend für Gelassenheit: Die Abstimmung sei „keine Richtungsentscheidung“ über Strategie und Visionen der Stadt, „sondern eine Sachentscheidung“, betonte er. Das Bürgerbegehren sei ein Stück direkte Demokratie, das sei „nichts falsches.“ Positiv sei doch: „Wir haben den Stillstand rund um das Museum aufgebrochen und erreicht, dass an jedem Mainzer Küchentisch über Gutenberg geredet worden ist.“ Das Museum werde in Zukunft „die Unterstützung von Bund und Land brauchen“, sagte Ebling und fügte hinzu: „An Rücktritt hat heute Abend garantiert niemand gedacht.“ Baudezernentin Grosse sagte lediglich, das Ergebnis sei eindeutig ausgefallen und werde natürlich akzeptiert.

Wie es nun weitergeht, ist unklar, klar ist lediglich, dass der Turm nicht gebaut wird. Baudezernentin Grosse hatte schon vor dem Ausgang des Votums gesagt, sollten die Mainzer mehrheitlich mit Nein stimmen, „dann werden wir anfangen, die Sanierungsmaßnahmen im Schellbau für die verbleibenden Millionen anzugehen.“ Oberbürgermeister Ebling hatte schon vor Wochen gesagt: Dann werde sich der Stadtrat neu mit dem Thema befassen müssen.

„Im Falle eines Nein zum Bibelturm würde man sich zusammensetzen und weiter an Konzepten arbeiten“, sagte Nino Haase von der BI Gutenberg-Museum, „da haben wir schon Signale aus der Ampel-Fraktion.“ Unterkellerung, Öffnung zur Rote Kopf-Gasse – es gebe zahlreiche Möglichkeiten für ein weiter entwickeltes Konzept. Fest steht: Im Zuge der Debatte ist eine enorme Dynamik entstanden – zugunsten des Gutenberg-Museums und seiner Aufwertung. Dass die Debatte zum Bibelturm vorbei ist, ist deshalb nicht zu erwarten. Auch Strugalla mahnte, das Ergebnis dürfe „jetzt nicht Stillstand bedeuten“: „Stadt und Rat sind aufgerufen, einen Weg aus dem Scherbenhaufen zu bahnen“, sagte Strugalla, „wir sind bereit daran mitzuarbeiten.“

Der frühere Mainzer Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster (CDU) hat vorgeschlagen, ein großes Konzept für das Museum neu zu entwickeln und zur Finanzierung Bund und Land ins Boot zu holen. Daran werde er auch gerne mitarbeiten, sagte Gerster – der frühere CDU-Landeschef hatte schon mitgeholfen, das Mainzer Römerschiffmuseum zu realisieren, mit Hilfe von Millionen vom Bund.

Info& auf Mainz&: War das Ergebnis des Bürgerentscheids überraschend oder war es vorhersehbar? Wir empfehlen Euch dazu einfach mal unseren Artikel vom 6. April 2016, also von vor zwei Jahren: Fragt die Mainzer. Damals haben wir dies kommentiert:

„Und so stellt sich die Frage: Für wen plant Architektur? Für wen wird hier eigentlich gebaut? Muss sich Architektur nicht auch mit den Menschen auseinandersetzen, die ihre Bauten täglich sehen und benutzen sollen? Die Mainzer stellen diese Fragen jedenfalls zunehmend – wer sie nicht beantwortet, wird für weiteren Politikerfrust, Entfremdung und Ablehnung sorgen.

