Was macht man im Jahr eins nach einem furiosen Jubiläum? Richtig: man gibt sich die Kante – und startet neu durch. Eine ziemlich weinselige Sitzung war es, die der Gonsenheimer Carneval-Verein (GCV) da am Samstag in seiner Narhalla präsentierte, „in Vino Veritas“ lautete quasi das geflügelte Wort der Gonsbachtaler Narren-Auslese. Und es war ein fantastischer Narren-Jahrgang, der da durch die Kehle rann: Vom Lagenwein Gunsenumer Hang im Vorspiel bis zum Saufsong beim närrischen Höhepunkt gab’s jede Menge närrische Erfrischung – und dazu bissige Polit-Kritik, musikalische Geniestreiche, Gänsehaut-Momente und so viele Höhepunkte, dass die Sitzung in die Überlänge ging. Aber der Reihe nach.

Tausendsassa, Multi-Talent: Christoph Seib mit einem furiosen Vino-Musical rockte gleich zu Anfang die GCV-Sitzung. – Foto: gik

„Recht früh im Jahr ruft uns Gott Jokus in die Turnhalle zum Hokus Pokus“, reimte Sitzungspräsident Sebastian Grom zu Beginn dessen, was eine Marathonsitzung werden sollte: „Wir sind bereit nach altem Brauch, hoffentlich sind Sie es auch.“ Wie bereit der GCV in diesem Jahr ist, zeigte sich dann auch gleich: „Wir brauche ebbe was für de Dorscht“, sangen die Brüder Rainer und Adrian Werum am Klavier, und die Newcomer brachten den Saal gleich so richtig auf Touren – ein tolles Debüt der Narrenschau-Teilnehmer auf der großen närrischen Rostra! Sechs Stunden lang feierte das Publikum im Saal die Akteure auf der Bühne, eins ums andere Mal mit stehenden Ovationen – und immer wieder forderte es Zugaben ein.

„Ich hab‘ noch niiiieee eine Zugabe gekriegt“, behauptete da doch glatt treuherzig einer und machte prompt die nicht genutzten Zugaben der vergangenen Jahre zum Programm. Alles gelogen, natürlich: Christoph Seib gehört zu den Stars des GCV, und das Multitalent fuhr zu seinem 11. Bühnenjubiläum (falls das denn stimmte….) auf, was er zu bieten hat: Ein süffisantes „Elf kleine Komiteeter“, einen Abstecher in die Bütt – und ein ganzes Musical von „Weine nicht, Gewürztraminer!“ bis hin zu einem grandiosen „In Vino Veritas“. Klar, musste da noch eine Zugabe her, und Standing Ovations sowieso.

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Protokoller Erhard Grom und die Mainzer Verkehrsführung – ein gefundenes Narren-Fressen! – Foto: gik

Die wurden am ganzen Abend zum durchgehenden Element: Aufstehen, jubeln, hinsetzen – so das GCV-Fitnessprogramm zum Jahresbeginn 2018. Die erste Einlage dieser Art lockte gleich Protokoller Erhard Grom hervor: Nach seiner sensationellen Rückkehr als Protokoller 2017, setzte der Altmeister der gereimten Polit-Fastnacht seine Serie gleich mal fort: bissig, hochaktuell und ungeheuer politisch sezierte Grom, was das Jahr so gebracht hatte. Von den Präsidenten-Nöten bei Mainz 05 übers „Trumpeldrama“ in den USA bis hin zur Mainzer Luft bekam jede und jeder sein Fett weg. Herrlich, wie Grom die Verkehrs-Schildbürger-Streiche von Mainz glossierte!

Großen Raum nahm indes die Bundespolitik ein: Hochaktuell nahm Grom die gescheiterten und nicht ganz so gescheiten Sondierungen zur Regierungsbildung in Berlin aufs Korn. Vom mit Angela kuschelnden Martin Schulz über „Vertuschungs- und VW-Minister, Doofrind“ Dobrindt bis zu „Mister Wahlplakat“ Lindner blieb keine Seite ungeschoren. Besonders hart aber ging Grom mit der AfD ins Gericht: „Demokratisch gewählt heißt allgemein noch lange nicht demokratisch sein“, schrieb der Narren-Chronist den Neuen ins Bundestags-Stammbuch und machte klar: Das „Gesocks unterm Reichstagskuppeldach“, die „radikalen Volksverhetzer“, würden doch viel besser in den Führungsbunker von Adolf Hitler passen – „Klappe zu, ein Gruß aus Meenz!“

Großes Narren-Kino: Kinderwagen-Verschieber Rudi Hube und Wonneproppen Peter Büttner. – Foto: gik

„Was für ein Einstieg in eine Sitzung“, zollte ihm der eigene Filius Sebastian Grom Respekt und erinnerte daran, wie sehr gerade die politischen Redner im vergangenen Jahr für ihre Narrenfreiheit von rechter Seite angefeindet wurden: „Respekt, dass du dir den Mund nicht verbieten lässt“, sagte Grom Junior: „Wir lassen uns nicht alles bieten, aber wir bleiben bunt.“ Bunt ging es dann auch gleich weiter mit den beiden zutiefst närrischen Politessen: Thorsten Schäfer und Thorsten Spengler hoben mit ihren beiden blitzgescheiten Damen das Thema Männer in Frauenkleidern auf eine ganz neue Stufe, kalauerten sich herrlich durch das Thema und schmetterten auch noch „Falschparker überall!“ in den Saal.

Überhaupt war das Thema Verkehr ziemlich präsent: „Katrin, bau mir en Baustell'“ flehten im zweiten Teil der Sitzung die Bockius Brüder – ein großartiger Ohrwurm, der bei den Närrischen Kammerspielen des GCV im November 2017 das Licht der Welt erblickte. Die neue Gunsenumer Mobilität zelebrierte Rudi Hube: Mit einem herrlich antiken Kinderwagen gründete er die „Erste Gunsenumer Kinder Verschieb-Agentur“ und spielte damit bei den Damen den edlen Ritter, als Kinderwagen-Schiebesitter. Die neueste Schnapsidee des Vollblut-Fastnachters kommt herrlich närrisch und gereimt daher – und setzt am Ende mit dem Babysitter-Rap einen großen Schlusspunkt, vor allem auch Dank „Wonneproppen“ Peter Büttner im XXL-Kinderwagen. Büttner wird ohnehin beim GCV immer mehr zum „Mann für alle Rollen“: egal ob Hausmeister, Mafia-Pate oder kreischender Kinderwagen-Bewohner, Büttner brilliert.

Genoss sichtlich seine neue Rolle: Schiffsschaukelbremser Hans Peter Betz. – Foto: gik

Der GCV kann froh sein über solch hochkarätigen Narren-Nachwuchs, gibt die alte Garde doch so langsam die Bühne frei für das, was danach kommen mag. Altstar Michael Emrich taucht bei der GCV-Sitzung schon nicht mehr auf, auch ein zweiter sagte vergangenes Jahr mit seiner Paraderolle adé: Hans Peter Betz brachte den „Guddi Gutenberg“ ins Museum – und tauchte beim GCV als Schiffsschaukelbremser wieder auf. Von „Dr. Brrr“ bis zur Gewerkschaft „Schiff und Brems“ arbeitete sich der Betz durch sein neues Thema und genoss die neue Rolle in schwarz-tätowierter Aufmachung sichtlich. Das Publikum auch – und dankte mit Standing Ovations für Mr. GCV.

Die Politik übernahm ein anderer: Werner Renkes erklärte mit wahrhaft spitzem Messer die „Palare di Confusione“ (Sondierungen) von „Finito Di Parlare-FDP“, Paganini Schulz („der vergeigt alles“) und „Kondenskanzlerin“ Angela („die haben die künstlich haltbar gemacht“) und wunderte sich: „Siegt hier eigentlich noch die Vernunft oder Angela?“ Renkes politisches Menü ist fein angerührt und scharf gewürzt, ein klarer Fall für die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ – hier ist jemand, der die Polit-Lücken füllen kann.

Gänsehaut-Höhepunkt des Abends: Die zwei mit dem Klavier, Oliver Mager und sein sensationeller Nachwuchs-Kollege Felix. – Foto: gik

Ein echte Lücke hatte auch ein anderer vor drei Jahren hinterlassen: Oliver Mager kehrt in dieser Kampagne zurück auf die Fastnachtsbühnen und beweist erneut seine einsame musikalische Klasse. „Wir sind Mainzer“, singt der Saal geschlossen, und der Oli staunt: „Ist ja wie bei Robby Williams hier – nur schöner!“ Doch Mager ist nicht allein gekommen, ganz leis‘ zieht sich der Star an den Bühnenrand zurück und überlässt das Feld einem, der es wahrhaft verdient hat: Gerade einmal zehn Jahre jung ist Felix Kettenring – und haut Magers Superhit „Fassenacht in Meenz“ in die Klaviertasten wie ein ganz Großer.

Mäuschenstill wird es da im Saal, eine Gänsehaut jagt über den Rücken, das Publikum staunt nur noch – und dann feiert es den jungen Mann wie einen Rockstar. Der beherrscht sogar schon die Kunst des Entertainers am Klavier und rockt dann auch noch den Saal mit „Ich hab Konfetti in der Blutbahn“ – sensationell. „So etwas hat es in der Meenzer Fastnacht noch nicht gegeben“, staunt da der Sitzungspräsident, „dich werden wir in der Meenzer Fastnacht noch häufiger sehen.“

Batman Brunswig und Robin Becker müssen nach dem Trump-Ausflug 2017 jetzt nur mal eben die Welt retten. – Foto: gik

Da war die Sitzung schon mehr als zwei Stunden alt, aber von Pause keine Spur. Zwei Ballets wollten ja auch noch über die Bühne wirbeln, das höllisch gute Füsiliergarde-Ballet und – im zweiten Teil – das GCV-Ballet mit einer tollen Disco-Nummer. Die Fleischworschtathlete konnten trotz Krankheitsausfall an der Tuba glänzen (Benno Scholian), Dank eines tollen Schnorreswacklers Nico Spehner, der mal eben für den erkrankten Patrick Scholian einsprang.

Die „Schnorra Nostra“ wiederum hat neben der Meenzer Fastnacht auch den „Närrischen Bundestag“ unter Kontrolle, von der „braun, braun, kaffeebraunen“ AfD über die Model-Agentur FDP bis hin zur queenigen „Mamaaaa!“ „Das alles ist Deutschland, das alles sind wir“, singen die Schnorreswackler, eine phantastisch-närrische und dazu auch noch gesungene Polit-Satire vom Feinsten. Getoppt wird das nur noch vom genialen Becher-Song uff Meenzerisch – ein echter Geniestreich, der einem nicht mehr aus dem Kopf geht.

Alles sicher in Narren-Hand, das Ein Satz Kommando Heininger und Schier ist da! – Foto: gik

Wenn das Verbrechen in Gonsenheim blüht, können nur noch zwei helfen: Frank Brunswig und Thomas Becker entern dieses Jahr als Batman und Robin die närrische Bühne und retten mit völlig schrägem Kokolores mal eben die Welt. Nach ihrer Sensations-Nummer als „Trumps von de Palz“ im vergangenen Jahr ist das die Rückkehr in die normale Narrenebene, wobei: Normal, nun ja….

Toppen können das nur zwei, die sogar aus Nichts eine grandiose närrische Nummer schmieden: Martin Heininger und Christian Schier „habbe nix“ in diesem Jahr an Themen – und machen daraus eine grandiose Zwerchfell-Strapazier-Nummer von Putzfrauen über Ein-Satz-Kommando bis hin zu „Rares für Gares“. Das endet, wie könnte es anders sein, mit einem schier unglaublichen Trinklied: „Komm hol die Flasche raus, wir schütten um die Wette/ wir saufen heute nur Silvaner, aussem Glas und das mit Ziel!“ Wie nur fällt einem so etwas ein?, fragt sich da das fassungslose Publikum und feiert die Fastnachtsgenies noch nachts um Viertel vor eins mit Standing Ovations.

Apropos fassungslos: Lars Reichow verzichtete einfach mal auf sein Fastnachtsjournal – und verpasste stattdessen dem Saal als Fastnachtskardinal eine Predigt der ganz speziellen Art. Da lautet das Vater Unser: „Vergib uns unseren Rathaus, so wie wir vergeben unseren Architekten, führe uns nicht nach Wiesbaden und erlöse uns von dem Fluglärm“ und schließt mit „In Vino Veritas, in Veronikas Armen.“ Was folgt ist eine Predigt für die Seligen, „die stets lustvoll und immer am Limit leben“, ein furioser Narrenritt zum Thema „Verzicht, Verlust, Verdammnis“ – oder sagen wir eher das Gegenteil davon. Nicht jugendfrei und zu später Stunde ein echtes Glanzlicht kabarettistischer Narretei, das gleichwohl manchen ziemlich fassungslos zurückließ. Macht nix: Solange der Hähnchengrill sich dreht und der Wein in Strömen fließt, feiert der GCV noch lange seine Gonsbachtaler Narren-Auslese.

Info& auf Mainz&: Wir haben mal wieder ein paar Videos aus der Sitzung „mitgehen“ lassen – den Schnorreswackler Becher-Song, das närrische Musical und noch vieles mehr findet Ihr in unserem Mainz&-Youtube Kanal genau hier. Einen Rückblick auf die Närrischen Kammerspiele 2017 gibt es hier auf Mainz&.

 

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