17 Jahre lang war er Präsident eines der wichtigsten Mainzer Fastnachtsvereine: Horst Ernerth hat den Gonsenheimer Carnevals-Verein (GCV) fraglos geprägt, meist still und hinter den Kulissen. Im Rampenlicht standen und stehen andere, doch Ernerth machte den GCV mit zu dem, was er heute ist: Ein dynamischer und hoch innovativer Fastnachtsverein mit der wohl höchsten Dichte junger Nachwuchsnarren. Ausgerechnet zur Jubiläumskampagne 2017 gibt er den Staffelstab nun weiter: an Martin Krawietz, bisher Protokoller des GCV. Mainz& hat mit beiden Präsidenten über die Zukunft der Mainzer Fastnacht gesprochen, über Innovationen, Nachwuchsförderung und die Chancen der neuen IG Straßenfastnacht. Der 38 Jahre junge Krawietz ist im realen Leben Vizepräsident für Datenanalyse bei einem amerikanischen Versicherungsunternehmen.

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Martin Krawietz als Protokoller in der Bütt – Foto: gik

Frage: Herr Krawietz, was haben Sie gesagt, als Sie Horst Ernerth fragte, ob Sie GCV-Präsident werden wollen?

Krawietz: Ich war überrascht und habe mir Bedenkzeit erbeten. Aber ich sehe ja, wie  gut im GCV gearbeitet wird und wie professionell, ‚obwohl‘ es alle tatsächlich aus Spaß an der Fastnacht machen und aus Spaß an der Freude. Wenn man sich den Vorstand anschaut, so gibt es eine gute Mischung aus erfahrenen und jungen Leuten, das hat auch die Entscheidung mit beeinflusst. Ich kann mir die Arbeit in diesem Verein und diesem Vorstand sehr gut vorstellen.

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Ernerth: Ich habe ja fünf Jahre daran gearbeitet, diesen Generationswechsel mit Kontinuität und ohne Friktionen hinzubekommen. Das ist nicht so leicht zu bewerkstelligen, junge Leute sind heute in ihren Unternehmen sehr eingespannt, da ist wenig Platz für engagierte Arbeit nebenher. Meine letzte Aufgabe war, meine Nachfolge zu lösen, und das ist jetzt auch gelungen. Der Präsident muss Budgetfragen und Organisation im Auge haben und kann eigentlich nur wenig kreativ sein. Mir ist Martin Krawietz ins Auge gesprungen bei einer Diskussion, die wir mal hatten, wo er sehr ausgleichend und sehr zielorientiert argumentiert hat. Ich habe ihn als Aktivensprecher in den Vorstand geholt, und dann wurde mir schnell klar: das ist der geeignete Mann.

Krawietz: In meinem Beruf führe ich auch ein weltweites Team, habe mit Teamführung, Budget, Finanzen und Zahlen sehr viel zu tun. Die Wirtschaftlichkeit herzustellen, das traue ich mir auch im Verein zu.

Mainz&: Bleiben Sie denn der Protokoller des GCV?

Krawietz: Nein, das Amt werde ich abgeben. Aber ich glaube, wir haben eine Lösung gefunden, die das mehr als kompensiert: Für zwei Jahre wird das Protokoll nun Erhard Grom halten, danach wird Johannes Emrich übernehmen.

Mainz&: Sitzungspräsident, Programmplaner der Sitzungen, jetzt der Präsident selbst – der GCV vollzieht den Generationswechsel auch in seinen Funktionsämtern so konsequent wie sonst kein Fastnachtsverein. Wie schafft man das?

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Zog als Präsident die Fäden im Hintergrund: Horst Ernerth – Foto: gik

Ernerth: Erst mal muss man natürlich zur Verjüngung junge Leute haben, aber man muss sie auch heranführen, sie machen lassen. Man muss den Mut haben, sie auch mal in Aufgaben reinzulassen und das durchaus mit einer Fehlerkultur. Will sagen: Fehler dürfen einfach sein. Bei uns ist diese Spielwiese der 11.11., die närrischen Kammerspiele, da probieren wir viel aus.

