Wurde beim Architektenwettbewerb zum Gutenberg-Museum der Denkmalschutz in der südlichen Altstadt außer Acht gelassen? Drei ehemalige Denkmalschützer vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege befürchten das – und listeten eine ganze Reihe von Mängeln aus ihrer Sicht auf: So sei der Denkmalschutz des Gebäudes Römischer Kaiser am Markt ebenso wenig ausreichend berücksichtigt wie Landesbauordnung, Denkmalschutzzone oder die baulichen Reste des Marktbrunnens. Wieso, fragten sie am Donnerstagabend, darf ein neues Gebäude den Liebfrauenplatz dominieren – wenn doch die Landesbauordnung besage, es müsse sich einfügen?

Dom mit Liebfrauenplatz
Wie muss sich ein Erweiterungsbau des Gutenberg-Museums in diese Umgebung einfügen? – Foto: gik

Tatsächlich besagt das Baugesetzbuch, dass sich ein Gebäude – sofern im sogenannten „Innenbereich“ gebaut wird – „sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche (…) in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen“ soll – so steht es im Paragraph 34. Und weiter heißt es: „Das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.“ Allerdings fügten die Gesetzesmacher auch gleich Ausnahmen hinzu: Abgewichen dürfe, wenn dies „städtebaulich vertretbar“ ist.

Neubaufläche: Hier stand schon 1.000 Jahre lang ein Haus

Auf den ersten Teil des Paragraphes aber bezogen sich am Donnerstagabend Joachim Glatz, ehemaliger Landeskonservator, Hartmut Fischer, Ex-Denkmalschützer von Mainz sowie Denkmalrechtsexperte Ernst-Rainer Hönes. Die drei Senioren vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege hatten zu einem Informationsabend zur Baugeschichte des Liebfrauenplatzes geladen, auch um einen Blick auf den geplanten Neubau des Gutenbergmuseums zu werfen – wortwörtlich: Der Abend fand statt im Haus am Dom, und wer aus dem Fenster blickte, blickte genau auf die Ecke, um die es geht: Den Bereich der Blumenbeete direkt neben dem „Römischen Kaiser“, dem Barockbau des Gutenberg-Museums.

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Die Fläche daneben aber, genau dort wo jetzt ein Erweiterungsbau entstehen soll, machten die Denkmalschützer klar, war eigentlich immer bebaut: 1.000 Jahre lang habe hier ein Gebäude gestanden, sagte Glatz. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aus den Gebäuden rechts und links der engen Seilergasse der Vorplatz zum Gutenberg-Museum. Die Seilergasse ist heute die Gasse zwischen Druckerladen und Gutenberg-Museum – die „Hingucker“ am Platz sind andere Elemente, machte Fischer klar: Der Dom natürlich, dazu der „Römische Kaiser“, aber auch die Altbauten an der Ecke des Doms.

Fischer: Der Giebel prägt den Liebfrauenplatz

Liebfrauenplatz mit Römischem Kaiser kleiner
Um genau diese Fläche geht es: der Liebfrauenplatz neben dem Gebäude „Römischer Kaiser“ – Foto: gik

Und Fischer machte deutlich, dass die Architektur der 1960er und 1970er Jahre mit ihrer Verherrlichung des Kubus mit Flachdach der Baugeschichte des Liebfrauenplatzes diametral entgegen steht: Es sind spitze Dachgiebel, die den Liebfrauenplatz beherrschen – und harmonisch fügen sich jene Gebäude ein, die eben diese Giebelkonstruktionen aufgreifen. Vor diesem Hintergrund, betonte Fischer, habe das Preisgericht „die richtige Wahl getroffen“ – denn alle drei ersten Plätze im Wettbewerb griffen Giebelformen anstatt moderner Kubus-Bauten auf.

Doch dann bliesen die Herren zum vorsichtigen Angriff: Ob nämlich der Denkmalschutz und die Landesbauordnung ausreichend berücksichtigt seien, das sei doch eher fraglich. Die Auslobung des Wettbewerbs verschweige, dass der Neubau in einer Denkmalschutzzone stehen würde, und sie ignoriere, dass gerade der Römische Kaiser nach der Haager Konvention unter besonders strengem Schutz stehe, sagte Hönes. Hönes war einst Referatsleiter im Mainzer Kulturministerium für Denkmalschutz, er gilt als ausgewiesener Denkmalschutzrechtsexperte.

