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Start 2018 Juni

Monatsarchive: Juni 2018

Pflege in Not: Nieder-Olmer Krankenpfleger übergibt heute Petition mit 12.000 Unterschriften für Pflege-Reform in Berlin

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Sie war ein Topthema im Bundestagswahlkampf 2017: die Not der Pfleger in der bundesdeutschen Pflegelandschaft. Weil ein junger Pfleger in einer Talkrunde Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beherzt anging, war der Pflegenotstand für ein paar Wochen großes Thema. Getan hat sich nicht viel: 13.000 Pflegestellen will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun zwar schaffen, doch das sei „weniger als ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt Stefan Heyde: Pro Einrichtung bedeute das nicht einmal eine Stelle mehr. Heyde weiß, wovon er redet: Der Krankenpfleger aus Nieder-Olm arbeitet seit zwölf Jahren in dem Beruf. Und weil er die Zustände nicht weiter hinnehmen wollte, startete er vor einem Jahr eine bundesweite Online-Petition „Pflege in Not“. Am heutigen Donnerstag übergibt Heyde die Petition samt 12.000 Unterschriften persönlich im Bundesgesundheitsministerium, Mainz& hat vorher mit ihm gesprochen.

Krankenpfleger Stefan Heyde, hier auf einer Gewerkschaftskundgebung, übergibt heute in Berlin seine Petition „Pflege in Not“. – Foto: privat

Lange hatte Jens Spahn keine Zeit für ihn, nun hat Stefan Heyde doch einen Termin in Berlin: Heyde wird seine Petition an einen Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium übergeben, zufrieden ist er trotzdem: „Ich erhoffe mir Aufmerksamkeit mit der Aktion, weil ich das Thema Pflegenotstand in der Öffentlichkeit halten möchte“, sagte Heyde im Gespräch mit Mainz&: „Ich erhoffe mir, dass Herr Spahn nachdenkt.“ Nachdenken, das sollte der Minister über Zustände wie diese: „29 Patienten auf einen Pfleger“, „Zustände katastrophal“, „Toilettengänge, Lagerungen, Medikamentengabe, Anreichen von Mahlzeiten und Getränke, Besuche beim oder vom Facharzt, Gesprächsführungen etc. können oft nicht durchgeführt werden, weil kein Personal vor Ort ist.“

Mehr als 1.000 solcher Zuschriften hat Heyde erhalten, seit er seine Petition „Pflege in Not“ gestartet hat, einen Teil hat er anonym auf seiner Internetseite veröffentlicht. Von unhaltbaren Zuständen ist da die Rede, von Patienten, die nicht mehr geduscht werden, von Stürzen, Zwischenfällen – und manchmal sogar falschen Medikamentengaben. Die Ursache: Viel zu wenig Pflegepersonal, häufig völlig ausgebrannte und überlastete Pfleger. „Pflege ist zur Massenabfertigung geworden“, schreibt einer. „Folgen wir der Anweisung, spielen wir russisches Roulette mit dem Leben der uns anvertrauten Pflegebedürftigen“, ein anderer.

„Es gibt in der Pflege eine gewaltiges Problem, es gibt viel zu wenig Personal“, sagt Heyde: „Der Pflegenotstand ist überall.“ Der 37-Jährige Nieder-Olmer weiß, wovon er redet. Seit zwölf Jahren arbeitet Heyde selbst in der Pflege, lernte erst Krankenpflegehelfer, machte dann eine Ausbildung zum Krankpfleger. In der Altenpflege arbeitete er sich nach oben, war lange Zeit Wohnbereichsleiter, im ambulanten Dienst auch als stellvertretende Pflegedienstleistung tätig. „Mir liegt das Soziale sehr“, sagt Heyde, „man kann Menschen genau dann Hilfe leisten, wenn sie die Hilfe brauchen. Das ist das, was die Pflege will.“

Zeit für die zu Pflegenden, so hätten wir die Pflege gerne alle. Die Realität sieht anders aus. – Foto: AOK Mediendienst

Doch das sei auch genau das, was immer mehr auf der Strecke bleibe: Bundesweit fehlten Untersuchungen zufolge 36.000 Pflegekräfte, sagt Heyde – mindestens. „Die Personalschlüssel sind veraltet“, sagt er, so seien zwei Nachtwachen für mehr als einhundert Bewohner absolut üblich. Das seien dann meist auch noch eine Fachkraft und ein ungelernter Helfer, und von Letzteren gebe es immer mehr: „Ich erlebe sehr viele unqualifizierte Helfer, die vorher etwa Imbissbuden hatten“, sagt Heyde. Mit komplexeren Situationen seien die schnell überfordert.

Unattraktiv sei der Beruf, die Akzeptanz niedrig, der Lohn noch niedriger. 2.600 brutto verdiene eine Stationsleitung, sagt Heyde. Doch gerade in der Altenpflege gebe es immer mehr private Heimbetreiber, die nicht nach Tarif bezahlten. „Das Personal wird massiv verbrannt, fällt oft aus, und kündigt sehr schnell“, hat der Krankenpfleger erlebt: Von den 20 Leuten aus seiner Ausbildung sind nach zehn Jahren noch ganze fünf dabei.

Vor einem Jahr startete Heyde deshalb seine öffentliche Petition „Pflege in Not“, mehr als 12.000 Unterschriften aus ganz Deutschland kamen zusammen. Anpassung der Pflegeschlüssel, bedarfsgerechte Finanzierung der Einrichtungen und eine höhere Attraktivität für den Pflegeberuf fordert Heyde darin. „Das ganze System fährt immer mehr gegen die Wand“, warnt er: Deutschland habe zwar europaweit die dritthöchsten Ausgaben, doch bei der Effektivität liege man weit hinten.

„Wir werden an einem neuen Gesundheitssystem nicht vorbei kommen, das alle gleich behandelt“, glaubt Heyde deshalb, sein Vorbild: die Skandinavier. Dort seien die Pflegekräfte glücklicher, besser bezahlt, es gebe ganz andere Personalschlüssel – und das bei deutlich niedrigeren Ausgaben. Eine Zusatzsteuer mache es möglich, sagt Heyde. In Deutschland hingegen „geht immer mehr Geld ins System hinein, aber es kommt immer weniger Geld bei den Betroffenen und Pflegenden an.“ Schuld seien auch die Privatisierungen: „Es ist ein Unding, dass mit Alter und Krankheiten Rendite gemacht werden darf“, sagt Heyde, „Gesundheitsvorsorge muss Aufgabe des Staates sein.“ Das will er heute auch im Ministerium vorbringen – die Antwort werde sicher einige Wochen brauchen.

Info& auf Mainz&: Mehr über die Initiative von Stefan Heyde, seine Petition und die Zuschriften aus dem Bereich der Pflege findet Ihr hier auf seiner Internetseite.

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Geliebte moderne Architektur: Die Neue Synagoge in der Mainzer Neustadt ist „trotz“ kühner Architektur zum neuen Wahrzeichen geworden

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Es war eines der Standardargumente in der Debatte um den Bibelturm am Gutenberg-Museum: Die Gegner des Turms, ja die Mainzer überhaupt, verstünden einfach nichts von moderner Architektur. Gebäude mit kühner Struktur und großen architektonischen Ideen seien in Mainz einfach nicht vermittelbar, klagten sogenannte Experten wie Architekten und Feuilletonisten, von denen nicht wenige von außerhalb kamen oder auch Mainz nie gesehen hatten. Hätten sie Mainz besucht, ihnen wäre vielleicht ein Phänomen aufgefallen: mindestens ein hochmodernes Gebäude haben die Mainzer richtiggehend ins Herz geschlossen – die Neue Synagoge. Mitten in der Mainzer Neustadt erhebt sich das dunkelgrün-schwarz schimmernde Bauwerk mit der zerrissenen Silhouette und dem hochaufragenden Turm. Die Synagoge gehört zu den modernsten Gebäuden von Mainz, doch von Ablehnung keine Spur: Das hochmoderne Gebilde wird von den Mainzer innig geliebt, ist zu einer Attraktion für Touristen und Mainzer geworden – zu einem Wahrzeichen von Mainz.

Die alten Säulen der alten Mainzer Synagoge vor der Neuen Synagoge in Mainz. – Foto: gik

„Die Akzeptanz der Synagoge ist überraschend gut für ein modernes Gebäude“, sagt Peter Waldmann, stellvertretender Vorsitzende des Landesverbands jüdischer Gemeinden in Rheinland-Pfalz, im Gespräch mit Mainz&: Die Menschen in der Neustadt seien „ganz froh“ über das Gebäude, die Synagoge gar Teil der Attraktivitätssteigerung des Wohngebiets.

„Der Vorplatz ist zum Treffpunkt für junge Paare geworden“, berichtet Waldmann, die säßen gerne unter den Bäumen vor der Synagoge. Vor zwei Monaten lehnten die Mainzer ein anderes Gebäude mit hochmoderner Architektur hingegen in Bausch und Bogen ab: 77,3 Prozent votierten gegen den Bibelturm als Erweiterungsbau des Gutenberg-Museums, der Turm mit seiner hochmodernen Bronze-Fassade aus durchbrochenen Buchstaben fand bei den Mainzer wenig Akzeptanz.

Warum also funktioniert in der Mainzer Neustadt, was anderswo kategorisch abgelehnt wurde? Die Antwort liegt in Raum und Zeit – und in der Fähigkeit, Architektur in Einklang damit zu bringen und sie – nicht zuletzt – auch zu erklären. Es beginnt, wie immer in Mainz, in der Geschichte. Mainz hat eine lange jüdische Tradition, das mittelalterliche Magenza gehörte um das Jahr 1000 herum gemeinsam mit Worms und Speyer zu den drei Schum-Städten: Zentren jüdischer Gelehrsamkeit im Abendland, wo das aschkenasische Judentum definiert wurde. In Mainz lehrten Berühmtheiten wie Rabbi Gershom bar Jehuda, hier wurden Gebete geschrieben, die Juden in aller Welt bis heute beten.

Ein Gebäude wie ein Wort: Kedusha, Segen, buchstabiert die Fassade der Neuen Synagoge in der Mainzer Neustadt. – Foto: gik

Genau diese uralte Tradition des jüdischen Schrifttums hat der Architekt Manuel Herz in der Neuen Mainzer Synagoge verewigt. Einer Grundgedanken im Judentum sei, „dass man aus Buchstaben die Welt baut“, sagte Herz einmal im Jahr 2010, Schreiben sei „ein Ersatz für das Bauen gewesen: statt Häuser und Städte zu bauen, hat man Bücher geschrieben“. Die Keramikfassade mit ihrer geriffelten Struktur soll deshalb an die älteste Form des Schreibens, das Ritzen, erinnern. Die Form des Gebäudes selbst ist dem Wort Kedushah nachgebildet, hebräisch für „Segen“. Die Wände im Inneren sind dicht bedeckt mit jüdischen Schriftzeichen, aus denen sich Texte jüdischer Rabbiner aus dem Mittelalter hervorheben – große Männer des Judentums, die gerade auch in Mainz lehrten.

