Nur wenige Tage nach dem Treffen hochrangiger rechtsextremer europäischer Politiker auf Einladung der AfD in Koblenz lädt die Alternative für Deutschland (AfD) in Rheinland-Pfalz zum Neujahrsempfang. Ort ist ausgerechnet der Gewölbekeller „Burg Weisenau“ in Weisenau – genau dort feierte die AfD schon ihre Wahlparty am Abend der Landtagswahl. Und einen Tag vor dem Koblenzer Treffen lud hier AfD-Chefin Frauke Petry die Rechtsextremisten Marine Le Pen (Frankreich) und Geert Wilders (Niederlande) zum Abendessen ein. Der Wirt sah sich danach mit massiven Vorwürfen konfrontiert – und wiegelte halbherzig ab. Nun formiert sich massiver Widerstand gegen das Event am Freitag – und gegen die Gaststätte selbst. Unterdessen schließt AfD-Landeschef Uwe Junge nicht aus, Journalisten von Pressekonferenzen auszuschließen.

Foto Frauke Petry und Uwe Junge - Foto AfD
AfD-Chefin Frauke Petry und AfD-Landeschef Uwe Junge – Foto AfD

Kommenden Freitag veranstaltet die AfD-Landtagsfraktion ihren ersten Neujahrsempfang – ausgerechnet am 27. Januar, dem offiziellen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Dabei hatte gerade vor wenigen Tagen der thüringische AfD-Chef Björn Höcke in einer Rede das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und eine neue Erinnerungskultur gefordert. Die solle doch bitte mehr die Errungenschaften der Deutschen in den Mittelpunkt stellen. „Dieses Land braucht einen vollständigen Sieg der AfD“, sagte Höcke ferner – die Aussage erinnert an den berühmten Satz „Wollt Ihr den totalen Krieg“, den einst der Propagandaminister der NSDAP, Goebbels, den Massen entgegenschleuderte.

Gastredner Meuthen: Gelder für NS-Gedenkstätten streichen

Höckes Auftritt erinnerte auch ansonsten in Diktion und Inhalt stark an Reden der Nationalsozialisten, danach wiesen diverse Experten eine dezidierte Nähe zur rechtsextremen NPD nach – die genau an dem Tag der Höcke-Rede vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten worden war. Ex-NPD-Chef Holger Appelt persönlich sagte in einem Fernsehinterview, Höcke vertrete eindeutig Haltungen der NPD. Die AfD zeigte sich teilweise empört, einen Parteiausschluss Höckes lehnte der Vorstand aber ab.

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Treibende Kraft für Höckes Verbleib in der Partei: Jörg Meuthen, Vorsitzender der AfD in Baden-Württemberg. Der zeigte sich über Höckes Verbleib ausgesprochen erfreut – und forderte nur wenige Tage später, Gelder für NS-Gedenkstätten zu streichen und sagte laut Stuttgarter Zeitung, die AfD strebe „eine Neuausrichtung der Geschichtspolitik“ an. Meuthen sprach im Landtag von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“ und forderte eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, so die Zeitung weiter.

 Protest gegen Wirt der Burg Weisenau: „Das sind ja keine Doofmänner“

AfD Plakat Asylchaos stoppen
„Asylchaos“ – mit solchen Begriffen suggerieren Rechtspopulisten, es gäbe einen Zusammenbruch des Staates, den es nicht gibt. Wahlplakat der AfD.

Genau dieser Meuthen ist am Freitag Gastredner beim Neujahrsempfang der AfD in Mainz. Und so formiert sich im Internet derzeit massiv Widerstand gegen den Empfang: „Das dürfen wir natürlich nicht hinnehmen“ heißt es in einem Post der Gutmenschliche Aktion auf Facebook: „Spätestens seit Höcke sollte jede*r wissen, dass ein Kreuzchen bei der AfD, ein Kreuzchen für eine Nazi-Partei ist. Wir sind in der absoluten Pflicht uns diesem Braunen Gesocks entgegen zu stellen!“ Dort wird zu einer Gegendemonstration am Freitag vor dem Veranstaltungsort aufgerufen – und gegen den Wirt der Veranstaltung wird gleich mit protestiert: Nach dem Bekanntwerden des Abendessens von Europas Rechtsextremen hagelte es Kritik an dem Wirt.

