Das Land Rheinland-Pfalz will den Kommunen in Rheinland-Pfalz bei der Vermeidung von Diesel-Fahrverboten und der Entlastung der Städte von giftigen Stickoxiden helfen. „Mein Ziel als Verkehrsminister ist den Kommunen zu helfen, ihre aus dem Verkehr resultierenden Luftschadstoffprobleme in den nächsten zwei bis drei Jahren zu bewältigen“, sagte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Mittwoch im Mainzer Landtag. Fahrverbote seien „nicht akzeptabel“. Auf dem Treffen am 30. August wolle das Land deshalb mit den Kommunen ein Aktionsprogramm „Saubere Mobilität“ verabreden. Dabei soll es auch um Finanzhilfen von Land und Bund zur Umrüstung von Busflotten gehen. Derweil stellte das Umweltbundesamt klar: Das beim Dieselgipfel des Bundes versprochene Software-Update der Autohersteller reicht für saubere Luft bei weitem nicht aus.

Stau auf der Brücke von Kastel nach Mainz - Foto: Sigi
Wie entkommt Mainz der dicken Luft und Diesel-Fahrverboten? Nun will das Land helfen. – Foto: S.Babst

Die Ankündigung der rot-gelb-grünen Landesregierung kommt vor allem der Stadt Mainz zugute, wie Wissing explizit betonte: Mit durchgehenden Messwerten von 53 Mikrogramm  Stickoxid auf stark befahrenen Straßen wie der Parcusstraße ist Mainz das Sorgenkind im Land: Keine andere Stadt in Rheinland-Pfalz liegt so weit über dem erlaubten Grenzwert von 40 Mikrogramm. Die zweitschlimmsten Luftsünder sind Ludwigshafen mit im Schnitt 46 Mikrogramm und Koblenz mit 43 Mikrogramm je Kubikmeter. Die Deutsche Umwelthilfe klagt bereits seit 2013 gegen die Stadt Mainz wegen der Überschreitung der Grenzwerte, Ende 2016 nahm sie ihre Klage wieder auf. Und gerade nahm die DUH auch Ludwigshafen in den Fokus, nun droht auch dieser Stadt gemeinsam mit 40 weiteren Städten in Deutschland eine Klage auf Diesel-Fahrverbote.

Der DUH gelang mit ihren Massenklagen bundesweit etwas, was Appelle oder Politikerankündigungen zehn Jahre lang nicht schaffte: Deutschland diskutiert über die Diesel-Problematik wie nie zuvor. Zurzeit ist das Problem der überhöhten Diesel-Abgaswerte sogar das Topthema im Bundestagswahlkampf, SPD und Grüne haben bereits konkrete Vorschläge vorgelegt, wie sie Abhilfe schaffen wollen: Die Grünen mit dem Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren (Diesel UND Benziner) ab 2030, die SPD mit einem Fünf-Punkte-Programm, das stark auf die Förderung von Elektroautos setzt.

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Die Parcusstraße ist die am schlimmsten belastete Straße in Mainz – und wurde nun zu einer Modellrechnung des Umweltbundesamtes herangezogen. – Foto: gik

Derweil verteidigt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) noch immer hartnäckig den Diesel-Gipfel des Bundes Anfang August in Berlin. Die dort beschlossenen Maßnahmen seien richtig und hilfreich, sagte Dobrindt – die Autohersteller hatten auf dem Gipfel ein Software-Update als Lösung angepriesen und loben seither Umrüstungsprämien für den Verkauf neuer Autos aus. Das Umweltbundesamt rechnete daraufhin einfach mal nach, das Ergebnis: Die Software-Updates für die dreckigen Diesel reichen für saubere Luft in den Städten nicht aus. Die am 2. August beschlossenen Maßnahmen würden zu einer Senkung der Stickstoffdioxidbelastung von bis zu sechs Prozent führen, rechnete das Umweltbundesamt vor. Das reiche in den meisten betroffenen Städten nicht aus, um den Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter einzuhalten.

In der Tat: Würde die Stockoxidbelastung in Mainz um sechs Prozent sinken, läge die Stadt statt bei 53 Mikrogramm bei 50 Mikrogramm – und würde den Grenzwert noch immer erheblich reißen. Dass die Luft in den Städten trotz Software-Update kaum spürbar besser werde, liege ganz einfach „am viel zu schlechten Ausgangsniveau der Fahrzeuge“, kritisiert die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger: Selbst moderne Euro 5-Diesel ohne Update stießen heute im Schnitt 906 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer aus – fünfmal mehr als der Grenzwert von 180 Milligramm.

Damit helfen auch die derzeit allseits beworbenen Umtauschprämien der Autoindustrie nichts: Die meisten Prämien werden für Diesel der Euro-Normen 1 bis 4 ausgelobt – die Euro 5-Norm ist da nicht einmal dabei. Das Umweltbundesamt hat für seine Berechnung übrigens Modellszenarien gerechnet, wie sich Software-Updates und Umtauschprämien auf eine stark belastete Stadt auswirken würden – und wählte dafür neben München ausgerechnet die Mainzer Parcusstraße: Die Minderung liege hier beim den wahrscheinlichsten Szenario bei gerade einmal zwei Mikrogramm.

