Die Citybahn zwischen Mainz und Wiesbaden steht in den Startlöchern: Am Dienstag stellte der Wiesbadener Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) die lange erwartete Kosten-Nutzen-Analyse vor. Das Ergebnis fiel – wie nicht anders zu erwarten – positiv aus: Mit einem Quotienten von 1,5 schneide die Bahn hervorragend ab und liege im förderfähigen Bereich, schwärmte Gerich: „Mit der Citybahn bauen wir für die Landeshauptstadt eine neue Lebensader.“ Gutachten hätten zudem ergeben, dass die Theodor-Heuss-Brücke tragfähig genug sei, allerdings muss die denkmalgeschützte Brücke ertüchtigt werden. Die Strecke soll nun von Kastel aus über Amöneburg und Biebrich in die Wiesbadener Innenstadt führen. Und die Wiesbadener bestätigten, was Mainz& schon im Juni schrieb: Gebaut werden würde von Mainz aus.

Vorschlag für die Linienführung der Citybahn zwischen Mainz und Wiesbaden, die blaue Linie ist jetzt die präferierte Strecke. – Grafik: Wiesbaden

Bis Ende 2019 soll das neue Straßenbahn-Großprojekt reif für den Bau sein, die ersten Bahnen schon 2022 über die Theodor-Heuss-Brücke Richtung Wiesbaden rollen. Dabei wurden die Pläne den Mainzer Kommunalpolitikern erst an diesem Dienstag bei einer gemeinsamen Sitzung der Verkehrsausschüsse beider Städte vorgestellt. Der Stadtrat von Mainz solle sich im Februar 2018 mit der Citybahn befassen, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), die endgültigen Beschlüsse könnten Ende 2019 fallen.

Auf der hessischen Seite ist das Vorhaben weit voran geschritten: Hessen hat das Vorhaben Citybahn bereits vollumfänglich in seine Planungen sowie in seinen Luftreinhalteplan aufgenommen, das Land Hessen der Stadt Wiesbaden bereits 27,5 Prozent Förderung zugesagt. Vom Bund wären 60 Prozent förderfähig, die  Gesamtkosten werden auf 305 Millionen Euro geschätzt. Dafür soll die Citybahn vom Mainzer Hauptbahnhof über die Theodor-Heuss-Brücke bis nach Wiesbaden und weiter nach Bad Schwalbach rollen. Ein erster Streckenabschnitt würde für rund die Hälfte der Kosten bis zur Hochschule Rhein-Main im Wiesbadener Osten verwirklicht, von einem neuen „Rückgrat“ für den Öffentlichen Nahverkehr im westlichen Rhein-Main-Gebiet schwärmte Gerich am Dienstag. Für die Stadt Wiesbaden bliebe ein Eigenanteil von 19 Millionen Euro.

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Wiesbaden legte zudem eine neue Streckenführung vor: Die Citybahn würde demnach vom Kasteler Brückenkopf aus nach Amöneburg und von dort über Biebrich in die Wiesbadener Innenstadt rollen. Mit der neuen Bahnstrecke könnten rund 200.000 Einwohner plus zahlreiche Arbeitsplätze angebunden, mehr als 20.000 neue Fahrgäste für den ÖPNV geworben und rund 17.000 Personenfahrten im Pkw vermieden werden, sagte Gerich.

Ergebnisse der Studie zur Tragfähigkeit der Theodor-Heuss-Brücke. – Grafik: Wiesbaden

„Wir werden etwas schneller, zuverlässiger und auch komfortabler als der Bus“, sagte Petra Strauß vom zuständigen Karlsruher Büro PTV Transport Consult GmbH. Die Citybahn könne die Zentren der beiden Städte statt bisher in 30 Minuten mit dem Bus in ungefähr 22 Minuten anbinden, von der Hochschule Mainz bis zur Hochschule in Wiesbaden würde die Fahrzeit laut der vorläufigen Berechnungen von 60 Minuten auf 40 Minuten sinken. Rund 100.000 Fahrgäste könnten die Citybahn pro Werktag nutzen, so die Analyse der Planer. Das höchste Fahrgastaufkommen wäre allerdings in der Wiesbadener Innenstadt zu verzeichnen, Wiesbaden will mit der Citybahn seine großen Probleme mit dem Busverkehr in der Innenstadt lösen und zugleich die Emissionen wie Stickoxide deutlich senken.

„Wenn wir Fahrverbote verhindern, zukünftig Mobilität und Lebensqualität erhalten und weiter wachsen und neue Potenziale für die Wirtschaft erschließen wollen, dann ist die Citybahn die richtige Antwort“, betonte denn auch Gerich. Wiesbaden wachse derzeit ebenso stark wie Mainz, „das alles geht einher mit Staus, Lärm und hoher Luftverschmutzung, wir müssen handeln“, betonte der OB. Wiesbaden drohen ebenso Diesel-Fahrverbote wie Mainz, beide Städte werden derzeit von der Deutschen Umwelthilfe verklagt.

Entscheidend für die Förderung durch den Bund ist der sogenannte Nutzen-Kosten-Quotient, der in einem standardisierten Verfahren bei allen öffentlichen Verkehrsprojekten ermittelt wird. Der Quotient rechnet Reisezeitgewinne und Pkw-Betriebskosten ebenso ein wie Unfallfolgekosten, Schadstoffemissionen sowie Betriebskosten für den ÖPNV, insgesamt kam so eine Nutzen-Summe von 14,4 Millionen Euro heraus, der Kosten von 9,3 Millionen Euro gegenüberstanden. Damit zeige die Analyse klar, dass sich die Citybahn rechne, betonte Gerich. Der Nutzen-Kosten-Quotient liege sogar bei hervorragenden 1,5, das sei „deutlich höher als erwartet“ und klar im förderfähigen Bereich, der über 1,0 beginnt, betonte Gerich.

