Der High Noon steht kurz bevor: Anfang 2018 werden gleich mehrere Gerichte ihre Urteile in Sachen Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge fällen – und die Städte wissen nicht, wie sie die abwenden sollen. Umrüstung auf Elektromobilität, Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, Fahrradförderung – der Katalog möglicher Maßnahmen ist lang, doch nichts davon wirkt wirklich schnell. Am morgigen Dienstag hat nun erneut Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Städte und Kommunen ins Bundeskanzleramt zur Beratung geladen. Bei Diesel-Gipfel Nummer drei wird der Kanzlerin vor allem Wut entgegenschlagen: Denn von der im Sommer versprochenen Mobilitätsmilliarde ist bislang kein Cent geflossen.

Stau, Pkw-Massen und Busse: die Städte kämpfen gegen drohende Diesel-Fahrverbote und wissen doch nicht recht, wie sie sie abwenden sollen. – Foto: gik

„Über uns hängt ein Damoklesschwert“, sagt die Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne), „wir sind am Ende die Gelackmeierten, wenn wir mit unseren knappen Finanzmitteln umzusteuern versuchen.“ Die Wut in den Städten wächst: Vor der Bundestagswahl hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihren Diesel-Gipfeln einen Soforthilfefonds von einer Milliarde Euro für bessere Luft in den Kommunen zugesagt, geschehen ist bislang aber gar nichts. Erst im Sommer 2018 sollen die Millionen jetzt vielleicht fließen, berichtete Eder auf einem Symposium zum Thema Diesel vergangene Woche in Mainz – viel zu spät.

Denn ab Januar wird es ernst in Sachen Diesel-Fahrverbote: Ende Januar steht als erstes in der Region die Stadt Frankfurt vor Gericht, Ende Februar soll Darmstadt folgen, im März ist Wiesbaden an der Reihe. „Unser Richter ist berühmt-berüchtigt für seine sehr positive Haltung gegenüber Luftreinhalte-Mitteln“, sagt Marita Mang, im Hessischen Umweltministerium für den Immissionsschutz zuständig: „Jeder weiß, dass die streckenbezogenen Dieselfahrverbote rechtens sein werden.“ Das wird wohl auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 22. Februar 2018 verkünden. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht entscheidet dann, ob ein Diesel-Fahrverbot in der Stadt Düsseldorf verhältnismäßig ist – Experten rechnen fest mit einem Ja. In Stuttgart fiel bereits ein entsprechendes Urteil, auch Mainz steht 2018 noch ein entsprechendes Verfahren bevor.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Die Städte aber wissen kaum, was sie gegen die drohenden Fahrverbote tun sollen. Seit Jahren überschreiten die Stickstoffemissionen in deutschen Großstädten die erlaubten Grenzwerte, zum Teil erheblich. Die Deutsche Umwelthilfe spricht von 10.600 vorzeitigen Toten pro Jahr durch die giftigen Schadstoffe und klagt bundesweit gegen 16 Städte, darunter auch Mainz. Die Städte agierten „erschreckend ratlos“, kritisierten denn auch die Freien Wähler in Mainz, die bisherige Bilanz sei mau, Vorschläge der DUH zu Geschwindigkeitsbegrenzungen oder einem Bürgerticket würden „ersatzlos negiert.“

Der offizielle und der reale Schadstoffausstoß bei den verschiedenen Diesel-Pkws laut Umweltbundesamt. – Grafik: Umweltbundesamt

 

„Negative gesundheitliche Auswirkungen sind seit langer Zeit belegt“, sagte nun auch die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen in Berlin, die Professorin Claudia Hornberg, auf einem Symposium in Mainz. Das gelte vor allem für die Schadstoffe, die mit dem Straßenverkehr in Zusammenhang stünden: Feinstaub und Stickoxide. Doch während es gelang, den Feinstaub-Ausstoß deutlich zu senken, liegen die Werte für Stickoxide seit Jahren unverändert hoch – Hauptverursacher sind Diesel-Fahrzeuge. „Der Verkehrsbereich hat seit 1990 eine Erhöhung der Emissionen zu verzeichnen“, sagt die rheinland-pfälzische Umweltministern Ulrike Höfken (Grüne) und räumt ein: Das gelte selbst für Städte wie Mainz, die auf Fahrradverkehr und saubere Verkehrsmittel wie Straßenbahnen setzten.

Umweltzonen, dynamische Verkehrssteuerung und Parkraummanagement sowie die Förderung von ÖPNV und Radverkehr seien Maßnahmen, die jetzt schon in den Luftreinhalteplänen der Kommunen stünden, sagt auch Axel Welge, Hauptreferent beim Deutschen Städtetag. Trotzdem sind die Emissionen nicht gesunken, Hauptgrund: die manipulierten Diesel-Fahrzeuge der deutschen Autoindustrie. Da die Fahrzeuge ein Vielfaches dessen ausstoßen, was sie eigentlich dürften, stehen die Städte im Kampf gegen den Dreck in der Luft weitgehend auf verlorenem Posten.

Maßnahmen zur Abhilfe gäbe es schon noch, zählt Welge vom Deutschen Städtetag auf: Lkw-Durchfahrtsverbote wären eine mögliche Maßnahme, eine Verbesserung der Stadtreinigung und eine Absenkung der innerörtlichen Geschwindigkeit. „Die Richter wollen sehen, dass schnell Bewegung reinkommt“, sagt Welge. Eine Möglichkeit, die Gerichte zu beeindrucken sei deshalb die Nachrüstung aller kommunalen Fahrzeugflotten, von Bussen bis kommunalen Fahrzeugen insgesamt. „Das muss man dann aber innerhalb der nächsten zwei, drei Monate erklären“, betont Welge.

Und dafür bräuchten die Städte Geld, und zwar schnell. „Die Städte stehen unter einem immensen Handlungsdruck und haben auf die Versprechungen der Kanzlerin vertraut“, kritisiert die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD): „Das ist nicht die versprochene Soforthilfe.“ Viele Städte stehen direkt vor der Ausschreibung entsprechender Aufträge, der Bund müsse jetzt sehr schnell für die Sicherheit der Investitionen sorgen, fordert der Städte- und Gemeindebund vor dem erneuten Diesel-Treffen im Kanzleramt. Mainz etwa würde gerne 98 Dieselbusse sehr schnell mit Partikelfiltern nachrüsten und 23 Busse vorgezogen neu kaufen, einhundert Nutzfahrzeuge der Behörden und der Abfallwirtschaft würde man gerne auf emissionsarme oder emissionsfreie Antriebe umstellen – nur: mit welchem Geld?

Mehr E-Autos würden helfen, doch der Ausbau des Ladenetzes ist teuer und geht nur langsam voran – nur wenige E-Autos bevölkern bisher Mainz. – Foto: gik

Der Mainzer Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) verkündete am Freitag deshalb, das vom Land aufgelegte Aktionsprogramm Saubere Mobilität stehe nun bereit. Das Land hatte im August den von Dieselfahrverboten betroffenen Städten Koblenz, Mainz und Ludwigshafen jeweils eine Million Euro für Sofortmaßnahmen zur Abwehr der Fahrverbote zugesagt. „Jetzt geht es konkret los“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage von Mainz&, das Programm sei finanziert und gesichert, die Förderanträge der drei Städte genehmigt: „Die Städte können jetzt loslegen.“

Große Sprünge können die Städte indes mit dem Geld nicht machen. Allein die Umrüstung eines Dieselbusses mit einem Filter gegen Stickoxide liegt nach Expertenschätzungen bei 8.000 bis 12.0000 Euro. Und dann sind da ja auch noch Lieferverkehre und Privatautos. Es bräuchte Anreizprogramme, damit etwa Taxibetreiber ihre Fahrzeuge auf Elektromobilität umstellten, die großen Diesel-Taxiflotten sind einer der problematischen Quellen für die Emissionen. Doch vorschreiben kann der Staat den Taxibetreibern das nicht: Die Vergabe von Konzessionen dürfe nicht an umweltfreundliche Antriebe gekoppelt werden, sagte Eder gegenüber Mainz&.

„Die Bundesregierung muss dringend ihre zurückhaltende Haltung gegenüber der Fahrzeugindustrie aufgeben“, fordert deshalb Umweltministerin Höfken – ins gleiche Horn stoßen Experten wie Mang und Welge. Wirklich helfen würde nur eine flächendeckende Nachrüstung der Diesel-Pkws, sagt auch Welge. Die Autoindustrie habe mit ihren Abgasmanipulationen das Problem massiv mitverschuldet, “ nun versucht sie sich rauszuwinden, das ist absolut unannehmbar.“ Der Deutsche Städtetag will deshalb beim morgigen Treffen „massiv auf Umrüstung drängen.“

Hoffnung keimt auch deshalb, weil Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) inzwischen seinen Stuhl räumte: Der Vize-Fraktionschef der Grünen im Deutschen Bundestag, Oliver Krischer, forderte deshalb in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, damit sei jetzt die Chance da, „das Schweigekartell rund um den Abgasskandal und dreckige Luft in den Städten zu durchbrechen.“ Beim Deutschen Städtetag ist man da deutlich skeptischer: Die zugesagte eine Milliarde sei angesichts von 90 betroffenen Städten ohnehin viel zu wenig, kritisiert Welge: „Das wird am 28.11. wieder eine Showveranstaltung.“

Info& auf Mainz&: Mainz& hat mehrfach über die drohenden Dieselfahrverbote gerade auch in Mainz berichtet – alle Artikel findet Ihr, wenn  Ihr oben in der Suchmaske bei Mainz& das Stichwort „Diesel“ eingebt. Mehr zu den Absichten der Deutschen Umwelthilfe lest Ihr beispielsweise in diesem Mainz&-Artikel – wir haben übrigens mit der DUH persönlich gesprochen. Interessant auch: Das radikale Null-Emissions-Programm der Stadt Wiesbaden, die bis 2022 ihre Busflotte komplett auf E-Busse umstellen will. Mehr über die Landeshilfen für die Kommunen sowie die Vorstellung der Parteien zu einem Diesel-Ausstieg lest Ihr hier bei Mainz&. Alle Infos zu den Modellberechnungen des Umweltbundesamtes in Sachen Diesel-Nachrüstung findet Ihr hier.

 

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein