Es ist schon wieder nur Industrieschnee, was da an Silvester in Teilen von Mainz lag. Das menschengemachte Wetterphänomen beschäftigte uns schon Anfang Dezember – hier noch mal die Erklärung dazu: Hauchfein rieselte es vom Himmel, und erst nach einigem Hinsehen sah man, das ist doch Schnee! Nanu? Hatten die Wetterdienste nicht niederschlagsfreies Wetter vorausgesagt, und lag Mainz nicht einfach nur unter einer Nebeldecke? Richtig: Was da vom Himmel rieselte und die Straßen und Bürgersteige in weiten Teilen außerhalb vom Stadtkern weiß überzuckerte, war kein normaler Schnee. Industrieschnee nennen die Wetterexperten das Phänomen, bei dem eine Inversionswetterlage mit Hochdruckgebiet wie ein fest schließender Deckel wirkt. Aus dem kann der von menschlichen Fabriken erzeugte Wasserdampf nicht entweichen – und schlägt sich als Schnee wieder zu Boden.

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Puderzucker-Decke in Mainz: Industrieschnee war die Ursache – Foto: gik

„Mit einer ‚weißen Überraschung‘ in Form einer nicht für möglich gehaltenen Schneedecke“, sei mancher am Dienstagmorgen aufgewacht, auch bei ihnen sei das so gewesen, hieß es beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach, der das Thema Industrieschnee prompt zum „Thema des Tages“ auf seiner Internetseite machte. Praktisch im ganzen Rhein-Main-Gebiet nämlich rieselte Industrieschnee vom Himmel, der Grund: eine Kombination aus besonderer Wetterlage, dichtem Nebel, niedrigen Temperaturen und menschlichen Emissionen.

Für Industrieschnee brauche es nämlich „eine winterlich geprägte und starke Hochdruckwetterlage“, bei der sich durch absinkende Luft eine sogenannte Inversion bilde, also eine Temperaturumkehr in der Höhe, schreiben die Wetterexperten. Die Inversion wirke nun wie ein Deckel auf die unter ihr liegende Luftmasse, bei entsprechend hoher Luftfeuchtigkeit entstehe dann unter dem Deckel gebietsweise Nebel und Hochnebel –  eine weitere Voraussetzung für den Industrieschnee. „Zudem sollte es windschwach sein und die Temperatur unter Null Grad liegen“, zählt der DWD weitere Voraussetzungen auf. All das war seit Montag in Mainz und dem Rhein-Main-Gebiet gegeben: Nach dem super sonnigen Wochenende lag Mainz unter einer zähen Nebeldecke, unter der sich die windstille Luft förmlich staute – man merkte es am dumpfen Geruch.

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Kommt dann von unten Feuchtigkeit hinzu, kann diese nicht nach oben entweichen – und genau das passierte am Dienstag: „An dieser Stelle kommt der Mensch ins Spiel: Industrieanlagen oder Häuser mit Schornsteinen sorgen durch Emissionen für zusätzlichen Wasserdampf und für Aerosole (Kondensationskerne) in der untersten Luftschicht“, schreibt der DWD. Weil es außerdem windschwach sei, finde auch keine Durchmischung der Luft statt. Stattdessen werde die Luft „irgendwann so feucht, dass die Feuchtigkeit kondensieren muss“ – bei Temperaturen unter Null Grad bilden sich Schneekristalle.

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So entsteht Industrieschnee – die tolle Grafik stammt von Kachelmannwetter

Erkennen kann man den Industrieschnee übrigens an seiner besonders feinen Struktur: Da sie in der untersten Luftschicht (100 bis 200 m) entstünden, hätten sie nicht genügend Zeit, sich wie gewöhnliche Schneeflocken zu entwickeln. „Sie fallen daher als kleine Eisnadeln und nicht als hexagonale (sechseckförmige) Schneekristalle zu Boden“, erklären die Wetterfrösche. Von der Konsistenz her sei das mit Pulverschnee vergleichbar, wegen ihrer geringen Größe hafteten die Eisnadeln aber besser an Gegenständen und Objekten als normaler Schnee. So entsteht bei Industrieschnee eine besonders dünne Schneedecke, die zumeist eigentlich eher in einem lokal eng begrenzten Bereich rund um Industrieanlagen entsteht. „Manchmal reicht dieser Bereich nur wenige hundert Meter weit, dabei können dort aber eng begrenzt durchaus bis zu 10 Zentimeter Neuschnee zusammen kommen“, schreibt der DWD. Dann könne eine grüne Landschaft nur wenige Meter weiter von einer weißen abgelöst werden.

Das Besondere an diesem Dienstag in Mainz war denn auch sicher die große Verbreitung des Industrieschnees im ganzen westlichen und südwestlichen Stadtgebiet – in früheren Jahren war der dünne Schnee eher auf Mombach und die Neustadt begrenzt gewesen. Womöglich ist die große Ausbreitung aber auf die sehr drückende Wetterlage zurückzuführen, schließlich herrscht Europaweit in zahlreichen Städten – unter anderem in Stuttgart und Paris – sogar derzeit Smogalarm. Wir fragen da morgen noch mal bei den Experten nach, versprochen.

Das Phänomen Industrieschnee könne übrigens noch einige Tage anhalten, sagt der DWD: Besonders in der Mitte und im Süden Deutschlands sei es weiter möglich, „da die Inversion und die Temperaturen dort weiterhin niedrig liegen.“ Im Norden werde es dagegen schon milder, auch lasse der Hochdruckeinfluss dort nach. „Bis zum Wochenende wird es dann überall wärmer, sodass die „weißen Überraschungen“ durch Industrieschnee wohl immer seltener werden“, schrieben die Wetterexperten.

Info& auf Mainz&: Das Thema des Tages „Industrieschnee“ könnt Ihr hier noch einmal beim Deutschen Wetterdienst nachlesen. Eine super Erklärung des Phänomens samt der tollen Grafik findet Ihr bei Kachelmannwetter, genau hier. Auf Kachelmannwetter, dem Wetterdienst des Metereologen Jörg Kachelmann, gibt es tolle Blitzanalysen zu Wetterlagen und sehr präzise Vorhersagen bei Unwettern, sogar was Gewitter samt Blitzen angeht – folgt auf Twitter mal @kachelmannwetter, das lohnt sich!

 

 

 

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