Es war der Bau dieser neuen Synagoge, der den Mainzern die Bedeutung ihrer Stadt für das Judentum erstmals seit langer Zeit wieder ins Bewusstsein zurückbrachte. Mainz entdeckte, dass neben Römern und Festungsbauten noch eine dritte Gruppe prägend für die Kultur der Stadt war: das Gelehrtentum der jüdischen Rabbiner. Die Mainzer staunten, wie sie über den Isistempel unter der Römerpassage gestaunt hatten, und in ganz ähnlicher, wenn auch virtueller Weise, wurde das jüdische Magenza nach 1.000 Jahren wieder ein Teil der Stadtgeschichte.

Der Turm ist einem Widderhorn nachempfunden, einem symbolträchtigen Gegenstand im Judentum. – Foto: gik

Die kühne Fassade der neuen Synagoge, ihre besondere Formensprache – Architekt Herz persönlich wurde während des Baus und zur Einweihung am 3. September 2010 nicht müde, die Bedeutung seines Baus zu erklären, die Symbolik überzeugte in der Gutenbergstadt schnell.

Und schließlich war der Standort ja auch unbestritten der richtige: Genau hier, genau 72 Jahre vor der Einweihung, hatte die große Mainzer Synagoge gestanden, war am selben Ort die große Mainzer Synagoge gestanden, niedergebrannt in der Reichskristallnacht von den Nationalsozialisten. Der große klassizistische Kuppelbau, ganz ähnlich der evangelischen Christuskirche, gehörte ab 1912 zu den stolzen Bauwerken von Mainz. Nach dem Zweiten Weltkrieg kündeten nur zwei alte Säulen von der großen Hauptsynagoge, auf dem Platz entstand ein funktionales Bürohochhaus im Stil der 1960er Jahre – kein architektonisches Highlight.

Der Bau der Neuen Synagoge erschien den Mainzern deshalb wie ein Stück Stadtreparatur: Wiedergutmachung von schreiendem Unrecht ebenso wie die Beseitigung eines architektonischen Schandflecks. Der kühne Bau heute erinnert mit seiner zerrissenen Fassade an den Holocaust und steht zugleich für die Wiedergeburt jüdischen Lebens in Mainz – für die Mainzer wurde die Synagoge so zu einem Symbol ihrer Stadtgeschichte.

Kühne Formen, changierende Farben, die Neue Synagoge in Mainz ist zum Anziehungspunkt und zu einem neuen Stadtmerkmal geworden – weil sie Bedeutung hat. – Foto: gik

„Das Gebäude hat eine hohe Akzeptanz“, sagt denn auch die Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Mainz, Anna Kischner, die Gemeinde könne sich vor Anfragen zu Führungen nicht retten. „Ständig“ stünden Touristen aus aller Welt vor der Tür, auch die Mainzer selbst kämen gerne zu Veranstaltungen. Die Landesstiftung Villa Musica veranstalte hier Konzerte, auch Vorträge gibt es, „es ist immer voll“, sagt Kischner. Zwei- bis dreimal pro Monaten halten Ehrenamtliche Führungen durch das Gebäude „Wir wären gerne noch viel offener“, sagt Waldmann, „aber aus Sicherheitsgründen dürfen wir nicht.“ Auch in Mainz ist die Sicherheitslage angespannt, auch hier nimmt Antisemitismus im Alltag zu, erzählen sie: „Kinder trauen sich in der Schule nicht, sich als jüdisch zu outen“, das sei neu. Übergriffe oder gar Anschläge gab es in Mainz bislang nicht, doch die Sicherheitsbehörden sind auf der Hut. Alle Besucher der Synagoge müssten deshalb eine Voranmeldung samt Sicherheitscheck durchlaufen, ohne Voranmeldung geht hier wenig.

Die Begeisterung der Mainzer für die Synagoge jedenfalls scheint die Gemeinde manchmal regelrecht zu überraschen. Doch das Beispiel zeigt: Moderne Architektur in Mainz – das geht. Wenn Raum, Zeit und Kommunikation stimmen.

Info& auf Mainz&: Führungen durch das jüdische Magenza veranstaltet regelmäßig der Verein „Geographie für Alle“, die nächste etwa am Sonntag, 1. Juli, um 14.00 Uhr, Informationen hier: www.geographie-fuer-alle.de. Informationen über die Jüdische Gemeinde Mainz und die Mainzer Synagoge findet Ihr hier im Internet, dort gibt e Ihr Euch zu Führungen anmelden könnt.

 

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Sommer-Baustellen in Mainz: Weniger Sperrungen in der Innenstadt – Brücke zwei Tage verengt – Rheinhessenstraße im Juli dicht

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Die gute Nachricht vorweg: Im Sommer 2018 soll es in Mainz deutlich weniger Baustellen auf innerstädtischen Hauptstraßen geben als in den Vorjahren. Die Stadt Mainz versprach für die Sommerferien weniger Großbaumaßnahmen gleichzeitig, allerdings werden Baustellen des Landesbetriebs und der Hessen Mobilität für diverse Probleme sorgen. Das fängt am Mittwoch mit der Theodor-Heuss-Brücke an: für zwei Tage werden hier die Fahrbahnen auf eine Fahrspur pro Richtung verengt, und zwar jeweils zwischen 9.00 Uhr und 15.00 Uhr. Es müssen Schifffahrtszeichen an der Brücke ausgetauscht werden. Zum Nadelöhr wird die A60: Wegen Fahrbahnarbeiten wird hier abwechselnd eine Richtung komplett gesperrt, kommende Wochenende geht’s weiter. Im August werden zudem die Rampen in Laubenheim saniert. Größtes Problem des Sommers aber: die Sperrung der Rheinhessenstraße für neun Tage im Juli.

Baustelle Rheinhessenstraße: die wichtige Verbindung nach Ebersheim wird im Juli neun Tage voll gesperrt. – Grafik: LBM

In den vergangenen Jahren war Mainz ja förmlich in Sommer-Baustellen erstickt, das soll in diesem Jahr anders werden: gerade einmal zehn größere Baustellen kündigt die Stadt für die Sommerzeit an, vieles davon bleibt lokal. So wird die Finther Kirchgasse vom 25. Juni bis etwa 13. Juli zwischen Poststraße und Lambertstraße wegen Tiefbauarbeiten voll gesperrt, die Ludwigs-Schwamb-Straße in Teilen einspurig – die Mainzer Netze bauen hier. Die Salvatorstraße wird wegen Sinkkastenerneuerung und Deckensanierung zwischen dem 9. und dem 13. Juli halbseitig gesperrt, auf der Koblenzer Straße gibt es in Höhe des Niedergartens vom 25. Juni bis zum 27. Juli eine halbseitige Sperrung wegen Arbeiten an der Fernwärmeleitung. An der Bruchspitze saniert die Mainzer Mobilität bis zum 20. Juli die Straßenbahngleise, im Anschluss ist der Kaiser-Wilhelm-Ring dran (23.7.-18.08.). Und in der Boppstraße beginnen erste Grabungsarbeiten zur Vorbereitung auf den großen Umbau ab Oktober.

Die erste Großbaustelle aber bescheren uns die Hessen auf der Theodor-Heuss-Brücke: Am morgigen Mittwoch sowie am Donnerstag wird die Brücke nach Mainz-Kastel jeweils zwischen 9.00 Uhr und 15.00 Uhr nur einspurig zu befahren sein. Der Grund: Es müssen Schifffahrtszeichen ausgetauscht werden.

Umleitungsplan für die Sperrung der Rheinhessenstraße im Juli 2018. – Grafik: LBM

Deutlich problematischer sind da die Bauarbeiten auf dem Mainzer Autobahnring: Das Autobahnkreuz Mainz-Süd ist ja Dauerbaustelle und sorgt für permanente Staus im Berufsverkehr. Nun kommt noch eine Fahrbahnsanierung zwischen Lerchenberg und Finthen dazu, dafür wird jeweils eine Fahrbahnrichtung komplett still gelegt, der Verkehr auf die andere Seite umgeleitet. Vergangenes Wochenende starteten die Arbeiten, am kommenden Wochenende geht es weiter: Vom 29. Juni bis 2. Juli ist die Fahrtrichtung Bingen-Darmstadt still gelegt, vom 10. bis 13. August und vom 17. bis 20. August ist dann die Gegenrichtung Darmstadt-Bingen an der Reihe.

Das größte Problem des Sommers aber wird die Vollsperrung der Rheinhessenstraße: Vom 13. bis 23. Juli wird die wichtige Zufahrt aus dem Rheinhessischen zwischen Mainz-Ebersheim und dem Messepark Mainz komplett gesperrt, auch hier wird die Fahrbahn erneuert. Das sei wegen gravierender Schäden dringend erforderlich, teilte der LBM mit, der Umfang der Schäden an der drei Kilometer langen Strecke lasse einen weiteren Aufschub nicht mehr zu: Netzrisse und Verdrückungen, starke Spurrinnen und Fahrbahnaufbrüche machten eine Reparatur der unumgänglich, die Vollsperrung sei „aus bautechnischen Gründen und im Interesse eines zügigen Bauablaufes nicht zu vermeiden.“

Die Rheinhessenstraße wird auf diesem Abschnitt pro Tag von rund 20.000 Fahrzeugen befahren, die Reparaturen haben eine Auftragssumme von 690.000 Euro. Der Verkehr wird weiträumig umgeleitet, auch der ÖPNV ist betroffen. Die große Umleitung soll über die Autobahn erfolgen, rechnet aber auf jeden Fall auch mit mehr Verkehr auf der B9 und angrenzenden Straßen…

Apropos B9: Hier saniert der LBM dann im August und September die Rampen zur Autobahn, und zwar Auf- und Abfahrt nacheinander. Diese Maßnahme solle rund acht bis zehn Wochen in Anspruch nehmen und im August und September umgesetzt werden, teilte die Stadt Mainz schon mal mit. Umgeleitet würde über das Mainzer Autobahnkreuz-Süd oder den Bodenheimer Kreisel. Und: die Sanierung der Rampen liegt NACH den Sommerferien….

Info& auf Mainz&: Mehr zur Sanierung und Sperrung der Rheinhessenstraße findet Ihr hier beim Landesbetrieb Mobilität im Internet. Ausführliche Informationen über den anstehenden Umbau der Boppstraße gibt es hier bei Mainz&.

 

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Wein pur zwischen den Reben: Weinfest im Kirchenstück in Hechtsheim vom 28.6.-2.7.2018

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Es ist das intimste aller Mainzer Feste, und das Event, das neben dem Marktfrühstück am meisten Wein pur bietet: Nur vier Tage nach der Mainzer Johannisnacht startet in Mainz-Hechtsheim das Weinfest im Kirchenstück. Vier Tage lang wird hier dem holden Rebensaft gehuldigt – hoch über der Stadt und mitten zwischen Weinbergen. 14 Hechtsheimer Winzer schenken an ihren Ständen aus, auf dem Weg und auch mitten im Weinberg wird dann geschlemmt und probiert, geklönt und der Sommer genossen.

Schlemmen, Klönen, Wein genießen – auf dem Weinfest im Kirchenstück in Mainz-Hechtsheim am kommenden Wochenende wieder. – Foto: gik

„Kirchenstück“, so heißt die Weinbergslage auf dem Hügel über Mainz-Hechtsheim, von hier reicht der Blick weit ins Rheinhessische und bis zum Lerchenberg. Seit mindestens 800 Jahren wachsen hier Weinreben, 1190 wurde erstmals ein Weinmarkt in Hechtsheim urkundlich erwähnt. Der Rebensaft war schon im Mittelalter ein florierendes Geschäft, gerade in der Reichsstadt Mainz mit ihren vielen Kirchen und Weinstuben. Das Hechtsheimer „Kirchenstück“ hat seinen Namen natürlich nach der benachbarten St. Pankratius-Kirche, auf den kirchlichen Weinbergen wuchs früher der Messwein und das Abendgetränk des Pfarrers.

Weinfest mit Ausblick: Von der Weinbergshöhe reicht der Blick weit über Hechtsheim ins Rheinhessische. – Foto: gik

Genau hier riefen vor 32 Jahren fünf Winzer das Hechtsheimer Weinfest ins Leben, heute machen alle 14 Hechtsheimer Winzer mit. Auf einem 500 Meter langen Weg kredenzen sie, was die Keller her geben, dazu gibt es kulinarische Genüsse aus der Winzerküche: Flammkuchen und Bratwurst natürlich, aber auch heiße Kartoffelwaffeln, würzige Quiches, Wraps, Burger aus Pulled Pork oder einfach eine Meenzer Winzervesper.

Mitten zwischen den Weinbergen sitzen die Besucher auf Tischen und Bänken, Picknickdecken erstrecken sich auf Wiesen und sogar zwischen Rebzeilen. Genau das war auch die Idee bei der Gründung: Den Wein dort zu genießen, wo er wächst. Und so gibt es auch weder Bühnen noch Musik auf dem Kirchenstück, keinen Krach, keine Zusatzaction – nur ein paar Hundert Weine in Gesellschaft vieler weinaffiner Menschen. Wer einmal hier war, kommt immer wieder – „das Kirchenstück“, wie die Mainzer sagen, macht einfach süchtig.

Info& auf Mainz&: Weinfest im Kirchenstück vom 29. Juni bis 2. Juli 2018. Die offizielle Eröffnung ist am Freitag um 19.00 Uhr, das Fest selbst macht um 18.00 Uhr auf, am Sonntag um 16.00 Uhr. Gefeiert wird, bis die letzten gehen… Schluss ist am späten Montagabend. Hinkommen: Gerade beim Weinfest im Kirchenstück empfiehlt sich dringend, mit Bus und Bahn zu kommen, Parkplätze sind ohnehin nicht vorhanden. Die Straßenbahn der Linie 52 fährt fast bis vor die Tür: bis zur Endstation „Am Schinnergraben“ fahren, dann einfach den Hang hinauf dem Besucherstrom folgen. Von oben kommen die Buslinien 64 und 65 via Oberstadt und Weisenau, dann am Weisenauer Weg aussteigen und zwischen den Häusern in die Weinberge hinein laufen. Infos und Fahrpläne hier auf der Homepage der Mainzer Mobilität.

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Magische Johannisnacht 2018: Margit Sponheimer gegautscht! – Historisches Karussell, Heldenherzen und spanische Falla – Künstlermarkt schwächelt

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Was für eine Gaudi! Das traditionelle Buchdruckergautschen hatte im Jubiläumsjahr 50 Jahre Mainzer Johannisnacht einen ganz besonderen Gast: Niemand Geringeres als die neue Ehrenbürgerin der Stadt Mainz landete im Bottich – Margit Sponheimer! Es Margittche bestand seine nasse Taufe natürlich mit Bravour und musste anschließend auf der Bühne auch noch singen. Auch sonst war das Buchdruckergautschen wieder einer der Höherpunkte der Mainzer Johannisnacht. Nur der Künstlermarkt schwächelt nach unserem Eindruck ein wenig: zu viele Schmuck und Klamottenstände mit dem immer Gleichen, zu wenig echte Handwerkskunst. Unsere Highlight 2018 bisher: das historische Karussell, die spanische Falla und die Heldenherzen in der Rheingoldhalle.

Da winkte sie noch fröhlich ins Publikum, kurz danach kam die Dusche: Margit Sponheimer beim großen Buchdruckergautschen auf der Mainzer Johannisnacht 2018. – Foto: gik

Das dreifache „Helau“ musste natürlich sein, wenn eine Fastnachtsikone im Bottich landet: Margit Sponheimer war der Ehrengautschling des Jahres 2018, war die 75 Jahre alte Fastnachtssängerin doch gerade im Februar Mainzer Ehrenbürgerin geworden. „Liebe Mainzer, wolle mer se roilasse?“. Fragte Gautschmeister Harro Neuhardt standesgemäß, während „Es Margittche“ – schon im Griff der Packer – noch fröhlich der Menge zuwinkte. Dann  floss das Wasser von oben, und die Packer tunkten – „Tief!Tief!“ – die Grande Dame der Mainzer Fastnacht in den Bottich auf der großen Bühne auf dem Liebfrauenplatz. Das Video dazu gibt es hier auf unserem Mainz&-Youtube-Kanal.

Nass und guter Laune: Margit Sponheimer nach dem Gegautscht-Werden auf der Mainzer Johannisnacht 2018. Rechts Gautschmeister Harro Neuhardt mit Badekappe.- Foto: gik

Das Buchdruckergautschen ist eines der großen Highlights der Mainzer Johannisnacht. Mit dem alten Brauch der Buchdruckerzunft wird traditionell die Druckerschwärze am Ende der Lehrzeit abgewaschen. Zur 1968 gegründeten Johannisnacht ließ die Stadt Mainz den Brauch wieder aufleben, seither kommen auf offener Bühne Gautschlinge der Drucker- und Medienzunft in den Bottich. Das nasse Vergnügen zieht Hunderte von Schaulustigen an – und manch einer in der ersten Reihe wird dabei ebenso ordentlich geduscht.

Rund ein Dutzend Gautschlinge landeten am Samstagnachmittag im Zuber, bei nicht ganz sommerlichen Temperaturen ein kühles Vergnügen. Auch im Publikum war man keineswegs sicher vor den Packern der „Jünger Gutenbergs“: die Künstlerin und Karikaturistin Bianca Wagner landete ebenso im Bottich wie ihre bessere Hälfte, der Journalist Andreas Toschka. Da galt es schnell, Jacke, Handy und Brille zu entsorgen, bevor die Packer ihr Opfer auf die Bühne und in den Zuber hievten. Entkommen unmöglich. „Setzt sie tief in die Bütten hinein, das sind die Sitten, egal ob sie Flehen oder Bitten“, rezitierte Gautschmeister Harro, „so sei Sitte und Begehr, Johannes Gutenberg zu Ehr!“ Das ganze Video könnt Ihr hier auf Youtube ansehen.

Sehr viele Kleidungs- und Schmuckstände auf dem Künstlermarkt 2018 – und einige Lücken zwischen den Buden. – Foto: gik

Besonders groß ist das Interesse natürlich, wenn Prominente im Zuber landen. Seit 2014 vergeben die „Jünger Gutenbergs“ einen Ehren-Gautschbrief, in den vergangenen Jahren war das etwa Comedian Sven Hieronymus. In diesem Jahr ging der Ehrengautschbrief natürlich an Margit Sponheimer, und die machte den Spaß gut gelaunt mit, alberte mit einer Badekappe herum. „Wochenend und Sonnenschein“ spielte die Kappelle, und „Es Margittche“ musste natürlich mitsingen – ein großer Spaß!

Schon ab Freitagabend drängte sich die Festmenge in der Mainzer Innenstadt, schob sich über die Ludwigsstraße, bummelte über Künstlermarkt und Rummel am Rhein. Auf dem Künstlermarkt klafften gerade am Fischtorplatz einige irritierende Lücken, überhaupt fiel eine sehr große Dichte von Schmuckständen auf. Auch boten viele Stände die immer gleichen Kleidungsstücke an – einen bestimmten Rocktyp sahen wir gleich drei oder viermal an verschiedenen Ständen auf dem Markt. Mit Kunsthandwerk hat das nicht mehr viel zu tun, überhaupt scheinen die Stände mit echter Kunst und Handwerk immer weniger zu werden. Herausragend: ein Stand mit Büchern aus Stein, eine großartige Verneigung vor Buchdruckerfinder Johannes Gutenberg.

Wunderschöne Falla aus der spanischen Partnerstadt Valencia. – Foto: gik

Dem großen Sohn der Stadt wird bei der Johannisnacht gehuldigt, auch mit Büchermarkt, Stadtschreiber-Lesung und vielem mehr. Am Rheinufer, ziemlich versteckt hinter den Buden, war zudem ein beeindruckendes Geburtstagsgeschenk zu sehen: Die spanische Falla, eine acht Meter hohe Figur aus Pappmaché aus der spanischen Partnerstadt Valencia. Dort sind die Fallas Teil des Unesco-Weltkulturerbes, ihnen ist im März ein ganzes Festival zum Frühjahrsbeginn gewidmet, bei dem die liebevoll, teils haushoch gestalteten Figuren am Ende verbrannt werden. Die Mainzer Valla ist ein wahres Wunderwerk mit zahlreichen Figuren – Maler, Angler, Kapelle – und auch hier wird der Gruß aus Valencia in Flammen aufgehen: am Montagabend um 21.45 Uhr, kurz vor dem großen Abschlussfeuerwerk am Rhein.

Auch ein anderes Geburtstagsgeschenk sorgt für staunende Ooohs und Aaahs von Liebhabern: das mehr als 120 Jahre alte historische Karussell auf dem Fischtorplatz fasziniert Liebhaber und Kinder gleichermaßen. Auf dem einfachen Gebilde stehen statt Figuren zum Reiten rote Kaffeeehausstühle, in der Mitte spielt eine Musikgruppe live französisch angehauchte Musik. Angetrieben wird das Karussell mit reiner Muskelkraft von einem Gondoliere – und nimmt erstaunlich viel Fahrt auf. „Ein tolles Erlebnis“, schwärmten die Mitfahrer am Ende – das Video dazu seht Ihr hier auf unserem Mainz&-Youtube-Kanal.

Galerie der Heldenherzen in der Mainzer Rheingoldhalle – 50 Kunstwerke mit Herz! – Foto: gik

Und dann ist da natürlich die Galerie der Heldenherzen in der Mainzer Rheingoldhalle: 50, von Künstlern gestaltete Kunststoffherzen. Die Aktion rief der Förderverein für Tumor- und Leukämiekranke Kinder in Mainz ins Leben, namhafte Künstler wie Udo Lindenberg, Liesel Metten, Michael Apitz und viele andere machten mit. Heraus kamen 50 echte Kunstwerke, leuchtende Objekte, faszinierende Gebilde, die zum Staunen und Liebhaben einladen. „Die Herzen bedeuten Liebe, Zuversicht und Freude“, sagte Iris Eggert-Otholt vom Förderverein: „Die Einzigartigkeit der Herzen und das Gemeinsame, das ist das Tolle an dieser Aktion.“

Die Herzen stehen auch für die krebskranken Kinder, die sich mit wahrem Heldenmut ihrer Krankheit entgegen stellen, der Erlös kommt dem Förderverein zugute, der in der Mainzer Kinder-Onkologie Kinderkrankschwestern, Betreuer und so manches medizinische Gerät finanziert. Am Montagabend um 18.00 Uhr werden fünf der schönsten herzen für den guten Zweck versteigert, die Übrigen könnt Ihr zum Preis von je 1.500 Euro erwerben, für den kleinen Geldbeutel gibt es Schmuckerzen für zwischen 80,- und 250,- Euro. Unsere Galerie der Heldenherzen seht Ihr unten.

