„Ganz viel gelernt“, „tolle Leute“, „ein echtes Genusswochende“ – die Reaktionen am Ende waren überwältigend: Beim ersten Vinocamp Rheinhessen tauschten sich am Wochenende rund 60 Weinenthusiasten aus über Weinsorten, Weingenuss, Weinmarketing und das Jubiläum 200 Jahre Rheinhessen. In gut zehn Sessions wurde intensiv diskutiert, wurden Themen entwickelt und Ideen gesammelt. Und es wurde probiert: Speed-Dating mit dem Rheinhessenwinzer, 100 Jahre Scheurebe, Orange Wein, Lieblingsweine – es gab Wein satt. Und es soll 2017 eine Fortsetzung geben.

Vinocamp Rheinhessen - Scheurebe Probe
Scheurebe-Probe beim Vinocamp Rheinhessen – Foto: gik

„Das ist jetzt hier Essen auf Befehl“, sagt Alexandra, „Ihr müsst essen, wann ich es sage und wie ich es sage.“ Die Runde grinst und folgt, es geht um den Urgeschmack der Dinge wie fett, sauer und scharf – und wie sich der auf den Weingeschmack im Munde auswirkt. Rund 30 Leute sitzen auf den Holzbänken im Barriquekeller des Weinguts der Stadt Mainz, es ist Sonntagfrüh, aber alle sind guter Laune. Vor einer halben Stunde wusste noch gar keiner genau, was jetzt passieren würde – das Treffen ist ein Barcamp.

Barcamps sind eine Veranstaltungsform aus den USA, es geht um Spontanität Beteiligung und Miteinander. Bei dem Treffen bestimmen die Teilnehmer selbst, was passiert, schlagen Themen vor, stoßen Diskussionen an. Beim ersten Vinocamp Rheinhessen ging es natürlich um das Thema Wein, aber auch um das Jubiläum 200 Jahre Rheinhessen. „Es ist einfach ein tolles Format, weil alle Teilnehmer offen sind, alle sind engagiert, jeder redet mit jedem, keiner blockt ab – so wie man das ja leider sonst von vielen Konferenzen kennt“, sagt die Organisatorin Marion Rockstroh-Kruft.

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Vinocamp Rheinhessen - Schmecken, Riechen, Probieren, Diskutieren
Schmecken, Riechen, Probieren, Diskutieren – beim Vinocamp Rheinhessen ging’s intensiv um alle Facetten des Weins – Foto: gik

Und das funktionierte überraschend gut: In einer offenen Runde am Morgen wurden Themen vorgestellt, interessieren sich dafür mehrere Teilnehmer, bildet sich eine Gruppe – es kommt eine „Session“ zustande. „Das Ganze war ja wie eine Black Box – ich wusste gar nicht, was mich erwartet“, sagte eine Teilnehmerin, die am Ende konstatierte: „Es war total spannend, und ich habe echt viel gelernt.“

So wurde über die Frage diskutiert, ob es Modetrends im Weinbau gibt – wie den Secco oder den Aperitif Hugo – und wie ein modernes Weinmagazin aussehen könnte, in einer anderen Session konnten die Teilnehmer nach dem Motto „Frag mal die Maus“ alle Fragen zum Thema Wein loswerden, die sie immer schon mal hatten.

„Lasst uns abstimmen“, sagt Joachim, „wollen wir nach jedem Flight aufdecken, welcher Wein das ist?“ Die Gruppe stimmt zu, und Joachim macht sich daran zu erklären, wie sie die Orange Weine verändert haben. Was Orange Wein ist – mit Beerenschalen und oft auch den Stilen nach alter Art vergorene Weißweine – hat die Gruppe am Samstag geklärt, am Sonntag ging es dann darum, die Veränderung der Weine zu erleben. „Die Weine werden mehr wie Rotweine, aber sie bleiben stabil“, berichtet Joachim: „Manche kann man behandeln wie einen Cognac.“

Vinocamp Rheinhessen - Session Orange Wein
Begehrte Session Orange Wein – Foto: gik

Parallel dazu kostet sich eine zweite Session im Barriquekeller durch verschiedene Interpretationen rheinhessischer Winzer der Scheurebe. „Die Scheu ist wieder im Kommen“, erklärt die rheinhessische Weinprinzessin Kathrin, „von trocken bis edelsüß ist sie total im Wandel – und sie ist Rheinhessen.“ In der Tat: Die Rebsorte wurde in Alzey von einem gewissen Herrn Scheu gezüchtet, genau 100 Jahre ist das her, die Scheurebe eigentlich DIE Rheinhessen-Rebsorte. Immer mehr junge rheinhessische Winzer entdecken „die Scheu“ für sich, bauen sie aber als moderne Weißweine aus, erfahren die Teilnehmer.

