Das Jahr 2018 neigt sich rapide dem Ende zu, es scheint, das Jahr ist schon in Urlaub gefahren – Mainz wartet auf 2019. Das ist natürlich die perfekte Zeit, um zurückzuschauen, nachzudenken, die Geschehnisse noch einmal Revue passieren zu lassen. Und was für ein randvolles Jahr das war: Supersommer und Ebbe im Rhein, die Entscheidung um den Bibelturm, die Debatten um Baustellen und Dieselfahrverbot. Mainz musste Abschied nehmen von Kardinal Lehmann und Nick Benjamin, dafür bekamen wir eine „neue“ Ehrenbürgerin – Margit Sponheimer. Es wurde gefeiert, gelacht und geweint – und es wurde debattiert, wie lange nicht mehr: Der Kampf um den Bibelturm am Gutenberg-Museum hat Bewegung ein die politische Landschaft gebracht, der Kreis schloss sich am Ende des Jahres im plötzlichen Abgang von Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) und der Wahl der CDU-Kandidatin Manuela Matz. Damit ist eines klar: 2019 wird in jedem Fall ein weiteres bewegtes Jahr – die Kommunalwahl steht Ende Mai vor der Tür… Unser Jahresrückblick 2018.

Um nichts wurde 2018 so heftig gestritten wie um den Bibelturm am Gutenberg-Museum – die Mainzer lehnten ihn am Ende mit großer Mehrheit ab. – Foto: Stadt Mainz

Es war das Thema der ersten Jahreshälfte, und es hat die Politik in Mainz verändert: Am 15. April stimmten die Mainzer über den Bibelturm als Erweiterungsbau des Gutenberg-Museums ab, es wurde eine bislang einmalige Ohrfeige für die Stadtpolitik. 77,3 Prozent der Mainzer sagten klar Nein zum bronzefarbenen Turmbau, der den Liebfrauenplatz zwischen Dom und Gutenberg-Museum grundlegend verändert hätte. Der erste Bürgerentscheid der Stadtgeschichte bescherte Mainz wochenlang heftige Auseinandersetzungen, die bisweilen unter die Gürtellinie gingen: Die Befürworter beschimpften die Bibelturm-Gegner als rückständige Kulturbanausen, Stiefmütterchen-Liebhaber und Saufnasen, die nur weiter auf dem Mainzer Marktfrühstück dem Gelage frönen wollten.

Ohrfeige für die Stadtpolitik: Mainzer stimmen gegen Bibelturm

Was sie übersahen: Die Kritik am Bibelturm ging weitaus tiefer und zog am Ende weitaus größere Kreise. Die Stadtspitze wollte mit dem gut 20 Meter hohen Turm mit bronzener Außenhaut ein neues „Ausrufezeichen“ für das Gutenberg-Museum schaffen. Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) schwärmte von einem neuen „Wahrzeichen“ für Mainz, die Gutenberg-Bibeln könnten endlich in einer angemessen Umgebung gewürdigt und wie in einer „Schatzkammer“ gezeigt werden. Zudem sollte der Turm als erster Bauabschnitt zur Einwerbung von Millionensummen an Spendengeldern für den weiteren Ausbau des Gutenberg-Museums dienen – die Mainzer überzeugte das nicht.

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Die Mainzer wollten lieber ihren Blick vom Gutenberg-Museum auf den Dom – samt Liebfrauenplatz – behalten, statt eines unsicheren Bauprojekte. – Foto: gik

Die Kritiker schüttelten den Kopf über eine nebulöse Finanzierung und bemängelten, ein schlüssiges Museumskonzept liege gar nicht vor. Die zur Verfügung stehenden 3,9 Millionen Euro würden für das Bauvorhaben nie und nimmer reichen, warnten die Gegner, Mainz drohe eine jahrzehntelange Bauruine. Mit 13.500 Unterschriften hatte die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum Ende 2017 das Bürgerbegehren erzwungen, der Ausgang schien völlig offen. Die BI setzte sich für den Erhalt des Liebfrauenplatzes als historisches Ensemble und als einer der letzten grünen Oasen von Mainz ein und forderte, ein umfassendes Konzept für das Gutenberg-Museum mit Bund und Land zu entwickeln und die Bürger dabei frühzeitig einzubeziehen. Kritiker sahen in dem Bibelturm eine moderne „Monstrosität“, die das historische Ensemble am Liebfrauenplatz zerstören und zudem gar nicht genug Raum für das Museum schaffen würde.