Bis tief in die Nacht wurde auf den Märkten und Plätzen der Stadt gefeiert, das Weindorf der Winzer rund um den Dom zog Tausende an. Laut Polizei und bisherigem Stand blieb es weitgehend ruhig. Nur einmal rückte die Polizei martialisch aus: Samstagnacht wurde auf einmal gemeldet, an einem Gastronomie-Stand würden Männer mit Schusswaffen hantieren – Polizeibeamte stellten die Männer mit gezogener Waffe. Schnell stellte sich indes heraus: es waren lediglich Spielzeugpistolen, die die Männer an einem Stand auf dem Johannisfest erstanden hatten. Die Polizei entschuldigte ihr Auftreten mit der „allgemeinen prekären Lage“. Es werde nun geprüft, ob es sich bei den Spielzeugpistolen um sogenannte Anscheinswaffen im Sinne des Waffengesetzes handele – deren Handhaben in der Öffentlichkeit wäre verboten. Noch bis Montagabend tobt das große Stadtfest in der Mainzer Innenstadt, Abschluss ist ab 22.15/22.30 Uhr mit dem großen Abschlussfeuerwerk.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Programm der Mainzer Johannisnacht 2018 findet Ihr hier bei Mainz&. Nicht verpassen: Die 8 Dinge, die man an der Johannisnacht getan haben muss. Unsere Fotogalerie liefern wir nach…. Mehr zu den Heldenherzen und dem Förderverein für Tumor- und Leukämiekranke Kinder in Mainz hier im Internet.

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Termine erst nach Monaten, hoher Krankenstand, überlastete Mitarbeiter – Mainzer Flüchtlingsrat übt scharfe Kritik an Ausländerbehörde

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Überlastete Mitarbeiter, hoher Krankenstand und eine monatelang verschleppte Antragsbearbeitung selbst bei einfachsten Aufgaben – so stellt der Mainzer Flüchtlingsrat die Situation in der Ausländerbehörde der Stadt Mainz dar. „Man kann nur über Email Termine machen, bis zum Termin dauert es vier Monate“, kritisierte die Ärztin Christa Blum am Freitag in Mainz: „Die Situation ist unmöglich, wir beklagen das seit Jahren.“ Die Ausländerbehörde betreut Flüchtlinge und Migranten, die bereits ein gewisses Aufenthaltsrecht haben, für die Menschen führten die Zustände zu großen Problemen, klagt der Flüchtlingsrat: Die Verzögerungen könnten zum Verlust von Ausbildungsmöglichkeiten, Arbeitsplatz oder Wohnung führen, sogar kranke Menschen müssten manchmal monatelang auf ihren Lebensunterhalt warten. Die Stadt versicherte, man habe Abhilfe in die Wege geleitet.

Servicepoint und Willkommensbehörde – das sollte das Mainzer Ausländeramt werden,. so verkündeten es im April 2015 Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD, Links) und der Präsident der des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt. – Foto: gik

„Das ist kein neues, sondern ein seit langer Zeit bestehendes strukturelles Problem in der Ausländerbehörde“, sagte Bernd Drüke, Mitglied im Mainzer Flüchtlingsrat. Der Grund für die Misere: Die Behörde sei massiv unterbesetzt, die Mitarbeiter völlig überlastet. „Zum Teil sind über 30 Prozent der Mitarbeiter krank geschrieben, oft über längere Zeit“, sagte Blume: „Ein Mitarbeiter hat 1.000 Akten zu bearbeiten, das ist beim besten Willen nicht leistbar.“

Das Ergebnis: Termine würden in der Regel erst nach vier Monaten vergeben, „wer jetzt gerade einen beantragt, bekommt einen Termin im November“, sagte Anna Grünewald, Mitglied im Flüchtlingsrat. Dazu könnten die Flüchtlinge und Migranten Termine ausschließlich per Email beantragen, das setze aber einen Internetanschluss und gehobene Deutschkenntnisse voraus. „Ohne Hilfe und Beratung geht das für Geflüchtete praktisch gar nicht“, betonte Grünwald.

Dabei sollte Mainz noch 2015 zur Vorzeigebehörde werden: Ein Modellprojekt als „Willkommensbehörde“ wurde gestartet, selbst der Präsident der des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, kam dafür nach Mainz. Wissensdatenbank, neue Internetseite, ein Service Point – Mainz wollte die Willkommenskultur ganz groß leben. In der Realität sei daraus nichts geworden, sagt der Mainzer Flüchtlingsrat, die Konsequenzen für die Migranten seien erheblich: Eine Eritreerin, die krank sei und ein Kleinkind habe, habe zwei Monate lang keine Unterhaltsleistungen bekommen, weil die Ausländerbehörde auf ihre Anfrage Anfang Dezember nicht einmal antwortete – die Aufenthaltserlaubnis der Frau lief Mitte Dezember ab. Einen Termin bekam sie erst im März 2018, erst Mitte Februar die Bescheinigung des Amtes, mit der ihre Geldzahlungen fortgesetzt werden konnten.

Auch eine syrische Familie mit sechs Kindern hatte ein ähnliches Problem: Seit Januar 2018 versuchte die Familie, einen Termin zur Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, die Ende März fällig war, auf sechs Emails sei keine Antwort gekommen, berichtete Grünewald. Erst nach erheblichem Druck durch Helfer habe der Vater nun einen Termin für Ende Mai bekommen, die Mutter mit den Kindern darf Mitte Juli vorsprechen. Dadurch erhält die Familie seit April kein Kindergeld mehr, 1.000 Euro fehlen nun pro Monat – Geld, das für Versicherungen und etwa die Bus-Monatskarte dringend nötig wäre, sagte Grünewald.

Akten über Akten: 1.000 Fälle müsse derzeit jeder Mitarbeiter der Mainzer Ausländerbehörde bearbeiten, sagt der Mainzer Flüchtlingsrat. – Foto: gik

Auch Arbeitsplätze und Ausbildungsverträge platzten dadurch, sagte der frühere Flüchtlingspfarrer Friedrich Vetter, Mitglied des Flüchtlingsrates. Ein Flüchtling habe eine Arbeit gefunden, der Arbeitgeber habe ihn sofort und dringend gewollt. „Dann dauert es drei, vier Monate bis er einen Termin für die notwendigen Unterlagen bekommt, so lange wartet ein Arbeitgeber oft nicht“, sagte Vetter. In einem zweiten Fall habe ein Migrant, der bereits seit sieben Jahren in Deutschland lebt und mehr als fünf Jahre lang bereits einen Job hatte, geschlagene zwei Jahre auf seine Niederlassungserlaubnis gewartet – obwohl alle Voraussetzungen vorlagen. Der Mann drohte seine Arbeit zu verlieren, erst drei Tage vor Ablauf der Frist habe er einen Termin bekommen, und das auch nur aufgrund persönlicher Intervention. „Das ist schon seit Jahren so“, kritisierte Vetter, „wir reklamieren das schon seit 2014.“

In anderen Kommunen laufe das zudem komplett anders, berichtete Roland Grasshoff: In Bad Kreuznach gebe es etwa eine offene Sprechstunde der Ausländerbehörde, in Ingelheim Servicezeiten, an denen man dringend Anliegen gleich vorbringen könne. Oft ließen sich die anstehenden Fälle auch gleich erledigen, etwa eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. In Mainz hingegen warte eine syrische Familie, die im Mai 2017 hierher kam, immer noch auf den Ausweis der Frau. Durch Nachfragen bei der Ausländerbehörde sei herausgekommen: Der Ausweis liege bereits seit ein paar Monaten dort, eine Benachrichtigung sei aber einfach nicht verschickt worden.

Den Mitarbeitern in der Behörde könne man keinen Vorwurf machen, betont der Flüchtlingsrat, auf ihrem Rücken würden die Probleme abgeladen. Die Ausländerbehörde in Mainz unterstehe direkt dem Oberbürgermeister, mit ihm habe der Flüchtlingsrat auch bereits mehrfach Gespräche geführt, berichtete Grasshoff – geändert habe sich nichts: „Es gibt keine Bereitschaft innerhalb der Stadt, da neue Stellen zur Verfügung zu stellen.“ Drei Mitarbeiter seien seit Monaten krank die Stellen würden einfach nicht wiederbesetzt, weil die Stadt fürchte, die Mitarbeiter nach der Rückkehr der Erkrankten nicht unterbringen zu können. „Das ist in so einer großen Behörden wie in Mainz unverständlich“, kritisiert Grasshoff: „Es ist einfach nicht zu verstehen, dass die unhaltbaren Zustände nicht von der Stadtspitze oder von der Regierungsfraktion gesehen und geändert werden.“

Frei werdenden Stellen würden zudem nur mit bis Ende 2019 befristeten Verträgen eingestellt und zudem schlecht bezahlt, das sei auch wenig attraktiv, kritisierte er weiter. Mit Mitarbeiter in der Ausländerbehörde müssten eine hoch verantwortungsvolle Arbeit leisten und zudem durch ständige Änderungen des Bundes immer auf dem neuesten Stand sein, das sei alles andere als einfach.

Kritisieren die Arbeit der Ausländerbehörde in Mainz (von links): Friedrich vetter, Anna Grünewald, Roland Grasshoff, Christa Blum und Bernd Drüke vom Mainzer Flüchtlingsrat. – Foto: gik

Bei der Stadt Mainz hieß es auf Nachfrage am Nachmittag: „Der Verwaltung ist bekannt, dass es aktuell in der Ausländerbehörde zu einer Verzögerung bei der Bearbeitung von Anträgen kommt.“ Die langen Wartezeiten seien „nicht hinnehmbar“, betonte ein Sprecher auf Mainz&-Anfrage. Die Gründe seien aber vielschichtig, es gebe „einen hohen Krankenstand sowie mehrere unbesetzte Stellen.“ Zudem sei der Arbeitsaufwand enorm gestiegen, die Arbeit gleichzeitig immer vielschichtiger geworden, das wirke sich auf die Bearbeitungszeiten aus.

Die Stadt habe aber bereits Maßnahmen zur Abhilfe getroffen, Verfahren zur Wieder- oder Neubesetzung von fünf vakanten Vollzeitstellen stünden „kurz vor dem Abschluss“, sagte ein Sprecher auf Anfrage von Mainz&: „Nach der Besetzung der Stellen gehen wir von einer deutlichen Verbesserung der Situation aus.“ Für weitere aktuell entstandene Vakanzen im Umfang von drei Vollzeitstellen erfolgten „aktuell die notwendigen Schritte zur Wiederbesetzung.“ Der Bewerberkreis bei den Ausschreibungen sei erweitert worden. Zudem habe man vorübergehend zwei Zeitarbeitskräften zur Entlastung der Sachbearbeiter bei niederschwelligen Arbeiten eingesetzt und die Stunden einer Teilzeitarbeitskraft vorübergehend erhöht. Auch stehe ein Servicepoint ohne Terminvereinbarung zur Verfügung, etwa für die Ausstellung von Bescheinigungen. Der Flüchtlingsrat hat da andere Erfahrungen gemacht: Einen Serviecpoint gebe es zwar, sagte Blume, „aber Termine kann man dort nicht machen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Arbeit des Mainzer Flüchtlingsrates findet Ihr auf dieser Internetseite, den Mainz&-Bericht über das Modellprojekt neue Willkommenskultur im April 2015 könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.

