Monatelang haben wir ja alle gerätselt, warum die Schiersteiner Brücke im Februar absackte, nun steht die Unfallursache fest: Fehler beim Bohren von Pfeilern unter der Brücke sollen Schuld gewesen sein. Durch falsche Bohrverfahren entstanden Hohlräume unter dem Brückenpfeiler, das führte zum Absacken des Pfeilers. Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD) legte am Donerstag im Innenausschuss des Mainzer Landtags das Gutachten zur Unfallursache vor. Und Lewentz hatte eine gute Nachricht im Gepäck: Die Schiersteiner Brücke soll schon im November für Lkw wieder frei gegeben werden können. Damit würde ein neunmonatiger Engpass endlich aufgelöst.

Schiersteiner Brücke - Hilfspfeiler neben kaputtem Pfeiler - Foto gik
Der kaputte Pfeiler kurz nach dem Unfall – Foto: gik

Die Schiersteiner Brücke war ja am 10. Februar abgesackt, nachdem sich ein Pfeiler der Brücke quer gestellt hatte. Die Folge: Ein Riss in der Brücke – und ein Brückengau, wie ihn Mainz noch nicht erlebt hatte. Wochenlang war das westliche Rhein-Main-Gebiet im Ausnahmezustand, weil die Schiersteiner Brücke komplett gesperrt werden musste. Pendler mussten stundenlange Mehrzeiten in Kauf nehmen. Monatelang rätselte das Rhein-Main-Gebiet, warum der Pfeiler absackte, das Gutachten verzögerte sich um mehrere Wochen.

Gutachter: Zehnfache Betonmenge bei Pfeilergründung verwendet

Nun legte der vom Land beauftragte Gutachter, der renommierte Bausachverständige Professor Walter Wittke, das Ergebnis vor: Unter dem Brückenpfeiler bildeten sich Hohlräume von 8 und 11 Zentimetern, dadurch sackte der Pfeiler in der Nacht zum 11. Februar ab. Die Hohlräume wiederum entstanden, weil bei Bohrungen unter der Brücke falsch vorgegangen wurde. Die Schiersteiner Brücke hatte nämlich unter dem alten Pfeiler durch eine Vielzahl von Stahlstützen verstärkt werden sollen. Diese Stützen wurden durch sogenannte Gewi-Pfähle tief gegründet.

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Die Gewi-Pfähle sind 14 bis 16 Meter lang und werden mit hohem Druck in den Boden eingestellt. Danach wird das Bohrloch der Pfähle mit Verpressmörtel verfüllt, wenn der aushärtet, ist die Konstruktion fest. Für einen Pfahl sind für gewöhnlich 250 Liter Mörtel die Sollmenge, für eine ganze Pfahlgruppe (15 oder 12 Pfähle) wären dann rund 3.500 Liter üblich. Stattdessen wurde bei der Schiersteiner Brücke, so stellte der Gutachter fest, eine Menge von rund 34.800 (!) Litern verwendet – das Zehnfache der Sollmenge.

Schiersteiner Brücke - Kaputter Pfeiler mit Rissen und Messgeräten - Foto gik
Die Wirkung: Pfeiler schief, Brücke abgesackt, dicker Riss in der Fahrbahn – Foto: gik

Durch Verpressungen im Boden entstanden Hohlräume unter dem Pfeiler

Das Problem fiel wohl auch den Ingenieuren der Baufirma auf, doch man habe sich das dann mit Hohlräumen im Boden erklärt – und einfach weitergemacht, sagte Wittke: „Man hat die eigentliche Ursache nicht erkannt.“ Statt den gewünschten Räumen im Boden, die durch Mörtel verfüllt werden sollten, bildeten sich durch die Verpressungen nicht vorgesehene Hohlräume, und zwar auch rechts und links der Bohrlöcher. Denn der Boden unter der Schiersteiner Brücke besteht zum einen aus Kalksteinbänken, zum anderen aus einem Gemisch aus Sanden, Schluffen, Tone und Hydrobien – letztere sind klein-verpresste Schnecken, also Meeresablagerungen aus dem Zeitalter Tertiär.

„Es ist ein komplizierter Baugrund“, betonte Wittke. Durch die Bohrungen für die Gewi-Pfeiler schichtete sich Boden um und entstanden Hohlräume unter dem Pfeiler. Diese Mulden seien aber schon früher entstanden, vor dem Februar, sagte Wittke, es müsse dann noch „einen auslösenden Moment gegeben
haben.“

Unter der Vorlandbrücke wird gearbeitet - Foto: gik
Pfeiler unter der Vorlandbrücke – Foto: gik

Auslösendes Moment Rheinhochwasser, Bohrverfahren ungeeignet

Den wiederum erklärten sich die Gutachter mit dem Rhein: der Pegel habe in der Zeit stark geschwankt, kurz zuvor gab es ein kleines Hochwasser, das gerade zurückging. Dadurch bewegte sich das Grundwasser wieder zurück zum Rhein – es kam zu Bodenumlagerungen. Wittke verglich den Effekt mit dem Bau einer Sandburg am Meer: „wenn das Wasser kommt, fällt sie zusammen.“ Und kurioserweise fand auch der Gutachter die riesigen Mengen an Mörtel im Boden nicht mehr wieder.

