Die Anwohner der neuen Mainzelbahn-Strecke in Bretzenheim sind weiter unzufrieden mit der Reaktion der Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) auf ihre Probleme mit der neuen Bahn. Inzwischen seien sieben Wochen seit der Inbetriebnahme der Mainzelbahn vergangen, trotz zahlreicher Schreiben gebe es „keinerlei spürbare Verbesserungen“, sagte der Sprecher der Anwohner, Architekt Andreas Horn, gegenüber Mainz&: „Wir werden bis zum Wochenende entscheiden, ob wir klagen.“ Die Anwohner hoffen derzeit auf die Stadtratssitzung am 8. Februar, dort will die CDU-Opposition noch einmal energisch nachhaken. Am Dienstag meldeten sich nun aber SPD, Grüne und FDP zu Wort: „Anlaufschwierigkeiten könnten verbessert werden“, teilten die Fraktionen der regierenden Ampel-Koalition mit.

Mainzelbahn in Bretzenheim rot
Anwohner berichten weiter von Problemen mit der Mainzelbahn – Foto: gik

Seit dem 11. Dezember rollt nun die neue Mainzelbahn, in Bretzenheim verläuft die Strecke nur wenige Meter von Häusern entfernt. Mehr als 20 Anwohner meldeten sich deshalb im Januar bei der MVG – und beschwerten sich über massive Erschütterungen ihrer Häuser. Wackelnde Betten und ratternde Bahnen machten nächtlichen Schlaf unmöglich, von klirrenden Gläsern und tönenden Klangschalen wurde berichtet, aber auch von Rissen in Häusern und bröckelndem Putz – Mainz& berichtete ausführlich. Die MVG reagierte schnell und versprach, einen Gutachter zu schicken, zudem wurde ein Tempolimit für die Bahnen von 30 Stundenkilometern in Bretzenheim verhängt.

Anwohner: unabhängiger Gutachter gefordert, Klage womöglich nächste Woche

„Eine spürbare Reduzierung ist nicht zu verzeichnen“, sagte Horn nun Mainz&, auch nach dem Tempolimit nicht. Inzwischen ist die Liste der Beschwerde führenden Anwohner auf 28 Adressen und knapp 40 Personen gewachsen, die Liste liegt Mainz& vor. Die Menge mache bewusst, „in welcher Massivität die Mainzelbahn die Bewohner in Bretzenheim in ihrem Leben beeinflusst“, heißt es in einem Schreiben. Die Belästigungen durch die Mainzelbahn seien kein Einzelfall, „so dass hier seitens der MVG dringender Handlungsbedarf besteht.“ Dem Schreiben beigefügt ist zudem eine von den Anwohnern geführte Liste aller vorbeifahrenden Bahnen binnen zwei Stunden am 7. Januar, die genau das Rattern jeder Bahn erfasst und auch deren exakte Nummer, Uhrzeit und Fahrtrichtung angibt.

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Dazu fordern die Anwohner weiter einen unabhängigen Gutachter, der nicht aus Mainz komme und bisher mit der Mainzelbahn-Thematik nicht betraut war. Der von der MVG angekündigte Experte sei bereits im Genehmigungsverfahren für die MVG tätig gewesen, sagte Horn: „Wir befürchten, er könnte deshalb voreingenommen sein.“ In einem Schreiben schlägt der Anwalt der Anwohner deshalb vor, den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Mainz zu bitten, einen einschlägigen Sachverständigen zu bestimmen, der dann von beiden Parteien beauftragt und auch akzeptiert werde. Der Anwalt hatte dafür eine Frist bis zum 27. Januar gesetzt, eine Antwort habe man aber noch nicht, sagte Horn. „Wir überlegen jetzt sehr ernsthaft, ob wir klagen“, betonte er, „das werden wir bis zum Wochenende entscheiden.“ Man werde „weitere Hinhaltetaktiken nicht akzeptieren.“

Mainzelbahn am Ostergraben ohne Bahn
Warten auf das Ende des Frostes? Am Ostergraben sollten längst Rasengleise liegen – Foto: gik

Anwalt: Warten auf Ende des Frostes nicht hinnehmbar

Die MVG hatte den Anwohnern in einem Schreiben mitgeteilt, die Messungen der Erschütterungen könnten erst „in absehbarer Zeit“ erfolgen, denn bei der derzeitigen Kälte werde der Schall durch den gefrorenen Boden besonders gut übertragen. Der genannte Zeitpunkt sei nicht akzeptabel, kritisiert der Anwalt, man habe doch schon bei der Planung gewusst, dass es Bodenfrost geben werde, dies „wäre also schon bei der Planung und insbesondere bei der Ausführung zu berücksichtigen gewesen.“ Auch sei es „nicht hinnehmbar“, dass die betroffenen Anlieger auf Nachbesserungen wie Schweißarbeiten „aus witterungsbedingten Gründen – bis mindestens Ende Februar, möglicherweise also auch länger“ zu warten hätten und „die unzumutbaren, gesundheitsschädigenden Erschütterungen hinzunehmen haben.“ Dann müsse die Straßenbahn eben noch langsamer fahren, etwa 10 bis 15 Stundenkilometer.

Noch hoffen die Anwohner allerdings auf Druck aus der Politik: Im Stadtrat am 8. Februar will die CDU noch einmal nachhaken, die Opposition hatte die Mängel ja scharf kritisiert und auch Nachbesserungen beim Fahrplan gefordert. Es gebe massiven Frust wegen ausgedünnter Buslinien und gekippter Verbindungen, so dass viele „jetzt wieder Auto fahren“, sagte die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel. „Bei uns in Ebersheim kommt seit Wochen kaum ein Bus pünktlich an – aus Richtung Mainz liegt es an der Mainzelbahn“, schrieb ein Leserin Mainz&. In Nieder-Olm werde die Haltestelle Selztalschule gar nicht mehr angefahren, für Schulkinder aus Ebersheim komme so noch ein längerer Schulweg hinzu.

Ampel-Fraktionen: bereits erhebliche Fortschritte bei Nachbesserungen

Mainzelbahn in Bretzenheim Marienborner Straße neu
Im Bretzenheimer Ortskern gab es nun schon zwei Unfälle mit der Mainzelbahn – Foto: gik

Nun meldete sich auch die im Rathaus regierende Ampel-Koalition zu Wort: Es gebe „Anlaufschwierigkeiten“, man habe deshalb „die verschiedenen Anliegen mit der MVG-Geschäftsführung sowie der Mainzer Verkehrsdezernentin intensiv erörtert, um sich ein Bild von der aktuellen Lage machen zu können“, teilten die drei Fraktionschefs Eckart Lensch (SPD), Sylvia Köbler-Gross (Grüne) und Walter Koppius (FDP) mit. Es könnten aber „Dank der ständigen Abstimmung zwischen MVG und Verwaltung sowie regelmäßiger technischer Nachbesserungen bereits erhebliche Fortschritte bei der Behebung der Probleme mit den neu eingerichteten Lichtsignalanlagen vermeldet werden.“

Allerdings kam es am 26. Januar erneut zu einem Unfall mit der Mainzelbahn, als eine 49 Jahre alte Fahrerin mit ihrem Auto mit einer Bahn kollidierte – es war bereits der zweite Unfall auf der Bretzenheimer Strecke an Heckerpfad und Ostergraben binnen weniger Tage. Nicht alle Anliegen hätten „teils auch aufgrund der derzeitigen Witterungsverhältnisse mit dem Dauerfrost“, gelöst werden können, heißt es in der Mitteilung der Ampel-Fraktion weiter. Die Mainzelbahnen sollten aber ab Mittwoch mit größerer Taktung zum Lerchenberg fahren, um das Aufeinanderfolgen verschiedener Bahnen hintereinander zu entzerren. Auf der Homepage der MVG war zu lesen, dass ab dem 1. Februar die Straßenbahnlinien 51 und 53 auf dem Lerchenberg bis zu vier Minuten früher abfahren, ab Bahnhof blieben die Zeiten wie gehabt.

Abfahrten der Mainzelbahn ab Lerchenberg verändert

„Die Anliegen von mehreren Anwohnern, die über erhöhten Lärm und Körperschall berichten, sind auch für uns ein ernst zu nehmendes Thema“, so die drei Fraktionsvorsitzenden weiter. Die MVG habe nochmals zugesagt, zügig Körperschallmessungen durch einen vereidigten Gutachter erstellen zu lassen. „Wir möchten aber alle auch um etwas Geduld und Verständnis bitten, dass solch ein Vorhaben aufgrund nicht immer beeinflussbarer Faktoren nicht direkt umsetzbar ist“, fügten sie hinzu. Die Mainzelbahn sei aber „trotz der Startschwierigkeiten ein Erfolg und eine Bereicherung für ganz Mainz.“ Man wolle deshalb „der MVG und der Verwaltung das  Vertrauen und den Dank dafür aussprechen“, dass alle Seiten „weiterhin unermüdlich daran arbeiten, die noch offenen Probleme schnellstmöglich zu aller Wohl abzustellen.“

Info& auf Mainz&: Wir bleiben dran…. Alle bisherigen Berichte zu den Problemen mit der Mainzelbahn findet Ihr unter der Rubrik Verkehr& auf Mainz&, eine Stellungnahme der MVG zuletzt in diesem Text. Mehr zur Änderung der Mainzelbahn-Fahrzeiten ab dem 1. Februar findet Ihr hier bei der MVG.

 

 

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