Vor einem Jahr, im November 2017, installierte der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) stolz die Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen, nun zog das Ministerium erstmals Bilanz. Ergebnis: Die Lärmobergrenze wird eingehalten. Eine Überraschung ist das nicht: Die Lärmobergrenze erlaubt eine deutliche Zunahme des Fluglärms. Tatsächlich sank die Fläche der verlärmten Gebiete 2017 im Vergleich etwa zu 2015 ein wenig. Eine Entwarnung ist das nicht: 2018 ist die Fläche der stark verlärmten Gebiete deutlich gestiegen – und laut Monitoringbericht wird sich daran auch nichts ändern. Die Linken-Opposition in Hessen spricht deshalb weiter von einer Mogelpackung, die Mainzer Initiative gegen Fluglärm ruft zu Protest auf: Am 120,. September soll die Montagsdemo am Frankfurter Flughafen zu einem starken Zeichen des Protestes gegen den gestiegenen Lärm werden.

Der Fluglärm über den Häusern in Mainz und Rheinhessen ist 2018 stark gestiegen, die Fluglärmobergrenze wird aber eingehalten. – Foto: gik

Anfang November 2017 unterzeichnete Al-Wazir die Vereinbarung mit Vertretern von Fluglinien sowie des Flughafenbetreibers Fraport, mit dem die Lärmobergrenze installiert wurde. Doch die Vereinbarung ist lediglich freiwillig, dazu erlaubt sie ein weiteres Anwachsen der stark verlärmten Flächen rund um den Frankfurter Flughafen. Am Donnerstag veröffentlichte das hessische Verkehrsministerium nun den ersten Bericht zur Lärmobergrenze, das wenig überraschende Ergebnis: Die Lärmobergrenze wird eingehalten. Die Maßnahme sei „ein klares Signal“ für den Schutz der Bevölkerung und stelle sicher, dass die Lärmbelastung in der Region nicht immer weiter steige, sagte Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). Gleichzeitig zeigten die Auswertungen aber auch: „Wenn die Fluggesellschaften künftig mehr fliegen wollen, müssen sie beim Lärmschutz weitere Fortschritte machen“, betonte er.

Der Monitoringbericht stellt nämlich zugleich fest: Für 2018 und die Jahre danach bis 2020 werde es eine deutliche Zunahme der lärmbelasteten Flächen geben. In Mainz und Rheinhessen können die Anwohner das bestätigen: Sie litten in diesem Sommer stark unter Fluglärm, weil der warme Sommer besonders viele Ostwetterlagen mit sich brachte. Die Linken-Opposition in Hessen spottete deshalb, der Minister feiere die Einhaltung einer Grenze, mit der es noch lauter werden dürfe als es heute ohnehin schon sei. „Vergleichbar wäre die Einführung eines generellen Tempolimits von 300 km/h auf Autobahnen – und der Jubel über dessen rückhaltlose Durchsetzung“, sagte Linksfraktionschefin Janine Wissler.

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So soll die Lärmobergrenze wirken: Die äußere Linie stellt die Fläche des Planfeststellungsbeschlusses dar, die mittlere rote Linie die erlaubte Fläche der Lärmobergrenze. Die innerste Linie ist die mit 55 Dezibel und mehr verlärmte Fläche im Jahr 2015.

Laut Monitoringbericht sank die stark belastete Fläche um den Flughafen herum 2017 ein wenig: In das „hochbetroffene Gebiet“ mit einem ein Tagesdauerschallpegel von 55 Dezibel oder mehr fielen 2015 noch 18.917 Hektar Fläche rund um den Frankfurter Flughafen, 2017 waren es laut Bericht 16.955 Hektar. Unter das „höchstbetroffenen Gebiet“ mit Lärm von 60 Dezibel und mehr fielen demnach 6.910 Hektar. Gleichzeitig erlaubt die im November 2017 eingeführte Lärmobergrenze eine Fläche von 8.815 Hektar, die mit 60 Dezibel und mehr verlärmt wird, und von 22.193 Hektar für den Bereich von 55 Dezibel und mehr.

