Es ist der Turm: Das Gutenberg-Museum in Mainz bekommt tatsächlich einen Bücherturm als Erweiterung. Die Stadt Mainz vergab am Dienstag den Auftrag zu Planung und Bau an das Hamburger Büro DFZ. Museumsdirektorin Annette Ludwig sprach von einem „Wendepunkt und Durchbruch“ in einer langen Entwicklung. Das Gutenberg-Museum der Zukunft könne nun endlich Wirklichkeit werden. Allerdings gibt es schon wieder einen Haken: Aus dem Budget von 5,1 Millionen Euro muss mit als erstes auch der Schell-Bau ertüchtigt werden. Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum kritisierte unterdessen die Vergabe: Der Stadtrat hätte entscheiden müssen, forderte sie.

Bücherturm Gutenberg Museum Perspektive Sommer - DFZ Architekten
Ein Bücherturm wird tatsächlich künftig als Erweiterungsbau das Gutenberg-Museum ergänzen – Perspektive by DFZ Architekten

Damit wird neben dem Gutenberg-Museum auf dem heutigen Liebfrauenplatz tatsächlich als Erweiterungsbau ein 22 Meter hoher, angeschrägter Turm mit einer Fassade aus Sandstein und einer Hülle aus durchbrochener Bronze entstehen. „Wir freuen uns sehr“, sagte Stephen Kausch, Geschäftsführer von DFZ, „wir fühlen uns sehr geehrt, dass wir hier tätig sein dürfen.“ Der Bücherturm werde übrigens „in seinen Dimensionen überschätzt“, sagte er noch – tatsächlich zeigen neue Bilder und Pläne deutlich genauer die Dimensionen des Turms auf, der den Platz keineswegs zustellen soll. Das Gutenberg-Museum sei „ein sehr komplexes Bauvorhaben“, sagte Kausch noch, „die Arbeit geht jetzt erst richtig los.“

Spatenstich frühestens 2017

In der Tat: Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) machte klar, einen Spatenstich für das Projekt wird es frühestens Ende 2017 geben. Das Architekturbüro müsse nun erst einmal die Pläne und Unterlagen für die Leistungsphasen 1 bis 5 erstellen, sagte Grosse: Es gehe los mit einer Grundlagenermittlung und mit Vorplanungen, das werde bis zum Herbst geschehen. „Dann wollen wir damit an die Öffentlichkeit gehen“, sagte Grosse, denn das seien dann die konkreten Pläne.

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Nutzungsvarianten Bücherturm neues Gutenberg Museum DFZ architekten
Nutzungsvarianten des neuen Bücherturms am Gutenberg-Museum – by DFZ Architekten

Bis zum Herbst soll auch eine Baukommission eingerichtet werden, daran schließe sich dann eine Entwurfsplanung an – und dann könne man „auch sagen, welche Kosten überschlägig entstehen können.“ Von 3,4 Millionen Euro Brutto-Baukosten sprach die Dezernentin, das fixe Budget, das zur Verfügung steht, beträgt 5,1 Millionen Euro – und bisher keinen Cent mehr. Doch von diesem Geld muss offenbar auch der Schell-Bau umgebaut werden – der Brandschutz ist so drängend geworden, dass der Umbau nicht warten kann. Der Brandschutz lasse „einen sofortigen Umbau notwendig erscheinen“, sagte denn auch Architekt Kausch.

Vorplanung soll zeigen, „worauf wir verzichten können“

In der Vorplanung entscheide sich, womit beim Umbau begonnen werde, sagte Grosse weiter – und man werde sehen, „worauf wir verzichten können.“ 2017 sollen dann Genehmigungsplanung und Bauantrag erfolgen. „Wenn wir richtig schnell sind, können wir Ende 2017 den Spatenstich vollziehen“, sagte Grosse. Der gesamte Umbau des Gutenberg-Museums zu einem neuen Museumsquartier aber wird sich noch Jahre hinziehen.

Zugleich machte die Dezernentin klar: Der Turm an sich werde gebaut, aber wie er im Inneren gestaltet werde, welche Elemente er enthalten könne – das entscheide sich anhand des Budgets. Mit dem Bücherturm solle ein „Aha-Effekt“ erzielt werden – die Stadt spricht von einem Zeichen, das das Museum sichtbar machen soll.

Ebling: „Meilenstein für die Zukunft“

Überhaupt wurde am Dienstag bei der Auftragsvergabe viel geschwärmt: „Wir haben hier einen Schatz wie keine andere Stadt, den wollen wir auch zeigen“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Binnen dreieinhalb Jahren seien aus Visionen „wirklich ganz konkrete Schritte“ geworden, „ich bin darüber sehr froh und auch sehr stolz“, betonte er, und sprach von einem „Meilenstein für die Zukunft“.

Lageplan Bücherturm neues Gutenberg Museum DFZ Architekten
Konkreter Lageplan für den Bücherturm am Gutenberg-Museum – by DFZ Architekten

Das Gutenberg-Museum hütet in der Tat eine ganze Reihe von Schätzen: Sammlungen, seltene Bücher, die Geschichte der Druckkunst und nicht zuletzt natürlich die Bibeln, die einst Johannes Gutenberg, Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, druckte. Doch das „Weltmuseum der Druckkunst“ ist schwer angestaubt, seine Gebäude in die Jahre gekommen – der sogenannte „Schell-Bau“, das Haupthaus des Gutenberg-Museums ist so marode, dass Experten sogar von einer drohenden Schließung sprechen.

Entwürfe als menschenfeindlich empfunden

Im Februar hatte die Stadt die Ergebnisse eines Architektenwettbewerbs vorgestellt, die Entwürfe sahen zum einen einen Erweiterungsbau auf dem Liebfrauenplatz, aber auch Konzepte für einen Gesamtumbau des Museums insgesamt vor. Da die Stadt kein Geld hat, sollen die einzelnen Stadien des Umbaus nach und nach realisiert werden, so wie eben Geld da ist. Für die erste Umbauphase stehen 5,1 Millionen Euro zur Verfügung.

Für heftige Diskussionen sorgten unterdessen die Entwürfe für den Erweiterungsbau: Bücherturm, Setzkasten und Gebäuderiegel wurden von den Mainzer heftig kritisiert und von vielen mit Kopfschütteln gesehen. Von menschenfeindlicher, kalter, dominanter Architektur war die Rede – was Ihr in diesem Mainz&-Artikel nachlesen könnt. Die Bürgerinitiative kritisierte, die modernen Entwürfe ignorierten die historische Umgebung, ausgerechnet direkt neben dem Mainzer Dom.

Modell neues Gutenberg Museum mit Bücherturm DFZ Architekten
Neues Foto des Modells soll die Dimensionen des Bücherturms im Vergleich zum Dom zeigen – Foto: Stadt Mainz

Ebling: Debatten haben uns gut getan

Ebling sprach denn auch am Dienstag die heftigen Diskussionen an: Es hat intensive Diskussionen gegeben, das hat uns gut getan“, sagte der OB, „das ist ein Stück lebendige Bürgergesellschaft und ein Gewinn an sich.“ Er könne sich nicht erinnern, dass eine Diskussion über Architektur und Stadtkultur so viele Menschen interessiert und befeuert habe. „Was mit diesem Museum passiert, hat ins Herz der Mainzer getroffen“, sagte Ebling.

Allerdings lud die Stadt ihre Bürger nie zu einer größeren Diskussionrunde oder gar einem Bürgerabend. Stattdessen organisierte das Gutenberg-Museum selbst eine Ausstellung der Siegerentwürfe, in zahlreichen Führungen stellten sich die Mitglieder der Architektenjury sowie Museumsdirektorin Ludwig selbst den Fragen der Besucher. Mehr als 5.000 Mainzer informierten sich so über die Umbaupläne.

Ludwig: Leuchtturm der Kultur, Museum als urbaner Raum

Ludwig selbst sprach am Dienstag von einer „beglückenden Stunde“, einem „Wendepunkt und dem Durchbruch einer langen Entwicklung.“ 54 Jahre nach der Erstausstattung des Ausstellungsgebäudes bestehe „akuter Handlungsbedarf“. Mit dem neuen Bau entstehe „ein neues, lebendiges Zeichen“ in der Stadt, das Ausdruck der öffentlichen Bedeutung des Museums für Mainz und für die Welt sein werde, „ein Fix- und Höhepunkt“, ein „Leuchtturm“ der Kultur – und dies auch im übertragenen Sinne.

Funktionsaufteilung neues Gutenberg Museum DFZ Architekten
Gutenberg-Museums mit Bücherturm und erneuertem und vergrößertem Schell-Bau – by DFZ Architekten

Der Umbau soll übrigens die Gebäudestruktur auflockern und zwischen den einzelnen Museumsteilen Gassen schaffen. Ludwig schwärmte deshalb, es entstehe nun „ein Gutenberg-Quartier, eine Stadt in der Stadt“. Die Gassenstruktur“ lasse „den urbanen Raum durch das Museum fließen und ermöglicht den Besuchern Zugang zu allen Bereichen, die ihn gerade interessieren“, sagte sie – also eine Gliederung in die Bereiche Dauer- oder Wechselausstellung, Werkstatt, Museumspädagogik, Bibliothek, Shop oder Café.

Durch dieses räumliche Konzept entstehe „eine Dynamik, die das pulsierende Leben in diesem Haus adäquat widerspiegelt“, betonte Ludwig, und verwies darauf, dass das Museum pro Jahr immerhin mehr als 126.000 Besucher hat. Zentral wichtig sei aber nicht nur der Erweiterungsbau, sondern die neue innere Logik, denn die schaffe die Grundlage, das neue Museumskonzept „endlich einmal angemessen zu präsentieren“.