Mainz&: Herr Ernerth, Sie sind doch noch gar nicht so alt…

Ernerth: Doch, 65!

Mainz&: Das ist doch nicht alt! In anderen Vereinen, in Parteien, fängt man dann oft erst an… Warum treten Sie „jetzt schon“ zurück?

Ernerth: Ich war 17 Jahre als Präsident tätig, da gilt es, den Stabwechsel zu vollziehen. Und wenn der geeignete Kandidat da ist, sollte man das tun, auch wenn man selbst noch im Saft steht. Mit Problemen behaftet bis zum letzten Atemzug zu bleiben, das ist einfach die falsche Haltung. Der GCV war auf der Bühne schon top ausgerichtet, dank Hans-Peter Betz, es galt dann noch die Vorstandsarbeit insgesamt zu professionalisieren. Es ging darum, dass jeder eine Aufgabe hat, die er bewältigt, mit seinem Sachverstand vorbereitet und entscheidungsreife Themen präsentieren kann. Als ich antrat wurde der Verein wahrgenommen als kleiner Vorortverein, es galt, den GCV in die Netzwerke in der Stadt insgesamt zu integrieren und dort mit entscheidender Stimme mitzureden. Ich hatte zuletzt das Mandat, für alle vier Vereine die Verhandlungen mit den Fernsehsendern zu führen.

Mainz&: Herr Krawietz, was sind denn Ihre Ziele?

Krawietz: Ich trete nicht an, um den Revoluzzer zu spielen, dazu besteht keine Notwendigkeit. Im Grunde geht es darum, den Charakter des GCV als „Insel der Glückseligen“ weiterzuführen. Nein, im Ernst: Ich will die erfolgreiche Arbeit weiterführen, erhalten, dass es ein Engagement im Verein bleibt, wo es sich nicht um Geld dreht, sondern um Spaß an der Freud‘. Ich würde es als Erfolg sehen, wenn der GCV weiter ein Motor der Innovation bleibt. Es geht also darum, die Nachwuchsarbeit weiterzuführen, aber auch die Mischung zwischen Erfahrenen und Jungen zu erhalten, damit die Erfahrenen auch an die Jungen weiter geben können. Es gilt aber natürlich, junge Leute zu finden, zu fördern und zu positionieren, damit sie die erfahrenen und sehr erfolgreichen Redner perspektivisch ersetzen können.

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Machte als Till auch bei den Schnorreswacklern eine gute Figur: Martin Krawietz, neuer GCV-Präsident – Foto: gik

Ernerth: Gute Nachwuchsarbeit für junge Leute auf der Bühne, das ist das A und O. Auf der Bühne stellen wir uns unserem Publikum, dort stimmt es ab, wie es uns findet.

Mainz&:… und das Zeugnis fällt nicht gerade schlecht aus: Alle 13 Veranstaltungen der Kurzkampagne 2016 ausverkauft, die Kampagne ein voller Erfolg mit fast 12.000 Besuchern. Wie schafft man das?

Ernerth: Ich denke, es geht für uns als GCV auch darum, den ehrenamtlichen Status zu erhalten, das Familiäre, das Engagement, dass unsere Leute auch für uns zur Verfügung stehen und nicht auf anderen Bühnen touren. Die Versuchung, für Geld in anderen Vereinen aufzutreten, ist natürlich in der heutigen Zeit sehr, sehr groß, gerade für einen jungen Familienvater oder einen Studenten. Wenn man aber den dramaturgischen Ablauf unserer Sitzungen so gestaltet, dass er sich nach den Rednern richtet, dann kriegen wir Riesenprobleme. Ich habe spaßeshalber immer gesagt: Wir machen die Fastnachtssitzungen eigentlich für uns selbst, und die Besucher nehmen wir „in Kauf“. Aber im Ernst, bei uns war es immer so: alle sind da, die Sitzung sind ein eigenes Fest, gerade auch für uns. Die sind alle hinter der Bühne, das ist eine Clique, das macht Spaß – und das zieht junge Leute an.