Deshalb lautet unser Plädoyer bei Mainz& – wie schon so oft: Fragt die Mainzer! Redet mit Euren Bürgern! Erkundet ihren Willen! Verschanzt Euch nicht hinter angeblichen Star-Architekten, deren Entwürfen schon seit Langem das Menschliche, Warme, kurz: das Leben fehlt! Man kann übrigens Wettbewerbe auch neu starten, wenn die Ergebnisse nicht vernünftig zum Umfeld passen…

Und schiebt nicht die Entscheidung ab auf ehrenamtlich arbeitende Stadträte als „Volksvertreter“, die schließlich auch Fraktionszwängen und Parteidisziplin unterliegen. Verdammt Eure Bürger nicht dazu, fünf Jahre untätig zuzusehen, was mit ihrer Stadt passiert! Das ist einer modernen, lebendigen Demokratie unwürdig – die Quittung dafür gibt es unter Garantie bei den nächsten Wahlen.“

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EILT: Mainzer sagen Nein zum Bibelturm – 77 Prozent stimmen gegen den Turm

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Die Mainzer sagen Nein zum Bibelturm: Die Bürger der Stadt haben am Sonntag mit großer Mehrheit den Bibelturm am Gutenberg-Museum abgelehnt. Beim ersten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt Mainz stimmten am Sonntag rund 77 Prozent abgegebene Stimmen aller Wahlberechtigten gegen den modernen Turm in unmittelbarer Nähe des Doms. 22,3 Prozent sagten hingegen Ja zum Turm. Dieses Ergebnis verkündete Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Sonntag nach der Auszählung von 43 von 55 Stimmbezirken. Das könne sich in dieser Eindneutigkeit nicht mehr ändern, betonte Ebling.

Die Wahlbeteiligung bei dem Bürgerbegehren war hoch, das Quorum wurde erreicht. Das Thema bewegte die Gemüter über Wochen hinweg und spaltete stellenweise die Stadt tief, rund 161.200 Wahlberechtigten waren zur Abstimmung aufgerufen, bereits im Vorfeld hatten mehr als 26.000 Mainzer Briefwahlunterlagen angefordert. Für die Gültigkeit des Bürgerbegehrens war es nötig, dass sich 15 Prozent der Abstimmungsberechtigten für Ja oder für Nein entschieden, das waren rund 24.000 Stimmen. Mehr dazu gleich auf Mainz&.

 

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Mainzer stimmen über Bibelturm ab – Entscheidung beim ersten Bürgerentscheid der Stadt wird mit Spannung erwartet – Was passiert bei einem Nein?

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Heute sind die Mainzer zum ersten Mal in der Geschichte ihrer Stadt aufgerufen, per Bürgerentscheid über eine wichtige Frage der Stadtentwicklung zu entscheiden. „Soll das Gutenberg-Museum durch den Bau des ‚Bibelturms‘ am Liebfrauenplatz gemäß Beschluss des Stadtrats am 08.02.2017 erweitert werden?“, lautet die Fragestellung im Bürgerentscheid zum Bibelturm. Rund 161.250 Stimmberechtigte, hieß es am Freitag, sind in Mainz aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Damit der Bürgerentscheid Gültigkeit hat, müssen allerdings mindestens 15 Prozent dieser Wahlberechtigten sich für eine Seite entscheiden – also entweder mit Ja oder mit Nein stimmen. Der einhellige Aufruf aller Seiten lautete deshalb am Wochenende: Geht wählen!

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) ruft die Mainzer auf, beim Bürgerentscheid am 15. April mit über den Bibelturm abzustimmen. Ebling selbst ist für den Bibelturm. – Foto: gik

„Eine lebendige Demokratie lebt von der Teilhabe und dem Gestaltungswillen der Bürgerinnen und Bürger, mitgestalten ist wichtig: Wer nicht selbst entscheidet, über den wird entschieden“, appellierte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) im Vorfeld an die Mainzer. Als Oberbürgermeister „wünsche ich mir – unabhängig von Pro- oder Contra-Positionen – vor allem, dass der Entscheid mit einer hohen Beteiligung und damit dem Überschreiten des in der Gemeindeordnung vorgegebenen ‚Quorums“ ins Ziel kommt“, betonte Ebling: „Daher meine Bitte: Nehmen Sie am Bürgerentscheid teil und geben Sie ihrer Stimme Gewicht!“

Es ist das erste Mal in der Geschichte der Stadt Mainz, dass die Stadt die Bürger in einem Bürgerbegehren an die Urne bittet. Der Stadtrat hatte Ende November das Bürgerbegehren beschlossen, nachdem die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum mehr als 13.500 Unterschriften gegen den Turm gesammelt hatte. Die Stadt will unmittelbar neben dem Römischen Kaiser auf dem Liebfrauenplatz einen 20,30 Meter hohen Turm mit bronzener Fassade errichten, der als Erweiterungsbau das Gutenberg-Museum aufwerten und den Gutenberg Bibeln mit einer Schatzkammer im Keller eine neue Heimat bieten soll.

