Seit 2009 laufen die Bemühungen in Mainz zur Einführung eines Sozialtickets für den Öffentlichen Nahverkehr, nun soll wenigstens eine abgespeckte Version kommen: Zum 1. Januar 2019 will die Stadt Mainz einen sogenannten „MainzPass“ einführen. Der würde den alten Sozialausweis ersetzen und ergänzen. So soll der MainzPass erweiterte Rabatte für Schwimmbäder und Kultureinrichtungen beinhalten. Neu aber wäre vor allem ein Monatsticket für 35,- Euro, allerdings soll das erst ab 9.00 Uhr morgens gelten. In einem dreijährigen Modellprojekt soll erprobt werden, auf welchen Zuspruch das Ticket stößt und welche Kosten es verursacht. Ein echtes Sozialticket gibt es nämlich weiter nicht – das Land will die Kosten dafür bisher nicht übernehmen.

Für Busse und Bahnen könnte es ab Januar ein neues, verbilligtes Ticket für Sozialhilfeempfänger geben: das Ticket zu 35,- Euro würde aber erst ab 9.00 Uhr gelten. Gültig wäre es auch in Wiesbadener Bussen. – Foto: gik

Im Oktober hatte SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers im Stadtrat öffentlich verkündet, ein Sozialticket für Mainz werde noch in diesem Jahr kommen. „Wir führen Gespräche mit dem Land“, bekräftigte Gill-Gers im Gespräch mit Mainz&, die seien auf einem guten Weg: „Ich gehe fest davon aus, dass das noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht wird.“ Auch Grünen-Fraktionschefin Sylvia Köbler-Groß bekräftigte, die Perspektive dafür sei gut. Beim Land wusste man davon indes nichts: Das Thema werde „derzeit im politischen Raum noch offen diskutiert“, sagte eine Sprecherin des Mainzer Sozialministeriums auf Mainz&-Anfrage lediglich.

Die Grünen kündigten an, man werde das Sozialticket in den Haushaltsberatungen des Landtags einbringen, durchsetzen konnte man sich bisher aber offenbar nicht: Ein echtes Sozialticket wird es auch in diesem Jahr nicht geben. Dabei gibt es seit 2009 Bestrebungen in Mainz für ein Sozialticket: Bereits im April 2009 beantragten die Grünen im Mainzer Stadtrat, das Mainzer Sozialticket zu einem Sozialpass weiter zu entwickeln – mit Vergünstigungen für soziale Einrichtungen und einer Monatskarte zum Hartz IV-Regelsatz. „Dem Mainzer Stadtrat soll über die Umsetzung binnen 6 Monaten berichtet werden“, hieß es damals.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Nun, neuneinhalb Jahre später, legte die Stadtverwaltung am Dienstag im Sozialausschuss eine Beschlussvorlage zu einem „MainzPass“ vor. Der Pass soll den alten Sozialausweis aus dem Jahr 1985 ersetzen und künftig für alle Empfänger sozialer Leistungen oder von Asylleistungen gelten. Auch wer Bundeskindergeld erhält, soll den Pass bekommen können. Mit dem Pass sollen künftig Preisermäßigungen in den Mainzer Schwimmbädern und Museen, den Kammerspielen, dem Open Ohr, der Mainzer Eishalle am Bruchweg sowie im Programmkino Capitol & Palatin verbunden werden. Mit dem Peter-Cornelius-Konservatorium und der Volkshochschule werde derzeit noch verhandelt, heißt es in der Vorlage. Der MainzPass soll zudem als Berechtigungsausweis für die Mainzer Tafel dienen.

Ein echtes Sozialticket, wie es etwa das Bündnis für Mobilität fordert, ist aber weiter nicht in Sicht.

Neu wäre aber vor allem die 9-Uhr-Monatskarte zum Preis von 35,- Euro, das liegt nur leicht über dem Hartz IV-Regelsatz für Mobilität von knapp 28,- Euro. Das bisherige Sozialticket von rund 60 Euro soll daneben erhalten bleiben. In einem dreijährigen Modellprojekt soll erprobt werden, wie die vergünstigte 9-Uhr-Karte ankommt. Nach zwei Jahren soll insbesondere analysiert werden, „wie das Angebot angenommen wurde und welche Auswirkungen es auf die Fahrkartenverkäufe und Erlössituation der Mainzer Mobilität insgesamt hat“, heißt es in der Beschlussvorlage weiter. Auf Basis dieser Ergebnisse wollen dann Stadt Mainz und die Stadttochter Mainzer Mobilität „über Einnahmeverluste und den Ausgleich eventueller Mehrkosten für die Modellphase sprechen.“ Gleichzeitig werde die Stadt einen Vorschlag für eine dauerhafte Regelung erarbeiten, die auch eine nachhaltige Finanzierung enthalten soll.