Mainz&: Hans-Peter Betz wollte ja als „Guddi Gutenberg“ aufhören…

Krawietz: Hans-Peter Betz wird in der Jubiläumskampagne weiter machen als „Guddi Gutenberg“. Aber natürlich geht es jetzt auch darum, uns vorzubereiten, damit wir etwas in der Hinterhand haben, wenn es so weit ist, dass er aufhört. Deshalb müssen wir mehr junge Redner haben und erproben, gerade auch am 11.11.. Junge Redner brauchen Redezeit und Auftrittszeit!

... und Hans-Peter Betz endet - wieder einmal - Paris gedenkend - - Foto: gik
Macht doch noch ein Jahr weiter: Hans-Peter Betz als Guddi Gutenberg – Foto: gik

Mainz&: Das heißt, die Suche nach einem Nachfolger für „Guddi“ läuft?

Krawietz: Ich will nur so viel sagen: Überlegungen gibt es viele…

Mainz&: Der GCV wird ja nun in dieser kommenden Kampagne 125 Jahre alt, Sie dürfen am 11.11. das närrische Grundgesetz verlesen. Was bedeutet jemand so Jungem ein so altes Jubiläum?

Krawietz: Es ist absolut faszinierend, dass es so eine lange Fastnachtstradition gibt. Und wenn man dann herausbekommt, dass der Verein gegründet wurde in der Kneipe zum Xaver, und man kennt dann noch Leute, die die Kneipe kannten – faszinierend. Es wird übrigens eine extra Jubiläumssitzung geben am 3.2.2017 mit einem speziellen Rahmen: kürzer, mit anderen Programmpunkten – und im Anschluss werden wir im Foyer in der Rheingoldhalle feiern.

Mainz&: Was bedeutet Ihnen die politisch-literarische Fastnacht?

Krawietz: Wenn es ein Alleinstellungsmerkmal der Mainzer Fastnacht gibt, dann ist es genau diese. Die politisch-literarische Fastnacht war immer das Aushängeschild, und das sollte sie auch in Zukunft sein.

Ernerth: Genau so ist es, die politisch-literarische Fastnacht ist der Markenkern der Mainzer Fastnacht. In den Verhandlungen mit den Fernsehsendern wirst Du merken: genau da liegt auch das Augenmerk. Alle Untersuchungen zeigen: In dem Augenblick, wo bei Mainz bleibt Mainz Musik auf den Schirm kommt, verlieren wir – ob es die Hofsänger sind, die Schnorreswackler oder das Ballett – da verlieren wir immens Zuschauer, die zappen dann auf andere Kanäle.

Mainz&: Der Seniorenanteil bei „Mainz bleibt Mainz“ ist unglaublich hoch, wie bewahrt man die Fernsehsitzung davor, reines SeniorenTV zu werden?

Ernerth: Wir müssen auch hier die jungen Leuten heranführen, beim GCV tun wir das mit Angeboten wie der Stehung. Als wir Aca & Pella auf der Bühne hatten mit Tobias Mann, da haben wir junge Leute gewonnen.

Krawietz: Auch bei Mainz bleibt Mainz steht ein Alterswechsel an. Sobald da jüngere Leute auf der Bühne stehen, gehe ich davon aus, dass sich auch das Publikum verjüngen kann.

Völlig närrisch, diese Schnorreswackler... - Foto: gik
Große Narretei bei den Schnorreswacklern mit Martin Krawietz und Thomas Becker – Foto: gik

Mainz&: Warum gibt es – auch beim GCV – keine Frau in der Bütt? Wo bleiben die Frauen bei Mainz bleibt Mainz?