Der sagte schließlich in der Allgemeinen Zeitung, er habe gar nicht gewusst, wer da komme, die Veranstaltung sei von einer Agentur aus Belgien für „Europaparlamentarier“ gebucht worden. Erst drei Tage vorher habe er erfahren, wer da komme, dann sei es aber ohne finanzielle Einbußen nicht mehr möglich gewesen, das abzusagen. Glaubhaft ist das nicht angesichts der Bereitschaft des Wirts, die AfD bei sich zu beherbergen. „Schauen Sie mal, wie gut die bei der Landtagswahl abgeschnitten haben und warten Sie mal ab, wie die bei der Bundestagswahl abschneiden werden“, sagte er der AZ. Die AfD-Vertreter seien „ja keine Doofmänner“, sondern „gestandene Handwerker, Lehrer, Unternehmer. Da kann keiner sagen, das ist Abschaum.“

Junge: „bedaure die Tonalität von Höckes Aussage“

Daraufhin bildete sich im Internet einen Gegenbewegung: Der Gewölbekeller lerne nicht und biete der AfD nun wieder eine Bühne, deshalb rufe man dazu auf, der Location im Internet schlechte Bewertungen zu geben, um künftige Kunden abzuschrecken: „Keine Kunden für recht(soffen)e Gastronom*Innen!“ Und auch die Stadt Mainz zeigte sich irritiert: Laut dem AZ-Bericht prüft die Stadt, ob sie der Burg Weisenau weiter die Lizenz für Hochzeiten gibt. Der Mainzer AfD-Vorsitzende und Bundestagskandidat Sebastian Münzenmaier betonte unterdessen, es sei ihm „eine Ehre“ gewesen, „die zukünftige Präsidentin Frankreichs (die Rechtsextremistin Marine Le Pen, Anmerkung der Redaktion) und viele weitere Spitzenpolitiker hier in Mainz zu begrüßen.“ Zudem warf er Ebling Scheinheiligkeit, mangelnde Toleranz und „sozialistische Denkweisen“ vor, Ebling müsse sich schützend vor bedrängte Wirte stellen.

Vergleich Wahlpakat AfD NPD
Wahlplakate der AfD und der NPD im direkten Vergleich

Und AfD-Landeschef Uwe Junge? Der sagte zur Höcke-Rede nach tagelangem Schweigen: „Ich bedauere die Tonalität von Höckes Aussage. Sie bringt die AfD in ein Licht, in das sie nicht gehört. Zudem besteht darin auch kein Zusammenhang mit unserem Parteiprogramm.“ Man halte es für richtig, mit dem Holocaust-Mahnmal an die Verbrechen des Naziregimes an Juden und anderen verfolgte Minderheiten zu erinnern. Gleichzeitig widerholte Junge aber auch die Phrase vom „Schandfleck in der Deutschen Geschichte“ und forderte, man dürfe sich auch „in der differenzierten Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit auch an helle Phasen erinnern.“

Junge würde unliebsame Journalisten ebenfalls ausschließen

Dem Treffen der Rechtspopulisten in Koblenz stellten sich übrigens mehr als 5.000 Gegendemonstranten in der Innenstadt entgegen, darunter Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) persönlich, sowie Vizekanzler Sigmar Gabriel, Grüne aus Land und Bund, Rechte, Gewerkschafter und zahlreiche Bürger aus allen Teilen der Gesellschaft. Die ENF-Fraktion hatte zahlreiche Journalisten von dem Treffen ausgeschlossen, meist willkürlich und ohne die Annahme von Gründen. Diese Pressezensur stieß auf scharfe Kritik – darauf angesprochen, sagte AfD-Landeschef Junge am Montag der Nachrichtenagentur dpa: Zu einem Ausschluss von Journalisten von Pressekonferenzen der AfD in Rheinland-Pfalz sehe er „derzeit keinen Anlass“. Und fügte hinzu: „Völlig ausschließen würde ich es auch nicht.“ Er erwarte eine faire Berichterstattung, betonte Junge. Bislang sehe er keine unfaire Berichterstattung, „und da sehe ich diese Notwendigkeit nicht.“

Die Grünen im Landtag äußerten sich entsetzt: „Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der unserer Kenntnis nach einmalig in der Geschichte der BRD ist“, sagte Fraktionschef Bernhard Braun: „Die AfD greift frontal die Pressefreiheit in Rheinland-Pfalz an und droht Journalisten mit Ausschluss, wenn sie nicht im Sinne der AfD berichten.“ Sollte die AfD Journalisten tatsächlich ausschließen, dürfe das nicht ohne Konsequenzen bleiben, betonte er. „Wir prüfen aktuell, welche rechtlichen Maßnahmen gegen die AfD geeignet wären“, fügte er hinzu.