Um ein anderes Jubiläum geht es in einer eigenen Session am Sonntag: Was bringt das Jubiläum 200 Jahre Rheinhessen der Region auch nach dem Jubiläumsjahr? Die Teilnehmer übten wahre Manöverkritik: Der Weintourismus – noch viel zu wenig ausgebaut. Radtourismus und der Besuch beim Winzer – muss viel mehr gepuscht werden. Buchdrucker Johannes Gutenberg als Leuchtturmd er Region – viel zu wenig vermarktet. Und dass es viele Prospekte überhaupt gar nicht auf Englisch gibt, das gehe ja gar nicht, konstatierten die Teilnehmer. Barcamps – das sind eben auch Ideenschmieden und ungefilterte Rückmeldung.

Vinocamp Rheinhessen - Abend auf der Cassian Carl
Starke Atmosphäre beim Abend auf der Cassian Carl – Foto: gik

„Es ist toll, mal andere Sichtweisen mitzunehmen, den ein oder anderen Impuls, Kontakte zu knüpfen“, staunte Kai Becker vom Mainz-Ebersheimer Weingut Becker. Das fluide der Sessionplanung und der Barcamp-Orga, das sei man so ja erst einmal gar nicht gewohnt. „Aber die Leute sind alle geil druff“, befand Kai. Winzer, Weinmarketingleute, Weinblogger, aber auch ganz normale Weintrinker hatten sich zum Vinocamp zusammengefunden, aus dem Mix aller Berufe und auch aller Altersstufen entwickelte sich ein intensiver Austausch und eine tolle Ideendynamik.

„Toll, dass auch junge Leute so freundlich aufgenommen werden“, freute sich Laura Büscher, die ihre Vinocamp-Karte bei der Mainz&-Präsentation bei der CineLady im Cinestar-Kino gewonnen hatte. „Und es war auch mal toll, Weine zu probieren, die eben nicht zum Essen passen“, meinte ihr Begleiter Viktor. Das war eine Erkenntnis der Wein & Speisen-Session, als es um die Frage ging, wie Riesling, süßer Bacchus oder trockener Merlot zu Zitrone oder fettiger Soße, zu Schokolade oder Chili-Gewürz passen.

Vinocamp Rheinhessen - Diskutieren über Lieblingsweine
Diskutieren über Lieblingsweine beim Vinocamp Rheinhessen – Foto: gik

Highlight am Samstag aber war eindeutig das Speed-Dating, bei dem rheinhessische Winzer in fünf Minuten drei Weine vorstellen mussten. „Der Druck, mal schnell was zum Wein sagen zu müssen, war super“, konstatierte Andreas danach – und man komme mit dem Winzer viel persönlicher ins Gespräch. Im Bauch des Eventschiffs Cassian Carl entspannen sich danach intensive Debatten über Lieblingsweine und die Weinszene, und so waren sich am Sonntag bei der Schlussrunde alle einig, dass eigentlich nur eines gefehlt habe: der Kasten Bier danach.

Das Vinocamp wird denn wohl auch eine Fortsetzung erleben: 2017 könnte das Camp in einem anderen rheinhessischen Ort stattfinden, wiederholt werden soll es auf jeden Fall, war man sich einig. „Es waren super spannende zwei Tage“, bilanzierte Marion Rockstroh-Kruft am Ende. Und wie sagte es eine Teilnehmerin so schön: „Ein echtes Genusswochenende.“

Info& auf Mainz&: Die Homepage des Vinocamp Rheinhessen findet Ihr hier im Internet, die dazu gehörige Facebookgruppe gibt es hier.

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