Ernerth: Im Moment bietet sich keine Frau an. Ich kenne keine, die sich aufdrängt für die Fernsehfastnacht. Als wir beim GCV die Anne Vogt gesehen haben, haben wir sie sofort auf die Bühne gestellt. Dann ist sie entdeckt worden und will das nun zum Hauptberuf machen – tja. Nennen Sie mir eine Frau, wir nehmen sie gleich auf! (stutzt, lacht) Ach, ich bin ja gar nicht mehr zuständig…

Krawietz: Es ist ja nicht so, dass wir irgendetwas gegen Frauen hätten oder sie rausdrängen würden. Die Frage ist, wie kann man sie motivieren, tatsächlich in die Bütt zu gehen – das ist ja auch nicht gerade ein kleiner Druck, auf die Bühne zu gehen. Wenn es Frauen gibt, kann ich nur sagen: sie sind beim GCV gut aufgehoben.

Mainz&: Nun ist ja die neue IG Straßenfastnacht gegründet – was bringt das der Mainzer Fastnacht?

Krawietz: Wir können als Gemeinschaft eine sehr viel größere Position einnehmen als jeder Verein einzeln. Beim Wurfmaterial ist man dann etwa eine größere Marktmacht und kann dann vielleicht günstiger an Wurfmaterial kommen. Wenn man sich zusammenschließt, kann man Sachen machen, die momentan stiefmütterlich behandelt werden – wie etwa Marketingkonzepte. Ich vermisse da momentan generell mehr Werbung, aber auch Ideen, Zusatzangebote – da gibt es noch vieles, was man machen kann, ohne gleich einer Kommerzialisierung zu verfallen. Ich sehe da noch Möglichkeiten, die noch nicht ausgeschöpft sind. Wir müssen die Mainzer Straßenfastnacht zur Marke machen.

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Verschmitzter Blick, die nächsten Pläne schon im Kopf: Horst Ernerth mischt bei der neuen Mainzer IG Straßenfastnacht mit – Foto: gik

Ernerth: Die Überschrift ist, die Marke Mainzer Fastnacht zu entwickeln. Wenn ein Außenstehender auf die Idee kommt, ich will mal zur Mainzer Fastnacht, dann weiß er momentan doch überhaupt nicht, wie das geht, wo er Karten herkriegt. Es wäre doch toll, das in einem einheitlichen Auftritt zu bündeln, in einem gemeinsamen Internetauftritt, dort Angebote zu machen über die tollen Tage – Saalfastnacht und Straßenfastnacht entsprechend zu vermarkten. Den Rosenmontagszug organisiert der MCV hervorragend und wird er weiter organisieren. Aber es gibt ja Flächen, die gar nicht vermarktet sind. Man kann sich vorstellen: Eine Tribüne auf der Kaiserstraße für ein Unternehmen, ein Motordrom, wo der Zug durchgeht…

Mainz&: Geht also der Trend mehr zum individuellen Erlebnis? Spontane Parties, mehr Guggemusik?

Ernerth: Das Individuelle, etwa die Kneipenfastnacht, das ist für mich durchaus ein Thema, man muss mal gucken, was sich da tut – ich will da gerne mal dran teilnehmen. Als Präsident ist man ja so absorbiert, da kommt man gar nicht zu. Aber jetzt hab‘ ich ja mehr Zeit…

Krawietz: Ein Anziehungsfaktor für die jüngere Generation ist es eher, wenn es einen Eventcharakter hat – je größer das Event, desto größer die Nachfrage.

Mainz&: Herr Ernerth, Sie sind ja im Vorstand der IG Straßenfastnacht dabei, was planen Sie denn schon?

Ernerth: Wir sind im Gespräch, Veranstaltungen der oben genannten Art an Rosenmontag zu gestalten und zu bündeln. Wir wollen das Knowhow heben, das in vielen Vereinen da ist. Wir wollen auch unsere Hotels und Gastronomen ansprechen, die profitieren von solchen Angeboten doch auch. Es ist doch nicht so, dass hier an Rosenmontag alle Hotels überbucht sind. Es ist unsere Aufgabe, ein Angebot zu schaffen, und die Mainzer Fastnacht als Marke ist es doch auch wert.

Mainz&: Wir danken den Herren Präsidenten ganz herzlich für das Gespräch und wünschen eine tolle Jubiläumskampagne!

Info& auf Mainz&: Den Gonsenheimer Carnevals Verein findet Ihr hier im Internet.

 

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