Experten: Denkmalschutz nicht ausreichend einbezogen

„Ich habe darauf vertraut, dass die denkmalrechtlichen Vorgaben zur Kenntnis genommen werden“, sagte Hönes, und äußerte gleichzeitig deutliche Zweifel daran: Neben dem Ignorieren der Haager Konvention, fehle in der Ausschreibung auch der Schutz des alten Marktbrunnens, der jetzt in die Seite des Römischen Kaisers eingelassen ist. Auch sei die kirchliche Denkmalpflege völlig außen vor gelassen worden – die Kirche habe aber als Eigentümerin des Doms besondere Mitspracherechte.

Neue Bebauung Dom Römer Projekt Frankfurt - DomRömer GmbH
Moderne Giebelbauten beim Dom-Römer-Projekt in Frankfurt

Auch die Auswirkungen auf die Freiflächen und Nebenanlagen würden überhaupt nicht berücksichtigt, kritisiert Hönes – und der Rechtsexperte zitierte Gerichtsurteile und Gesetzestexte. So müsse sich ein Gebäude laut Bundesverwaltungsgericht in die Umgebung einfügen, „und dabei geht es weniger um Einheitlichkeit, als um Harmonie“, machte Hönes deutlich. Stattdessen sei im Wettbewerb zu sehen, „wie die Bebauung Einfluss nimmt auf den Römischen Kaiser, ihn bedrängt.“

Maßgebend für Beurteilung: der gebildete Durchschnittsbetrachter

Maßgebend sei übrigens für die Beurteilung der geforderten Rücksichtnahme laut eines Gerichtsurteils des Oberverwaltungsgerichts zur Landesbauordnung „das Empfinden des sogenannten gebildeten Durchschnittsbetrachters“ – also nicht das des Experten oder Architekten, sondern des Bürgers. „Alle diese Vorgaben sind relevant, auch wenn es ein freier Ideenwettbewerb ist“, warnte Hönes.

Denn mit ziemlicher Sicherheit werde am Ende jemand gegen den Neubau klagen – es gehe auch darum, das Verfahren gerichtsfest zu machen. Nach dem derzeitigen Stand aber sei die Denkmalpflege nicht ausreichend einbezogen worden, sagte Hönes. Auch die städtische Denkmalpflege sei zwar beim Preisgericht anwesend gewesen – stimmberechtigt sei sie aber nicht gewesen. „Das ist ganz normales Handwerkszeug, das aber nicht auf dem Tisch liegt“, kritisierte der Rechtsexperte.

Lebhafte Diskussion zeigt großen Redebedarf

Die Vorträge der drei Herren lösten prompt eine lebhafte Diskussion im brechend vollen Saal aus. Und die zeigte: Der Redebedarf ist enorm, die Möglichkeit zur Diskussion wurde dankbar ergriffen. „Endlich findet eine Information und Diskussion statt auf dem Niveau, die dem angemessen ist“, meinte ein Zuschauer. Es gehe um nichts weniger, als den Ruf von Mainz als Gutenberg-Stadt, das jetzige Museum sei so marode, dass dringend etwas geschehen müsse. „Wenn man das Verfahren so zerlegt, riskiert man einen Kollateralschaden nach außen“, befürchtete der Redner: „Wir müssen das Verfahren erfolgreich zuende bringen.“

Eingang zum Gutenberg Museum am Markt
Maroder Schell-Bau: Das Hauptgebäude des Gutenberg-Museums ist alt, dunkel und renovierungsbedürftig – Foto: gik

Das sahen andere Zuschauer völlig anders: Das Verfahren um des Verfahrens selbst zuende zu bringen, fanden andere völlig falsch. „Ist es denn völlig gleichgültig, wofür ein Museum da ist?“, vermisste ein Zuschauer eine inhaltliche Planung, und fand: „Das Gebäude muss doch wie eine Kleidung für den Inhalt sein.“ Die Platzgestaltung fehle völlig, meinte ein Dritter, eine ästhetische Debatte forderte wieder ein Vierter.