Am Ende des wochenlangen Kampfes wurde der Bibelturm auch zur Abstimmung über die Mainzer Stadtpolitik: Horrende Mietsteigerungen, marode Schulen und Kindergärten und eine erhebliche Nachverdichtung mit schwindendem Grün wurden zu Argumenten gegen den Turmbau zu Mainz. Rund 65.000 Mainzer gingen am Ende zur Abstimmung – die Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent war bereits ein großer Erfolg. Die „Bürgerinitiative Gutenberg-Museum“ war selbst von ihrem Erfolg überrascht: 49.663 Mainzer sagten Nein, nur 14.555 Ja.

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) kündigte nach dem Bürgerentscheid eine neue Initiative für ein umfassendes Museumskonzept an, passiert ist bislang aber nicht viel. Eine Arbeitswerkstatt wurde ins Leben gerufen und tagte einige Male hinter verschlossenen Türen. Eine Veranstaltung zum Auftakt für mehr Bürgerbeteiligung endete in tiefem Streit und Zerwürfnis, als ein von der Stadt engagierter Moderator den Bibelturm-Gegnern rechtspopulistische Methoden unterstellte. „Es herrscht Stillstand auf der ganzen Linie“, klagte die Bürgerinitiative „Mainz für Gutenberg“ ein halbes Jahr nach dem Bürgerentscheid. Anstatt die positive Energie aus dem Bürgerentscheid, den Konsens pro Museum samt entwickelter Alternativkonzepte zu nutzen, werde das Thema beerdigt und ausgesessen: „Was fehlt, sind Perspektiven.“

Bewegender Abschied von Kardinal Lehmann

Bewegender Abschied von einem ganz Großen: Im März trauerte Mainz um Kardinal Karl Lehmann. – Foto: gik

Gut einen Monat zuvor wurde Mainz von einer traurigen Nachricht tief erschüttert: Am 11. März starb Kardinal Karl Lehmann, Alt-Bischof von Mainz, in den frühen Morgenstunden mit nur 81 Jahren. Nur zwei Jahre, nachdem er das Amt als Bischof von Mainz abgegeben hatte, erlag Lehmann den Folgen eines Schlaganfalls – und Mainz trauerte um seinen Kardinal wie um niemanden zuvor. Tausende nahmen in der Mainzer Augustinerkirche pro Tag Abschied am aufgebahrten Leichnam Lehmanns, zur Beisetzung am 21. März kam halb Mainz.

8.000 Menschen säumten die Straßen, als Lehmanns Sarg in einem Trauerzug von der Augustinerkirche zum Trauergottesdienst in den Dom gefahren wurde. Totenstill wurde es mitten am Tag im quirligen Mainz, einzig die große Martinusglocke des Doms schlug gemessen ihr Adé. Die Spitzen von Staat und Gesellschaft waren gekommen, sich vor Lehmann und seinem Lebenswerk zu verneigen, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Vertreter von Politik und Kirche würdigten Lehmann als einen ganz Großen, einen Brückenbauer und Diplomaten, einen Kämpfer und Menschenfreund. Sie erinnerten an den langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, an den Büchernarren Lehmann, der selbst ein Multi-Bücherschreiber war, den Professor der Theologie mit seinem Wahlspruch „State Fide“: „Steht fest im Glauben.“

