Es sind oft die kleinen Dinge, die große Wünsche sind: Einmal noch eine Pizza essen. Eine schicke Jacke. Ein Fotoshooting. Ein Besuch in einem Freizeitpark. Es sind solche Wünsche todkranker Kinder, die Barbara Ritter wahr macht. Vor zehn Jahren gründete die Wiesbadenerin ihre „Initiative Wunschtraum“, gemeinsam mit ihrer Freundin Noretta Labriola hat sie seither unzählige Träume wahr gemacht – unbürokratisch, schnell, diskret. Es begann in der Kinderkrebsstation der Mainzer Universitätsklinik, doch der „Wunschtraum“ ist längst auch in Sterbehospizen und Kliniken beidseitig des Rheins tätig. Mainz& hat die agile 74 Jahre alte Helferin mit der markanten rauchigen Stimme in ihrer Wohnung in Wiesbaden getroffen.

Barbara Ritter an dem Schreibtisch, an dem sie Wünsche todkranker Kinder erfüllt. – Foto: gik

Es begann alles vor zehn Jahren mit einem Achtzehnjährigen, der unbedingt ins Musical „König der Löwen“ wollte. Das Problem des jungen Mannes: „Er hatte nicht mehr lange zu leben“, erinnert sich Barbara Ritter, der junge Mann in der Mainzer Uniklinik hatte Krebs. Natürlich gibt es Vereine, die Wünsche von sterbenskranken Kindern erfüllen, doch meist dauert das länger, so wie in diesem Fall. „Die wollten erst eine Versammlung machen und sagten dann: der ist zu alt“, sagte Ritter, und man merkt, dass sie das noch immer fassunglos macht.

„Ich ruf mal ein paar Leute an“, sagte die agile Wiesbadenerin mit der markanten rauchigen Stimme, nach ein paar Stunden hatte sie das Geld für den Musicalbesuch zusammen. Einen kleinen Löwen kauften sie auch noch – doch es war zu spät: Der junge Mann bekam noch die Nachricht, aber zwei, drei Tage später war er tot. „Da habe ich gesagt, du kannst so etwas nicht mit Vereinsstrukturen stemmen, es muss viel schneller gehen“, erzählt Ritter – es war die Geburtststunde der „Initiative Wunschtraum“.

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Seit zehn Jahren erfüllen Barbara Ritter und ihre Freundin Noretta Labriola nun schon Wünsche für todkranke Kinder, kürzlich wurden sie dafür vom Land Hessen als „Menschen des Respekts“ ausgezeichnet. Binnen einer halben Stunde kann sie helfen, wenn nötig – unbürokratisch, mit Hilfe von Spendern. Einen Verein haben sie nie gegründet, Spendenquittungen stellen sie nicht aus – „wer wirklich kranken Kindern helfen will, hilft“, sagt Ritter: „Wir kümmern uns sofort. Ein Computer, die Idee, ein paar Kontakte – das war’s.“

Es war auch der Tod ihres geliebten Neffen, der junge Mann auf dem Gemälde, der Ritter zu ihrer Initiative Wunschtraum inspirierte. – Foto: gik

Aus ihrer Wohnung am Wiesbadener Neroberg heraus managt Barbara Ritter die Erfüllung der Wünsche, die oft die letzten der Kinder sind. Ihre Freundin Labiola steuert die Verwaltung per Computer, Ritters wichtigstes Instrument ist das Telefon, damit erreicht sie ihr Netzwerk aus Spendern. Die Wünsche haben meist einen Wert von bis zu ein paar hundert Euro, oft auch weniger.

„Einer wollte Ballon fliegen, ein anderer an einen Flugsimulator, da kannte ich einen, also haben wir ihn hingebracht“, erzählt Ritter. Die Wünsche können auch Kleidung betreffen, eine schicke Jacke, oder mal einfach nur Pizza essen gehen. „Die meisten Kinder kommen aus sozial schwachen Verhältnissen“, sagt Ritter, die Eltern hätten oft wenig Geld. Auch den Geschwisterkindern helfe der Wunschtraum oft, „die leiden nämlich auch“, sagt Ritter.

Die 74-Jährige weiß, wie es ist, jemanden zu verlieren. 1988 war es, als ihr Neffe starb, mit nur 22 Jahren, bis heute hängt das Bild des großen, blonden jungen Mannes an einem Ehrenplatz in ihrer Wohnung. Wie ein eigener Sohn sei er gewesen, binnen eines halben Jahres war er tot, am Krebs, erzählt sie. Die Arbeit der Initiative Wunschtraum – es ist auch ein Stück das Vermächtnis des jungen Mannes.

Auch Ritters Vater Karl Wehnert starb an Krebs, 1959 war das. Wehnert hatte einen Textilgroßhandel, der Bruder übernahm mit 17 Jahren die Firma. „Mein Elternhaus steht gegenüber der Dienstvilla des Ministerpräsidenten“, sagte sie lachend. Ritter selbst lernte in Internaten in Garmisch-Partenkirchen und in England, absolvierte die höhere Handelsschule, machte auch mal eine Ausbildung als Kosmetikerin, arbeitete ein Jahr in einer Parfümerie. Als die Pleite ging, eröffnete Ritter gemeinsam mit dem Bruder einen Kinderladen, 1966 war das.

1970 heiratete sie, einen Bauingenieur, das untätige Eheleben hielt sie nicht lange aus: „Das Pferd von meinem Mann bekam Bronchitis, da haben wir einen Hof gemietet im Taunus“, erinnert sich Ritter, „da war noch Platz, da haben wir noch ein paar Pferde reingeknäuelt.“ Zehn Pferde standen zu Hochzeiten dort, dazu vier Ziegen, Hund und Katze. Zehn Jahre lang betrieb sie den Pferdehof, arbeitete danach im Möbelgroßhandel, verkaufte auch mal Küchen. Schließlich engagierte sie sich ehrenamtlich bei Bärenherz, so kam es auch zum Kontakt mit den todkranken Kindern.

Der erste junge Mann hatte in der Mainzer Uniklinik gelegen, „das sprach sich da so rum, und wir haben das auch rumerzählt“, sagt Ritter, „und dann kamen die Anrufe.“ Meist melden sich Kliniken oder Sterbehospize, Ärzte oder Betreuer aus dem Mainz-Wiesbadener Raum beim Wunschtraum, oft laute der Wunsch ein Besuch in einem Freizeitpark, bei Mädels sei es oft ein Fotoshooting. Einer Mutter bezahlen sie die Fahrtkosten zu ihrem schwerkranken Kind, einem Jungen, der ständig mit dem Rollstuhl herumfetzt, die Brille. „Es gibt so viel Hilfsbereitschaft“, sagt Ritter, „man wird da sehr dankbar.“

Wie viele Wünsche sie in den zehn Jahren erfüllt hat? „Unmengen“, sagt Ritter, „Tausende.“ Und wie lange will sie noch Wünsche erfüllen? „Wir machen das, so lange wir stabil sind“, sagt Ritter, „Ich bin doch fit – und man kann doch nicht einfach rumsitzen, wenn so viel Hilfe überall gebraucht wird.“

Info& auf Mainz&: Die Initiative Wunschtraum findet Ihr hier im Internet.

 

 

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