Schließlich befinde sich das Museum derzeit in einem spannenden Transformationsprozess: Es sei auch Lernort mit Bildungsauftrag, „eine Kommunikationsplattform, die sich ihrem Umfeld dialogisch öffnet und – das ist mir besonders wichtig – es verkörpert eine Haltung.“

Reichow: Turm möge Weitblick bringen

Standort Bücherturm Gutenberg-Museum Liebfrauenplatz
Genau hier soll künftig der Bücherturm neben dem Gutenberg-Museum stehen – Foto: gik

Das Museum verdiene einfach „noch viel mehr Aufmerksamkeit, als es heute hat“, sagte einer, der mitgeholfen hatte, neue Aufmerksamkeit für das Museum zu wecken: Kabarettist Lars Reichow hatte sich für einen Museumsneubau stark gemacht und war auch am Dienstag zur Auftragsvergabe gekommen.Der neue Turm habe „eine unglaubliche Symbolkraft“ und sei „eine wichtige Orientierung“, schwärmte Reichow – etwa für die Fluggäste, die beim Einschweben über dem Dom endlich in Mainz etwas sähen, was sie wieder in die Domstadt ziehen könne.

„Ein Signal Richtung Himmel, das passt immer gut in Mainz“, meinte der Kabarettist und Publizist, und empfahl: „Ich würde oben eine Bibel reinlegen, die den Segen einholt – es muss ja nicht ein Original sein.“ Und bis der Bücherturm stehe, könne man doch solange an der Stelle einen Spendeturm errichten, schlug Reichow vor – in dem könnten sich alle Banken der Stadt und auch alle Bürger verewigen. „Wir haben ein paar Bürger in der Stadt, die noch mehr tun könnten“, fand Reichow, „möge der Turm den Weitblick bringen, der manchen in der Stadt noch immer fehlt.“

Reichow fordert Unabhängigkeit des Museums von der Stadt

Auftragsvergabe Gutenberg-Museum Bücherturm
Akteure der Auftragsvergabe fürs neue Gutenberg-Museum: Direktorin Annette Ludwig, Kabarettist Lars Reichow, OB Ebling, Marianne Grosse und Architekt Kausch – Foto: gik

Denn Mainz, klagte Reichow mit Augenzwinkern, habe doch viel an Bedeutung verloren im Rhein-Main-Gebiet, ein großes Gutenberg-Museum könne diese Bedeutung zurückholen. Dafür aber, forderte Reichow, brauche das Museum mehr Geld, mehr Personal – und Direktorin Ludwig mehr Unabhängigkeit. „Dass es sich um ein Amt der Stadt handelt, halte ich für eine unbefriedigende Situation“, sagte Reichow offen. Und prompt raunte Ebling danach, das sei der einzige Text zur Veranstaltung, „der nicht abgesprochen war.“

BI kritisiert Vergabe: Hätte Stadtrat entscheiden müssen

Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum kritisierte unterdessen die Art und Weise der Vergabe: Wieso werde ein solches Großprojekt von bundesweiter Bedeutung nur in einem Wirtschaftsausschuss und nicht im Stadtrat beschlossen, fragte sie in einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Ebling – und warum werde eine solche Abstimmung „unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgenommen?“ Warum auch stimme eine Opposition hinter den Türen des Ausschusses zu, die öffentlich einen ganz anderen Standpunkt vertrete?

Die BI hatte zuvor auch gefordert, die Stadtverwaltung müsse erst ein schlüssiges Finanzierungskonzept inklusive der Einwerbung von deutschen und europäischen Fördermitteln erstellen, erst dann könne „der Stadtrat die Entscheidung fällen, welche bauliche Alternative die richtige und insgesamt bezahlbare ist.“ Hier aber habe die Stadt „sogar gänzlich auf die Ermittlung der Projektkosten im Vorfeld verzichtet“, kritisierte BI-Sprecher Thomas Mann. Und nun sollten nach dem Schaffen von Fakten „kritische Bürger überredet werden, das gut zu finden, was ihnen eigentlich nicht gefällt, und dabei vergessen, dass vorher ihre Meinung nicht gefragt war.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Projekt neues Gutenberg-Museum findet Ihr auf der Internetseite der Stadt Mainz unter „Museum der Zukunft“, darunter auch sämtliche Unterlagen zum Architektenwettbewerb sowie zum Museumskonzept – und die neuesten Fotos und Pläne zum Bücherturm. Unsere Vorstellung der Entwürfe findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel. Die Kritik an den Entwürfen haben wir unter anderem in den Artikeln „Fragt die Mainzer!“ und „Debatte geht weiter“ zusammengefasst. Und um die Finanzierung geht es unter anderem hier

 

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