 

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50 Jahre Mainzer Johannisnacht: Mainz feiert mit Heldenherzen und Paella – Leidet Künstlermarkt unter Durchgangsverkehr zum Rheinvergnügen?

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Die Mainzer Johannisnacht wirft ihre Buden und Riesenräder und Weinstände voraus, am Freitag ist es so weit: Um 15.00 Uhr eröffnet die 51. Johannisnacht ihre Tore, bis Montagabend wird dann in der gesamten Mainzer Innenstadt vom Schillerplatz bis zum Rheinufer gefeiert. Es ist eine besondere Johannisnacht: Vor genau 50 Jahren wurde das große Stadtfest zu Ehren des Buchdruckerfinders Johannes Gutenberg ins Leben gerufen – übrigens vom damaligen Bürgermeister Karl Delorme (SPD). Das war zum 500. Todesjahr Gutenbergs, im 550. Todesjahr hat die Johannisnacht nichts von ihrer Frische und Bedeutung verloren: 500.000 Besucher werden erneut an den vier Festtagen erwartet, in diesem Jahr wird Mainz vom 22. bis 25. Juni zur Festmeile. Gefeiert wird mit Heldenherzen und Paella, mit spanischer Falla und Free Fall Tower. Bedenken gibt es jedoch am Künstlermarkt: Der Durchgangsverkehr zum Rummel, dem Rheinvergnügen, trübte vergangenes Jahr die Freude der stöbernden Marktkundschaft.

Es geht loooos! Mainzer Johannisnacht 2016 – Foto: gik

Die Johannisnacht ist Kult, das große Stadtfest ein echter Treffpunkt für die Mainzer und zugleich ein Publikumsmagnet für Auswärtige: Vom Schillerplatz bis zum Rheinufer und dort die Promenade entlang reicht die Festmeile in der Innenstadt, mit Künstlermarkt, Rummel, vier großen Bühnen und zwei Weindörfern rund um den Dom ist das Stadtfest so vielfältig wie kaum ein anderes Volksfest. Daran ist natürlich maßgeblich Johannes Gutenberg „Schuld“: Mit dem großen Büchermarkt am Ballplatz, dem Buchdrucker-Gautschen und zahlreichen anderen Aktionen verneigen sich die Mainzer jedes Jahr vor dem großen Sohn der Stadt – mehr dazu hier bei Mainz&.

Das Gutenberg-Museum öffnet seine Tore, die Stadt Mainz verleiht Gutenberg-Stipendien an junge Wissenschaftler und die Gutenberg-Stiftung zeichnet den aus Argentinien stammenden Schriftsteller Alberto Manguel mit dem Gutenberg-Preis 2018 aus. Am Freitag, bereits um 15.00 Uhr, wird im Gutenberg-Museum zudem Satire gelesen: Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) und der ehemalige Kulturdezernent Peter Krawietz (CDU) lesen aus „Das Narrenschiff“ (Sebastian Brant) und „Lob der Torheit“ (Erasmus von Rotterdam). Auch die aktuelle Mainzer Stadtschreiberin Katharina Hahn gibt sich die Ehre mit einer Lesung am Sonntagvormittag auf der Ballplatz-Bühne. Hier geben sich ansonsten Comedykünstler und Kabarettgrößen wie Christian Schier, Tina Teubner und Martina Brandl die Mikros in die Hand.

Spannend wird in diesem Jahr, wie der neue Platz der Vereine auf der Ludwigsstraße neben der Deutschen Bank ankommt: Die Vereine ziehen um vom Rathausplateau an die LU, der kleine Platz soll zu einer Rückzugs-Oase werden. Gleichzeitig will das ja immer noch umbaubedingt heimatlose KUZ unterwegs das Rathausplateau mit einer Bühne für junges Publikum neu gestalten. Das könnte eine gute Brücke zum Rummel am Rheinufer schaffen: Das Rheinvergnügen, vor zwei Jahren hinter die Theodor-Heuss-Brücke auf die Promenade vor dem Kurfürstlichen Schloss umgezogen, wartet dort inzwischen mit 80 Ständen auf, darunter zehn großen Fahrgeschäften und vier Kinder-Attraktionen.

Große Attraktion auf dem Rheinvergnügen 2018: Der 66 Meter hohe Free Fall Tower. – Foto: Power Tower

Natürlich ist das geliebte Kettenkarussell wieder dabei, der Autoscooter, der Chaos Airport und der Breakdancer sowie die Familienachterbahn, aber auch neue Highlights warten hier auf die Besucher: Die XXL Schaukel Konga wird die Besucher ordentlich durchrütteln, das 40 Meter hohe Fahrgeschäft ist eine der höchsten transportablen Schaukeln in Deutschland – und kommt erstmals nach Mainz. Auch der „Scheibenwischer“ ist etwas für Leute mit guten Mägen, die den Kick suchen, für diese Kunden wird aber vor allem der Free Fall Tower die große Attraktion werden: Der 66 Meter hohe Turm ist das höchste Freie-Fall-Erlebnis außerhalb eines Freizeitparks in Deutschland. Zehn Schwertransporter brachten das Fahrgeschäft nach Mainz, der Stromanschluss für den Tower allein ist so leistungsstark wie für eine Kleinstadt.

„Wir sind immer auf der Suche nach neuen Attraktionen, und wir wollten zum Jubiläum etwas Besonderes“, sagte der Sprecher der Interessengemeinschaft Mainzer Schausteller, Marco Sottile, Mainz&. 2016 zog das „Rheinvergnügen“ auf den neuen Standort der Promenade vor dem Mainzer Schloss um, der neue Standort habe sich bewährt, sagt Sottile. Im vergangenen Jahr richteten die Schausteller zudem eine Ruhezone mit vielen Sitzplätzen im Alm-Stil ein, hier können Besucher nun auch mit Blick auf den Rhein verweilen. Ein anderer wichtiger Teil des Festes aber hat mit dem Umzug Ruhe verloren: der Künstlermarkt.

Spanische Paella aus Valencia für Mainz: Am Montag könnt Ihr die Spezialität auf dem Rathausvorplatz genießen. – Foto: Paella Velarte

Seit der Künstlermarkt auf der Promenade vor dem Rathaus sowie am Fischorplatz steht, ist der Markt zum Laufweg für Besucher des Rheinvergnügens geworden. Eine wahre Karawane schiebe sich zu Zeiten an den Kunstständen vorbei, Menschen, die eigentlich Autoscooter und Fahrvergnügen wollen. „Ich habe von vielen Besuchern gehört, denen das nicht gefällt“, sagt Sottile, „viele sagen, man kann nicht in Ruhe gucken, wird ständig angerempelt.“ Ein „Bypass“ an der Rheinallee entlang, den die Stadt im vergangenen Jahr anlegte, sei von den Besuchern nicht angenommen worden. „Dabei bräuchte der Künstlermarkt mehr Ruhe“, sagt Sottile. Und er erneuert seinen Vorschlag von vor zwei Jahren: „Der Künstlermarkt solle auf die Promenade Richtung Hyatt umziehen, das wäre das schönere Ambiente für den Markt.“

Im Weindorf am Leichhof bei den Mainzer Winzern einen Wein schlürfen – ein Muss bei der Johannisnacht! – Foto: gik

Die Stadt hatte immerhin vergangenes Jahr am Flair des Künstlermarktes stark gefeilt, das soll auch in diesem Jahr wieder so sein. Auf dem Fischtorplatz wird es in diesem Jahr ein historisches Karussell geben: Auf dem mehr als 120 Jahre alten Gebilde spielen Live-Musiker auf der Plattform zwischen den Fahrenden, betrieben wird das Karussell rein mit Muskelkraft. Zum Jubiläum fährt zudem die spanische Partnerstadt Valencia am Montagnachmittag Paella in zwei großen Pfannen auf und hat eine spanische Falla gestiftet: Die traditionelle Papierfigur ist acht Meter hoch und auf einem Boot am Rheinufer zu sehen, vor dem großen Abschlussfeuerwerk am Montagabend soll sie pyrotechnisch in Flammen aufgehen.

Kurz zuvor werden in der Rheingoldhalle 50 „Heldenherzen“ versteigert: Die überdimensionalen Kunstwerke in Herzform wurden in den vergangenen Wochen von Künstlern wie Liesel Metten, Udo Lindenberg oder Michael Apitz gestaltet. 1,60 Meter hoch sind die Kunststoffherzen, aus ihnen wurden le Kunstwerke, die während der Johannisnacht in der ganzen Stadt, vor allem aber in der Rheingoldhalle zu sehen sind. Hier ist am Freitagnachmittag ab 18.00 Uhr Vernissage, am Montag um 18.00 Uhr werden einige der Herzen versteigert. Der Erlös geht an den Förderverein für Tumor- und Leukämiekranke Kinder in Mainz, der die „Heldenherzen“ ins Leben gerufen hat – mehr dazu hier im Internet.

Die 51. Mainzer Johannisnacht endet dann am Montagabend mit dem großen Abschlussfeuerwerk am Mainzer Rheinufer. Zu dem solltet Ihr in diesem Jahr etwas früher kommen: Am Montagabend wird die spanische „Falla“ auf einem Schiff auf dem Rhein ab 21.45 Uhr mit Pyrotechnik in Flammen aufgehen, bevor das große Abschlussfeuerwerk startet.

Info& auf Mainz&: Die 51. Mainzer Johannisnacht findet vom 22. bis 25. Juni 2018 statt, die offizielle Eröffnung ist am Freitagabend um 20.00 Uhr auf der großen Bühne am Schillerplatz. Ausführliche Informationen zum Programm findet Ihr hier bei Mainz&, das gesamte Programm könnt Ihr Euch hier bei der Stadt Mainz herunterladen. Mehr findet Ihr hier im Internet, auch die Öffnungszeiten der Ausstellung. Spanische Paella gibt es am Montag, 25. Juni, ab 15.00 Uhr auf dem Rathausplateau zum Preis von 5,- Euro pro Portion, der Erlös geht an die krebskranken Kinder. Und die „8 Dinge, die man an der Johannisnacht gemacht haben muss“ – die erzählen wir Euch hier.

 

 

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IHKs aus Rheinhessen und Wiesbaden fordern Zeitplan zum Ausbau der A643 – „Brauchen endlich belastbare Aussagen“

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Der Neubau der Schiersteiner Brücke schreitet voran, bis 2021 soll die neue sechsspurige Rheinquerung stehen – doch der Anschlussausbau der A643 auf rheinland-pfälzischer Seite kommt weiter nicht voran. Den Industrie- und Handelskammern (IHKs) aus Rheinhessen und Wiesbaden stößt das nun sauer auf: Sie forderten am Donnerstag, das Mainzer Verkehrsministerium müsse nun endlich einen Zeitplan für den Ausbau vorlegen. „Fünf Jahre nach der Anweisung des Bundesverkehrsministers zum sechsspurigen Ausbau des Teilstücks ist immer noch kein Ende der Planung absehbar“, kritisierte der Mainzer IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz. Es brauche jetzt endlich „belastbare Aussagen“ des Ministers in Sachen Ausbau. Die A643 drohe zu einem dauerhaften Nadelöhr für den Verkehr zu werden.

Die A643 wird auch nach dem Ausbau der Schiersteiner Brücke ein stauträchtiges Nadelöhr bleiben. – Foto: gik

Im Februar 2015 hatte der damalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) per Dekret einen vollen sechsspurigen Ausbau der Autobahn 643 zwischen der Schiersteiner Brücke und dem Autobahndreieck Mainz-Süd verfügt, sein Vorgänger Peter Ramsauer (CSU) schon einmal 2014 – beides gegen den Willen der damals rot-grünen Landesregierung. Die wollte das Autobahnteilstück nur mit einer 4+2-Lösung ausbauen, also vier Spuren plus einem variabel nutzbaren dritten Seitenstreifen, der in Stoßzeiten als dritte Fahrspur hätte geöffnet werden können. Die 4+2-Lösung war ein Kompromiss, den Land Rheinland-Pfalz und Stadt Mainz mit den Naturschutzverbänden ausgehandelt hatten – die A643 führt durch das europaweit einmalige Naturschutzgebiet Mainzer Sand.

Das Dekret des Bundesverkehrsministers ließ den vor Ort ausgehandelten Kompromiss platzen, nun wird fest mit Klagen von Umweltverbänden gegen den Ausbau gerechnet – die Umweltschützer sehen den Fortbestand der einmaligen Steppenlandschaft in Gefahr. Im Sommer 2017 wurde zudem angeblich eine äußerst seltene Wildbienenart im Mainzer Sand entdeckt, die Dünen-Steppenbiene war seit 150 Jahren nicht mehr dokumentiert worden. Im Mainzer Verkehrsministerium hieß es dazu im November 2017, man werde jetzt erst einmal überprüfen, ob die Biene tatsächlich im Mainzer Sand zu finden und wie selten sie sei – und ob sie von einem Ausbau überhaupt gestört würde. „Vielleicht ist sie ja weitergeflogen“, sagte ein Mitarbeiter.

Die A643 führt durch das Naturschutzgebiet Mainzer Sand, Umweltschützer wollen den Ausbau auf sechs Spuren deshalb verhindern, hatten aber einer 4+2-Lösung zugestimmt. – Foto: gik

Tatsache ist: das für den Ausbau notwendige Planfeststellungsverfahren ist noch immer nicht eingeleitet. 2015 hatte Landesminister Roger Lewentz (SPD), damals zuständig für das Verkehrsressort, noch den Start des Planfeststellungsverfahren für den Sommer 2016 angekündigt, sein Nachfolger Volker Wissing (FDP) versprach 2016 eine schnelle Einleitung des Bauvorhabens. Die Mainzer CDU-Opposition argwöhnte im Juni 2017, die rot-gelb-grüne Landesregierung verzögere das Bauvorhaben aus ideologischen Gründen, die Grünen blockierten offenbar weiter den sechsspurigen Ausbau.

Anfang Juni 2017 musste das Verkehrsministerium dann einräumen: der Start sei erst einmal verschoben. Zwar lägen inzwischen die Verkehrsuntersuchung sowie die vorgeschriebene Betrachtung von Alternativrouten vor, sagte eine Sprecherin damals Mainz&, auch die Kartierungen seltener Arten und Vegetation seien erfolgt. Doch neue Gerichtsurteile auf EU-Ebene hätten neue Gutachten erforderlich gemacht, EU-Gerichte hatten neue Auflagen zur Wasserrahmenrichtlinie sowie zu Untersuchungen von gefährlichen Unternehmen gemacht. Dazu müsse noch eine Stellungnahme der EU eingeholt werden.

Auf die wartet man im Verkehrsministerium offenbar noch immer: Der Landesbetrieb Mobilität sei derzeit dabei, „die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren zusammenzustellen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums auf Mainz&-Anfrage am Donnerstag, „dazu zählt auch das Einholen einer EU-Stellungnahme.“ Wann vollziehbares Baurecht vorliege, sei nur schwer abzuschätzen. Eine Aussage zum Start des Planfeststellungsverfahren machte die Sprecherin nicht, im Ministerium geht man zudem fest davon aus, dass Klagen von Umweltverbänden vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig landen – diese Verfahren dauern in der Regel mindestens Monate.

Auch nach der Fertigstellung der neuen Schiersteiner Brücke bleibt die A643 also unausgebaut, und das voraussichtlich noch auf Jahre hinaus. Damit sei auf rheinland-pfälzischer Seite täglich weiter Staugefahr gegeben, die vierspurige A643 drohe „ein Nadelöhr“ zu werden, klagte Jertz. Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen zufolge nutzten pro Tag gut 60.000 Pkw sowie rund 5.000 Lkw und Busse die Strecke zwischen dem Autobahndreieck Mainz und der Anschlussstelle Mainz-Mombach. Für die Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet bedeute das weiter Umwege, Zeitverlust, zusätzliche Kosten und einen Wettbewerbsnachteil, klagte der Wiesbadener IHK-Hauptgeschäftsführer Joachim Nolde: „Die Betriebe brauchen endlich Planungssicherheit.“

Info& auf Mainz&: Unsere beiden jüngsten Artikel zu den Verzögerungen beim Ausbau der A643 findet Ihr hier: Freigabe Schiersteiner Brücke und Entdeckung Wildbiene sowie hier: Ausbau A643 verzögert sich weiter. Eine Reportage über das Naturschutzgebiet Mainzer Sand vom März 2015 könnt Ihr hier bei Mainz& lesen.

 

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Umbau Boppstraße: Pläne ohne Ampel stoßen auf Widerstand – Geschäftsleute und Hausbesitzer kritisieren mangelnde Information – Droht Schlagader der Propfen?

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Die Boppstraße steht kurz vor der Umgestaltung, und die ist auch bitter nötig: Die Lebensader der Mainzer Neustadt ist schwer in die Jahre gekommen. Das soll sich nun gründlich ändern: Ab Oktober 2018 will die Stadt mit den Bauarbeiten beginnen, zwei Jahre lang soll der Umbau dauern. Wichtigste Änderungen: die Boppstraße soll zweispurig bleiben, aber Tempo 30-Zone werden. Mehr noch: Zwischen Aspeltstraße und Bonifaziusplatz soll nur noch Tempo 20 gelten, dazu die Ampel an der Josefsstraße wegfallen. Bei einer Bürgerversammlung am Montagabend sorgte das für reichlich Unmut: Der Wegfall der Ampel werde gefährlich, es sei doch „naiv“ zu glauben, dass der Durchfahrtverkehr sich an Tempo 20 halten werde. Und noch etwas sorgte für gehörigen Unmut: „Wir sind als Gewerbetreibende überhaupt nicht gefragt und nicht informiert worden“, beschwerte sich nicht nur ein Bäckermeister: „Sie nennen Ihre Kommunikation toll und wunderbar? Vergessen Sie es!“

Visualisierung neue Boppstraße nach der Umgestaltung. – Grafik_ Stadt Mainz

Rund 16 Millionen Euro an Fördermitteln aus dem Programm „Soziale Stadt“ will die Stadt Mainz in der Boppstraße verbauen, das Tor zur Neustadt soll deutlich attraktiver, der Verkehr neu geordnet werden. Zwei Jahre lang sollen die Umbauarbeiten dauern, der Autoverkehr in dieser Zeit nur auf einer Seite und zwar stadtauswärts rollen – stadteinwärts sollen die Autofahrer über den Kaiser-Wilhelm-Ring zum Bahnhof und von dort zurück zur Boppstraße geführt werden. Für die Boppstraße soll es sich lohnen: Schöner, breiter und mit mehr Grün soll die Straße quasi zur Flaniermeile werden, allerdings mit zweispuriger Fahrbahn in der Mitte. Den Autos soll künftig eine sechs Meter breite Fahrbahn zur Verfügung stehen, breiter als derzeit, erreicht wird das durch den Wegfall der parkenden Autos auf beiden Seiten. Die waren ein echter Unfallschwerpunkt: Weil die heutigen Autos viel breiter sind als die früher angelegten Parkplätze, ragen die Fahrzeuge regelmäßig in die Fahrbahn, das unfallfreie Passieren zweier Autos wurde stellenweise zum Millimeter-Wettbewerb. Und wer weiß, wie viele Seitenspiegel der Boppstraße zum Opfer fielen.

Anwohner fürchten Lärmbelastung durch Aufpflasterungen an Tempo 20-Zone

Künftig sollen zwischen den Bäumen Parkbuchten entstehen, der Bürgersteig allein den Fußgängern vorbehalten bleiben und so deutlich breiter werden. Die Radfahrer fahren künftig auf der Straße, ein seitlicher Schutzstreifen mit gestrichelter Linie soll reichen. Dafür wird die gesamte Boppstraße Tempo 30, mehr noch: zwischen Bonifaziusplatz und Aspeltstraße soll die Boppstraße gar Tempo 20-Zone werden. Der Fußbodenbelag soll diese Zone deutlich sichtbar hervorheben, an den Eingängen zur Tempo 20-Zone sollen kleine Aufpflasterungen den Autofahrern deutlich machen: Achtung, dies ist ein verkehrsberuhigter Bereich.

Geplante Tempo 20-Zone in der neuen Boppstraße nach dem Umbau. – Grafik_ Stadt Mainz

Die Skepsis der Anwohner war indes groß: Die Anhebungen würden eine „enorme Lärmbelastung“ fürchtete eine Anwohner: „Die Lkw, die Zulieferer, die werden da einfach drüber fahren.“ Die Folge werde erhebliches Scheppern sein. Denn trotz Verkehrsberuhigung und Tempo 20-Zone: Lkws werden auch weiterhin durch die Boppstraße fahren. Die Haupt-Einkaufsmeile der Neustadt ist eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen der Mainzer Innenstadt und den nördlichen Stadtteilen wie etwa Mombach, nach dem Willen der städtischen Planer soll der Verkehr aber langsam und mit viel Rücksicht auf Fahrradfahrer und Fußgänger rollen.

Mehr als 40 Parkplätze weg – Anwohner: Tempo 20 „ist doch naiv“

Für viele Neustadtbewohner passte das nicht zusammen: „Ich finde es so naiv zu glauben, dass die Leute Tempo 20 einhalten, das glauben Sie doch selber nicht“, sagte ein Pfarrgemeindesratsmitglied der Bonifaziuskirche. „Wenn man eine Straße aufwerten will, nimmt man den Verkehr ganz oder teilweise raus“, sagte auch Ortsbeiratsmitglied Sigi Aubel (Linke): „Hier macht man die Fahrbahn breiter – und damit die Autos noch schneller.“ Dazu hätten die Verkehrsplaner überhaupt nicht den steigenden Verkehr durch Neubaugebiete berücksichtigt, sagte Aubel: Die Neubauten auf der Feuerwache und am Beethovenplatz, dazu der gesamte Zollhafen, „nichts davon ist berücksichtigt“, schimpfte er.

