Es war mal wieder Dieselgipfel im Kanzleramt in Berlin, doch ein wirklich großer Wurf ist wieder nicht dabei herausgekommen. An diesem Montag waren die Kommunen dran, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Städte eingeladen, die von Fahrverboten demnächst unmittelbar betroffen sind. Merkel kündigte nach dem Treffen an, der Bund werde eine weitere Milliarde Euro auf die bisherigen Ankündigungen oben drauf legen. Damit sollen noch mehr Busumrüstungen von Diesel auf alternative Antriebe ermöglicht werden. Mit einer halben Milliarde Euro will der Bund zudem die Umrüstung von Kleinlastern für Handwerker und Lieferbetriebe fördern. Doch bislang kommen die Fördergelder in den Städten kaum ein, die Skepsis bleibt deshalb groß. Zumal eines offenbar gar nicht greift: Die Bürger verweigern sich den Umtauschprämien der Autoindustrie.

Fahrverbote in Städten für Dieselautos, das droht auch weiter in Mainz. – Foto: gik

Dieselgipfel um Dieselgipfel veranstaltete die Bundeskanzlerin in den vergangenen Monaten, genutzt hat es bislang wenig: Vor Gericht hagelte es Fahrverbot um Fahrverbot, die Deutsche Umwelthilfe gewann in den vergangenen Wochen jeden einzelnen Prozess – pro Fahrverbote. Kurz vor Weihnachten steht noch die Verhandlung für Wiesbaden an, Frankfurt hat bereits ein Urteil pro Fahrverbote kassiert – flächendeckend für die gesamte Innenstadt. Und auch die Meldungen, in Darmstadt gebe es einen außergerichtlichen Vergleich statt Fahrverbot, stimmen so nicht: Das Verwaltungsgericht schlug zwar Ende November in der Tat einen außergerichtlichen Vergleich vor – aber nur, weil die Stadt Darmstadt von sich aus vorschlug, ein Dieselfahrverbot auf drei Straßen in der Innenstadt von sich aus einzurichten.

Auch Mainz steht ein Fahrverbot bevor: Das Verwaltungsgericht Mainz ordnete am 26. Oktober an, die Stadt müsse ein Fahrverbot zum 1. September 2019 vorbereiten – falls bis zum Juni 2019 die Werte in der Innenstadt nicht unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm sinken. Experten halten es für wenig wahrscheinlich, dass das zu schaffen ist, die Stadt will den Wettlauf unbedingt schaffen. Die MVG begann bereits mit der Großumrüstung der Dieselbusflotte, dem wichtigsten Baustein des Vermeidungsprogramms.

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Die Bundesregierung habe das Thema „viel zu lange unterschätzt, sie hätte die Sorgen der Städte und Bürger früher ernst nehmen müssen“, schimpfte denn auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Montag in Berlin: „Nun kommt ein Urteil nach dem anderen.“ Jetzt drohe auch noch das Geld in den Fördertöpfen knapp zu werden, kritisierte Ebling, der auch Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) ist. Bei der Förderung der Elektromobilität „ist die Summe mehrfach überzeichnet“, warnte Ebling. Viele Städte seien besorgt, mit ihren konkreten Projekten leer auszugehen.

Der Mainzer OB Michael Ebling (SPD, 2. von rechts) Mitte Oktober bei einer PK zu Umrüstungen des städtischen Fuhrparks im Kampf gegen Dieselfahrverbote. – Foto: gik

Das betraf auch ganz konkret Mainz: 27 Elektrobusse habe Mainz beantragt, die seien aber „bis heute nicht gebilligt, weil das Geld knapp zu werden drohte“, sagte Ebling in Berlin. Der Mainzer OB lobte deshalb, dass die Bundesregierung am Montag unter dem Druck der Städte bei der Umstellung auf neue Antriebe nachgelegt habe. Damit sei auch die Anschaffung der 27 Mainzer E-Busse gesichert, die Bewilligung der Gelder nun „mehr als nur sicher und in Aussicht gestellt.“ Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) betonte nach dem Gipfel, der Bund übernehme nun 80 Prozent der Kosten für die Anschaffung von Elektrobussen.

Tatsächlich kündigte Merkel die Aufstockung des Bundesprogramms um eine halbe Milliarde Euro auf 1,5 Milliarden Euro an. Dazu soll es rund 530 Millionen Euro für Hardwarenachrüstungen von Kleinlastern für Handwerker und Lieferdienste geben, sagte Merkel in einer Pressekonferenz nach dem Treffen, die der Fernsehsender Phoenix live übertrug. Mit diesen Maßnahmen könne der Bund die Einhaltung des Grenzwerts von Mikrogramm pro Kubikmeter Luft „bereits in sehr kurzer Zeit ermöglichen.“ Das Treffen sei „sehr sinnvoll“ gewesen, sagte Merkel zudem, es bestehe „ein großflächiger Kontakt“ des Bundesverkehrsministeriums zu den Kommunen, „und das braucht es auch“, betonte Merkel.

