Die angekündigte Fusion der Warenhausketten Kaufhof und Karstadt richtet den Blick in Mainz wieder auf die Umgestaltung der Ludwigsstraße: Mit einer Fusion dürfte in Mainz nur eines der beiden Kaufhäuser überleben, das eröffnet neue Möglichkeiten für die geplante Einkaufsmeile und die Aufwertung der Ludwigsstraße. Die Bürgerinitiative Ludwigsstraße fordert nun in einem Offenen Brief, die bisherigen Planungen zu überdenken, den Verkauf der Plätze zu revidieren und eine grundlegende städtebauliche Planung mit mehr Berücksichtigung für Klimawandel und Aufenthaltsqualität auf den Weg zu bringen. Die Bürger müssten an all dem beteiligt werden, und zwar jetzt, fordert die BI – und droht mit einem Bürgerbegehren. Neue Ideen für die LU entwickelt derweil auf der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster: Er schlägt vor, das Gutenberg-Museum in das Karstadt-Kaufhaus zu verlagern.

Was wird aus dem Mainzer Karstadt? Nach der Fusion mit Kaufhof dürfte das Haus vor dem Aus stehen, glauben Experten´. – Foto: gik

Vor genau einem Jahr gab der Ingelheimer Bauunternehmer Dirk Gemünden gemeinsam mit einer Investorengruppe den Kauf der Karstadt-Immobilie an der Ludwigsstraße bekannt, doch seit dem Paukenschlag ist nach außen nicht viel passiert: Die Rhein-Nahe-Immobilien GmbH, offizielle Besitzerin der Liegenschaften, gab zwar bekannt, man wolle ein Einkaufszentrum mit einer Größe von 17.000 Quadratmetern realisieren, doch da standen die Verhandlungen vor allem mit dem Karstadt-Eigentümer Rene Benko noch aus.  Im Mai teilte Gemünden dann mit, die Weiterentwicklung der LU schreite „erfolgreich voran“: Bereits ab 1. Juli stünden „heute bereits nicht mehr genutzte Teilflächen von Karstadt für den ersten Schritt der Projektentwicklung an der Ludwigsstraße zur Verfügung.“ Man plane „eine zeitgemäße Konzeption, die stationären Einzelhandel und digitalen Vertrieb miteinander verbindet“, hieß es weiter, der Einkauf an der Ludwigsstraße solle „zum Erlebnis werden“, man könne nun in die konkrete Planung einsteigen.

Gerster: Gutenberg-Museum ins Karstadt-Kaufhaus

Nun aber gaben Karstadt und Kaufhof bekannt: die Fusion der beiden Warenhausketten kommt – und damit stehen bundesweit die Filialen beider Ketten auf dem Prüfstand. Experten erwarten zahlreiche Schließungen und den Wegfall Tausender Jobs, in Mainz könnte damit das ohnehin stark veraltete Karstadt-Warenhaus vor dem Aus stehen. „Mit der Fusion von Karstadt und Kaufhof glaubt ja wohl kein Mensch, dass in Mainz zwei Kaufhäuser in der heutigen Kategorie Kaufhof und Karstadt Zukunft haben werden“, reagierte etwa der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster via Facebook auf die Pläne. Und Gerster forderte auch gleich, bei der Stadtverwaltung „müssten jetzt die grauen Gehirnzellen auf Hochtouren kommen.“ Die Fusion eröffne neue Chancen für die Ludwigsstraße – und für das Gutenberg-Museum.

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„Vorschlag eins“, schreibt Gerster weiter: „Der heutige Kaufhof wird der neue Karstadt/Kaufhof.“ Dann nämlich könne der heutige Karstadt das neue Gutenberg-Museum werden, mit Eingang vom Gutenbergplatz aus. „Das heutige Gutenbergmuseum schafft Platz für neue Wohnungen“, so Gerster weiter. Die Stadt müsse nun endlich Bund, Land und unter Umständen sogar die EU für die Planungen rund um das neue Gutenberg-Museum ins Boot holen.