Die Stadt sagt, es solle eine Schatzkammer für die Gutenberg- Bibeln entstehen, Kritiker sagen, für einen solchen Ausbau reiche das Geld nicht. – Foto: DFZ Architekten

Von einem „Ausrufezeichen“ und einem „neuen Wahrzeichen für Mainz“ schwärmt Baudezernentin Marianne Grosse (SPD), der „Bibelturm“ getaufte Solitär werde das Museum endlich nach außen sichtbar machen. Der Turm erlaube eine Entzerrung der Besucherströme, so werde eine Schließung abgewendet und die Schätze könnten auch während der Sanierung des Haupthauses weiter gezeigt werden. Mit Hilfe des Bibelturms werde die Stadt zudem prominente Spender für die zweite Bauphase des Gutenberg Museums akquirieren können, argumentiert Grosse, der Blick geht auch Richtung Bund und Land.

Doch gegen den Turm, der nach Änderung der ersten Pläne nun ohne Fenster und Türen daher kommt, erhob sich von Anfang an Widerstand: Von Anfang an wurde der Turm als abweisend und kalt wahrgenommen, die moderne Architektur als unpassend für das historische Ensemble direkt am Mainzer Dom. Mit seinem Standort auf dem Liebfrauenplatz verstelle er einen wichtigen urbanen Raum, wo Mainz feiert und das Marktfrühstück genießt, sagen die Kritiker, auch dass Bäume und Blumenbeet dafür weichen sollen, sehen viele nicht ein in einer immer dichter bebauten Stadt.

Der Turm liefere mit seiner gerade zwölf mal zwölf Meter großen Grundfläche zudem gar nicht genug Ausstellungsraum, argumentieren die Gegner und sprechen von einem „umbauten Treppenhaus“. Die Stadt sagt, in dem Turm würden bis zu 450 Quadratmeter Ausstellungsfläche geschaffen, vor allem durch unterirdische Räume. Mit dem vorliegenden Budget sei eine solche Tiefbaulösung samt Turm und Bronzefassade gar nicht zu stemmen, kritisiert die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum.

Gewachsene Platzstruktur und Raum für urbanes Leben auf dem Liebfrauenplatz würde durch den Turm an dieser Stelle zerstört, sagen die Kritiker. – Foto: gik

Der Bibelturm, kritisiert der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster, sei ein unausgegorener Schnellschuss, der den Weg verbaue für einen wirklich großen Wurf. Mainz brauche ein „echtes“ Weltmuseum der Druckkunst, groß gedacht und neu gebaut, das Geld dafür sei durchaus vom Bund und auch vom Land zu bekommen, aber nur, wenn diese Geldgeber auch beim Konzept mitreden dürften. „Bund und Land werden kein Projekt unterstützen, das bereits begonnen wurde“, betont Gerster, ein Nein zum Bibelturm öffne den Weg für eine wahrhaft große Lösung für das Gutenberg Museum.

Grosse hält dagegen, ohne den Bibelturm drohe dem Gutenberg Museum auf Jahre hinaus Stillstand. Man müsse „weg von einem provinziellen Umgang“ mit Gutenberg und seiner Erfindung, ein modernes Museum sei „der Schlüssel für ein Goldenes Mainz“, wirbt der Mainzer Kabarettist Lars Reichow.

Der Turm stünde in unmittelbarer Nachbarschaft zum Mainzer Dom – auf diesem Bild ganz links, am Rande des Blumenbeets. – Foto: gik

Wie sich die Mainzer am heutigen Sonntag entscheiden, ist bislang völlig unklar, mehr als 26.000 haben bereits per Briefwahl ihre Stimme abgegeben. Damit das Begehren Gültigkeit hat, müssen aber mindestens 24.583 Mainzer mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen, so zumindest unser letzter Stand. Das Schlimmste, sagte Ebling im Januar wäre, wenn nicht genügend Mainzer zur Wahl gingen – und die Entscheidung so in der Schwebe bliebe. Einen „Plan B“ habe die Stadt für den Fall eines Nein nicht.

Bislang scheint ein Nein der Mainzer zum Bibelturm die wahrscheinlichste Variante zu sein, klar ist das aber nicht. Doch an dem Turm entzündete sich in den Wochen vor dem Bürgerbegehren auch zunehmend allgemeine Kritik an der städtischen Politik: Die Stadt solle lieber erst einmal das Rathaus sanieren, die Straßenbahn zu Ende ausbauen und Schulen sanieren, hieß es von Seiten vieler Bürger. Der Hinweis, dass diese Gelder miteinander nichts zu tun haben, dass der Betrag fürs Gutenberg Museum zweckgebunden festgeschrieben ist, und dass die Stadt derzeit in Schulen und Kindergärten erhebliche Millionen investiert – meist verhallte er ungehört. Von „die Stadt soll erst einmal ihre Infrastruktur sanieren“ über „steckt vorhandenes Geld in die grausig-gerammelte Rheingoldhalle “ bis hin zu „mich stört nicht der Anblick des Bibelturms, mein NEIN gilt uneingeschränkt der Finanzierung“, reicht die Palette der ablehnenden Stimmen.

„Vielleicht“, meinte ein Mainz&-Leser, „sollte man das Ganze lieber noch mal ganz neu denken!“ Man könne doch das Gutenberg-Museum „aus seinem (derzeitigen) Versteck herausholen und ihm einen wirklich würdigen und repräsentativen Platz in der Stadt geben“, fand der Mann – wie etwa das ohnehin sanierungsbedürftige Rathaus. Mehrere andere schlugen vor, lieber den Römischen Kaiser zum echten Entrée für das Gutenberg Museum zu machen – da habe man doch schon einen Hingucker und ein architektonisches Highlight, das bei Touristen sehr beliebt sei.

Die Debatte zeigt vor allem eines: sie ist nicht vorbei. Der Bürgerentscheid zum Bibelturm hat ein enorme Dynamik ausgelöst, in der sich alle Seiten über eines einig sind: das Gutenberg-Museum muss aufgewertet werden. Dass die Debatte um die Sanierung und Aufwertung des Museums am Montag vorbei ist, ist daher nicht zu erwarten. „Im Falle eines Nein zum Bibelturm würde man sich zusammensetzen und weiter an Konzepten arbeiten“, sagt Nino Haase von der BI Gutenberg-Museum, „da haben wir schon Signale aus der Ampel-Fraktion.“ Unterkellerung, Öffnung zur Rote Kopf-Gasse – es gebe zahlreiche Möglichkeiten für ein weiter entwickeltes Konzept.

Neben dem historischen Renaissance-Bau Römischer Kaiser, mit einer Gasse dazwischen, ist der moderne Bibelturm geplant. – Foto: gik

Baudezernentin Grosse sagte in einer öffentlichen Diskussion im SWR4, sollten die Mainzer am Sonntag mehrheitlich mit Nein stimmen, „dann werden wir anfangen, die Sanierungsmaßnahmen im Schellbau für die verbleibenden Millionen anzugehen.“ Oberbürgermeister Ebling hatte schon vor Wochen dazu gesagt: Dann werde sich der Stadtrat neu mit dem Thema befassen müssen.

Die Entscheidung liegt nun bei 161.000 Mainzern, ihnen stehen insgesamt 55 Abstimmungslokale zur Verfügung, die von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet sind. Die Abstimmungsbenachrichtigungen dafür waren den Mainzer Abstimmungsberechtigten nach Angaben der Stadt in der Zeit vom 14. bis 25. März 2018 zugegangen. Solltet Ihr dennoch keine Karte erhalten haben, könnt Ihr Euch unter der Telefonnummer Mainz – 12-1500 im Briefabstimmungsbüro des Rathauses den jeweiligen Stimmbezirk  und die Abstimmungsverzeichnis-Nummer erfragen. Ihr könnt dann in Eurem Abstimmungslokal unter der Abstimmungsverzeichnis-Nummer und Vorlage des amtlichen Ausweises am Bürgerentscheid teilnehmen. Hingehen!

Info& auf Mainz&: Bürgerentscheid zum Bibelturm am Gutenberg-Museum am Sonntag, dem 15. April, von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Das Ergebnis wird gegen 19.30 Uhr erwartet – Ihr findet natürlich eine umfangreiche Berichterstattung dazu auf Mainz&. Wenn Ihr die Vorgeschichte noch einmal nachlesen und weitere Details zum Turm erfahren wollt: Bitte auf die Rubrik Gutenberg& oben auf Mainz& klicken, dort findet Ihr mehr als ein Dutzend Artikel rund um den Bibelturm, den Architektenwettbewerb, die Gründung der Bürgerinitiative Gutenberg-Museum im April 2016 sowie zu den Argumenten von Befürwortern wie Gegnern des Bibelturms. Einen grundlegenden Artikel gibt es etwa hier. Informiert Euch, und: GEHT ABSTIMMEN!

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Erreichte Informationsbroschüre zum Bürgerentscheid Bibelturm alle Haushalte? – CDU wirft Ebling als Wahlleiter Versäumnis vor – Update: Heft erreichte quer durch die Stadt Mainzer nicht

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Die Informationsbroschüre der Stadt zum Bürgerentscheid in Sachen Bibelturm sollte an jeden Haushalt der Stadt verteilt werden. Das versprach Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) im Januar 2018 auf einer Pressekonferenz, und so beschloss es auch der Ältestenrat des Mainzer Stadtrats. Die CDU-Opposition erhebt nun heftige Vorwürfe: Die Broschüre sei keineswegs an alle Haushalte verteilt worden, sondern habe lediglich der Allgemeinen Zeitung beigelegen, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig am Freitagabend der Internetzeitung Mainz&: „Das haben eigene Recherchen und Nachfragen heute bestätigt“, betonte Schönig: „Das würde bedeuten, dass nicht einmal jeder zweite Haushalt die Broschüre bekommen hätte.“

Diese Informationsbroschüre der Stadt zum Bürgerentscheid Bibelturm sollte an alle Mainzer Haushalte verteilt werden. Offenbar kam sie aber bei einer erheblichen Anzahl nicht an – erhalten haben sie in erster Linie wohl Abonnenten der Allgemeinen Zeitung. – Foto: gik

Mainz&-Recherchen haben dieses Bild mindestens zum Teil bestätigt. Bei einer Blitzumfrage unter einer Abendgesellschaft sowie bei weiteren Personen ergab sich das gleiche Bild: Wer die „Allgemeine Zeitung“ abonniert hat, hatte die Broschüre bekommen, wer die Zeitung nicht bezieht, kannte das Heft entweder gar nicht oder hatte es nicht erhalten. Die Informationsbroschüre sollte den Mainzern erläutern, wie es zum Bibelturm kam, welche Argumente dafür sprechen und welche dagegen. Auch Ratsfraktionen sowie die Bürgerinitiativen dafür und dagegen kommen zu Wort, das Heft sollte als grundlegende Information für die Mainzer dienen und auch dazu aufrufen, das erste Bürgerbegehren in der Geschichte von Mainz tatsächlich wahrzunehmen. Ebling hatte im Januar betont, die Verwaltung wolle alles dafür tun, damit sich möglichst viele Mainzer an der Abstimmung beteiligten, man werde versuchen, wirklich jeden Haushalt in Mainz zu erreichen. Die Broschüre sollte bei der Informationskampagne der Stadt in Sachen Bürgerentscheid Bibelturm die zentrale Rolle spielen.

Die Broschüre und ihre Verteilung sei im Ältestenrat des Stadtrats ausgiebig diskutiert worden, sagte Schönig weiter. Dabei sei auch festgelegt worden, dass die Broschüre „allen Mainzer Haushalten zur Verfügung gestellt wird.“ Das sei aber offenbar  nicht geschehen: „Stattdessen wurde diese Broschüre lediglich über den Verteiler der Allgemeinen Zeitung an Haushalte mit AZ-Abo verteilt“, sagte Schönig Mainz&. Das habe sich durch seine eigenen Recherchen und auf Nachfragen hin am Freitag bestätig: „Ich habe mal eine Stichprobe unter Kollegen gemacht“, sagte Schönig, „dabei kam genau dieses Ergebnis heraus: Wer die AZ abonniert hat, hat die Broschüre bekommen, wer sie nicht abonniert hat, nicht.“

Die Informationsbroschüre der Stadt erläutert auch Zahlen, Daten, Fakten und wer beim Bürgerentscheid zum Bibelturm wahlberechtigt ist. – Foto: gik

Der CDU-Mann sieht darin auch ein Versäumnis Eblings, denn dieser sei als Oberbürgermeister der Wahlleiter der Stadt. „Wenn eine Stadt als staatliches Organ eine Wahl organisiert, kann es nicht sein, dass weniger als die Hälfte der Bürger die entsprechende Information bekommen hat“, sagte Schönig: „Die Aufgabe eines Wahlleiters in einer Demokratie ist, dass alle Wahlberechtigten die gleichen Informationen erhalten. Fakt ist, dass offensichtlich ein großer Teil der Bürger über den offiziellen Weg durch die Informationsbroschüre nicht informiert worden ist. Das ist kritikwürdig, das kann man schon als Versagen des Wahlleiters bezeichnen.“

Mainz& hat daraufhin weitere Akteure angefragt, ob das Problem dort auch bekannt ist. „Ja, das ist mir auch begegnet“, sagte ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler am Freitagabend auf Mainz&-Anfrage: „Mir haben immer wieder Leute erzählt, dass sie die Broschüre nicht bekommen haben.“ Auch der ÖDP-Chef berichtete von AZ-Abonnenten, die das Heft erhalten hatten, und Nicht-Abonnenten, die es nicht kannten oder nicht bekommen hatten. „Man muss infrage stellen, wie zuverlässig die gewerblichen Verteiler sind“, sagte Moseler. Auch sei ihm nicht klar, ob auch solche Haushalte die Broschüre erhalten hätten, die an ihren Briefkästen einen Aufkleber angebracht hätten: „Bitte keine Werbung.“

Bei einer Blitzumfrage am Freitagabend bestätigte sich das Bild weiter: Von drei Nicht-AZ-Abo-Haushalten hatten drei die Broschüre nicht bekommen, darunter auch Mainz& selbst. Zwar lesen wir durchaus, was die Kollegen der Allgemeinen Zeitung schreiben – aber per elektronischem E-Paper. Repräsentativ ist eine solche Umfrage nicht.

„Wir haben einen Dienstleister, eine Tochtergesellschaft des Verlags der Allgemeinen Zeitung, beauftragt, die Broschüre an alle Haushalte zu verteilen“, sagte am Freitagabend Stadtsprecher Marc André Glöckner auf Mainz&-Anfrage. Die einen sollten die Broschüre als Beilage über die „Allgemeinen Zeitung“ erhalten, die anderen sollten sie verteilt bekommen. „Wir gehen davon aus, dass das so geschehen ist“, sagte Glöckner, „mir persönlich ist es nicht zu Ohren gekommen, dass das nicht erfolgt ist.“ Update: Allerdings teilte die Stadt Mainz am 29. März in einer Pressemitteilung mit: „Falls interessierte Bürgerinnen und Bürger bislang keine Broschüre erhalten haben sollten, können sie diese in allen Ortsverwaltungen, im Rathaus, Stadthaus, auf der Zitadelle, in der Tourist Info oder dem Gutenberg-Museum abholen.“ Das Problem war also offenbar im Rathaus doch schon aufgefallen.

Info& auf Mainz&: Uns interessiert: Wie sieht es bei Euch aus? Habt Ihr die blaue Infobroschüre erhalten oder nicht – und auf welchem Wege? Wer die Broschüre noch haben möchte: Die Stadt weist ausdrücklich darauf hin, dass man sich das Heft im Mainzer Rathaus abholen oder genau hier im Internet herunter laden kann. Und nicht vergessen: Am Sonntag, den 15. April, hingehen und Eure Stimme abgeben für oder gegen den Bibelturm!

Zahlreiche Broschüren kamen bei Mainz&-Lesern nicht an – Ganze Häuser nicht bedient

Update: Wir haben auf unseren Artikel zahlreiche Rückmeldungen erhalten, vorwiegend auf unserer Mainz&-Facebookseite. Von 20 Kommentatoren dort hatten 7 die Broschüre erhalten, 13 hingegen nicht – und letztere sprachen oft für viele: „Würde erklären, warum nicht nur ich, sondern aus meinem Bekanntenkreis, die über Neustadt/Altstadt/Marienborn und Hechtsheim verteilt sind, auch niemand eine bekommen hat“, schrieb ein Mainz&-Leser. „Von allen Mainzer, die ich gefragt habe, gab es auch nur einen, der etwas im Briefkasten hatte – find ich schon sehr merkwürdig!“, schreibt eine andere.

Meldungen über nicht-angekommene Broschüren kamen unter anderem aus der Kaiserstraße, dem Bleichenviertel, Hartenberg, Hechtsheim und Bretzenheim. „Hatte auch keine Broschüre im Briefkasten, sondern musste ins Rathaus“, schrieb eine Leserin: „Schlecht für ältere Leute, die kein Internet und kein Geld für die AZ haben.“ Auch andere ärgerte das Ausbleiben: „In unserem Haus im Bleichviertel kam nichts an“, schreibt eine Leserin: „Ich habe die Broschüre überhaupt das erste Mal diese Woche bei einem Bekannten gesehen – nachdem ich bereits per Brief abgestimmt hatte. Sehr schade, da wieder einmal der Eindruck vermittelt wird, man würde die Bürger nicht wirklich ernst nehmen.“

Das alles ist selbstverständlich keine repräsentative Umfrage, Tatsache ist aber wohl: in zahlreichen Haushalten kam die Broschüre nicht an. Verteilt wurde sie aber offenbar nicht nur als Beilage in der „Allgemeinen Zeitung“: „In meinem Haus hatten sie alle, und nur ich hab ein Abo“, schreibt ein Mainz&-Leser. Drei weitere berichteten, sie hätten die Broschüre auch ohne Zeitungsabo im Briefkasten gehabt. Und eine Mainz&-Leserin schrieb: „Bei uns war sie so im Wochenblatt versteckt, dass ich sie fast mit der Werbung entsorgt hätte. Unmöglich! Und eine Woche später als in anderen Stadtbezirken, ich wohne in Weisenau! Das ist eine schlechte Vorbereitung für ein Plebiszit!“

Bleibt die Frage: Warum kam die Informationsbroschüre bei doch so einem auffällig hohen Prozentzahl der Mainzer Bürger nicht an? Praktisch alle Leser, die sich geäußert haben, waren für das Thema sensibilisiert und sind zur Abstimmung gegangen – dafür wie dagegen. Die Bürgerinitiative Gutenberg Museum, die gegen den Turm ist, meldete zudem: „An den Infoständen der BI haben viele Mainzer gesagt, dass sie die Broschüre nicht bekommen haben.“

 

 

 

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