Lange wurde es diskutiert und gefordert, nun soll es endlich kommen: Die Mainzer Parteien wollen noch in diesem Jahr ein echtes Sozialticket für den Öffentlichen Nahverkehr auf den Weg bringen. Kurioserweise lehnte die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP einen genau so lautenden Antrag der Mainzer Linken im Stadtrat im September erst einmal ab – so einfach gehe das nicht, behaupteten die Koalitionsfraktionen. Doch gleichzeitig bekräftigten vor allem SPD und Grüne: Ein Sozialticket werden nun endlich kommen, noch in diesem Jahr werde man eine Vereinbarung mit dem Land dazu auf den Weg bringen. Bei der Landesregierung wollte man das nicht bestätigen, nicht einmal Stellung zur Diskussion nehmen. Unterdessen wirbt ein „Bündnis für Mobilität“ am Freitag in Mainz für die Einführung eines Sozialtickets – flächendeckend, einheitlich und diskriminierungsfrei.

Ein Sozialticket in ganz Rheinland-Pfalz für alle fordert das „Bündnis für Mobilität“, Mainz will dabei voran gehen. – Plakat: Bündnis für Mobilität

„Wir stehen zur Einführung eines Sozialtickets, das dem Kostenansatz für Hartz IV entspricht“, sagte die Fraktionschefin der SPD im Mainzer Stadtrat, Alexandra Gill-Gers, in der September-Sitzung des Mainzer Stadtrats, und bekräftigte dann auch gleich: „Ich gehe fest davon aus, dass es noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht wird.“ Das wäre allerdings eine Neuigkeit: Mainz wäre die erste Kommune in Rheinland-Pfalz, die ein echtes Sozialticket umsetzen würde. Bislang gibt es in Mainz für Empfänger sozialer Leistungen nur eine um 25 Prozent reduzierte Monatskarte, die kostet aber noch immer knapp 60,- Euro.

Der Regelsatz für Mobilität in den Hartz IV-Leistungen beträgt aber lediglich knapp 28 Euro, viele Leistungsempfänger könnten sich das Busticket schlicht nicht leisten, klagen Sozialverbände seit Langem. „Menschen mit geringem Einkommen müssen wählen: essen oder Bus fahren“, kritisiert das „Bündnis von Mobilität“, in dem 17 Sozialverbände, Gewerkschaften und Verkehrsinitiativen zusammengeschlossen sind. Die Konsequenz sei soziale Isolation mit entsprechenden gesamtgesellschaftlichen Folgen, warnt das Bündnis.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Auch im Mainzer Landtag wird das Thema diskutiert, erst im Juni veranstaltete der Landtag eine Anhörung zum Sozialticket. Vor allem SPD und Grüne sind für die Einführung, doch bislang scheiterten alle Versuche am Geld: Zwischen 7 und 10 Millionen Euro würde nach Angaben der SPD-Landtagsfraktion die Einführung eines solchen Tickets landesweit kosten. Allein in Mainz würde ein echtes Sozialticket rund 600.000 Euro nötig machen, sagte Gill-Gers, die Mainzer Verkehrsbetriebe könnten das nicht stemmen: „Ein Risiko für ein Sozialticket kann das Unternehmen nicht eingehen.“

Bezahlbare Busse und Bahnen für alle Menschen in der Gesellschaft, das soll das Sozialticket bewirken. – Foto: gik

Grundlage für ein Sozialticket wären Inhaber eines Sozialausweises, 18.000 Mainzer wären demnach nach Angaben des Mainzer Sozialdezernenten Eckard Lensch (SPD) für ein Sozialticket berechtigt. Nur ein Bruchteil von ihnen beziehe derzeit das verbilligte Monatsticket. „Wir sehen eine Notwendigkeit, dies zu verändern“, betonte Lensch im Stadtrat. Auch Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) äußerte Sympathie für das Sozialticket: Mobilität für sozial schwächer gestellte Menschen erschwinglicher zu machen, sei die absolut richtige Stoßrichtung, sagte Ebling im Juli.

Ebling reagierte damit auf einen Vorstoß der Grünen: „Wir fordern den ÖPNV als Pflichtaufgabe zu verankern“, sagte der Mainzer Grünen-Landtagsabgeordnete Daniel Köbler auf Mainz&-Anfrage. Bislang seien solche Projekte als „freiwillige Leistungen“ in den Kommunen eingestuft, damit könne die Kommunalaufsicht Ausgaben für ein Sozialticket untersagen. Ein solches Ticket müsse aber kommen, die Grünen wollten das deshalb in die Haushaltsberatungen des Landes zum Doppelhaushalt 2019/2020 einspeisen.

Auch bei der SPD-Landtagsfraktion hatte man sich nach der Anhörung im Juni noch ausweichend geäußert: Auch Menschen mit geringem Einkommen müssten am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, auch sie hätten „ein Recht auf Mobilität“, sagte SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer zwar. Doch man brauche erst noch „eine empirische Datengrundlage“ mit konkreten Zahlen zum Kreis der Bedürftigen, die Anhörung solle erst einmal gründlich ausgewertet werden.

Das Bündnis für Mobilität hat schon mal ein Sozialticket für Rheinland-Pfalz entworfen. – Foto: gik

Bei der Mainzer SPD glaubt man indes fest an einen Erfolg: „Wir führen konkrete Gespräche mit dem Land“, sagte Gill-Gers gegenüber Mainz&, noch in diesem Jahr werde es ein Ergebnis geben. Beim rheinland-pfälzischen Sozialministerium mochte man das bisher noch nicht bestätigen. Das Thema werde „derzeit im politischen Raum noch offen diskutiert“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage lediglich. Auch bei den Grünen sieht man indes nach acht Jahren Bemühungen ein Sozialticket in Reichweite: „Wir wollen ein Landesprogramm zum Sozialticket“, sagte die Grünen-Fraktionschefin im Mainzer Stadtrat, Sylvia Köbler-Groß, und betonte: „Die Perspektive ist gut.“ Der Auftrag, das Problem zu lösen, bestehe nach wie vor. Tatsächlich war die Einführung eines Sozialtickets Bestandteil des Koalitionsvertrags der Mainzer Ampel-Koalition – im Mai 2019 sind Kommunalwahlen.

Am Freitag will das „Bündnis für Mobilität“ auch angesichts weiter steigender Preise im ÖPNV in diesem Herbst nun Druck auf die Politik machen. „Selbstbestimmte Mobilität ist eine elementare Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe“, betont das Bündnis in einem „Fünf Punkte Papier“, Armut werde aber durch hohe Kosten für Mobilität im ÖPNV verschärft. „Das Land Rheinland-Pfalz trägt Verantwortung dafür, Armut zu bekämpfen und Mobilität für alle zu gewährleisten“, fordern die Mitglieder.

Es brauche ein flächendeckendes Sozialticket im gesamten Nahverkehrsnetz des Landes Rheinland-Pfalz und für alle Verkehrsträger, dessen Kosten für die Benutzer nicht über dem Regelbedarfsanteil liegen dürften. Das Ticket solle zudem inhaltlich und optisch einer normalen Fahrkarte gleichen, damit seine Nutzer nicht diskriminiert würden. Und die Betroffenen müssten es unbürokratisch ohne großen Aufwand erhalten können.

Info& auf Mainz&: Der Aktionstag Sozialticket des Bündnisses „Mobilität für alle“ findet am Freitag, den 19. Oktober 2018 um 14.00 Uhr vor dem Mainzer Hauptbahnhof statt.

 

 

 

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein