Es ist wirklich zum Verzweifeln: Da dachten wir, wir wären mit der fertigen Mainzelbahn die Baustellen los – Pustekuchen. Mainz stöhnt unter einem wahren Hindernislauf auf seinen Straßen,und nun hat die Stadt es geschafft, sogar wichtige Einfallstraßen lahm zu legen. Die Verengung der Parcusstraße am Bahnhof sorgt für ausgiebiges Chaos, Saarstraße und Rheinstraße sind weiter Baustellen geplagt, dazu kommt der Umbau der Bahnhofstraße und die anhaltende Engstelle auf der Schiersteiner Brücke – Mainz erstickt auch im Sommer 2017 im Baustellenchaos. Nun wird scharfe Kritik laut: Die CDU kritisiert die mangelhafte Kommunikation scharf, selbst die mitregierende FDP mahnt, die Mainzer Innenstadt müsse für den Individualverkehr mit dem Auto erreichbar bleiben. Und nun räumt gar Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) Versäumnisse ein.

Nicht mehr zu ertragen: Baustellenmarathon in Mainz geht auch 2017 weiter. – Foto: gik

„Die Lage bei der Zuwegung zur Innenstadt ist so angespannt wie nie“, lässt sich der OB in der Allgemeinen Zeitung zitieren: „Das ist  nicht in Ordnung und nur schwer erträglich.“  Zugleich räumt Ebling ein, dass die Baumaßnahmen am Schillerplatz und in der Schillerstraße gegenüber den dortigen Händlern „nicht kommuniziert“ worden seien, das müsse in Zukunft anders werden. Überhaupt wolle die Stadt in Zukunft besser kommunizieren und Baumaßnahmen öffentlich vorstellen – und die Baustellenkoordination besser werden.

Das allerdings wäre allerhöchste Zeit: Bereits 2016 hatte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) eine bessere Baustellenkoordination angekündigt, passiert war aber zumindest nach außen wahrnehmbar wenig. Eblings Äußerungen wurden deshalb am Freitag in den sozialen Netzwerken auch als Breitseite gegen Eders Arbeit verstanden. Die ÖDP hatte schon im September 2016 die Stadt aufgefordert, lieber in das interne Personal zu investieren, anstatt „externe Büros mit langwierigen und kostenintensiven Untersuchungen zu beauftragen, die am Ende keine direkte Verbesserung bringen“, sagte damals Fraktionschef Claudius Moseler.

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Ebling: Beratungsfirma für Baustellen soll „baldmöglichst“ Arbeit aufnehmen –  nach acht Monaten

Aktueller Auslöser für so manchen Nervenzusammenbruch: Baustelle in der Parcusstraße, einspurige Verkehrsführung auf einer der wichtigsten Verkehrstangenten. – Foto: gik

Nun kündigte Ebling in der AZ an, eine Beratungsfirma in Sachen Baustellen solle „baldmöglichst“ ihre Arbeit aufnehmen, bis Herbst 2018 werde die Stadt eine „präzise Planung“ der anstehenden Baumaßnahmen erarbeiten. Zudem suche er „weiterhin das Gespräch“ mit den Händlern in der Schillerstraße, um Lösungen für deren Probleme zu finden.

Bei der Opposition dürfte das für einiges Kopfschütteln sorgen: Schon Mitte Mai hatte die CDU scharfe Kritik am Baustellenmanagement der Stadt geübt und der Stadt schlechte Kommunikation vorgeworfen. Man könne das Verhalten der Verwaltung und anderer städtischer Unternehmen „nicht mehr nachvollziehen“, kritisierten Parteichefin Sabine Flegel und Fraktionschef Hannsgeorg Schönig, „die Informationspolitik in Sachen Baustellen ist eine einzige Katastrophe.“

Nach der Hauptstraße in Mombach, der Unteren Zahlbacher Straße, dem Hopfengarten und der Bahnhofstraße sei es beim Schillerplatz ein weiteres Mal in kurzer Zeit vorgekommen, dass sich betroffene Geschäftsinhaber wegen der Nicht-Informationspolitik beschwerten. „Es kann nicht sein, dass Menschen in unserer Stadt um ihre Existenz fürchten müssen, wenn Bagger anrollen“, betonten die CDU-Politiker.

Auch immer wieder „schön“: Baustellen auf der Saarstraße. – Foto: gik

CDU: Stadtverwaltung bei Baustellen „überhaupt nicht lernfähig“

„Wir verstehen nicht, dass die Stadt und ihre Unternehmen bei diesem Punkt anscheinend überhaupt nicht lernfähig sind“, sagten Flegel und Schönig weiter. Derzeit aber könne man „über das Verhalten der Verantwortlichen auf städtischer Ebene gegenüber den Händlern wirklich nur noch den Kopf schütteln.“ Betroffenen Geschäftsleuten müsse man bei Problemen auch mal entgegenkommen und Hilfen anbieten – und zwar im persönlichen Kontakt. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wieso die Suche nach einem externen Beratungsbüro inzwischen mehr als acht Monate dauere.

Die Baustellenplage dürfte längst auch die Geschäftswelt schädigen, gerade Mainz&-Leser aus dem Umland von Mainz berichten immer wieder, sie mieden die Mainzer Innenstadt – man komme ja eh nicht mehr vernünftig hin. Auch die Werbegemeinschaft Mainzer Einzelhandel hatte jüngst in einer Studie dargelegt, der Zustrom aus dem Umland in die Mainzer Innenstadt nehme seit Jahren ab – die Menschen von außerhalb blieben aus. Als Gründe werden neben der anhaltenden Staulage immer wieder auch zu hohe ÖPNV-Tarife, schlechte Busverbindungen – und als horrend empfundene Parkgebühren genannt.

FDP: Mainz für Autos attraktiver machen – Linke fordert städtisches Verkehrskonzept

Das rief nun sogar die im Rathaus mitregierende FDP auf den Plan, die doch immerhin in Mainz den Wirtschaftsdezernenten stellt: Dass die Mainzer Innenstadt von den Befragten der Studie weiter  als attraktiv bewertet werde, „stimmt hoffnungsfroh“, sagte FDP- Kreischef David Dietz. Sorgen mache man sich aber „bezüglich der An- und Abfahrtswege nach und aus Mainz“: Die Innenstadt  müsse auch abseits von Bussen, Straßenbahnen und Fahrrädern gerade auch für den Autofahrer gestärkt werden, forderte der Liberale: „Diese Gruppe scheint im verabredeten Verkehrsmix ein bisschen zu sehr aus dem Fokus geraten.“ Mainz stehe nicht nur im Wettbewerb mit Wiesbaden, Frankfurt und grünen Wiesen, sondern auch mit Amazon und eBay , da müsse die Stadt attraktiv für Besucher außerhalb von Mainz bleiben. „Dem Individualverkehr kommt hier eine Schlüsselstellung zu“, betonte Dietz.

Die Mainzer Narren hatten schon 2015 die Nase voll vom Baustellenchaos in Mainz: „Sin wir bald da?!“, hieß es auf dem Motivwagen des MCV im Rosenmontagszug. – Foto: gik

Damit wären wir beim Thema Verkehrslenkung: Die Linke hatte etwa im September 2016 zum wiederholten Male ein umfassendes Verkehrskonzept für Mainz gefordert (und nicht nur sie).  „Ein städtisches Verkehrskonzept wäre bei der Überlegung, wie Bauarbeiten möglichst schonend durchgeführt werden können, äußerst sinnvoll“, sagte damals, vor knapp einem Jahr, Linken-Stadrätin Waltraud Hingst. „Den Antrag, ein gesamtstädtisches Verkehrskonzept vorzulegen, habe die Stadtverwaltung und die regierende Ampelkoalition aber unter anderem damit abgelehnt, dass nicht genügend Personal vorhanden sei, um ein solches Konzept zu erarbeiten.

Mainzer SPD forderte 2016 in Verkehrskonzept mehr Rücksicht aufs Auto

Dabei hatte selbst die Mainzer SPD im September 2016 ein eigenes Verkehrskonzept auf einem Parteitrag verabschiedet. „Mobilität ist Freiheit, Mobilität ist aber auch Lebensnotwendigkeit“, erklärte damals der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Quis. Die SPD wolle künftig „noch mehr als bislang deutlich machen, dass wir unsere Verkehrspolitik nicht an ideologischen Überzeugungen, sondern an den Lebenswirklichkeiten der Bürger festmachen.“ Dazu gehöre, jedes Verkehrsmittel als gleichberechtigt und notwendig anzusehen und in ein Gesamtkonzept zusammenzuführen. „Gezielte Benachteiligung oder Bevorzugung eines Verkehrsmittels lehnen wir klar ab. Das schadet nicht nur der Lebensqualität, sondern auch dem Wirtschaftsstandort Mainz“, sagte Quis weiter.

In dem SPD-Konzept heißt es denn auch, die bisherigen Verkehrsmittel sollten gezielt besser miteinander vernetzt – „und bestehende Hemmnisse abgebaut werden.“ Man wolle für eine bessere Straßenqualität und eine flüssigere Verkehrsführung sorgen und bei der Planung neuer Stadtquartiere auf kurze Wege achten. „Einer weiteren Einschränkung des Autoverkehrs durch die Abschaffung von Fahrspuren oder die Einführung von Tempo 30 auf Hauptachsen erteilen wir damit eine klare Absage“, heißt es dort weiter – auch das konnte man schon als deutliche Kritik an Eders Verkehrspolitik sehen, die angekündigt hatte, auf weiteren Hauptstraßen die Einführung von Tempo 30 bei Nacht prüfen zu wollen. Autoverkehr sei „kein notwendiges Übel, sondern unverzichtbarer Teil der Lebenswirklichkeit vieler Bürger“, betonte die SPD damals.

Seit die Bagger in der Bahnhofstraße wirken, sind große Teile der Innenstadt verkehrstechnisch lahm gelegt. – Foto: cibo

Wiesbaden arbeitet an umfassendem Verkehrskonzept

Dass man Verkehrskonzepte einfach mal entwerfen und erarbeiten kann, zeigt hingegen derzeit der Nachbar Wiesbaden: „Wer den täglichen Verkehrskollaps in unserer Stadt kennt, der weiß: Wiesbaden braucht ein Verkehrskonzept aus einem Guss“, sagte nun Verkehrsdezernent Andreas Kowol. Der Mann ist übrigens ein Grüner und wurde gerade erst am 1. April zum Wiesbadener Verkehrsdezernenten gewählt. Offenbar bringt der Mann Schwung mit: Kowol lädt für den 30. Juni zur Vorstellung einer Bestandsanalyse in Sachen Verkehrs in Wiesbaden ein. „Die beauftragten Experten haben uns mit hoher Fachkenntnis und nüchternem Blick von außen eine fundierte Bestandsanalyse geliefert, die uns helfen wird, einen zukunftsweisenden Verkehrsentwicklungsplan aufzustellen“, sagte Kowol.

171 Seiten umfasse die Bestandsanalyse, sagte Kowol, und nach seinem Eindruck sei zwar das Thema Verkehr bei den Wiesbadenern allgegenwärtig, „der Verkehrsentwicklungsplan findet dagegen bisher noch keine damit vergleichbare Beachtung.“ Gemeinsam mit dem Tiefbau- und Vermessungsamt wolle er die Transparenz erhöhen und den Zugang zu den vorliegenden Fakten erleichtern. „Dann schaffen wir es vielleicht auch, dass manch künftige Diskussion mit etwas weniger Emotion und Schärfe geführt wird“, hofft Kowol.

Es muss ja nicht gleich soooo aussehen …. Aber ein bisschen weniger Hindernisse auf Mainzer Straßen wär‘ schon schön! – Foto: gik

Umfassende Bestandsanalyse als Grundlage für Entwicklungsziele

Verantwortlich für die Bestandsanalyse ist eine Arbeitsgemeinschaft aus „Zentrum für Integrierte Verkehrsssysteme“ (ZIV, Darmstadt) und „Mobilitätslösung „(Darmstadt). Die Analyse nimmt die derzeitigen Verkehrsangebote und die aktuelle Verkehrsnachfrage aller Verkehrsarten in den Blick, etwa mit folgenden Fragen: Wie lang ist in Wiesbaden ein durchschnittlicher Weg? Aus welchen Nachbarstädten kommen die meisten Pendler? Welcher Stadtteil hat die höchste Autobesitzquote? Wie hoch ist der Radverkehrsanteil auf kurzen Strecken, wie hoch auf langen?

Diese und weiter Fragen zu Ursachen und Struktur der Verkehrsnachfrage und der Verkehrsangebote sollen Ende Juni erläutert, aber auch Qualitäten und Mängel aufgezeigt und erste Vorschläge für Handlungsansätze formuliert werden. Die Bestandsanalyse solle dann Grundlage für die Formulierung von Entwicklungszielen, für den Aufbau von Szenarien und für die Erarbeitung eines integrierten Handlungskonzeptes sein, teilte der Dezernent weiter mit. In Mainz wartet man darauf bislang noch vergeblich.

Und die Probleme gehen ja weiter: Wenn die Baustelle in der Bahnhofstraße vorbei ist, will die Stadt als nächste Großbaustelle die Große Langgasse umbauen – und im Sommer legen die Wiesbadener mal wieder die Theodor-Heuss-Brücke lahm: Dann wird ein Teil der Decke auf der Rheinbrücke erneuert.

Info& auf Mainz&: Mainz& hat wiederholt über das Baustellenchaos in Mainz berichtet – etwa als Dezernentin Eder im September 2016 ein externes Baustellenmanagement versprach. Und im Juli 2015 hatte Mainz& Dezernentin Eder persönlich im Gespräch zum Thema Baustellen – den Artikel dazu lest Ihr hier. Die Stadt hat übrigens seit 2014 einen interaktiven Baustellen-Plan im Internet, auf dem Ihr die aktuellen Baugruben sehen könnt. Einfach auf den Link „Übersicht der aktuellen Baustellen im Online-Stadtplan“ klicken – und schon seid Ihr da. Wenn Ihr dann auf eines der kleinen Baustellenschilder klickt, öffnet sich ein eigenes kleines Fenster mit den Informationen zur Baustelle und sogar einer Telefonnummer zwecks Nachfrage und Beschwerde. Aber Achtung: Ihr müsst den Popup-Blocker deaktivieren, sonst seht Ihr nix.

 

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