Das mit hohen Erwartungen behaftete Point Merge-Verfahren für Anflüge am Frankfurter Flughafen wird es wohl nicht geben. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) lehnte das Verfahren vorwiegend aus Platzgründen ab, wie die Fluglärmkommission nach ihrer Sitzung berichtete. Das Verfahren sah vor, die Flugzeuge in einem weiteren Fächer auf einen Anflugpunkt am Flughafen zu führen, so hätten die Flieger in deutlich größerer Höhe – und damit lärmarmer – an den Flughafen herangeführt werden können. Die DFS sieht nicht genügend Platz im Frankfurter Flugraum, zudem wären mehr Menschen in der Region von Fluglärm belastet worden, heißt es. Das Verfahren hätte jedoch vor allem Anwohner in Rheinhessen und bis in den Raum Bad Kreuznach hinein entlastet.

Das Anflugverfahren Point Merge wird in Frankfurt nicht kommen, die DFS hat Bedenken. – Foto: gik

Die DFS habe das neue Anflugverfahren ausführlich mit Computersimulationen getestet, berichten die Kollegen von der Hessenschau. Beim Point Merge-Verfahren werden die Flugzeuge in etwa 5.000 Metern Höhe in einem gedachten Trichter vor dem Flughafen zusammengeführt, um dann in einem kontinuierlichen Sinkflug auf die Landebahnen geleitet zu werden. Besonders dieser kontinuierliche Sinkflug hatte bei Fluglärnm-Geplagten hohe Erwartungen geweckt, würde es doch gerade die hochgradig nervigen Beschleunigungs- und Korrekturgeräusche der Flugzeuge deutlich reduzieren. „Point Merge“ war 2012 als ein Schritt zum aktiven Schallschutz von der von der Landesregierung initiierten „Allianz für den Lärmschutz“ zur Prüfung und Einführung vorgesehen worden.

Nun aber das Aus: Das System sei für eine Einführung am Flughafen Frankfurt nicht geeignet, weil das hohe Verkehrsaufkommen am Standort Frankfurt auch besonders große Kreisbögen notwendig machen würde, wie die Fluglärmkommission schreibt. Diese Kreisbögen aber seien unter anderem wegen des militärischen Übungsgebietes im Südwesten des Flughafens und der Nähe zu anderen Flughäfen kaum darstellbar. Im Nahbereich würden sich keinerlei Fluglärm-Reduzierungen innerhalb der Kreisbögen auf den Endanflug ergeben, heißt es weiter. Aber auch in größeren Entfernungen seien keine Lärmreduzierungen erkennbar, weil die Kreisbögen immer im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet liegen würden.

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Die „Frankfurter Neue Presse“ berichtet allerdings auch, die DFS selbst sehe durchaus eine entlastende Wirkung durch das Point Merge-Verfahren – und zwar in weiter entfernten Gebieten: Rund 400.000 Bewohner vor allem östlich von Gelnhausen sowie im Raum Bad Kreuznach hätte das Verfahren entlasten können, schreibt die FNP – und beruft sich dabei auf das DFS-Papier selbst. Gleichzeitig würden aber „etwas mehr als eine Million Menschen“ zusätzlich von Fluglärm belastet, weil sich die Anflüge breiter verteilen würden. Darunter: Wiesbaden und zahlreiche Taunusgemeinden wie Hofheim, Idstein, Kronberg und Königstein. Point Merge sei „nicht der Heilsbringer“, zitiert die Zeitung die DFS – und betrieblich schlicht nicht umsetzbar.

Flugspuren am Frankfurter Flughafen 2015. Bei Point Merge wären die Anflüge wie ein Fächer in größerer Höhe zum Flughafen geführt worden. – Foto: gik

Bei der Fluglärmkommission hieß es dazu, die Ausführungen der DFS seien zwar nachvollziehbar. „Es ist jedoch bedauerlich, dass die Maßnahme bereits vor der notwendigen technischen Vorprüfung als Heilsbringer für das Rhein-Main-Gebiet angepriesen und den Betroffenen damit umsonst Hoffnungen gemacht wurde“, kritisierte der Kommissionsvorsitzende Thomas Jühe.