Bunt statt braun Staatstheater
Mit der Ode an die Freude protestierte im November 2015 das Mainzer Staatstheater gegen einen AfD-Aufmarsch vor der Tür – und 1.000 Mainzer protestierten mit – Foto: gik

Der AfD könnte ein heißer Freitag bevorstehen: Im November 2015 stellten sich in Mainz mehr als 1.000 Demonstranten einem Wahlkampfauftritt der AfD in den Weg – und das Staatstheater protestierte mit dem Singen der „Ode an die Freude“ von Beethoven lautstark gegen die Veranstaltung vor der Haustür. Die ist seither so etwas wie der offizielle Protestsong gegen die Rechtspopulisten, vergangenen Samstag erklang sie erneut in Koblenz beim ENF-Treffen.

Schande? Ehre? AfD operiert mit Begriffen aus dem rechtsextremen Spektrum

Kommentar& auf Mainz&: „Schande“, sagte im Jahr 1909 Meyers Konversationslexikon, sei das Gegenteil von „Ehre“, Schande bezeichne eine „Missachtung, die denjenigen trifft, der durch sein Verhalten die Sittlichkeit, die gute Sitte oder die Forderungen der Standes-, Berufs- etc. Ehre verletzt.“ Wer also den Holocaust oder das Holocaust-Mahnmal als „Schande“ des deutschen Volkes bezeichnet, konstruiert bewusst einen Gegensatz zu „Ehre“ – und suggeriert damit eine Haltung der Unterwerfung kontra ehrenhafter, aufrechter Haltung. Wer also ein Mahnmal der Erinnerung an den Holocaust als „Schande“ bezeichnet, will glauben machen, ein solches Mahnmal erniedrige die Deutschen, drücke sie nieder – und müsse demzufolge abgeworfen werden. Von Schande befreit man sich, Ehre erlangt man zurück.

Dunkler Dom bei großer Gegendemo gegen AfD
Selbst der Dom bleib aus Protest gegen die Kundgebung der Rechtsextremen dunkel – Foto: gik

Genau das ist die Denkweise von Rechtsextremisten, von Revisionisten, von Menschen, die das Erinnern an das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte – die industrielle Vernichtung von Millionen von Menschen in deutschen Konzentrationslagern – gerne aus dem Gedächtnis radieren würden. Schwamm drüber, dann sind wir wieder wer? Denkmäler abreißen, Erinnerungskultur streichen, und dann wird alles gut? Mitnichten: Geschichtsvergessenheit führt, das lehrt die Geschichte, geradewegs in den Untergang, engstirniger, dumpfer Nationalismus zu Größenwahn – und in der Konsequenz erst zu Mauern, dann zu Krieg. Ein anderer Politiker dieser Welt nennt das gerade „America first“, im Windschatten von Donald Trump glauben auch Rechtsextreme wie Marine Le Pen und Geert Wilders an den „Sieg“.

Und spätestens seit diesem Monat gehört die AfD in diese Reihe: Rechtsextrem, geschichts-revisionistisch. Die AfD handelt aktiv gegen die Pressefreiheit, und sie denkt entlang der Linien der Nationalsozialisten. Schon im April 2016 urteilte das Landgericht Mainz, der AfD dürfe sehr wohl vorgeworfen werden, „Judenhetze“ zu betreiben – die rheinland-pfälzische AfD sprach danach von einem „interpretationsbedürftigen Begriff.“

Provozieren, abwiegeln, wegducken, täuschen – mit dieser Strategie kam die AfD bisher sehr weit, weil Bürger und Parteien sie hilflos oder sogar fasziniert gewähren ließen. Im Jahr 2017 wird sich Deutschland entscheiden müssen: Will dieses Land braune Neonazis unterstützen oder massiv entgegen treten? Will dieses Land seine freiheitliche Demokratie verteidigen – oder in Trump-Land aufwachen?

Info& auf Mainz&: Neujahrsempfang der AfD am Freitag, den 27. Januar 2017, ab 18.00 Uhr, Gewölbekeller Burg Weisenau in Mainz. Ab 19.00 Uhr sollen Landeschef Uwe Junge sowie der baden-württembergische AfD-Chef Jörg Meuthen sprechen. Gegendemonstrationen sind ab 17.00 Uhr angekündigt, mehr dazu hier auf Facebook.

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