BI LU fordert Wende in der Stadtentwicklungsplanung – Öffentliche Plätze nicht verkaufen

Die Plätze zwischen den Pavillons sollen verschwinden, die Stadt will sie an den Investor Gemünden verkaufen – und der sie bebauen. – Foto: gik

Auch die Bürgerinitiative Ludwigsstraße klagt, die Stadt sei auch in dem Jahr seit dem Verkauf an der LU weiter untätig geblieben: Die Stadt warte weiter nur die Pläne der Investoren ab, „anstatt mit eigenen Vorstellungen und Erwartungen an die Eigentümer den Planungsprozess und die Entwicklung mit klaren städtebaulichen Vorgaben in die Hand zu nehmen, zu steuern und endlich voranzubringen“, kritisierte BI-Sprecher Hartwig Daniels im Gespräch mit Mainz&. Mit der Fusion von Karstadt und Kaufhof werde in die Pläne jetzt wieder Bewegung kommen, glaubt auch Daniels – genau deshalb fordere die Bürgerinitiative die Stadt jetzt auf, an der LU endlich eine eigene städtebauliche Planung vorzulegen.

„Die geplante Bebauung des Karstadt-/ Deutsche-Bank-Geländes an zentraler Stelle der Stadt muss eine Wende in der Stadtentwicklungsplanung in Mainz einläuten“, fordert die BI in einem Offenen Brief an Politik, Medien und Öffentlichkeit, der uns natürlich vorliegt. „Auf keinen Fall darf es an der Ludwigsstraße einen zweiten „Binger Schlag“ geben, indem den Investoren an der Ludwigsstraße auch noch jeder Quadratzentimeter öffentlicher Fläche bis an die Ludwigsstraße heran für eine geschlossene Blockbebauung überlassen wird“, fordert die BI. Es brauche ein grundlegendes Umdenken in der Stadtplanung, und zwar gerade vor dem Hintergrund des Sommers 2018: „Das Jahr 2018 hat uns erneut einen extremen Sommer beschert und alle, die die Monate Juli und August in Mainz verbracht haben, mussten erleben, wie unerträglich städtisches Leben in Zukunft zwischen Beton und Glas sein wird, wenn wir nicht bald unsere Stadt nach dem Vorbild anderer Städte für zukünftige Hitzeperioden wappnen“, warnt die BI.

Noch sind die Pläne für das Karstadt-Areal unscharf, CDU-Mann Johannes Gerster würde hierhin gerne das Gutenberg-Museum verlegen. – Foto: gik

Der Zusammenschluss Mainzer Bürger hatte bereits auf seiner Mitgliederversammlung im Mai einstimmig einen Beschluss gefasst, die öffentlichen Flächen an der LU müssten unbedingt erhalten bleiben. Allerdings hat der Stadtrat bereits Ende 2017 beschlossen, die Flächen zwischen den Pavillons an den Investor Gemünden zu verkaufen. Nach dessen Plänen sollen die alten Pavillons verschwinden und durch eine durchgehende Bebauung ersetzt werden, die bis zur heutigen Vorderkante der Pavillons reichen wird – und zwar über die gesamte Breite hinweg. Grünflächen werde es dort künftig nicht geben können, sagte Bauunternehmer Tim Gemünden bei der Vorstellung der Pläne Anfang September 2017 explizit, damit der Handel auf der LU funktioniere, brauche man eine Flaniermeile, und die wolle man dort schaffen.

BI fordert Umdenken hin zu Entsiegelung, Begrünung und Erhaltung des öffentlichen Raums

„Der Stadtratsbeschluss steckt uns weiter in den Knochen“, sagte Daniels nun, der Stadtrat habe damals „ohne Not einen Vorratsbeschluss gefasst“. Anstelle erst einmal die konkreten Planungen abzuwarten, habe man sich beim Verkauf der Plätze festgelegt, das werde sich rächen, glaubt die BI: Angesichts des Klimawandels mit immer heißeren Sommern „muss ein Umdenken hin zu Entsiegelung, Begrünung und Erhaltung des öffentlichen Raums erfolgen“, fordert sie. „Seit Anfang April ist kaum Regen gefallen, es gab echte Heißzeitperioden in Mainz, alles ist ausgetrocknet“, sagt Daniels, „da müssen wir doch mal drüber nachdenken: wie wollen wir denn in zehn Jahren leben? Diese Entscheidungen muss man heute treffen!“