Und immer erinnerten sie auch an Lehmanns Humor und Lebensfreude, und sein schrankenloses Lachen. Einer der häufigsten Sätze in diesen Tagen war: „Er wird uns fehlen.“ Begraben ist Lehmann in der Bischofsgruft des Mainzer Doms, in seinem letzten Gottesdienst als Bischof von Mainz sagte er, und es klang wie sein Vermächtnis: „Seid wachsam, seid mutig, seid stark – und alles, was Ihr tut, geschehe in Liebe.“

Fastnachtshighlights, Profi-Debakel und eine Ehrenbürgerin

Margit Sponheimer wurde 75 Jahre alt, Ehrenbürgerin von Mainz und auch sonst mit allerlei Ehrungen bedacht. – Foto: gik

2018 war fraglos ein Jahr der Gegensätze.  Wiederum einen Monat zuvor hatte Mainz eine andere Ikone der Stadtgeschichte gefeiert: Margit Sponheimer, die Grande Dame der Meenzer Fastnacht wurde 75 Jahre alt – und aus diesem Anlass zur Ehrenbürgerin der Stadt Mainz ernannt. Sponheimer ist erst die dritte, der diese Ehre zuteil wurde. Geboren wurde sie am 7. Februar 1943 in Frankfurt, mit acht Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Mainz, heute wohnt sie in Ober-Olm – unser Portrait findet Ihr hier bei Mainz&. In der Fastnacht hat sie heute gelegentlich noch Gastauftritte, im Januar wird sie im Gutenberg-Musical auf der Bühne stehen. „Mein letztes Projekt“, sagt sie selbst.

Sponheimer verkörpere „in einer unnachahmlichen Weise fastnachtliches Brauchtum und Mainzer Lebensart, verfügt über ein großes Herz und erreicht damit alle Generationen“, begründete Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) die Ehrung: „Durch ihre Bekanntheit weit über Mainz hinaus ist Margit Sponheimer zur bekanntesten Botschafterin der Mainzer Lebensfreude geworden.“

Keine Frage: Eine verdientere Ehrenbürgerschaft hätte es gar nicht geben können – es war nicht die einzige Ehrung für die Jubilarin: Zur Erinnerung an ihren Superhit „Am  Rosenmondtag bin ich geboren“ kürte der Mainzer Carnevals-Verein (MCV) den Narrenmond zum Zugplakettcher 2018, und das spielte natürlich den Sponheimer-Hit. Im Zeichen des Narrenmondes feierte Mainz eine ausgelassene, fröhliche und friedliche Fastnacht, die in einer riesigen Narrenparty am Rosenmontag mit mehr als 500.000 Besuchern gipfelte.

Ganz großes Narrenkino: Florian Sitte rockte als Angela Merkel die Fastnachtssäle. – Foto: gik

Trotz eisiger Temperaturen feierten die Narren ausgelassen, tanzten Garden und Masken auf den Straßen, rollten Trump und Kim Jong Il im Schwanzvergleich, beglückten Bühnenaktive und Komiteeter die Zuschauer mit Bonbons und Leckereien. Mit im Zug dabei: Ein fallender Bibelturm, der fast die Dezernentin erschlägt…

Die Narren bewiesen wieder einmal das richtige Gespür und schrieben der Politik so einiges ins Stammbuch: Da wurden die Mainzer Baustellen besungen und das Diesel-Debakel glossiert. Die großen Highlights der Kampagne: Florian Sitte mit einer sensationellen Merkel-Parodie, die Schnorreswackler mit ihrem Cup-Song, ein furioses „House of Drecksäck“ und die Rot Rock Rapper mit dem furiosen „Isch hab‘ Uniform“. Die Mainzer Fastnacht präsentierte sich so kreativ wie lange nicht mehr, und es waren vor allem die jungen Wilden, die die Säle rockten. Aussetzer leisteten sich hingegen die Alten und Etablierten: Kabarettist Detlev Schönauer, als Bio-Lehrer wieder einmal bei „Mainz bleibt Mainz“ dabei, schwächelte sichtlich mit seinem Vortrag, ein anderer Profi fiel gar durch: Ausgerechnet Lars Reichow schaffte es in der Fernsehsitzung, die Stimmung im Saal auf den Tiefpunkt zu bringen – und löste so eine heftige Debatte um Profis in der Fastnacht aus. Es dürfte spannend werden, wie sich das Debakel auf die Kampagne 2019 auswirkt.

