Wohl selten hat man sich in Deutschland so sehr über Regen gefreut, wie in diesen Tagen. Am Wochenende regnete es in Mainz. Es schüttete wie aus Kübeln, das Wasser stand auf den Straßen – und trotzdem haben wir keinen einzigen Menschen getroffen, der sich darob beklagt hätte. Was für ein Novum: Stell‘ Dir vor, es regnet in Deutschland, und keiner meckert. Der Grund heißt natürlich Niedrigwasser, seit Monaten herrscht akuter Wassermangel, und das Wasser im Rheine floss kaum noch. Stattdessen trag zutage, was die Fluten sonst gnädig zudecken: Haufenweise Unrat wie Reifen, Stiefel oder einfach Dreck, dazu allerlei Weltkriegsmunition. Das Rheinbett wurde zum Pilgerpfad, die Menschen zu Unterwelten-Entdeckern. Und noch haben die Regenfluten keine größeren Auswirkungen: Am 3. Dezember vermeldete der Rheinpegel bei Mainz um 4.00 Uhr morgens noch immer ganze 1,45 Meter.

Der ausgetrocknete Rhein bei Mainz-Kastel im Oktober 2018. – Foto: gik

Woher wir das wissen? Der Hochwassermeldedienst Rheinland-Pfalz zeigt nicht nur Hochwasser an – er zeigt einfach tagtäglich die Pegelstände überhaupt an. Und da kann man sehen: Der Pegel des Rheins bewegt sich derzeit nur gaaaaanz langsam nach oben: Lag er am 1. Dezember noch bei ganzen 1,30 Metern, so geht es seither ganz behutsam wieder aufwärts. Am 2. Dezember um 15.00 Uhr überschritt der Pegel mal wieder die 1,40-Meter-Marke, sank aber in den folgenden Stunden wieder leicht ab auf 1,39 Meter. Dann kam aber wieder eine Welle – und seit 2. Dezember, 20.00 Uhr, heißt es konstant: 1,42 Meter, 1,43 Meter – bis heute früh 4,.00 Uhr mit 1,49 Metern. Das kann man fast schon einen Sprung nennen.

Die Hochwassermarke liegt übrigens bei 5,50 Meter, nur mal zur Relation. Und besonders dramatisch wird der Unterschied, wenn man sich die historischen Hochwasserstände ansieht, die gleich darunter stehen: 1983 waren es zweimal um die sieben Meter, einmal sogar 7,93 Meter. Das wurde nur getoppt durch Rang Nummer 1: Am 28. November 1882 wurden einst in Mainz 7,95 Meter Hochwasser gemessen. Auf Rang drei liegt übrigens das Jahr 1988: Hier wurden am 29. März stolze 7,70 Meter erreicht.

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Das niedrige Wasser im Rhein sorgte auch für manch romantische Stunde im Uferbett. – Foto: gik

Davon ist der Rhein seit Monaten weit entfernt, der größte Strom Deutschlands zog sich weit in sein Bett zurück. Uferbänke und Flussbänke tauchten auf, der Grund und Boden war mancherorts mit Millionen Muschelschalen übersät. Auch die Fische schnappten im Sommer bei stellenweise bis zu 28 Grad heißem Wasser Luft, vereinzelt wurden wohl sogar auch tote Fische gefunden.

Und die IKSR, die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins, geht von weiter steigenden Temperaturen bei Niedrigwasser aus: Nach Untersuchungen der IKSR-Expertengruppe STEMP sei mit einer Zunahme der sommerlichen Wassertemperaturen am Rhein „um 1,5 Grad Celsius für die nahe Zukunft und über 3 Grad Celsius für die ferne Zukunft zu rechnen“, heißt es in einem Bericht der IKSR von 2017. Dies bedeute für die nahe Zukunft (2021-2050) unter anderem eine Verdoppelung der Tage mit Wassertemperaturen über 25 Grad Celsius zu rechnen, dem ökologisch kritischen Schwellenwert im Rhein.

Und nicht nur die Natur litt, vor allem auch die Binnenschifffahrt stand vor enormen Problemen durch das Niedrigwasser in diesem Jahr: Die Schiffer konnten nicht mehr vollbeladen fahren, mancherorts sogar gar nicht mehr. Waren blieben liegen, das sichtbarste Zeichen:; das Heizöl wurde knapp. Prompt explodierten die Preise an den Tankstellen, und so mancher Autofahrer wunderte sich: Während in Luxemburg oder etwa in Nordhessen Diesel für um die 1,29 Euro getankt werden konnte, musste man in Mainz zeitgleich um die 1,53 Euro berappen. Gut, dass manche Gegenden keinen Rhein hatten…. Bleibt natürlich die Frage: Wie kam das Öl dann in die Fluss-freien Regionen, und warum ging das nicht auch bei uns….

Und dabei hatte Mainz ja noch Glück: Der Pegel bei Bingen steht bei gerade einmal 72 Zentimetern, in Koblenz sind es ganze 67 Zentimeter – und in Oberwinter bei Bonn 44 Zentimeter. Das geht mir bis zum Knie oder so. Bis der Regen den Rheinpegel wieder merklich hebt, dürfte es aber noch ein paar Tage dauern – so lange machen wir  mal Singin‘ in the Rain!

Info& auf Mainz&: Die ganzen Pegelstände samt Informationen zu Rheinhochwassern und Niedrigwasser findet Ihr hier beim Hochwassermeldezentrum Rheinland-Pfalz.

 

 

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