Die Meldung schockte kürzlich die Weinbranche: Die Deutschen kaufen weniger Wein. 2017 sanken die Weineinkäufe im Lebensmitteleinzelhandel um drei Prozent in der Menge und um fünf Prozent im Wert. Den Grund sieht das Deutsche Weininstitut (DWI), das die Zahlen veröffentlichte, im demografischen Wandel: Man stelle zwar fest, dass die jüngeren Verbraucher „etwas häufiger zum Wein greifen“, das könne aber die sinkenden Weineinkäufe der Älteren nicht kompensieren, sagt DWI-Chefin Monika Reule. In Mainz führte das prompt zu Unruhe, fühlten sich viele Kommentatoren in sozialen Netzwerken doch gleich genötigt, die Ehre der Weintrinker zu verteidigen: An uns liegt der sinkende Weinkonsum nicht!! Tatsache ist: Sich ändernde Lebensverhältnisse, weniger Wein zum Mittagessen und auch gesündere Lebensgewohnheiten lassen den Weinkonsum zumindest bundesweit sinken. Und auch die Trinkgewohnheiten der jüngeren Generation sind andere. Mainz& hat sich deshalb auf der Weinmesse ProWein mal umgehört, wie Winzer neue Kunden gewinnen wollen.

„Wein im Schafspelz“, „Mäh“ und „Ham“ – mit neuen Weinlinien will Günther Schnaus beim Weingut Wolf neue Kunden ansprechen. – Foto: gik

„Die alten Kunden, die achtzig, neunzig Flaschen von ‚ihrem‘ Weingut genommen haben, sterben weg“, sagt Günther Schnaus vom rheinhessischen Weingut Gerhard Wolf. Das Weingut lebte lange von eben solchen Stammkunden: Man fuhr mit dem Wagen auf den Hof und lud sich den Kofferraum voll. „Die Zeiten sind vorbei“, sagt Schnaus: „Die Jungen trinken auch, aber sie trinken anders.“ Die junge Generation bestelle lieber dreißig Mal eine Flasche, und die online im Internet. „Die Jungen sind nicht fest eingefahren, die experimentieren, probieren“, sagt Schnaus. Für den Winzer bedeute das aber erhebliche Mehrarbeit: „Wenn ich als Weingut etwas Innovatives mache, kann ich mit denen viel leichter ins Gespräch kommen“, sagt Schnaus.

Wie bekomme ich meinen Wein an die neuen Kunden? Das war auch das alles überlagernde Thema in diesem Jahr auf der weltgrößten Weinmesse ProWein in Düsseldorf. 6.860 Aussteller aus 64 Ländern trafen sich dort, um sich über die neuesten Trends auf dem Weinmarkt und natürlich über die neuen Weine des Jahrgangs 2017 zu informieren. „Hautnah“ heißt da etwa die Linie des rheinhessischen Weinguts Espenhof, es sind auf der Hefe und mit Schalen vergorene Weißweine der Machart „Orange Wine“. „Das ist spannend und einfach mal etwas, was nicht jeder hat“, sagt Winzer Wilfried Espenschied. Und die Spezialweine verkauften sich prächtig: „Die gehen in alle Weinbars der Welt“, sagt Espenschied: „Berlin, London,  Kopenhagen, München, Warschau und Moskau.“

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Auffallen, sich absetzen und im Regal sichtbar sein – das sind die großen Trends zurzeit. Die junge rheinhessische Winzerin Juliane Eller setzt für die Aufmerksamkeit auf Promis: Die Weincuvees ihrer Produktlinie „Drei Freunde“ entstehen gemeinsam mit dem Schauspieler Matthias Schweighöfer und Moderator Joko Winterscheidt – und das läuft hervorragend. „Es war von Anfang an unsere Idee, junge Leute zum Wein zu holen, und es funktioniert“, sagt Eller, die alle nur „Juliane“ nennen. Auf Instagram hat sie über 7.300 Abonnenten, die coolen Pics mit der schicken jungen Winzerin kommen bestens an – besser geht Wein-Marketing nicht.

„Drei Freunde“ heißt der gemeinsame Wein von (v.l.) Joko Winterscheidt, Juliane Eller und Matthias Schweighöfer, den sie 2017 erstmals auf der ProWein präsentierten. – Foto: Rheinhessenwein / Martin Kaemper

Große Aufmerksamkeit brachte ihr vergangenes Jahr ihre erste Weincuvée, die sie gemeinsam mit Joko und Schweighöfer entwarf – und es blieb nicht beim einen Mal. Die prominenten Mit-Weinmacher engagierten sich sehr und brächten mittlerweile viel Fachwissen ein, erzählt Eller auf der ProWein: „Ich habe die Jungs echt unterschätzt.“

Die Jugend interessiere sich durchaus für Wein, aber „sie ist sprunghafter, neugierig und will viel probieren“, sagte auch Ernst Büscher vom DWI. Das Problem des demografischen Wandels kenne man in ganz Europa, in südlichen Ländern wie Italien und Frankreich habe sich der Weinkonsum sogar nahezu halbiert. Mit jungen Winzern, coolen Etiketten und modernen, frischen Weinen „können wir die Jungen auf Augenhöhe ansprechen“, sagt Büscher. Professionelles Martketing gehöre heute ebenfalls dazu – und gerne auch ein peppiges Label.