Boomendes Martkfrühstück, Jubiläums-Johannisnacht und ein endloser Sommer

Gegautscht im Zuber: Margit Sponheimer bei der Johannisnacht 2018. – Foto: gik

Gefeiert wurde in Mainz aber auch den Rest des Jahres über: Das Mainzer Marktfrühstück boomte erneut, Hunderte drängten sich von April bis November jeden Samstag auf dem Liebfrauenplatz um den Weinstand der Mainzer Winzer zum Klönen und Genießen – Vielen ist das längst zu viel Rummel. Die Stadt suchte 2018 mit einer Verlagerung des Ausschanks und neuen Regeln gegenzusteuern, wirklich Abhilfe schuf das nicht. So wurde der Weinstand am Rheinufer zum Geheimtipp und Ausweichquartier, im Mai musste er vors Rathaus umziehen, der Anwohner wegen. Den Mainzern mundet es trotzdem – sie wünschen sich gar noch mehr Weinstände im Stadtgebiet.

Ende Juni feierte Mainz dann 50 Jahre Mainzer Johannisnacht, ein rauschendes Fest mit spanischer Falla, tollem Feuerwerk, Heldenherzen und einem ganz besonderen Promi-Gautschen: In der Bütt landete niemand anderes als Margit Sponheimer. Allein der Künstlermarkt scheint unter der neuen Ordnung weiter zu leiden, dafür spielte das Wetter mit – wie den ganzen Sommer überhaupt: es wurde heiß, es blieb heiß und es wollte gar nicht enden. Mainz erlebte einen Jahrhundertsommer, die Wärme blieb bis in den November hinein, die Stadt lebte draußen und genoss Sommerabende ohne Ende.

Rhein einfach weg: dem Jahrhundertsommer folgte die Jahrhundertdürre mit Tiefstständen der Flusspegel. – Foto: gik

Das Ende vom Lied: Rhein weg. Im Herbst musste man den größten Strom der Deutschen förmlich suchen gehen. Monatelange Trockenheit machte nicht nur den Landwirten und Gärtnern erheblich zu schaffen, auch der Rhein sank auf bislang ungekannte Tiefststände. 1,30 Meter hoch stand das Wasser im Rheine Anfang Dezember gerade noch, das Flußbett wurde zur Erkundungsroute, der Rheinspaziergang bekam eine ganz neue Bedeutung: Mainz spazierte jetzt wahrlich IM Rhein herum. Fotos von Funden und Flußbett im Rhein wurden zum großen Fotomotiv, zum Pilgerpfad der Gang zum Mäuseturm bei Bingen. Als es Mitte Dezember endlich zu Regnen begann, atmete die Stadt auf: Endlich wieder Wasser – wer hätte gedacht, dass man mal diesen Stoßseufzer hören würde.

Zu Weihnachten gab es dann gleich wieder Hochwasser – der Klimawandel ist in Mainz angekommen. Die lachenden Dritten: die Winzer starteten nicht nur mit strahlenden Mienen in die früheste Weinlese aller Zeiten, sie brachten auch eine Rekordweinlese in die Keller – der Jahrgang 2018 gilt als Jahrhundertweinjahrgang, der höchste Genüsse verspricht. Wenigstens das sind doch gute Aussichten für 2019.

Info& auf Mainz&: Da war doch noch was? Richtig: Alles zu Verkehr, Baustellen und weiterem Mainzer Turbulenzen lest Ihr im zweiten Teil unseres Mainz&-Jahresrückblicks.

 

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