Tatsächlich hatte es vor dem Treffen heftigen Streit zwischen den Kommunen und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gegeben. Der CSU-Mann weigert sich seit Monaten hartnäckig, den Weg für flächendeckende Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Pkws frei zu machen. Nach Ansicht von Experten ist dies aber der einzige Weg, eine so flächendeckende Entlastung der Luft vom Schadstoff Stickoxid zu erreichen, wie es nötig ist, um die Innenstädte dauerhaft von dem aggressiven Gas zu entlasten und die Grenzwerte endlich einhalten zu können. Seit Monaten fordern Kommunen, Verbände und Experten einhellig die Nachrüstungen – auf Kosten der Autoindustrie.

Stickoxid-Ausstoß der verschiedenen Diesel-Klassen. – Grafik: Bundesumweltamt.

Auch am Montag blieb die Berliner Politik die Ankündigung für flächendeckende Pkw-Nachrüstungen schuldig. Noch nicht einmal die rechtlichen Voraussetzungen dafür hat der Bund bislang geschaffen – dabei haben ADAC, Deutsche Umwelthilfe und zahlreiche Ingenieure bereits Modelle und fertige Bauteile zu den Nachrüstungen vorgestellt. Merkel sagte dazu: „Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet, Hardware Nachrüstungen zuzulassen.“ Bislang aber „liegt nicht ein einziges Konstrukt vor, das um Zulassung gebeten hätte“, fügte sie hinzu. Bislang hatte der Bund Hardware-Nachrüstungen kategorisch abgelehnt.

„Beim grundlegenden Problem der Nachrüstung von Diesel 5-Fahrzeugen sind wir nicht weiter gekommen“, sagte denn auch der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) in der Pressekonferenz. Die Diesel 5-Autos seien aber das Hauptproblem in Sachen Stickoxid-Ausstoß. „Die Frage der technischen Hardwarenachrüstungen muss schneller gehen“, forderte Kuhn deshalb, eine Genehmigung im ersten Quartal 2020 reiche nicht aus – offenbar war das auf dem Gipfel die Ansage der Regierung. „Wenn wir Fahrverbote verhindern wollen, muss das 2019 kommen“, betonte Kuhn.

Die Krux der Städte sei nämlich, dass die Förderprogramme des Bundes lediglich sieben Prozent der Verursacher für die Stickoxid-Emissionen erreichten. „Zwei Drittel kommen aus dem Verkehr“, die Umtauschprogramme der Industrie für Privatfahrzeuge aber „erreichen viele Menschen nicht.“ Scheuer ergänzte daraufhin, er habe den Zeitplan für die Genehmigungen der Hardware-Nachrüstungen „noch einmal verschärft“ – noch 2018 solle dazu das Genehmigungsverfahren gestartet werden. „Jeder ist aufgerufen, zu beweisen, dass er faktisch auch nachrüsten kann“, fügte Scheuer hinzu.

„Uns fehlt der große Wurf für die Zukunft“, kritisierte Ebling nach dem Gipfel: „Es gibt keine Langfristkonzepte und die Mittel für eine echte Verkehrswende reichen nicht aus.“ Das Dieselthema sei nämlich „nur die Spitze des Eisbergs“, die Verkehrswende verlange viel mehr. „Die Bundesregierung muss dringend dauerhaft Mittel für den Wandel des Verkehrs in Städten bereitstellen“, forderte Ebling: „Wir kämpfen gegen den Kollaps.“ Der öffentliche Nahverkehr müsse ausgebaut werden und bezahlbar bleiben, der Individualverkehr besser gesteuert und alternative Konzepte wie Sharing-Modelle unterstützt werden. Unterdessen erhöht in Mainz die Mainzer Mobilität die Preise zum Fahrplanwechsel – mehr dazu morgen bei Mainz&.

Info& auf Mainz&: Über das Problem der Stickoxide aus Diesel-Auspuffen und die Klagend er deutschen Umwelthilfe berichtet Mainz schon seit 2015 – gebt einfach mal in die Suchmaske „Diesel“ oder „Umwelthilfe“ ein. Unseren ausführlichen Bericht von der Gerichtsverhandlung zum Diesel-Fahrverbot in Mainz findet Ihr hier. Über den sogenannten „Dieselkompromiss“ der Bundesregierung vom Anfang Oktober haben wir hier berichtet. Warum die Ankündigungen der Politik, man könne Dieselfahrverbote vermeiden, hauptsächlich heiße Luft sind, erklären wir hier – dort auch Details zur Mainzer Situation.

 

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