Die Einhaltung der Lärmobergrenze sei keine Überraschung, sondern beweise lediglich „die Wirkungslosigkeit dieser Maßnahme“, kritisierte Wissler deshalb: „Eine Lärmobergrenze, mit der es lauter werden darf, die freiwillig ist und jederzeit ausgesetzt werden kann, sobald es Fraport passt, ist und bleibt ein Placebo.“ Notwendig sei vielmehr eine stetige Absenkung der Lärmobergrenze nach unten, eine Deckelung der Flugbewegungen auf 380.000 im Jahr und ein echtes Nachtflugverbot. „Es muss deutlich leiser werden, als es heute ist“, forderte Wissler.

Al-Wazir argumentiert hingegen, mit der Lärmobergrenze werde erstmals überhaupt die Lärmentwicklung am Frankfurter Flughafen gedeckelt. Der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens erlaube wesentlich höhere Steigerungen, die Lärmobergrenze senke im Vergleich dazu die Zunahme von Lärm um 70 Prozent. Damit dürfe aber der Fluglärm immer noch weiter wachsen, kritisierten Bürgerinitiativen schon vor einem Jahr, von Lärmminderung oder wirksamen Sanktionen könne keine Rede sein.

Aufruf der Mainzer Initiative gegen Fluglärm zur Montagsdemo am 10. September 2018. – Grafik: Initiative gegen Fluglärm

Und der Monitoringbericht prognostiziert bereits ab 2018 eine deutliche Steigerung: die mit 55 Dezibel und mehr verlärmte Fläche werde demnach auf 18.238 Hektar steigen, die Fläche mit 60 Dezibel und mehr auf 7.434 Hektar. Schon jetzt habe der warme Sommer Mainz und Umgebung Dauerlärm von morgens 5.00 Uhr bis abends nach 23.00 Uhr beschert, ein Schlafen mit geöffnetem Fenster oder eine Erholung im Freien seien kaum mehr möglich gewesen, klagt die Mainzer Initiative gegen Fluglärm.

Und das sei nur der Anfang: Das Terminal 3 sei im Bau, Ryanair und weitere Billigfluglinien eroberten den Frankfurter Flughafen. „Die Flugbewegungen werden zunehmen, das Nachtflugverbot wird zunehmend durchlöchert“, warnt die Bürgerinitiative, und kritisiert: „Die Ohnmacht der Bürger verstärkt sich durch das Gefühl, dass die Politik vor Ort machtlos ist und die Flughafen-Lobby die Bundespolitik fest im Griff hat.“

Die Bürgerinitiative ruft deshalb dazu auf, wieder verstärkt bei den Montagsdemonstrationen am Frankfurter Flughafen gegen den Fluglärm aufzustehen. Am Montag, den 10. September, wolle man ein besonders starkes Zeichen setzen: Am 12. September finde in Berlin eine Anhörung zur anstehenden Novelle des Fluglärmgesetzes statt, die vom „Interfraktionellen Arbeitskreis Fluglärm“ organisiert werde. Bei der Anhörung des Arbeitskreises solle „aus Betroffenensicht dargestellt werden, welche Änderungen im Fluglärmgesetz notwendig sind, um das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit durchzusetzen“, erklärte die BI.

Bei der Überarbeitung des „völlig unzureichendes“ Gesetzes drohten aber erneut „Fraport und die Luftverkehrslobby“ das Gesetz „zu diktieren.“ Deshalb gelte es jetzt, ein klares Zeichen zu setzen: Nur eine „machtvolle Demonstration“ der betroffenen Bürger vor Ort könne „auf unsere Nöte aufmerksam machen und ein Signal nach Berlin senden.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Einführung der Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen im November 2017 lest Ihr hier bei Mainz&. Die offizielle Kurzfassung des Monitoringberichts zur Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen findet Ihr hier im Internet, die Langfassung könnt Ihr Euch hier als pdf herunterladen. Den Aufruf zur Montagsdemo am 10. September sowie weitere Informationen zur Mainzer BI gegen Fluglärm findet Ihr hier im Internet.

 

 

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