Rund 30.000 Fahrzeuge mehr erwarte die Stadt selbst durch den fertigen Zollhafen, sagte CDU-Ortsbeiratsmitglied Karsten Lange – und auch die wollten durch die Neustadt in die Innenstadt fahren. Dazu gebe es vor allem in den Abendstunden regelmäßig Raser auf der Boppstraße: „Wir haben in der Neustadt das Problem, dass gewisse Leute einer gewissen Altersgruppe gerne mal zeigen, wie viele PS sie haben“, sagte Lange trocken – wie wolle die Stadt denn das in den Griff bekommen? Der Leiter der Straßenverkehrsbehörde, Udo Beck, versicherte, die Stadt werde mit Kontrollen in jedem Fall dafür sorgen: „Wenn wir da Tempo 20 machen, sorgen wir auch dafür, dass das eingehalten wird.“

Plan für den Umbau der Mainzer Boppstraße, Kernbereich. – Grafik: Stadt Mainz, Foto: gik

Durch die Neuordnung der Straße werden allerdings auch mehr als 40 Parkplätze in der Boppstraße wegfallen – in der ohnehin stark Parkraum-geplagten Mainzer Neustadt kommt das fast schon einer Katastrophe gleich. Die Stadtplaner versicherten, es würden dafür Parkplätze im Umfeld geschaffen, allerdings sieht der Plan ganze fünf Stellplätze im nahen Umfeld der Straße vor. 12 Parkplätze sollen hingegen an der Rampe zur Unterführung am Bahnhof geschaffen werden. Das werde den Gewerbetreibenden und Anwohnern der Boppstraße wenig bis gar nichts nützen, kritisierte Lange, die Ausweichparkplätze seien einfach zu weit weg. „Viele Pendler nutzen die Geschäfte der Boppstraße heute, um schnell auf dem Weg von der Arbeit eine Besorgung zu erledigen“, sagte Lange im Mainz&-Gespräch, ohne Stellplätze vor den Geschäften würden sich viele das überlegen. Die Stadt wiederum verwies darauf, dass im Zuge des Umbaus auch die Bonifaziusstraße Richtung Bahnhof neu gestaltet werden soll, und hier würden durch Neuordnung der Parkplätze zusätzliche Stellplätze entstehen.

Wegfall der Ampel Josefsstraße stößt auf viel Kritik – Stadt: Pläne „ausreichend diskutiert“

Auf besonders viel Kritik stieß aber der geplante Wegfall der Ampel an der Josefsstraße: Die Stadt will die Ampel hier ersatzlos streichen und verweist darauf, dass man sie in einer Tempo 30-Zone nicht mehr brauche. Drei Zebrastreifen an der Bonifaziuskirche, in Höhe der Kurfürstenstraße und an der Josefsstraße sollen die Querungen für Fußgänger sicher stellen. „Ich sehe das ganz, ganz kritisch“, sagte das Pfarrgemeinderatsmitglied dazu, „nur mit Zebrastreifen werden Sie die Sicherheit nicht hinkriegen.“ Das Ergebnis werde sein, dass alte Menschen „zitternd am Zebrastreifen stehen und hoffen, dass einer anhält“, schimpfte sie.

„Der Fußgänger kann die Straße jederzeit queren“, lautete die Antwort der Stadtplaner, die Attraktivität der Straße für den Durchgangsverkehr werde „rapide abnehmen“ durch die Beruhigung. „Der Verkehr wird immer schneller, wer durchfährt, wird Gas geben“, glaubte hingegen ein Anwohner. Auch habe die Stadt offenbar überhaupt nicht mit Sehbehindertenverbänden gesprochen, für die eine Ampel enorm wichtig sei. „Gucken Sie, dass da eine Ampel hinkommt“, riet der Anwohner.

Geplanter Ausgleich für wegfallende Parkplätze in der Boppstraße (rote Linie) u. – Grafik: Stadt Mainz

Die Frage der Ampel „haben wir ausreichend diskutiert“, hieß es daraufhin vom Stadtplanungsamt, der Stadtrat habe den Plan so entschieden. „Die grundlegenden Dinge der Planung sind eigentlich abgearbeitet“, sagte der stellvertretende Leiter des Stadtplanungsamtes, Axel Strobach. „Ja – von Ihnen“, konterte prompt eine Teilnehmerin, und legte nach: Genau solche Themen seien auch schon bei der Bürgerbeteiligung im August angesprochen worden, doch da seien die Anwohner abgewimmelt worden. „Beim letzten Mal habe Sie gesagt, das machen wir beim nächsten Mal“, betonte die Inhaberin der Stern Apotheke – doch das nächste Mal sei jetzt, und jetzt werde man gar nicht mehr gehört.

Hauseigentümer: Bei mir nie Infos angekommen – Stadtplaner: Amtsblatt reicht rechtlich aus, „können Sie abonnieren“

Die Apothekerin war nicht die einzige, die das so empfand: Die Sachen, die beim letzten Mal nicht beantwortet worden seien, hätten auch dieses Mal keinen Raum, kritisierte ein weiterer Anwohner. „Uns geht es genauso“, sagte eine Anwohnerin: „Keiner bei der Stadt gibt Auskunft, keiner sagt etwas, keiner ist zuständig.“ Bei der Stadt wies man das entrüstet zurück, doch nun meldeten sich immer mehr Teilnehmer zu Wort: „Wann werden eigentlich die Hauseigentümer über die Planungsmaßnahme informiert?“, wollte ein Teilnehmer wissen: „Bei mir ist bis heute nichts angekommen, ich habe heute morgen von der Sache erfahren, früher nicht.“ Einen Flyer in einen Briefkasten zu werfen, „und dann zu glauben, die Anwohner seien informiert, das sei stark optimistisch“, schimpfte der Mann, dazu gebe es viele Hausbesitzer, die selbst gar nicht in der Boppstraße wohnten.

„Wir streben das Maximale an Informationen an“, entgegnete ihm daraufhin Strobach, wer im Eigentum konkret betroffen sei, habe Informationen bekommen. Im Übrigen sei die Stadt rechtlich nur verpflichtet, „das amtsüblich bekannt zu machen“, das heiße: „Im Amtsblatt der Stadt Mainz, das kann man abonnieren“, sagte Strobach: „Es ist bis in die höchsten Gerichte bestätigt, dass eine Veröffentlichung im Amtsblatt ausreicht, juristisch sind wir auf der sauberen Seite.“ – „Ich bin als Privatmann nicht verpflichtet, das Amtsblatt zu abonnieren“, entgegnete daraufhin wiederum der Hausbesitzer: „Sie beziehen sich auf das Recht, gehen keine weitere Diskussion an und würgen alles andere ab“, beschwerte er sich.

Bäckerei: Sind als Gewerbetreibende nie befragt worden, was wir brauchen

„Wir sind als Gewerbetreibende gar nicht gefragt worden“, betonte danach auch der Inhaber der Bäckerei Olemutz. Vor vier Wochen habe er konkret erfahren, dass in der Boppstraße Arbeiten anstünden. „Wir sind nie gefragt worden, was unsere Bedürfnisse sind, was wir brauchen“, kritisierte er: „Sie sprechen hier davon Ihre Kommunikation wäre toll und wunderbar? Vergessen Sie es!“ Andere Gewerbetreibende bestätigten dies noch in der Versammlung.

Die Stadtplaner versicherten, man werde die Entwicklung in der Boppstraße genau beobachten, Nachbesserungen seien dann noch möglich. „Gucken Sie, dass Sie da jetzt noch mal eine Korrektur möglich machen“, empfahl ihnen hingegen ein Anwohner, der dafür viel Beifall bekam: „Die Realität sieht einfach anders aus.“

Info& auf Mainz&: Die gesamten Pläne zum Umbau der Mainzer Boppstraße könnt Ihr Euch hier auf der Internetseite der Stadt Mainz ansehen.

Kommentar& auf Mainz&: Eine Stadt braucht Schlagadern für den Verkehr, sonst droht der Infarkt

1. Bürgerinformation zum Umbau der Mainzer Boppstraße am Montagabend. Änderungswünsche durch die Bürger waren allerdings weitgehend unerwünscht. – Foto: gik

Kommentar& auf Mainz&: Da passt etwas nicht zusammen. Die Boppstraße ist die Schlagader der Mainzer Neustadt, aber sie ist eben mehr als das: Sie ist auch eine der wichtigen Durchfahrtstangenten der Mainzer Innenstadt. Wer vom Bleichenviertel, ja von der Innenstadt in Richtung Zollhafen oder Mombach will – der fährt durch die Mainzer Neustadt. Wie auch sonst? Es gibt ja kaum noch Möglichkeiten, die Neustadt überhaupt noch zu durchqueren. Die Hindenburgstraße: dicht gemacht für den Durchfahrtsverkehr. Die Parallelstraßen: verkehrsberuhigt und durch Einbahnstraßen-Labyrinth unmöglich zum Durchfahren gemacht.

Wir sagen: Gut so! Die Verkehrsberuhigung der Mainzer Neustadt hat aus dem Viertel erst gemacht, was es heute ist – ein hippes Großstadtviertel mit Plätzen und viel Aufenthaltsqualität. Nur, es gab dafür einen Deal, einen Preis, und der lautete: Die Boppstraße bleibt eine Durchfahrtsstraße für den Verkehr, eine Schlagader eben. Nun will man eben dieser Schlagader ein Tempo 20-Korsett anlegen – und riskiert damit den Schlaganfall im Innenstadtverkehr.

Die Stadt muss sich schon entscheiden: will sie die Boppstraße auch noch so extrem verkehrsberuhigen und – so lautete am Montagabend die explizite Ansage – für den Durchfahrtsverkehr unattraktiv machen, dann viel Spaß künftig auf der Rheinallee und den übrigen Innenstadt-Straßen. Große Langgasse, Boppstraße – der Verkehr wird zunehmend verdrängt und konzentriert auf den vier Spuren von Rheinstraße und Rheinallee, wie soll das gehen? Im Zollhafen sollen Tausende neue Menschen wohnen, Geschäfte entstehen, Büros – wo sollen die alle langfahren? Und nein, die Bewohner werden nicht alle Mainzelbahn und Carsharing fahren, sie werden ihre schicken Sportwagen aus den schicken neuen Tiefgaragen nehmen und über die Rheinallee zum Einkaufen fahren. Oder zum Job. Oder auf ein Fest.

Als die Boppstraße im Sommer 2015 kurzzeitig gesperrt werden musste, sah die Umleitungsroute so aus: Goethestraße, Rheinallee, Große Bleiche. Eine andere Möglichkeit bietet nur der Kaiser Wilhelm-Ring, doch der U-Turn am Hauptbahnhof ist hochgradig unfall-gefährlich. – Plan: Stadt Mainz

Die Neustadt-Bewohner haben das am Montagabend genau gespürt: Da passt etwas Grundlegendes nicht zusammen. Eine Stadt braucht Schlagadern, Durchfahrtsrouten, sonst kollabiert sie. Die Folge werden unendliche Staus sein, weil nun einmal gewisse Dinge auch mit dem Auto erledigt werden. Wenn es jetzt offenbar schon Überlegungen in der Stadtverwaltung gibt, die Barriere in der Wallaustraße abzubauen, dann heißt das doch nichts anderes als: Die Rheinallee braucht dringend einen Bypass. Wird die Boppstraße lahm gelegt, wird sich der Verkehr andere Wege suchen. Und damit droht genau das, was die genialen Planer der verkehrsberuhigten Neustadt einst genau zu verhindern suchten: Der Verkehr wird sich einen Weg zurück in die Gassen der Neustadt bahnen. Das ist wie mit Wasser, das gestaut wird – nur erheblich lauter und stinkender.

