Lange schien es wie eine Vision aus einer fernen Zukunft, nun könnten die Pläne deutlich schneller Realität werden als gedacht: Bekommen Wiesbaden und Mainz eine neue Brücke über den Rhein? Nach jahrelangem Stillstand startet die Stadt Wiesbaden nun konkrete Voruntersuchungen – es ist die Not, die die Politik antreibt: Stark gestiegene Pendlerströme, der Kollaps der Schiersteiner Brücke vor vier Jahren und nicht zuletzt die geplante Citybahn zwischen Mainz und Wiesbaden treiben die Überlegungen jetzt voran. Sechs Standorte sind in der Prüfung – der wahrscheinlichste ist eine Rheinbrücke parallel zur Eisenbahnbrücke Nord – die Tangente schlug vor vier Jahren bereits die Mainzer CDU vor.

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Staugeplagt sind die Brücken von Mainz, hier die Theodor-Heuss-Brücke Richtung Mainz-Kastel. Wiesbaden treibt deshalb nun Pläne für eine neue Rheinbrücke voran. – Foto: gik

Es war an Fastnacht 2015, als die Schiersteiner Brücke über Nacht wegbrach – und ein heilloses Verkehrschaos im gesamten westlichen Rhein-Main-Gebiet auslöste. Wochenlang ging zwischen Mainz und Wiesbaden fast nichts mehr, die verbleibenden zwei Brücken waren hoffnungslos überlastet. Jüngst treibt Wiesbaden dazu die Planungen für eine Citybahn zwischen den beiden Landeshauptstädten voran – und auch die soll über eine der existierenden Rheinbrücken rollen, die jetzt schon staugeplagte Theodor-Heuss-Brücke. Gerade mit den Citybahn-Plänen wurden die Forderungen für eine zusätzliche Rheinbrücke zwischen den beiden Landeshauptstädten wieder laut, die Mainzer CDU sieht die Brücke gar als Bedingung für eine Citybahn.

Rheinbrücken sind indes ein heikles Thema, an denen sich oft endlose Streitigkeiten und Jahrzehnte währende Planungen entzünden. Seit mindestens 15 Jahren wird über eine Rheinbrücke zwischen Bingen und Rüdesheim gestritten, allen Petitionen und Kreistagsbeschlüssen zum Trotz bleibt das Vorhaben bisher in Ansätzen stecken – vor allem wegen Naturschutzgründen. Auch die Mittelrheinbrücke in der Nähe der Loreley steckt im Streit der Zuständigkeiten fest, eine weitere Rheinquerung bei Oppenheim wird immer wieder von Bedenken ausgebremst – gerade erst lehnten die Grünen im Kreis Mainz-Bingen neue Brücken über den Rhein kategorisch ab.

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Diese sechs Standorte werden für eine neue Rheinbrücke zwischen Mainz und Wiesbaden in den Fokus genommen. – Grafik: Stadt Wiesbaden

Doch der Druck auf die Politik wächst, denn die existierenden Rheinbrücken sind dem Pendleraufkommen schon lange nicht mehr gewachsen. 360.000 Menschen pendeln laut der „Stau- und Pendlerstudie 2018“ der IHK Frankfurt pro Tag nach Frankfurt, Zehntausende über den Rhein – gerade im westlichen Rhein-Main-Gebiet sind die Verflechtungen rechts und links des Rheins enorm gewachsen. Pro Tag pendeln der IHK-Studie zufolge rund 13.000 Arbeitnehmer aus Wiesbaden und angrenzenden rechtsrheinischen Kreisen nach Mainz, Zehntausende in die andere Richtung. Der Autobahnring um Mainz gehört gemeinsam mit den Rheinbrücken zu den Stau-Hotspots der Region – „die Verkehrsinfrastruktur sei „kurz vor dem Kollaps“, warnte die IHK.

Und so geschah jüngst, was lange wie ein Science Fiction-Szenario einer fernen Zukunft schien: Die Stadt Wiesbaden leitete vor wenigen Wochen in Absprache mit Mainz eine Vorprüfung für den Bau einer neuen Rheinbrücke ein, sogar konkrete Standorte wurden bereits in den Fokus genommen. Man befinde sich „in einem ersten Austausch über mögliche Brückenstandorte“, teilte der Wiesbadener Beteiligungsreferent Sven Kötschau auf Anfrage von Mainz& mit. Sechs Standorte wurden demnach in den Fokus genommen, alle zwischen Mainzer Innenstadt und Wiesbaden-Biebrich.

Bei der Realisierbarkeit schieden die ersten schnell aus: Eine Verbreiterung der Theodor-Heuss-Brücke, der Mainzer Innenstadt-Brücke, kommt aus Denkmalschutzgründen nicht in Frage, eine Brücke in der Verlängerung der Mainzer Kaiserstraße – hier stand nach dem Krieg einst eine militärische Behelfsbrücke – dürfte an fehlendem Platz für Zufahrtsrampen scheitern. Zwei nördlichere Brückenstandorte würden auf Mainzer Seite auf der Ingelheimer Aue enden, die hier stehenden Kraftwerke könnten dem entgegen stehen. Auch die Naturschutzgebiete auf den Rheininseln Rettbergsaue und Petersaue dürften Probleme bereiten – auch das Wasserwerk auf der Petersaue, das Mainz und Wiesbaden mit wichtigem Trinkwasser versorgt.