Gerster: Verfahren stoppen und Museum wirklich großzügig planen

„Man muss das Verfahren stoppen und großzügiger planen“, forderte schließlich Johannes Gerster, früherer CDU-Landeschef und Altstadt-Ortsvorsteher. Ein neuer Turmanbau ändere doch nichts daran,d ass der eigentliche Museumsbau völlig marode sei. „Es muss doch möglich sein, dass wir ein Weltmuseum der Druckkunst mit Hilfe der EU, des Bundes und des Landes bekommen, und zu einer großzügigen Lösung kommen, die doch angeblich auch die Stadt will“, sagte Gerster. Doch offenbar habe man ja noch nicht einmal eine Planung dafür, wie es nach dem Neubau mit dem übrigen Museum weiter gehe.

Es gebe doch drei Alternativen, fand Gerster: Man baue unter die Erde, erweitere das Museum in die angrenzenden Wohnblocks oder reiße den Schell-Bau ab und baue ihn völlig neu – „in angemessener, großzügiger, moderner Weise“. Erst dann komme man statt „einem gestoppelt und klein zu einem großen Wurf, der dem Museum gerecht wir.“

Montsignore Mayer: Ein Turm passt gut zur Landschaft von Mainz

Visualisierung Bücherturm Gutenberg Museum Foto gik
Ein Turm passe gut in die Türmelandschaft von Mainz, findet hingegen Montsignore Mayer

Den Gegenpol nahm quasi ein anderer Prominenter ein: Montsignore Klaus Mayer, Pfarrer von St. Stephan und Initiator der Chagall-Fenster, outete sich als Turm-Fan: „Mainz ist ein Gebiet, wo es viele Türme gibt – eine Turmlandschaft, nicht nur von Seiten der Kirche“, sagte Mayer. Ein Turm passe da „gut rein als Entree zum Museum, wenn er schön, modern gestaltet ist“. Und wenn das Gutenberg-Museum ein Weltmuseum sein wolle, dann brauche es ein ansprechendes Entree.

„Es ist zum Reiz des Liebfrauenplatzes geworden, dass sich hier Bauwerke aus verschiedenen Zeiten zusammengefunden haben“, befand Mayer und plädierte für einen Bau im Baustil unserer Zeit. „Ich plädiere, bei den vielen Türmen von Mainz, da kann ruhig noch einer dazu kommen“, fügte er hinzu.

„Ich freue mich, dass mit dem heutigen Tag der Dialog begonnen hat“, bilanzierte denn auch Rechtsexperte Hönes. Und er verwies darauf, dass eine Bürgerbeteiligung dann vorgeschrieben ist, wenn ein Gebiet per Bebauuungsplan bebaut werden muss. Ob aber für den Liebfrauenplatz ein Bebauungsplan nötig ist – darüber muss noch der Stadtrat entscheiden. „Habe ich keinen Bebauungsplan, könnte eine böswillige Verwaltung sagen: Halts Maul, Bürger“, gab Fischer zu bedenken, und betonte: „Es ist völlig richtig, dass die Bürger mitdiskutieren.“

Doch wie sagte die Moderatorin des Abends so schön: „Habe ich was verpasst, oder hat gar kein Bürgerabend stattgefunden?“ Das Bedürfnis dafür wäre enorm, so viel stand am Ende des Abends fest. Der Rheinische Verein für Denkmalpflege will nun in den kommenden Tagen eine Stellungnahme zu den Entwürfen des Architektenwettbewerbs abgeben – es werde ein Vorschlag, der die Denkmalpflegerischen Belange berücksichtige, sagte Fischer noch.

Info& auf Mainz&: Alle Infos über den Architektenwettbewerb zum Gutenberg-Museum findet Ihr in dem Mainz&-Artikel „Ein Bücherturm…“. Mehr zur Diskussion um die Entwürfe findet Ihr im Artikel „Fragt die Mainzer!“ sowie „Debatte geht weiter“. Die Entwürfe selbst könnt Ihr in einer Ausstellung im Gutenberg-Museum sehen, die gerade erneut verlängert wurde. Hier finden auch Informationsabende und Diskussionen mit dem Preisgericht statt – mehr dazu hier. Die Stadt lehnt eine Bürgerbefragung übrigens ab, während in Frankfurt genau das passierte – und historisch gebaut wurde. Mehr dazu hier.

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