In ihrer 241. Sitzung beriet die Fluglärmkommission zudem über den neuen Landesentwicklungsplan des Landes Hessen, der auch erhebliche Vorgaben in Sachen Flughafen macht. Die Kommission begrüßte es, dass nun erstmals eine Lärmobergrenze im LEP verankert und ein Lärmminderungsplan aufgenommen werden soll. Skeptisch ist man jedoch über enthaltene Siedlungsbeschränkungen: Über die Frage, „wie zwischen Siedlungsdruck und dem Schutz vor Fluglärm richtig abzuwägen“ sei, wolle man noch weiter beraten, hieß es – offenbar sind sich die Städte in der Kommission nicht einig.

Die Zukunftsinitiative Rhein-Main, ein Zusammenschluss Fluglärm-kritischer Städte im Rhein-Main-Gebiet, forderte derweil, das Hessische Verkehrsministerium müsse ein Siedlungsstrukturkonzept vorlegen, um den Konflikt der Siedlungsbeschränkung endlich zu lösen – schließlich sei bezahlbarer Wohnraum jetzt schon knapp. Gleichzeitig müsse die Bevölkerung wirksam von gesundheitsschädlichem Fluglärm geschützt werden. Auch verlangt die ZRM ein erweitertes Nachtflugverbot zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens im LEP zu verankern und verbindliche Lärmreduktionsziele festzuschreiben.

Die Flieger tief über dem Mainzer Dom werden also bleiben. – Foto: gik

Ferner kritisiert die ZRM scharf, mit dem LEP solle „offenbar“ das neue Geschäftsmodell der Fraport, Low-Cost-Carrier-Verkehre anzusiedeln, legitimiert werden. „Mit der Erhöhung der LCC-Verkehre wurden jedoch die überragenden öffentlichen Interessen am Ausbau des Frankfurter Flughafens nicht begründet“, hieß es weiter.

Die Fluglärmkommission wiederum kritisierte, dass die amtierende Bundesregierung – anders als im Koalitionsvertrag angekündigt – bis zum Ablauf der Legislaturperiode keinerlei Verbesserungen des Fluglärmschutzes bewirkt habe. Vor diesem Hintergrund habe man beraten, wie – unabhängig von einer gesetzlichen Anpassung – die Einbindung der Betroffenen bei lärmverlagernden Maßnahmen verbessert werden kann. Es gebe aktuelle Überlegungen für ein gemeinsam von Fluglärmkommission, Forum Flughafen und Region durchzuführendes Konsultationsverfahren.

Info& auf Mainz&: Der Entwurf des Landesentwicklungsplans sowie des Umweltberichts werden noch bis zum 17. Juli 2017 beim Hessischen Wirtschaftsministerium sowie bei den drei Regierungspräsidien in Hessen öffentlich ausgelegt. Ihr könnt die Pläne aber auch einfach online einsehen – genau hier. Noch bis zum 31. Juli 2017 können Bürger dazu schriftlich oder in elektronischer Form Stellungnahmen abgeben – allerdings nur Bürger des Landes Hessen, nehmen wir an – die Internetseiten des Landes waren Mittwochnacht gerade nicht erreichbar.

Über die Arbeit der DFS könnt Ihr Euch übrigens an diesem Wochenende direkt vor Ort informieren: Zum Tag der Luftfahrt lädt die DFS am 24. und 25. Juni an einen Stand. Beim Towersimulator könnt Ihr Fluglotsen über die Schulter schauen, dazu gibt’s Informationen über die Arbeit der Fluglotsen. Der Frankfurter Flughafen bietet an den beiden Tagen von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr insgesamt Infos und Aktionen rund um den Flugverkehr auf einer Eventfläche von insgesamt 80.000 Quadratmetern. Alle Infos dazu hier im Internet.

 

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