In Mainz starten am Dienstag die Dialogworkshops in Sachen Citybahn. In vier Workshops sollen in den kommenden Wochen Mainzer Bürger, Anwohner einer möglichen Citybahn sowie Vertreter bestimmter Interessengruppen über eine mögliche Strecke für die Citybahn nach Wiesbaden diskutieren. Am Ende soll eine konkrete Empfehlung stehen, wo die Citybahn durch Mainz rollen könnte. Die Mainzer sollen dabei auch online mitdiskutieren können. Geht es nach den Wiesbadener Planern, soll die neue Stadtbahn über den Rhein nach Wiesbaden bereits 2022 rollen – doch das ist fraglich: In Mainz will man erst Anfang 2022 überhaupt pro oder kontra Citybahn entscheiden. Und in Wiesbaden formiert sich Widerstand: Bei einer Versammlung der Industrie- und Handelskammer in Wiesbaden zeigte sich auch deutlicher Widerstand. Ein Bürgerbegehren wird immer wahrscheinlicher.

Über welche Strecke soll die Citybahn in Mainz rollen? Darüber beraten Bürger, Anwohner und Vertreter von Wirtschaft und Experten ab morgen in vier Workshops. – Fotomontage: Citybahn GmbH

Mitte August eröffnete die Mainzer Mobilität am Mainzer Schillerplatz die neue Dialog-Anlaufstelle am Schillerplatz. „Babbel Mit“ heißt die Anlaufstelle im ehemaligen Energiekaufhaus in der Mitte des Platzes, hier gibt es nun Informationen zum geplanten Citybahn-Projekt. Die Nachbarstadt Wiesbaden will mit der geplanten Straßenbahnlinie zwischen Wiesbaden und Mainz massive Probleme im öffentlichen Nahverkehr lösen und auch einen Beitrag zur Luftverbesserung erreichen. Im April stellte die Stadt Wiesbaden ihren Vorschlag für die Streckenführung vor: Demnach soll die Citybahn von der Hochschule Rhein-Main über den Wiesbadener Hauptbahnhof und weiter über Biebrich am Rhein entlang nach Mainz rollen.

Von Mainz-Kastel aus soll die neue Bahn über die Theodor-Heuss-Brücke fahren, in Mainz ist das umstritten: die CDU-Opposition hat sich für eine zweite Rheinbrücke ausgesprochen. Wo die Bahn danach durch die Mainzer Innenstadt rollt, ist bislang noch unklar: Drei Streckenvarianten gibt es derzeit, die Bahn könnte über die Kaiserstraße, die Große Bleiche oder die Ludwigsstraße führen. Genau darüber soll nun in vier Dialogworkshops diskutiert werden, der erste Workshop startet am 4. September. Bei den Workshops sollen Anwohner, aber auch Interessengruppen wie Wirtschaft oder Behinderte sowie Experten der Netze in Mainz über einen sinnvollen Streckenverkauf diskutieren.

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Ziel sei, durch ein „konsensuales und kooperatives Vorgehen“ Lösungen zu finden, damit die direkt betroffenen Menschen und die breite Öffentlichkeit gut mit dem neuen Straßenbahn-Projekt, seiner späteren Umsetzung und dem Ergebnis leben könnten, betonte Eva Kreienkamp, Geschäftsführerin der Mainzer Mobilität und der Citybahn GmbH im Vorfeld der Workshops. Man wolle eine konstruktive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen. Für das Bürgerbeteiligungsverfahren wurde eigens die Agentur BCC engagiert, bei der hieß es, man hoffe „auf lebhafte Diskussionen und einen engagierten Austausch.“ Und BCC wolle sich „bemühen, dass alle Stimmen Gehör finden und der Dialog so transparent und fair wie möglich abläuft.“

Die drei Streckenvarianten für die Citybahn in Mainz: via Kaiserstraße, Große Bleiche oder Ludwigsstraße. – Grafik: Citybahn GmbH

Die vier Workshops finden allerdings nicht-öffentlich statt, zuletzt suchte die Agentur noch Bürger, die an allen vier Abenden kontinuierlich mitarbeiten wollen. Über die Ergebnisse solle aber „breit und transparent“ informiert werden, hieß es, auch könnten die Mainzer auf der Internetseite online die Zwischenergebnisse kommentieren: „Wir laden alle Mainzerinnen und Mainzer dazu ein, zu kommentieren und Fragen zu stellen“, betonte Kreienkamp. Diese Rückmeldungen sollten dann wieder in die Workshop-Arbeit eingebracht werden. Großprojekte, hieß es bei der Mainzer Mobilität noch, „kann man nicht über den Kopf der Bürgerinnen und Bürger hinweg durchsetzen.“

Das spüren auch die Verantwortlichen in Wiesbaden zunehmend: Auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammern Wiesbaden und Rheinhessen kam es Anfang August auch zu deutlicher Kritik an dem Projekt. Die IHK Wiesbaden hatte den Verkehrsbetriebswirt Ralf Jahncke eingeladen – und der bezeichnete die Citybahn als „gigantische anachronistische Fehlinvestition.“ Die Bahn sei durch ihre festen Strecken viel zu teuer, rechnete Jahncke vor, viel billiger seien E-Bus-Netze und die deutliche Stärkung des Fahrradverkehrs. Während die Citybahn pro Platz 15 Cent koste, fielen bei Busstrukturen nur 4,9 Cent pro Platz an – sogar bei teuren E-Bussen.

Jahncke schwärmte von selbst fahren E-Bus-Systemen in China, Airtaxis, eigenen Radschnellbahnen und intelligent vernetzter urbaner Logistik, und konstatierte: Es gebe Alternativen zu einer Schienen gebundenen Bahn. Der Verkehrsplaner befeuerte damit Kritiker der Citybahn, die sich auch in den Reihen der IHK selbst finden – in der Vergangenheit sprach sich die Interessenvertretung stets gegen eine Citybahn aus. Derzeit heißt es, man müsse die neuen Fakten neu bewerten. Derweil wird ein Bürgerbegehren über die Citybahn immer wahrscheinlicher: Oberbürgermeister Sven Gehrig (SPD) sagte gegenüber Mainz&, er sei dafür, ein solche Bürgerbegehren durchzuführen, entscheiden müsse dies aber die Stadtverordnetenversammlung. Eine Bürgerinitiative kündigte an, man werde ein Bürgerbegehren „notfalls erzwingen“.

Info& auf Mainz&: Mehr über die Veranstaltung der IHK Wiesbaden, bei der Befürworter wie Kritiker zu Wort kamen, könnt Ihr auf dieser Internetseite nachlesen und auch nachhören – die IHK hat dort die Vorträge im Video eingestellt. Mehr über die Citybahn und die geplante Streckenführung in Mainz und Wiesbaden lest Ihr hier bei Mainz&, unseren Bericht über die erste Infomesse in Mainz und die Bürgerbeteiligung lest Ihr genau hier. Auf der offiziellen Citybahn-Internetseite genau hier findet Ihr weitere Infos und Hinweise, wie Ihr Euch online an der Debatte beteiligen könnt. Über die Ergebnisse der Workshops soll detailliert informiert werden, wir halten Euch auf dem Laufenden.

 

 

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