Sie ist heute eine der Kult-Weinstuben in Mainz: Das Weinhaus Michel in der Mainzer Altstadt. Vor 25 Jahren gab es hier noch Trockenblumen in den Fenstern und altbackene Gemütlichkeit, heute ist aus der Weinstube ein Restaurant mit gehobenen Winzergenüssen und ein cooler Kultur-Keller geworden. Die Verwandlung trägt maßgeblich einen Namen: Astrid Michel, Wirtin im Weinhaus Michel, Sommeliere und gebürtige Bonnerin. Eigentlich wollte Astrid Michel Floristin werden – doch dann verliebte sie sich erst in Winzer und Weinhauschef Stefan Michel und dann in den rheinhessischen Dialekt. Heraus kamen Weine mit rheinhessischen Persönlichkeiten, vom Schnudedunker bis zum Owwermaschores. Mainz& hat die Herrschaften und ihre Chefin getroffen – wir starten damit eine Mainz&-Serie in loser Folge über Mainzer Weinstuben.

Wein servieren, Aromen erklären, Gäste beraten – Astrid Michel in ihrer Weinstube im Weinhaus Michel. – Foto: gik

„Irgendetwas Abgefahrenes“ wollte Astrid Michel als junge Frau eigentlich machen, etwas mit Blumen, mit Inneneinrichtung. Gastronomie? „Davon hatte ich keine Ahnung“, sagt die 48-Jährige und muss lachen. Kein Wunder: Heute leitet Astrid Michel gemeinsam mit ihrem Mann Stefan eine der bekanntesten Weinstuben in Mainz, das Weinhaus Michel, dazu ein Weingut in Weinolsheim – und schmeißt die Familie mit vier Söhnen. Und dann sind da ja noch der Schnudedunker und die Amorettsche, der Altstadtadel und der Owwermaschores, Michels Weinpersönlichkeiten.

 

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Vor 25 Jahren hatte Astrid Michel mit dem Meenzerischen noch überhaupt nichts am Hut. „Ich bin hier ausgesetzt worden und war geschockt vom Dialekt“, sagt die dynamische Wirtin – geboren und aufgewachsen ist sie nämlich in Bonn. Grafikdesign wollte sie eigentlich studieren, doch nur am Bildschirm sitzen, das war nichts. Michel lernte Floristin, nach Mainz kam sie, weil hier einer der Stars der Floristen-Szene saß, Michael Reuschenbach. In Mainz-Kostheim bezog sie eine kleine Wohnung.

Sie war kaum einen Monat in Mainz, da lernte sie schon ihren späteren Mann kennen: „Stefan kam immer zum Blumenkaufen in den Laden“, erinnert sie sich, der 1,98 Meter große Mann tat es ihr an – und entführte sie in eine völlig fremde Welt. Winzer waren die Michels von alters her, seit 1756 gibt es das Familienweingut im rheinhessischen Weinolsheim, 26 Kilometer entfernt von Mainz. 700 Einwohner gibt es dort und 14 Weingüter. Ein großes Weingut besaßen die Michels hier einst, durch Familienteilung blieben Stefan Michel vier Hektar – genug für eine breite rheinhessische Palette mit elf Rebsorten, von Riesling über Weißburgunder bis hin zu Dornfelder, Spätburgunder und Merlot.

Wenn aus der Einfahrt eine coole Weinlounge wird… dann ist man im Weinhaus Michel zu Gast. – Foto: gik

 

„Mein Schwiegervater hatte den Gedanken, sich nach Absatz in der Stadt umzusehen“, erzählt Astrid Michel, „damals wurde er belächelt, das war ungewöhnlich für die Zeit.“ Der Schwiegervater kaufte ein Haus in der Mainzer Altstadt und baute es zur Weinstube um, rustikal, wie es damals Mode war. 1978 war das, fünf Jahre später übernahm Sohn Stefan, inzwischen gelernter Hotelfachmann, die Weinstube. „Wir waren lange die einzigen, die direkt selbst ihren eigenen Wein vermarkteten“, sagt er.

1995 heirateten Astrid und Stefan Michel, und mit der jungen Rheinländerin kam frischer Wind ins Haus. „Damals gab’s noch die Plastikreben und Trockenblumen in den Fenstern“, erinnert sich Astrid Michel schaudernd, „für mich als Floristin war das hart.“ Vorsichtig begann sie, den Betrieb umzukrempeln. In Koblenz machte sie ihren Food & Beverages Manager, ein Ausbilder bemerkte ihre feine Nase: „Sie müssen Sommelier werden“, sagte er.

„Man braucht eigentlich drei Jahre Erfahrung in der Spitzengastronomie“, sagt Astrid Michel lachend, die hatte sie ebenso wenig wie die anderen Kollegen. „Ich saß da als kleines, verschrecktes Küken“, erinnert sich Michel. Doch die große Welt der Wein-Gerüche, der Kombination aus Essen und Wein, all das faszinierte sie. „Ein Gericht, 40 Weine offen – das war geil“, sagt sie.

Binnen eines Jahres machte sie ihren Wein-Sommelier, moderiert heute Weinproben und Wein-Dinner, berät die Gäste in der Weinstube. „Frauen sind als Gäste komplizierter“, sagt sie schmunzelnd. Die verschiedenen Persönlichkeiten, die Mischung zwischen Alt und Jung, dazu die Vielfalt der rheinhessischen Weinsorten brachten sie auf eine Idee: „Ich habe mir die Weine angesehen und überlegt, was wäre die Rebsorte für ein Mensch und was für ein Rhoihesse.“

Altstadtadel an der Wand und im Glas: Astrid Michel, Chefin des Weinhauses Michel. – Foto: gik

Mittlerweile nämlich hatte sich Astrid Michel mit dem Winzer auch in den rheinhessischen Dialekt verliebt. Vor acht Jahren entstanden so das flirtende „Amorettsche“ (ein Portugieser Weißherbst), der Schnudedunker (Weißweincuvee), der dem Wein so gerne zuspricht, und der „Owwermaschores“, der Drummermajor, der gerne als Angeber daher kommt – ein Riesling. Der wunderbare „Altstadtadel“ ist ein Rotweincuvee  aus Dornfelder, Cabernet Mitos und Cabernet Dorio, gereift in eckigen (!) Barriquefässern. Astrid Michel kreierte Namen und Etiketten, doch dabei blieb es nicht: Die Mainzer Mundartdichterin Hilde Bachmann schrieb kleine Geschichten zu jedem Wein, so flirtet nun das süße „Teschtelmeschtel“ uff höherem Niveau und der Merlot kommt als „Könischin der Nacht“ daher, erotisch und sinnlich.

 

Eine „Riesenspielidee sei das gewesen, sagen die Michels heute schmunzelnd, aber durchaus eine mit Hintergedanken: „Ich möchte, dass den Leuten ein Bild aufgeht“, sagt Astrid Michel, „die Leute sollen eine Idee von dem Wein bekommen.“ 16 Weinpersönlichkeiten kreierte Astrid Michel, damals eine echte Revolution. „Wir waren da schon Vorreiter“, sagt sie, „wir haben damals eine Weinissage gemacht.“

Vier Kinder stellten sich ein, alles Söhne. Der Älteste ist heute 19 Jahre, der jüngste gerade acht Jahre alt. „Das mit dem vielen Testosteron war so nicht geplant“, sagt Astrid Michel und lacht – das Zusammenspiel mit den Männern sei wunderbar. Auch in der Küche des Weinhauses arbeiten nur Männer, 25 Mitarbeiter haben sie heute. Aus der verträumten Weinstube ist längst ein boomendes Restaurant geworden mit anspruchsvoller Rheinhessenküche. Die Einfahrt wurde inzwischen zur coolen Weinlounge mit Palettenmöbeln und Weinkisten der Marke „Meenzer Buwe, Meenzer Mädsche“ – auch das eine Eigenkreation von Astrid Michel. „Weinstube ist heute total Trend, gerade auch bei Jungen“, sagt Stefan Michel: „Wir haben es geschafft, dass die die Alten es großartig finden und die Jungen hip.“

Astrid Michel im neu gestalteten Weinkeller, der Schoppestecher ist natürlich auch immer mit dabei… – Foto: gik

 

Der Preis: Eine Sieben-Tage-Woche, dazu die Familie, „das ist schon die Quadratur des Kreises“, sagt Astrid Michel nachdenklich. Seit einigen Jahren wohnt die Familie oben im Haus über der Weinstube, das hilft. „Im Grunde konnte ich das mit der Familie toll verbinden“, sagt Michel, „Kinder kriegen, arbeiten, ich konnte alles gleichzeitig.“ – „Man geht an sein Limit, und wenn man es liebt, tut man das automatisch – nur so kann man besser werden“, sagt Stefan Michel: „Wenn wir nicht lieben, was wir tun, sind wir nur ein Fragment dessen, was möglich ist.“

2007 beschlossen die Michels dann, den Keller umzubauen. „Wir hatten mal die schlimmsten Toiletten von Mainz“, sagt sie lachend. In dem Keller wurde Fastnacht gefeiert und viel Wein getrunken, doch die hölzernen Paneele, die ganze Ausstattung mit Wagenrad an der Decke, das war nicht mehr zeitgemäß. Ein befreundeter Architekt entwickelte das neue Konzept., beleuchtete Glaswand mit den Weinflaschen inklusive. „Wir können die abgefahrene Party machen, aber auch Fastnacht, Firmenevents oder runde Geburtstage“, sagt Astrid Michel. Und sie entwickelten den „Keller für Kenner“ mit Lesungen, Konzerten und Weinproben. Michel macht dazu die Grafik für die Broschüren selbst und arrangiert natürlich die Blumengestecke und die Deko. „Ich kann hier heute alles umsetzen, was ich immer schon machen wollte“, sagt sie glücklich: „Mainz ist heute die Stadt, wo der Wein fließt.“

Info& auf Mainz&: Das Weinhaus Michel findet Ihr in der Jakobsbergstraße 8, geöffnet hat es täglich ab 16.00 Uhr, das Ende richtet sich nach den Gästen, gegen Mitternacht ist meist Schluss. Der nächste Kulturtermin im Weinkeller ist am Mittwoch, den 29. November 2017, um 19.30 Uhr gibt es hier Weihnachtsgeschichten mit Widerhaken unter dem Titel „Und leise pieselt das Reh“, es lesen und spielen: Hartmut Volle (TATORT-Team Saarbrücken) und Almut Schwab, Hackbrett und Akkordeon. Eintritt: 16,- Euro. Alle Infos und Kontaktmöglichkeiten findet Ihr hier im Internet.

 

 

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