Rollt über die Theodor-Heuss-Brücke bald die Citybahn? – Foto: gik

Schon in der Machbarkeitsstudie waren die Planer auf einen Quotienten von 1,2 gekommen, für die Nutzen-Kosten-Untersuchung wurden dann drei verschiedene Streckenvarianten durchgerechnet: Die Variante A1 über den Petersweg, die Variante A2 über Wiesbaden-Ost und die neue Variante über Biebrich. A1 kam auf einen Quotienten von 1,15, A2 nur auf 1,1 – die Variante über Biebrich hingegen auf einen Wert von 1,35. Auf unsere Frage, wie denn der aktuelle Wert von 1,5 zustande komme, sagte Planerin Strauß, man habe „die Vorschlagsvariante Biebrich weiter bearbeitet“ und die technischen Planungen vertieft, „so dass wir jetzt ein aktuelles Ergebnis von 1,5 haben.“

Für Mainz gibt es hingegen noch keinen offiziellen Streckenführungsvorschlag, intern wird offenbar eine Variante durch die Große Bleiche bevorzugt, alternativ käme wohl die Kaiserstraße infrage. „Was wir gar nicht abschließend sagen können und wollen ist, wo genau auf Mainzer Seite wird die Citybahn fahren“, wehrte Ebling am Dienstag ab. Die rund sechs Kilometer lange Strecke vom Hauptbahnhof zur Theodor-Heuss-Brücke würde geschätzt rund 34 Millionen Euro kosten. Auch hier würde der Bund 60 Prozent fördern, wieviel vom Land Rheinland-Pfalz käme, ist noch unklar. Man sei „etwas später in die Planungen eingetreten als Wiesbaden“, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), „wir nehmen jetzt die erste wichtige Hürde, um zu sagen: wir stoßen das an.“

Ein Engpass für die neue Bahn wird allerdings die denkmalgeschützte Theodor-Heuss-Brücke: Gutachten hätten ergeben, dass die Tragfähigkeit der Brücke gegeben sei, versicherte Ebling am Dienstag. Die Bahn lasse sich in den Verkehr integrieren, alle vier Pkw-Spuren könnten erhalten bleiben. Allerdings muss die Brücke ertüchtigt, Tragstäbe, Bögen und Anschlüsse verstärkt werden, um das Gewicht der Bahnen tragen zu können. Auch brauche es zusätzliche Nieten, Schrauben und Schweißnähte. Eine alternative Streckenführung über die Eisenbahnbrücke bei Amöneburg sei nicht geprüft worden, erfuhr Mainz& am Rande der Pressekonferenz aus den Reihen der Planer: Über diese Variante sei nie geredet worden. Ein Brückenneubau hingegen war offenbar durchaus Teil der Planungsüberlegungen, für eine schnelle Realisierung der Citybahn sei das aber nichts.

Zeitablauf für die Bürgerbeteiligung.

Tatsächlich drückt Wiesbaden enorm aufs Tempo: Bereits am Mittwoch startet ein Online-Beteiligungsverfahren, alle Anregungen würden ernst genommen und in die Planungen einbezogen, versicherte OB Gerich mit Nachdruck. Vier große Informationsmessen sollen zudem entlang der geplanten Strecke der Citybahn stattfinden und die Anwohner informieren, die erste Messe soll bereits am 18. Januar am Wiesbadener Schlachthof stattfinden. Am 23. Januar soll dann das Westend folgen, Biebrich am 25. Januar und Kastel und Amöneburg am 30. Januar 2018. Die Ergebnisse aus dem Bürgerdialog würden im Februar auf der Citybahn-Webseite vorgestellt, sagte Gerich, es folge eine Akteurskonferenz im Frühling 2018. „Danach beginnen die konkreten Vorbereitungen für den Planfeststellungsantrag“, sagte Gerich.

Für Mainz hieß es lediglich, eine Bürgerbeteiligung sei „im Frühjahr 2018“ vorgesehen. Überhaupt dürften hier auf die Stadtverantwortlichen einiges an Diskussionen zukommen: Die Mainzer fürchten um den Fortbestand ihrer Brücke und um zusätzliche Belastungen der jetzt schon stark Staugeplagten Rheinquerung. Den Verkehr auf der Brücke sollen künftig Ampeln regeln, die der Straßenbahn eine freie Zufahrt auf die Brücke ermöglichen sollen. Damit würden Ampelanlagen sowohl auf den Rampen auf Mainzer Seite, als auch im Kasteler Brückenkreisel und auf den dortigen Zufahrtsrampen installiert werden müssen. Bei „intelligenter Steuerung und Abwicklung des Verkehrs“ lasse sich die Citybahn „harmonisch in den Verkehrsablauf über die Brücke einbinden“, heißt es im Gutachten der Planer, „sie schwimmt im Verkehr mit.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Citybahn und ihren Planungen findet Ihr auf dieser Internetseite, im Bereich Presse könnt Ihr Euch auch die Kosten-Nutzen-Analyse sowie die Gutachten zur Theodor-Heuss-Brücke herunterladen. Unser ausführliches Interview mit Citybahn-Manager Hermann Zemlin könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.

 

 

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