Die Bundestagswahl bringt auch in Mainz CDU und SPD herbe Verluste. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommt die CDU im gesamten Wahlkreis Mainz auf 32,7 Prozent, die SPD auf 22 Prozent, die Grünen auf 13,1 Prozent, die FDP auf 11,3 Prozent, die Linke auf 8,5% Prozent und die AfD auf 8,2 Prozent. Bei den Erststimmen verteidigte die CDU-Kandidatin Ursula Groden-Kranich ihren Wahlkreis und lag am Ende mit 35,6 Prozent klar vor SPD-Herausforderer Carsten Kühl mit 28,1 Prozent. In der Stadt Mainz hatten sich die beiden zu Beginn des Abends noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert, am Ende gab das Umland von Mainz der CDU-Frau einen klaren Vorsprung. Für geschockte Mienen sorgte vor allem der Einzug der AfD in den Bundestag. Mit das Erfreulichste an diesem Abend: Die Wahlbeteiligung im Wahlkreis lag bei 81,3 Prozent, vor vier Jahren waren das noch 76,5 Prozent gewesen.

Das vorläufige amtliche Endergebnis der Bundestagswahl 2017 für den gesamten Wahlkreis Mainz. – Screenshot: gik

Der Wahlabend bei der CDU beginnt mit einer Panne. Der Livestream hängt, die ersten Prognosen um 18.00 Uhr fallen ins Funkloch. „Wir brauchen mehr Breitbandausbau im Rathaus“, lautet die erste Erkenntnis des Abends. Die Gespräche gehen in Gemurmel über, die Blicke aufs Smartphone. Für lange Gesichter sorgt zunächst vor allem eines: Das Abschneiden der AfD. “Großer Mist”, sagt einer. Das eigene Abschneiden – beinahe zweitrangig. Mit rund 13 Prozent, 88 Sitzen, zieht die rechtsextreme AfD klar als dritte Kraft in den Deutschen Bundestag ein. „Das ist erschreckend viel, das ist mein Problem gerade“, sagt Fastnachtsstar und CDU-Stadtrat Thomas Neger.

Die Zweitstimmen für die AfD in Mainz verteilten sich durchaus unterschiedlich: Während es in der Altstadt oder der Neustadt „nur“ 4,9 Prozent waren, stimmten in Mombach 10,1 Prozent der Wähler für die Rechtsextremen, in Ebersheim waren es 8,9 Prozent, in Finthen 9,1 Prozent, in Marienborn 9,2 Prozent und auf dem Lerchenberg sogar 9,9 Prozent – der zweithöchste Wert in Mainz.

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Das Abschneiden der CDU indes ist auch für die Mainzer ein Grund für lange Gesichter. 38,4 Prozent holte die Union vor vier Jahren im Wahlkreis Mainz, nun waren es ganze 30,7 Prozent in der Stadt und 32,7 Prozent im Wahlkreis. „Schöne Enttäuschung“ sagt einer. „Das ist hinter meinem Rücken passiert“, grummelt die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel. Sie meint eigentlich den Bildschirm hinter ihrem Rücken, dennoch trifft ihr Satz den Kern: „Wir haben hier in Mainz einen ganz starken Wahlkampf betrieben, haben mobilisiert“, sagte Flegel – und jetzt das. „Warten wir mal ab, was um 20.00 Uhr da steht“, sagt Thomas Neger.

Die AfD sei „der klare Wahlsieger“, sagt der Mainzer CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig, das habe die CDU Stimmen gekostet. „Viele sind auch zur FDP zurückgewandert“, sagt ein anderer, „hoffentlich machen die dieses Mal was Besseres draus.“ Die Debatte dreht sich schnell um mögliche Koalitionsoptionen. “GroKo oder Jamaika”, sagt einer, dann kommt die Absage der SPD an ein erneutes Bündnis. „Jamaika”, sagt der Nebenmann. Begeisterung ist anders. Der Absatz von Bier und Wein läuft.

Erststimmenergebnis Bundestagswahl 2017 für die Stadt Mainz. – Screenshot: gik

Dann flimmert Angela Merkel über den Bildschirm. „Wir sind stärkste Kraft als CDU, gegen uns kann keine Regierung gebildet werden“, sagt die Kanzlerin. „Wir stehen am Abgrund, morgen sind wir einen Schritt weiter“, kommentiert einer. Es ist Daniel Krause, Vizechef der CDU in der Mainzer Neustadt. Das seien doch „Durchhalteparolen“, schimpft er: „Wir müssen uns doch jetzt fragen: waren wir nicht zukunftsweisend genug? Haben wir uns zu sehr auf den Erfolgen ausgeruht?“ Es widerspricht ihm niemand. Der Applaus für die Kanzlerin fällt extrem mager aus. Dass nebenan die AfD ausgelassen feiert, hebt die Stimmung auch nicht gerade.

Applaus brandet erstmals richtig auf, als CDU-Landeschefin Julia Klöckner ins Rathaus kommt, vor allem aber, als die Mainzer CDU-Kandidatin Ursula Groden-Kranich das Rathausfoyer betritt. Da sind zwar erst drei Viertel der Wahlbezirke ausgezählt, doch die CDU-Frau liegt inzwischen stabil mehrere Prozentpunkte vor dem SPD-Herausforderer. „So langsam fällt eine große Last von mir ab“, sagt sie vor Journalisten, „es war ein unglaublicher Druck in den letzten Tagen.“ Es sei „kein leichter Wahlkampf“ gewesen, sondern ein Marathon-Lauf, der zugleich von sehr viel Wut und Aggressivität geprägt gewesen sei. „Es sieht so aus, als dürfte ich weiter diese wunderbare Stadt in Berlin repräsentieren“, sagt Groden-Kranich, „so langsam geht es mir gut.“

Vorläufiges amtliches Endergebnis Bundestagswahl 2017 bei den Zweitstimmen in der Stadt Mainz. – Screenshot: gik

Groden-Kranich habe einen tollen Wahlkampf gemacht, „die Partei steht zusammen“, sagte Flegel: „Sie sind für dich gelaufen, weil Du für sie gelaufen bist.“ Das Ergebnis sei nun auch ein Signal für die Kommunalwahl, sagte Fraktionschef Schönig: „Wenn wir gemeinsam nach vorne gehen, wird die CDU bei der Kommunalwahl eine wichtige Rolle spielen, das ist das Signal, das heute von hier ausgeht.“ Da war die CDU-Wahlparty allerdings schon in Auflösung begriffen.

Ein Signal für die Kommunalwahl wollte in dem Mainzer Ergebnis auch die Linke sehen: Mit ihrem neuen Direktkandidaten Martin Malcherek kam sie auf gute 8,5 Prozent, in der Stadt Mainz waren es sogar 9,8 Prozent, Malcherek holte hier 7,3 Prozent der Erststimmen – das war Platz vier. „Das ist eine absolute Rakete und ein Riesenerfolg für uns“, freute sich Tupac Orellana im Gespräch mit Mainz&. Die Linke sei „auf dem richtigen Weg“, besonders wichtig: Man habe die AfD überholt, die bei der Landtagswahl noch vor den Linken lag. Das sei eine gute Ausgangslage für die Kommunalwahl, betonte Orellana.

Vor dem Rathaus in Mainz formierte sich am Abend spontaner Protest gegen das Abschneiden der AfD: Rund 100 Menschen protestierten lautstark mit Sprechchören und skandierten „Nazis raus aus den Parlamenten – mehr dazu hier bei Mainz&

Wahl in Mainz – jetzt ist sie erst einmal vorbei. – Foto: gik

Insgesamt verlief die Bundestagswahl in Mainz erfolgreich und ohne größere Probleme. Lediglich das vorläufige amtliche Endergebnis verzögerte sich deutlich. Schuld waren am Ende zwei Briefwahlbezirke im Landkreis, deren Auszählung offenbar schwierig verlief. „Was uns mehr fordert, sind die Briefbezirke für die Briefwahl“, sagte der Mainzer Wahlleiter, Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), „die werden wir nächstes Mal neu zuschneiden müssen.“ Da die Briefwahl in diesem Jahr bei mehr als 33 Prozent lag, liefen zum Teil erhebliche Mengen an Wahlbriefen in den einzelnen Bezirken auf, zum Teil mehr als erwartet.

Danach dauerte es mehr als eine halbe Stunde, bis der Landeswahlleiter das Ergebnis – das bereits feststand – in Mainz zum Verkünden freigab. Schuld seien neue Sicherheitsvorschriftungen für die Datenleitungen gewesen, sagte Ebling: Die Datenübertragung habe besonders sicher gestellt werden sollen. Kurz vor der Wahl war bekannt geworden, dass einzelne Datenleitungen leicht von Hackern zu knacken gewesen wären, hier wurde nachgebessert.

Beschwerden gab es zudem, weil vor einigen Wahllokalen in Mainz AfD-Plakate kurz vor den Eingängen hingen, so etwa in Mombach. Das sei in der Tat verboten, bestätigte Stephan Kerbeck, Leiter des städtischen Wahlamtes, gegenüber Mainz&: „Im unmittelbaren Umfeld eines Wahllokals darf keine Parteienwerbung stattfinden.“ Die Plakate seien dann entfernt worden.

Info& auf Mainz&: Ihr wundert Euch vielleicht, warum Ihr hier kein Statement von der SPD oder ihrem Direktkandidaten Carsten Kühl lest – wir uns auch. Wir hatten offiziell angefragt und gebeten, uns zwei, drei Sätze Kühls schriftlich zu schicken – die SPD hat es schlicht verweigert. „Wir machen heute keine Pressearbeit“, hieß es lediglich. Das ist höchst unprofessionell, hochgradig arrogant und zudem eine massive Ungleichbehandlung von Medien. Dazu muss man wissen: Eine offizielle Anfrage eines journalistischen Mediums NICHT zu beantworten ist ein absolutes No-Go. Die SPD in Mainz störte das nicht die Bohne.  Auch Grüne und FDP hielten es nicht für nötig, mal eine Reaktion vorbei zu schicken – dort hatten wir aber auch nicht angefragt. Wir finden das unprofessionell und legen gerne offen, warum wir nicht auf fünf Wahlparties gleichzeitig sein konnten: Die Pressekonferenz der Stadt Mainz sollte um 20.45 Uhr beginnen, tatsächlich ließ man uns bis 22.20 Uhr warten – die Freigabe des Ergebnisses verzögerte sich. Wir finden da eine „Selbst schuld“-Haltung der Parteien gegenüber Pressevertretern schlicht eine Frechheit.

Und hier für Euch noch die Wahlergebnisse aus den Mainzer Stadtteilen bei der Bundestagswahl 2017:

 

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