Was die Reaktionen auf die Bürger angeht – das war ein Rückschritt in finstere Zeiten von Behördenallmacht. Wir dachten eigentlich, die Stadtverwaltung hätte durch das Fiasko mit dem Bibelturm gelernt, dass man Bürger ernst nehmen muss und genau auf ihre Anregungen hören sollte, am Montagabend war davon nichts zu spüren. Wenn gleich zehn Leute in einer Versammlung berichten, sie seien nicht gehört oder gar nicht erst informiert worden, dann hat das mit der Bürgerinformation schlicht nicht funktioniert. Da nützt auch kein Verweis auf Paragraphen und Rechtslage, auch ein „Wir haben doch schon so viel gemacht“ ist dann leider eben nur eines: nicht hilfreich. Kein Bürger fühlt sich dadurch ernst genommen oder in seinen Interessen berücksichtigt. Es bleibt noch viel zu tun im Staate Mainz….

 

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Konstruktiver Runder Tisch zum Gutenberg Museum – BI: Gutenberg zur Marke für die Stadt machen – BI lädt zur Diskussion am 19.6.

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Das Nachdenken über ein neues Gutenberg-Museum hat begonnen, und es geht durchaus intensiv dabei zu. Beim ersten Runden Tisch nach dem Bürgerentscheid gingen Vertreter der Stadt sowie der Bürgerinitiative Gutenberg Museum aufeinander zu, man habe in sehr konstruktiver Atmosphäre Ideen und Ansätze ausgetauscht, hieß es danach. Mehr noch: Die BI Gutenberg Museum präsentierte Vorschläge für eine Online-Plattform für Bürgerbeteiligung in Mainz und schlägt vor, Gutenberg zu einer echten Marke für die ganze Stadt weiter zu entwickeln. Derweil wollen die Freien Wähler auch neue Standorte für ein neues Museum prüfen lassen und stellen am Mittwoch einen entsprechenden Antrag im Stadtrat. Am morgigen Dienstag, den 19. Juni. lädt die Bürgeriniative Gutenberg Museum nun zur öffentlichen Diskussion unter dem Motto: Quo Vadis Gutenberg?“, am Mittwoch laden die Freien Wähler ein, über das Thema Bürgerbeteiligung nachzudenken.

Neuer Schwung für Gutenberg Museum: die Arbeit an einem neuen Anlauf hat bereits begonnen. – Foto: gik

Gut einen Monat nach dem für die Stadtspitze verheerenden Bürgerbegehren hatte die Bürgerinitiative Gutenberg Museum zu einem Runden Tisch geladen. Gekommen waren neben Vertretern der BI und der Mainzer CDU – darunter auch Johannes Gerster – unter anderem Oberbürgermeister Michael Ebling sowie Baudezernentin Marianne Grosse (beide SPD). Museumsdirektorin Annette Ludwig musste hingegen wegen eines anderen Termins absagen.

„Es war ein sehr konstruktives, offenes Gespräch, man ist bereit, aufeinander zuzugehen“, sagte danach BI-Gründer Thomas Mann auf Mainz&-Anfrage: „Wir haben ein neues Kapitel in der Kommunalpolitik, der Bürgerbeteiligung und des Umgangs miteinander aufgeschlagen.“ Er habe vor zweieinhalb Jahren bereits einen solchen Runden Tisch zum Austausch gefordert, „das haben wir nun erreicht, darauf bin ich stolz“, betonte Mann. Die BI habe „schon den Eindruck, dass die Stadtspitze ihre Lehren aus dem klaren Bürgerentscheid gezogen hat und auch weiß, dass dabei eine grundlegende Unzufriedenheit mit der Beteiligung der Bürger in der Mainzer Stadtplanung eine wesentliche Rolle spielte.“

Der Abend diente aber nicht nur zum Austausch, auch über ein Finanzierungskonzept sowie einen Standort für ein neues Museum wurde geredet. Die Stadt habe die Zusage gegeben, dass ein neues Museum nicht mehr auf dem Liebfrauenplatz gebaut werde, sagte der Fraktionschef der Freien Wähler im Mainzer Stadtrat, Kurt Mehler, gegenüber Mainz&. In einem Antrag für den Stadtrat an diesem Mittwoch fordern die Freien Wähler, mögliche Standorte für ein Gutenberg Museum im Mainzer Stadtgebiet ergebnisoffen zu prüfen.

Freie Wähler: Standorte prüfen, Schellbau abreißen – und Altstadt rekonstruieren

Die Freien Wähler wollen den Schellbau abreißen und alternativ andere Standorte für ein Gutenberg Museum prüfen lassen. – Foto: gik

„Um alle Möglichkeiten für die Verbesserung der Situation des Gutenberg Museums auszuloten, ist auch die Option eines Neubaus an einem anderen Standort zu berücksichtigen“, heißt es in dem Antrag. Die Strahlkraft des Gutenberg Museums dürfe nicht „durch Engstirnigkeit und Alternativlosigkeit in baulicher Hinsicht beschränkt werden“, ein Neubau biete zudem eine gute Möglichkeit, die Mainzer einzubeziehen. Auch einen Abriss des Schellbaus bringen die Freien Wähler ins Gespräch: Das würde „eine neue Möglichkeit für die Wiederherstellung der historischen Mainzer Altstadt nach dem Vorbild von Frankfurt bedeuten“, finden die Freien Wähler, davon könne der Tourismus in Mainz erheblich profitieren. Er spüre in der Stadt „ein Ringen um eine gute Lösung“, sagte Mehler: „Es ist das erste Mal, dass ich die Hoffnung habe, in einem überschaubaren Zeitraum ein gut funktionierendes Gutenberg Museum noch zu erleben.“

Die ÖDP pocht unterdessen vor allem auf eine umfassende Bürgerbeteiligung. „Die Bürger wollen sich konstruktiv beteiligen, diese Botschaft ist vorläufig angekommen – ob das nachhaltig ist, wird die Zeit weisen“, sagte ÖDP-Chef Claudius Moseler gegenüber Mainz&. Die politische Stadtkultur müsse sich grundsätzlich weiter entwickeln, forderte er: Das betreffe den Umgang mit und die Einbeziehung von den Bürgern, aber auch der Umgang mit Minderheitsmeinungen im Stadtrat. „Die Netiquette im Stadtrat müssen wir auch noch einmal ansprechen“, sagte Moseler. Viele kleine Fraktionen im Stadtrat beklagen sich, dass ihre Wortbeiträge und Anträge von den großen Fraktionen nicht ernst genommen und teilweise sogar belächelt werden, das sei kein guter demokratischer Stil.

BI: wie bindend werden Leitlinien der Arbeitswerkstatt?

Die BI fordert nun einen „Zeitplan für die weiteren Meilensteine zur Museumszukunft“, dabei müsse auch einbezogen werden, wie lange die provisorischen Brandschutzmaßnahmen für das Museum ausreichten. Es müssten nun „alle Kräfte in Mainz möglichst zeitnah gebündelt werden, um Gutenberg in Museum und auch der Stadt nachhaltig zu bewahren.“ Der Runde Tisch der BI soll eine einmalige Aktion gewesen sein, nun sei die Stadt mit der vom Stadtrat beschlossenen Arbeitswerkstatt am Zuge. Dezernentin Grosse sagte Mainz&, die Arbeitswerkstatt solle noch vor der Sommerpause das erste Mal zusammentreten.

Es komme nun darauf an, wie genau die Arbeitswerkstatt gestaltet werde, mahnte die BI: Es müsse geklärt werden, inwiefern ihre Leitlinien bindend würden, wie die Arbeitswerkstatt moderierte werde und ob daneben noch online-Möglichkeiten der Beteiligung für die restliche Bürgerschaft integriert werde. „All das entscheidet nun darüber, ob wir eine effiziente und befriedende Form der Bürgerbeteiligung in unserer Stadt etablieren können oder ob die Aussagen aus Verwaltung und Stadtrat nur kurzfristiger Art waren“, heißt es von Seiten der BI.

Die BI will Gutenberg zur Marke für ganz Mainz machen. – Foto: gik

BI präsentiert Ideen für Online-Plattform zur Bürgerbeteiligung und für Gutenberg als Marke

Die BI mahnte aber nicht nur – sie legte auch eigene Vorschläge in zwei Vorträgen auf den Tisch. So präsentierte sie die Idee einer Online-Beteiligungsplattform, auf der die Bürger Ideen einbringen könnten, befragt werden und auch Workshops geplant werden könnten. „Wir haben uns verschiedene Lösungen in anderen Städten wie Mannheim, Heidelberg und Pforzheim angeschaut“, sagte Gregor Knapp von der BI, „uns geht es darum, eine Plattform mit den Bürgern aufzubauen.“ So könnten Probleme an die Verwaltung kommuniziert und Bürger intensiv mit einbezogen werden.

Zudem schlägt die BI vor, Gutenberg als echte Marke für die Stadt zu entwickeln: „Wir haben bei der Diskussion um den Bibelturm erlebt, dass jeder eine eigene Assoziation zu Gutenberg hat, aber es keine richtige Definition, was Gutenberg für die Stadt heißt, für das Museum, die Stiftung und die Universität“, sagte Knapp: „Die Marke Gutenberg muss geschärft werden.“ Er habe daraufhin recherchiert, wie andere Städte mit dem Erbe großer Persönlichkeiten umgingen, und sei auf die Lutherstadt Wittenberg gestoßen. Dort habe die Stadt bereits 2013 begonnen, eine Marke als Lutherstadt zu entwickeln, mit großem Erfolg, sagt Knapp.

„Gutenberg, das war die Befreiung des Wissens von den Schreibstuben der Klöster“, sagt Knapp, dazu habe die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern auch die Form der Konservierung von Wissen in Büchern begründet. „Unser Wissen landet heute in Rechenzentren, verteilt, nicht zugänglich“, sagt Knapp, in 400 Jahren seien da nur noch „lauter Datenträger“ für kommende Generationen über. „Das sind alles Themen, die könnte ein Gutenberg Museum aufgreifen.“ Auch gebe es viele Parallelen zur Zeit Gutenbergs selbst: die Revolution des Wissens, der Umbruch einer radikalen Veränderung, aber auch die dadurch ausgelösten Risse in der Gesellschaft. „Das erleben wir heute mit den Smartphones alles selbst wieder“, sagt Knapp: „Warum nicht ein Museum, das genau das dokumentiert?“

Info& auf Mainz&: Wir haben selbstverständlich auch OB Ebling und Dezernentin Grosse um eine Reaktion nach Abschluss des Runden Tisches gebeten, beide wollten aber keine Stellungnahme abgeben. Die BI Gutenberg Museum lädt nun für Dienstag, den 19. Juni um 19.00 Uhr im Haus am Dom zu einer öffentlichen Veranstaltung unter dem Motto: „Quo vadis Gutenberg? – Der Bürgerentscheid als Chance für Neues!“ Dort soll über Finanzierungskonzepte und Standorte für ein neues Gutenberg-Museum sowie über Formen der Bürgerbeteiligung in Mainz diskutiert werden. Auch Gutenberg als Marke sowie neue Formen von Kooperationen und Sponsoring sollen Thema sein. Am 20. Juni laden dann die Freien Wähler von 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr zur Veranstaltung „Bürgerbeteiligung – aber wie?“ ins Mainzer Rathaus.

 

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