Die realen Diesel-Emissionen der Autos laut Umweltbundesamt. – Grafik: Umweltbundesamt

Dabei nahm das Umweltbundesamt realistischerweise an, dass zwischen 3,5 und 5 Millionen Fahrzeughalter das Update durchführen lassen würden – also nicht einmal alle Dieselfahrer), und dass das Update zwischen 15 und 25 Prozent Verbesserung bringe. „Die Wirkung der Umtauschprämie wird insgesamt geringer eingeschätzt als die der Software-Updates und dürfte je nach Annahmen zwischen null und zwei Prozent liegen“, heißt es weiter.

Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte hingegen nun im Landtag, die Bürger seien so umweltbewusst, dass sie verstärkt auf Fahrzeuge der Euro 6-Norm umstiegen. In Kombination mit einer zurückgehenden Hintergrundbelastung „wird das mit großer Wahrscheinlichkeit in den rheinland-pfälzischen Städten in den nächsten Jahren zu einer Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte führen“, zeigte sich Wissing optimistisch. Prognosen in Hamburg und Stuttgart sagten dort bis 2020 Immissionsrückgänge von etwa 25 bis 40 Prozent voraus – allerdings nur dann, wenn die Hersteller die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte auch real einhielten.

Das aber tun derzeit nicht einmal die neuesten Euro 6-Diesel: Ohne Nachrüstung stießen auch diese Dieselfahrzeuge derzeit „sechsmal mehr Stickstoffoxide aus dem Auspuff aus als zulässig“, betont das Umweltbundesamt – und erfüllten damit die neuen Straßentests nicht. Damit bestätigt das Umweltbundesamt Messungen der Deutschen Umwelthilfe, die bereits im Januar warnte, die neuen Euro 6-Diesel hätten sich in Messungen ebenfalls als Dreckschleudern erwiesen.

Wissing kündigte nun an, das Aktionsprogramm „Saubere Mobilität“ solle insbesondere der Stadt Mainz dabei helfen, Fahrverbote im laufenden Klageverfahren der DUH abzuwenden. „Ein Ziel wird sein, Vorhaben im Bereich im Verkehr  zu vereinbaren, die zu deutlichen Minderungen der NO2-Emissionen führen“, sagte der Minister. Dabei gehe es um die Nachrüstung älterer Busse des ÖPNV mit zusätzlichen Abgasreinigungssystemen, die vorgezogene Beschaffung von Euro 6-Bussen oder die Umstellung der ÖPNV-Fahrzeugflotte auf Elektro- oder Wasserstoffbrennstoffzellenantrieb. Auch die Förderung emissionsarmer Taxen, Mietwagenflotten und Lieferfahrzeuge nannte der Minister.

Vorzeigeprojekt: Das Mainzer Fahrradmietsystem Mietradeln. – Foto: gik

 

Nach dem auf dem Dieselgipfel vereinbarten Bundesfonds von 500 Millionen Euro für Kommunen bundesweit will nun offenbar auch das Land dafür Geld in die Hand nehmen: Wissing kündigte Fördermittel ergänzend zu Bundesprogrammen an und sagte, das Land könne dies etwa über ÖPNV-Mittel, die Landestraßenfinanzierung oder dem Finanzausgleichgesetz tun. Dazu brauche es aber auch den Einsatz sinnvoller Technik für ein besseres Verkehrsmanagement, die Einführung Grüner Wellen und die Förderung von Carsharing und Carpooling bei Pendlern.

Als mittel- und langfristige Maßnahmen nannte Wissing  den Ausbau von Bahn-, Bus- und Radverkehr, den Bau von Mitfahrerparkplätzen und Park&Ride-Anlagen sowie den Ausbau von Fahrradvermietsystemen – was Letzteres angeht, kann der Minister in Mainz schon mal ein preisgekröntes System besichtigen. Tatsache ist aber auch: Der Ausbau des Radverkehrs, Grüne Wellen auf den Hauptverkehrsstraßen (Ja, es gibt sie!) und die Einführung der Umweltzone haben bislang die Verschmutzungswerte in Mainz nicht sinken lassen. Was der Ausbau der Mainzelbahn für die Luftqualität bringt, ist bislang völlig unklar: Die Stadt nennt den Straßenbahnausbau gerne als zentrales Umweltprojekt, Tatsache ist aber auch, dass in Mainz weiter bis zu 140 Diesel-Busse unterwegs sind.

Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hatte deshalb in einem Brief an das Land Anspruch auf einen Teil der Umrüstungsmittel erhoben, die vom Bund in Richtung Rheinland-Pfalz fließen könnten. Auch das Land müsse den Kommunen helfen, forderte der OB darin, auch wenn natürlich in dem Brief „nicht drin steht: ‚Bitte überweisen Sie bis zum ….'“. Die Deutsche Umwelthilfe hatte schon vor einem Jahr kritisiert, dass Mainz seine Busflotte nicht auf saubere Elektrobusse umrüste und viel zu wenig auf Elektro-Taxis setze.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Absichten der Deutschen Umwelthilfe lest Ihr in diesem Mainz&-Artikel – wir haben übrigens mit der DUH persönlich gesprochen. Eine interessante Übersicht über E-Bus-Projekte in Deutschland gibt es beim Verband der Verkehrsunternehmen, genau hier. Noch nicht enthalten ist dort das radikale Null-Emissions-Programm der Stadt Wiesbaden, die bis 2022 ihre Busflotte komplett auf E-Busse umstellen will. Eblings Brief ans Land sowie den Parteienstreit über einen Diesel-Ausstieg lest Ihr hier bei Mainz&. Alle Infos zu den Modellberechnungen des Umweltbundesamtes in Sachen Diesel-Nachrüstung findet Ihr hier.

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