Es war der erwartete Paukenschlag: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Dienstag Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in bundesdeutschen Städten für rechtmäßig erklärt. Die Kommunen dürften sehr wohl Fahrverbote verhängen, mehr noch: Die Städte hätten sogar Fahrverbote ernsthaft zu berücksichtigen, wenn anders die Grenzwerte bei den als schädlich geltenden  Stickoxiden nicht einzuhalten wären. Damit wiesen die Leipziger Richter den Einspruch der Städte Stuttgart und Düsseldorf zurück – und gaben der Deutschen Umwelthilfe weitgehend Recht. Deren Geschäftsführer Jürgen Resch sagte, damit habe die DUH Fahrverbote für dreckige Diesel durchgesetzt. Nun wächst in Mainz die Sorge, dass das hiesige Verwaltungsgericht den Leipziger Richtern folgen könnte: Mit dem Urteil für Mainz werde im Sommer gerechnet, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne). Mainz will nun seinen Luftreinhalteplan erneut überarbeiten und bis Ende 2018 seine gesamte Busflotte auf Euro-Norm 6 bringen.

Heißt es bald: Dreckige Diesel müssen aus Mainz draußen bleiben? – Foto: gik

Die Deutsche Umwelthilfe hat aktuell bundesweit 16 Städte wegen der Nichteinhaltung der Stockoxid-Grenzwerte verklagt, auch Mainz ist darunter. Das Mainzer Gericht hatte seine Entscheidung aufgeschoben, um das Leipziger Urteil abzuwarten, nun geben die obersten Verwaltungsrichter Deutschlands die Richtung vor: Fahrverbote sind grundsätzlich zulässig, sie müssen aber „verhältnismäßig“ sein. „Das Leipziger Urteil war deutlich, ich habe da schon geschluckt“, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne). „In manchen Teilen der Republik wird jetzt sehr schnell ein Fahrverbot kommen“, sagte auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD).

„Für uns steht eines unstrittig vorweg: Es gibt den klaren Auftrag, unsere Luft sauberer zu machen, und dafür darf es keine Denkverbote geben“, sagte Ebling am Dienstag nach Verkündung des Leipziger Urteils. Das Gericht habe aber auch klar gemacht, „dass es einen breiten Werkzeugkasten gibt“ und dass die Instrumente verhältnismäßig sein müssten – und dieser Punkt sei wichtig: Fahrverbote würden „dem kommunalen Leben den Stecker ziehen“, es drohe ein „Einbruch in unsere Mobilität, der für Wirtschaft und Wertschöpfung gravierende Folgen hätte“, warnte Ebling. Zukünftige Regelungen müssten deshalb lebensnah sein.

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Schon bis Ende 2018 will Mainz jetzt alle seine Dieselbusse auf Euro 6-Norm bringen. – Foto: gik

Ebling forderte deshalb eine abgestimmte Förderkulisse von Bund und Land für die Kommunen – und er forderte vom Land Rheinland-Pfalz ein neues Förderprogramm für die Busbeschaffung in den Kommunen. Die Wiedereinführung der 2001 abgeschafften Busförderung sei jetzt dringend notwendig, sagte Ebling, die Ampel-Koalition müsse ihrer Absichtserklärung aus dem Koalitionsvertrag von 2016 Taten folgen lassen. „Ich hoffe, dass mit so einem Urteil jetzt auch die Fahrzeugförderung wieder in die Umsetzung kommt“, betonte er. Rheinland-Pfalz sei gemeinsam mit Schleswig-Holstein das einzige Bundesland, das kein Förderprogramm für die Busbeschaffung habe, sagte Eder, deshalb fahre im Land die älteste Busflotte bundesweit herum.

Das Land hatte Ende 2017 angekündigt, den drei von Fahrverboten betroffenen Kommunen Mainz, Koblenz und Ludwigshafen jeweils eine Million Euro für Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, Mainz will damit seine Dieselbusse nachrüsten. Mainz wolle nun bereits bis Ende 2018 alle Busse der Landeshauptstadt auf Euro 6-Norm bringen, kündigte Eder an. Die Stadt werde zudem diese Woche in die vorgezogene Neuanschaffung einsteigen. Eine Umstellung der Busflotte allein werde aber nicht reichen, warnte Eder. Die Stadt werde  nun gemeinsam mit einem externen Beratungsbüro den sogenannten Masterplan Green City aufstellen, der Voraussetzung für die Beantragung der Mittel auf Bundesebene sei. Die Abwicklung des Bundesförderprogramms sei allerdings völlig chaotisch, klagte Eder: „Was da derzeit in Berlin läuft, ist ein Hühnerhaufen.“ Zum Teil seien Antragskonditionen völlig unklar, die Städte wüssten nicht, ob sie auch Personalkosten berücksichtigen dürften, das sei aber dringend nötig.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) setzt auf das Sofortprogramm des Landes. – Foto: gik

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte hingegen, zusammen mit den Maßnahmen aus dem Förderprogramm des Bundes „wird es unseren Städten möglich sein, die Grenzwerte für NO2 künftig einzuhalten.“ Er gehe davon aus, „dass wir Fahrverbote in Rheinland-Pfalz vermeiden können.“ In Mainz ist man da wesentlich skeptischer: Zwar seien die Stickoxidwerte in der Parcusstraße im vergangenen Jahr gefallen, mit 48 Mykrogramm liegen sie aber immer noch weit über dem Grenzwert von 40 Mykrogramm. Noch stehe die Analyse des Landesamtes für Umwelt aus, warum die Werte gesunken seien, sagte Eder. Mögliche Ursachen seien die Baustelle in der Bahnhofstraße, die Mainzelbahn – oder das Wetter.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Rheinland-Pfalz begrüßte das Urteil. „Luftreinhaltung und Gesundheitsschutz haben endlich Vorrang vor Autointeressen“, sagte BUND-Landeschef Egbert Bialk. Nun dürfe in den betroffenen Kommunen „nicht länger auf Zeit gespielt werden“, die bislang wenig erfolgreichen Luftreinhaltemaßnahmen müssten geschärft werden. Auch der Verband der Lungenärzte begrüßte das Urteil und forderte die Städte auf, Fahrverbote in hoch betroffenen Regionen auch umzusetzen. Studien zeigten längst, wie schädlich Stickoxide seien.

Das Problem der Städte: „Wie sollen wir denn Fahrverbote überhaupt kontrollieren?“, fragte Eder. In der Stadt sei ja schon gewitzelt worden, die Stadt habe die Schilder schon gedruckt, „das ist natürlich Unsinn“, betonte sie. Für die Kontrolle des rollenden Verkehrs sei die Polizei zuständig, „sollen die auf der Saarstraße bei jedem Auto den Fahrzeugschein kontrollieren?“, fragte Eder. Ebling forderte klare bundesgesetzliche Regelungen, wie Fahrverbote eingeführt und kontrolliert werden könnten. „Ein Flickenteppich führt uns in die Irre“, warnte er.

Zudem kritisierte Ebling, dass „wirkliche Konsequenzen“ für die Autohersteller in Sachen Dieselnachrüstung ausblieben: „Die Käufer von Dieselfahrzeugen tragen keinerlei Schuld daran, dass die Autos die angegebenen Grenzwerte nicht einhalten“, betonte Ebling. Auch die Automobilindustrie stehe mit dem Urteil „vor dem Last Call“, sie müsse nun endlich auch die modernen Technologien gerade bei den Busflotten liefern. So habe die Ausschreibung für die Wasserstoffbusse im Rhein-Main-Gebiet zurückgezogen und erneuert werden müssen, weil sich kein einziger Autohersteller beworben habe. Nun laufe die Ausschreibung erneut, doch die wenigen Hersteller, die sich überhaupt gemeldet hätten, hätten eine klare Botschaft: Vor Ende 2019 seien die Fahrzeuge nicht lieferbar.

Info& auf Mainz&: Wir haben noch viel, viel mehr Reaktionen zu dem Leipziger Urteil in Sachen Diesel-Fahrverbote, wir müssen Sie Euch später nachliefern. Auch einen Link zu der Ausgangs-Pressemitteilung können wir Euch gerade nicht bieten – die Internetseite des Verwaltungsgerichts Leipzig war heute Nachmittag nicht erreichbar.

 

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