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Blick von der Kaiserbrücke Richtung Wiesbaden, hier könnte parallel zur Eisenbahnbrücke womöglich eine weitere Rheinbrücke entstehen. – Foto: gik

Als wahrscheinlichste Lösung bleibt denn wohl ein Bauwerk parallel zur Eisenbahnbrücke im Mainzer Norden, der sogenannten Kaiserbrücke. Eine Parallelbrücke südlich der Kaiserbrücke dürfte wegen des neuen Wohngebietes Zollhafen nicht mehr realisierbar sein, aber eine Brücke nördlich der Eisenbahnbrücke könnte Platz und gute Anbindungsmöglichkeiten bieten. Auf Wiesbadener Seite könnte hier die Wiesbadener Straße zur Brücken-Verlängerung werden, auf Mainzer Seite eine Anbindung durch das kleine Gewerbegebiet an die Rheinallee in Höhe Zwerchallee möglich sein – eine Tangente, die die Mainzer CDU schon vor vier Jahren ins Gespräch brachte.

Der Mainzer Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner (CDU) schlug im September 2015 eine neue Rheinbrücke parallel zur Kaiserbrücke vor, der Anlass war der Kollaps der Schiersteiner Brücke im Februar 2015. Aber Schreiner hatte noch einen zweiten Anlass: Die völlig marode Hochbrücke in der Verlängerung der Mombacher Straße. 2015 hieß es dazu aus dem Rathaus, die Hochbrücke aus den 1960er Jahren müsse in wenigen Jahren abgerissen werden – von fünf Jahren war damals die Rede.

Der Mainzer CDU-Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner im September 2015 unter der Mombacher Hochbrücke mit seinem Plan für eine Innenstadttangente samt neuer Rheinbrücke. – Foto: gik

Schreiner schlug damals vor, anstelle der Hochbrücke eine vierspurige Innenstadttangente zu bauen, die von der Zwerchallee auf der alten Trasse unter der Hochbrücke zum Hauptbahnhopf führen und die Rheinallee sowie die Innenstadt vor Durchgangsverkehr entlasten könne – samt Anbindung an eine neue Rheinbrücke. Die Mainzer Brücken bräuchten dringend eine Entlastung, sagte Schreiner, und sinnierte: Eine neue Rheinbrücke könne ja vielleicht auch mehrstöckig sein, unten Bahnen fahren oder Autos, oben eine Querung für Radfahrer und Fußgänger – „wie die Brooklyn Bridge in New York….“

Nun könnten die neuen Brückenträume schneller Realität werden als gedacht: Wiesbaden treibt die Vorplanungen voran, auch weil man dort Bedenken gegen die Citybahn ausräumen will. Die sechs potenziellen Brückenstandorte seien „unter städtebaulichen Gesichtspunkten geprüft worden“, sagte Kötschau. Eine umfassende Netzprüfung zu Auswirkungen auf das Verkehrsnetz, Entlastungen der übrigen Brücken und Verkehrsverlagerungen soll in Kürze in Auftrag gegeben werden.

Im Mainzer Rathaus äußert man sich indes zurückhaltend. Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) befürchtet negative Auswirkungen auf den Mainzer Innenstadtverkehr. „Je nach Ergebnis dieser Potenzialabschätzung sind die Auswirkungen für das innerstädtische Verkehrsnetz abzuwägen und hierdurch auch eventuelle Standorte auszuschließen“, antwortete Ebling im Februar auf eine Anfrage der SPD im Stadtrat. Die Grünen lehnen eine weitere Rheinbrücke ohnehin strikt ab: „Wir wollen keine weitere Rheinbrücke in Mainz, die zusätzlichen Autoverkehr in die Innenstadt ziehen würde und für die kein geeigneter Standort im Stadtgebiet vorhanden ist“, heißt es im Kommunalwahlprogramm für die Wahl am 26. Mai. Für eine weitere Rheinbrücke ist hingegen die FDP.

Die CDU-Opposition sieht hingegen Chancen, auch für Gewerbeentwicklungen entlang der neuen Innenstadttangente, und fordert eine neue Rheinbrücke gerade zwischen Mainz und Wiesbaden. Frankfurt habe zwölf Innenstadtbrücken über den Main, Mainz ganze drei – „wir in Mainz sind abgehängt“, klagt CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig: „Wer Menschen verbinden will, muss Brücken bauen.“

Info& auf Mainz&: Mehr über die Träume und Pläne einer Brooklyn Bridge für Mainz lest Ihr hier bei Mainz&, unseren Bericht von der Pendlerstudie 2018 findet Ihr hier bei Mainz&.

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