Das DWI ließ denn auch im Vorfeld der ProWein online über die „coolsten Weine“ abstimmen, Weine mit coolen Etiketten, gutem „Storytelling“ und gleichzeitig hoher Qualität in der Flasche. Das „Riesling-Kartell“ von der Mosel kam auf Platz eins, Platz zwei belegte das Pfälzer Weingut Neiss mit seinem Wein „That’s Neiss“ – und das DWI erreichte mit der Aktion in Medien und sozialen Netzwerken mehrere 100.000 Personen im In- und Ausland. Und während deutsche Weine im Inland zwar immer noch knapp die Hälfte des Marktes behaupten, boomt der Export: 2017 wurden rund 1,1 Millionen Hektoliter Wein im Wert von 308 Millionen Euro in 124 verschiedene Länder ausgeführt.

120.000 Flaschen verkauft allein Robert Weil aus dem Rheingau im Export im Hochpreissegment. „Entscheidend ist, dass man nicht mit seiner Tradition und seinen Wurzeln bricht“, sagt der Rheingauer Top-Winzer. Auch Kollege Joachim Flick setzt aufs Ausland: „Japan, China, USA, Slowenien“, da haben wir tolle Steigerungsraten, sagt der Flörsheimer.  Andere gehen dorthin, wo der Verbraucher einkauft: 79 Prozent aller Weine wurden 2017 im Lebensmitteleinzelhandel verkauft – 50 Prozent sogar im Discounter. Moderator Günter Jauch präsentiert gerade zwei Weine im Aldi, eine Rotwein- und ein Weißwein-Cuvée, beides Zukaufsweine, die mit seinem eigenen Weingut von Othegraven in Kanzem an der Saar nur wenig gemein haben dürften.

Tobias Kitzer mit seiner Discounter Weinlinie „Tobi“, die in den Netto-Märkten verkauft wird, auf der ProWein 2018 – Foto: gik

Auf dem Etikett aber der Linie „Günter Jauch“ prangt die persönliche Unterschrift des Moderators, das verkauft sich hervorragend. Das genau sei der Trend, sagt Büscher: Personalisierung, Werben mit Sympathieträgern, so spreche man neue Verbrauchergruppen an. Und Jauch stärke damit seine eigene Weinkompetenz als Person, „das hilft dem deutschen Wein insgesamt“, ist Büscher überzeugt: „Und wenn heute fünfzig Prozent der Weine in Discountern verkauft werden, kann man sich dem auch nicht verschließen.“

Auch Tobias Kitzer aus dem rheinhessischen Badenheim steht seit kurzem mit seinem „Tobi“ in den Netto-Discountmärkten der Republik, an den Flaschen eigene Anhänger mit seinem Konterfei. „Da können wir am meisten punkten, ich will zum Point of Sale“, sagt Kitzer, dessen Familienweingut in Badenheim mit 60 Hektar auch die notwendige Größe für eine Zusammenarbeit mit dem Discounter hat. Die Weine sind eher im süßeren Bereich angesiedelt, das habe Netto so gewollt, sagt Kitzer. Und auch bei ihnen würden die Bestellmengen immer kleiner, „zweimal pro Jahr den Halbjahresbedarf einkaufen wie früher, das gibt es so nicht mehr“, sagt er: „Unsere Generation will was Neues, probiert sich gerne durch und geht gerne essen.“ Da entdecke man dann auch gerne neue Weine – und bestelle die anschließend online.

Das bestätigt auch Büscher: Die sinkenden Absatzzahlen korrespondierten auch mit einer neuen Lust auf Gastronomie: „Vor zehn Jahren hatten wir diesen Trend zum Homing, da haben die Menschen die Weine eher zuhause konsumiert“, sagt er. Heute gehe es den Deutschen finanziell wieder besser – „es findet eine Verlagerung in die Gastronomie statt.“

Info& auf Mainz&: Wer es noch nicht wusste: Günther Jauch besitzt seit 2010 das renommierte Weingut von Othegraven in Kanzem an der Saar, Jauch kaufte das Gut, als seine Tante starb um es vor Immobilienhaien zu retten. 2014 war Mainz&-Chefin Gisela Kirschstein mit einer Gruppe Weinjournalisten zu Besuch bei Jauch – und lernte die Wein-Oase des Fernsehstars und auch ihn selbst ganz persönlich kennen.

 

 

 

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