Fazit: „Die Herstellung der Gewi-Pfähle und die Kalksteinbänke haben den Schaden verursacht“, sagte Wittke. Wer nun die Schuld für den Bauunfall trage? Dazu wollte sich Wittke nicht äußern, stellte aber fest, dass der Boden bei der Ausschreibung richtig beschrieben worden sei. Letztlich sei das „für diesen örtlichen Bereich gewählte Bohrverfahren ungeeignet“ gewesen, bilanzierte Wittke, es hätte ein anderes Herstellungsverfahren gewählt werden müssen.

Land will nun Schadensersatz geltend machen

Lewentz kündigte an, das Land werde nun Schadensersatz gegenüber der Baufirma geltend machen. „Wir haben immer von einem Baustellenunfall gesprochen“, betonte der Minister, das habe sich nun bestätigt. Das Land werde die technischen Details des Gutachtens noch am Donnerstag online stellen. Gerade in einer so öffentlich diskutierten Unfallsituation wolle das Land „mit den Infos, die wir haben, so transparent wie möglich umgehen.“ Die Höhe der Schadensersatzforderungen könnte sich nach Mainz&-Informationen auf vier Millionen Euro belaufen – die Mehrkosten durch die Reparaturen. Da wird zwar eine neuen Rheinbrücke genaut... - Foto: gik

Die CDU-Opposition sah hingegen dennoch eine Verantwortung bei der rot-grünen Landesregierung: Der Mainzer Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner (CDU= sprach von einem „Planungsversagen“ der Landesregierung. „Warum werden in Rheinland-Pfalz Gewi-Pfähle gebohrt und in Hessen nicht?“, fragte Schreiner. In Hessen habe man direkt eine neue Brücke neben die alte gebaut und so die Gründungspfeiler gar nicht angerührt.

In Rheinland-Pfalz hingegen habe sich Rot-Grün nicht auf einen Neubau einigen können und deshalb die alte Brücke ertüchtigen müssen. „Hätte man den gleichen Weg wie in Hessen gewählt und eine neue Fahrspur gebaut, hätten wir uns an dieser Stelle viel Ärger ersparen können“, sagte Schreiner.

Im November wohl wieder freie Fahrt für LKW – aber dafür neue Engstelle

Schiersteiner Brücke - Baumaßnahme Vorlandbrücke Ost und West
Der Bereich Mitte der Schiersteiner Brücke wird abgerissen, dadurch entsteht eine neue Engstelle – Foto: gik

Lewentz berichtete außerdem, die Reparaturarbeiten an der Brücke kämen sogar schneller voran als geplant. Bis Ende Oktober könne der Hilfsbau bereits fertig sein, die Brücke im Laufe des November auch für Lkw wieder frei gegeben werden. Allerdings gibt es dann eine neue Hürde für doe Autofahrer in Richtung Wiesbaden: Weil der mittlere Teil der Brücke auf Höhe der Mombacher Zufahrt (planmäßig) abgerissen und neu gebaut wird, steht hier dann nur eine Breite von 5.50 Metern zur Verfügung.

Das reiche aber nicht für vier Fahrspuren, erklärte der Chef des Landesbetriebs Mobilität, Bernd Hölzgen, am Rande der Ausschusssitzung. Auf 70 Metern Länge werde es hier deshalb in Richtung Wiesbaden einen Bereich ohne Fahrpsurmarkierungen geben, die Autofahrer müssten sich hier selbst arrangieren. Danach werde die Brücke breiter, gebe es dann dann wieder vier Fahrspuren.

„Uns fehlen 50 Zentimeter, um vier Fahrspuren einzurichten“, sagte Hölzgen. Die vorhandene Breite reiche für zwei Pkw nebeneinander, eng werde es nur, wenn ein Lkw fahre – dann müssten die Pkws selbst entscheiden, ob sei noch vorbeiführen oder nicht. Trotz der Engstelle „gehen wir davon aus, dass wir nicht mehr Stau haben als heute“, betonte Hölzgen. Wer’s glaubt… An den Zufahrten in Mombach sollen vorsorglich Zufahrtsdosierungen installiert werden, also Ampeln, mit denen die Fahrzeuge dosiert auf die Brücke gelassen werden können.

Info& auf Mainz&: Das Gutachten und seine Ergebnisse findet Ihr auf der Homepage des Landesbetriebs Mobilität, genau hier.

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