Die Stadt müsse „als Lebensraum ausgebaut“ werden, die Stadtverwaltung im Interesse der Stadtgesellschaft handeln, fordert die BI in ihrem Offenen Brief weiter, öffentlicher Raum dürfe „nicht weiter zu Gunsten von privaten Interessen verkleinert werden.“ Der derzeitige Umgang mit öffentlichem Raum „und die häufig gesichtslose Betonarchitektur etwa am Binger Schlag oder am Zollhafen zeugen davon, dass den wirtschaftlichen Interessen von Investoren Vorrang vor nachhaltigen, zukunftsfähigen Konzepten eingeräumt wurde.“ Auch an der LU drohe der Weg vom Schillerplatz zum Gutenbergplatz in „einer tunnelähnlichen Gebäudeflucht“ zu verschwinden.

Die BI Ludwigsstraße fürchtet, dass aus der LU nach der Neubebauung ein enger Tunnel wird. – Foto: gik

Die bereits sehr dicht bebaute Innenstadt brauche „dringend“ eine Neuausrichtung hin zu neuen Grünflächen, Bäumen sowie Fassaden- und Dachbegrünung. Studien hätten längst gezeigt, dass diese das Stadtklima erheblich verbessern könnten und sich so die Temperatur in den Innenstädten sogar um mehrere Grad absenken ließe. „Im Städtebau in Mainz sind diese Erkenntnisse jedoch bis heute kaum berücksichtigt worden“, kritisiert die BI weiter: „Im Vorfeld der Kommunalwahl und der Oberbürgermeisterwahl 2019 erwartet die BI Mainzer Ludwigsstraße eine Abkehr vom ‚Investorenstädtebau‘ und eine erklärte Hinwendung zu zukunftsorientierten Konzepten.“

BI: Ebling versprach 2011 selbst Bürgerbegehren

An der LU brauche es endlich ein Gesamtkonzept vom Gutenbergplatz bis zum Schillerplatz und einen städtebaulichen Wettbewerb, fordert die BI – und dazu eine Bürgerbeteiligung. Die Ergebnisse der Ludwigsstraßen Foren seien zwar weiter eine gute Grundlage, „da sich aber die Ausgangslage mit Eigentümern und deren Planungen geändert haben, sollten an den kommenden Planungsschritten die Bürger angemessen und vor allem frühzeitig, nämlich jetzt, beteiligt werden“, heißt es in dem Offenen Brief. Sollte die Verwaltung das nicht beherzigen und „die Flächen dennoch ohne die angemessene Öffentlichkeitsbeteiligung an die Investoren veräußern“, werde die BI einen Bürgerentscheid initiieren. Und damit werde die BI schlicht das 2011 „durch den Oberbürgermeister abgegebene Wahlversprechen realisieren“, sagt die BI, und verweist auf ein Video von Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) vom Dezember 2011.

Darin sagte Ebling, es dürfe an der LU „keinesfalls Investitionen um jeden Preis geben“, an der LU müsse „etwas entstehen, was einzigartig ist und nach Mainz passt“, eine durchlässige Bebauung „mit Wegen zum Passieren und Flanieren.“ Und Ebling fügte noch hinzu: „Ich wünsche mir am Ende einen Bürgerentscheid, die Mainzer sollen selbst entscheiden können, ob sie eine Bauveränderung haben wollen oder sie ablehnen.“ Bei einem so polarisierenden Thema sei das ein Stück Befriedung in der Stadt, sagte Ebling noch. Das ganze Video könnt Ihr Euch selbst hier auf Youtube ansehen.

Info& auf Mainz&: Die vor einem Jahr vorgestellten Pläne der Investoren um die Baufirma Dirk Gemünden zur Ludwigsstraße könnt Ihr hier noch einmal bei Mainz& nachlesen. Dass die LU tatsächlich einmal als Korridorstraße oder Boulevard geplant war, das haben wir hier aufgeschrieben. Mehr zur Bürgerinitiative Ludwigsstraße findet Ihr hier auf der Internetseite der BI, den Offenen Brief gibt es da allerdings leider (noch?) nicht einzusehen. Kommt ja vielleicht noch ;-).

 

 

 

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