Damit werde „eine wichtige Herzensangelegenheit“ der SPD umgesetzt, sagte Gill-Gers: „Wir sind mehr als glücklich und erleichtert, dass wir es nach vielen, teils auch zähen Verhandlungen geschafft haben.“ Das Ziel, einkommensschwachen Mainzern ihr Recht auf Mobilität sowie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, sei „wahrlich eine Mammutaufgabe gewesen“, zu deren Verwirklichung viele dicke Bretter zu bohren gewesen seien. Mit dem MainzPass werde nun „im Rahmen unserer kommunalen Möglichkeiten“ ein zentrales Versprechen des Koalitionsvertrages der Mainzer Ampel-Koalition umgesetzte, sagte Gill-Gers weiter. Gleichzeitig appellierte sie „dringend an das Land, sich künftig an den Kosten des Öffentlichen Personennahverkehrs zu beteiligen, um Mobilität für alle bezahlbar beziehungsweise möglich zu machen.“

Das Ringen um einen kostengünstigen und attraktiven ÖPNV in Mainz geht weiter. – Foto: gik

Die Grünen sprachen von einem ersten wichtigen Schritt und einem Einstieg in ein Sozialticket. „Nach langem und zähem Ringen mit Dezernenten, Geschäftsführern und Koalitionspartnern sind wir jetzt gemeinsam auf dem Weg“, sagte Fraktionschefin Sylvia Köbler-Groß. Mit dem 9-Uhr-Ticket sei „ein erster, ganz wichtiger Durchbruch“ gelungen. Über die Jahre hinweg seien immer wieder Modelle vorgestellt und als ungeeignet verworfen, auch weil es keine belastbaren Zahlen gebe. Wie ein solches Angebot weitergeführt oder ausgebaut werden könne, „müssen wir nach der Projektphase ermitteln, wenn auch belastbare Zahlen vorliegen“, betonte sie: „Auch ob und welche Möglichkeiten entstehen das Angebot durch zusätzliche Förderung auszubauen, muss im Blick behalten werden.“

18.000 Mainzer Inhaber eines Sozialausweises wären nach Angaben des Mainzer Sozialdezernenten Eckard Lensch (SPD) für ein Sozialticket berechtigt. Nur ein Bruchteil von ihnen bezieht derzeit das verbilligte Monatsticket zu 60,- Euro. Ein echtes Sozialticket würde allein für Mainz nach Angaben der SPD rund 600.000 Euro kosten, in ganz Rheinland-Pfalz gibt es das bisher nicht. Nordrhein-Westfalen hingegen unterstützt mit rund 40 Millionen Euro landesweit Sozialtickets, rund 300.000 Menschen profitieren davon.

Die Mainzer CDU begrüßte zwar die Beschlussvorlage zum MainzPass, rügte aber gleichzeitig, dass es viel zu lange gedauert habe. Auch bleibe abzuwarten, wie sich das dreijährige Modellprojekt entwickele. „Aus unserer Sicht braucht Mainz ein Gesamtkonzept Mobilität“, sagte die sozialpolitische Sprecherin Claudia Siebner auf Mainz&-Anfrage: „Der ÖPNV muss insgesamt für viele Menschen reizvoller und vor allem günstiger werden.“ Dies betreffe eben auch Familien, Alleinerziehende oder Senioren, auch eine Förderungen für Familien mit mittlerem Einkommen könne sinnvoll sein. „Für viele gesellschaftlichen Gruppen sind die Belastungen inzwischen so hoch, dass eine Grenze erreicht ist“, sagte Siebner weiter. Die CDU-Fraktion hat deshalb für den Stadtrat am 21. November einen Antrag für eingereicht, nach dem Ticketreduzierungen für einen weiten Personenkreis untersucht werden sollen.

Info& auf Mainz&: Unseren Artikel zum Mainzer Sozialticket aus dem Oktober 2018 findet Ihr hier.

 

 

 

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein