Und er rollt eben doch: Seit Montagfrüh ist die neue Schiersteiner Brücke für den Verkehr frei gegeben, seither stehen wieder zwei Fahrspuren pro Richtung über den Rhein zur Verfügung – für den Pendelverkehr zwischen Mainz und Wiesbaden eine enorme Erleichterung. Mehr als 90.000 Fahrzeuge passieren pro Tag die Rheinquerung, die alte Rheinbrücke aus dem Jahr 1962 wird deshalb seit 2013 durch einen Neubau gleich zweier Brücken ersetzt. Die erste Brückenhälfte wurde nun offiziell eingeweiht, die zweite soll bis 2021 entstehen. Das Ende aller Probleme ist das jedoch nicht: Der sechsspurige Ausbau der A643 wird weiter auf sich warten lassen. 2018 soll das Planfestellungsverfahren starten, mit Klagen von Naturschützern  wird fest gerechnet. Auch weil vor einigen Wochen eine äußerst seltene Wildbiene im Mainzer Sand gefunden wurde.

Alte und neue Schiersteiner Brücke von unten, die alte ist links. – Foto: gik

Der Blick des Ministers ging erst mal in die Höhe. „Und wie lange hält das jetzt – 50 Jahre?“, fragte Tarek Al-Wazir, hessischer Verkehrsminister (Grüne) aus Wiesbaden. Ziemlich genau 55 Jahre hatte die alte Schiersteiner Brücke zwischen Wiesbaden und Mainz gehalten, am Dienstag wurde ihr Nachfolgebau offiziell eröffnet – zumindest die erste Hälfte. Am 13. September 2013 war Spatenstich für den Bau der neuen Schiersteiner Rheinbrücke, statt einem Bauwerk entstehen hier seither zwei neue Brücken.

1.280 Meter Länge pro Brücke und 54.000 Quadratmeter Fläche, am Ende werden 30.000 Tonnen Stahl verbaut sein. Der erste der beiden Kolosse wurde nun fertig, seit Montagfrüh rollt der Verkehr über die neue Brücke – sehr zur Erleichterung Tausender von Pendlern. Mehr als 90.000 Fahrzeuge passieren die Autobahnbrücke zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz pro Tag – für 20.000 Fahrzeuge war die Brücke einst zwischen 1959 und 1962 gebaut worden. „Für das, was sie heute tragen muss, war die Brücke nie gemacht“, sagte Al-Wazir bei der symbolischen Freigabe am Dienstag, besonders der Schwerlastverkehr setzte dem Brückenbauwerk zu. 2003 wurden deshalb die Weichen für einen Neubau gestellt, 216 Millionen Euro nimmt die Bundesregierung als Eigentümerin dafür in die Hand.

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Glückliche Minister unter fertiger Schiersteiner Brücke. – Foto: gik

Die Schiersteiner sei nur eine von 39.500 Brücken in der Baulast des Bundes, sagte Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Allein 54 Brücken führten heute auf deutschem Gebiet über den Rhein. Und der Verkehr auf ihnen werde zunehmen: Um 11 Prozent soll der Individualverkehr bis zum Jahr 2030 wachsen, der Güterverkehr gar um 38 Prozent. „Wir müssen unsere Infrastruktur fit machen“, betonte Bomba: „Wie wichtig, aber auch wie verletzlich unsere Infrastruktur ist, das hat die Schiersteiner Brücke gezeigt.“

In der Tat: Es war in der Nacht zum 11. Februar 2015, als von jetzt auf gleich nichts mehr ging. Bei Gründungsarbeiten für einen Brückenpfeiler pumpten die Bauarbeiter viel zu viel Beton in den Untergrund, es bildeten sich Lufttaschen – in der Folge sackte ein Brückenpfeiler ab. Die Schiersteiner hing schief und musste für Wochen komplett gesperrt werden. Von dem folgenden Verkehrschaos „erzählt man noch heute“, sagte Al-Wazir und zitierte den gern gebrauchten Fastnachtsspruch: „Was Gott durch einen Fluss getrennt hat, soll der Mensch nicht durch Brücken verbinden“. Nein, widersprach der Minister jedoch auch gleich: „Auch zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch sind wir der Meinung, dass Mainz und Wiesbaden verbunden gehören.“

Eine wichtige Lebensader sei die Schiersteiner für die westliche Rhein-Main-Region, betonten denn auch alle Redner des Tages. „Die Brücke leistet eine Beitrag für Lebensqualität und Wohlstand in der Region“, befand auch Volker Wissing (FDP), Verkehrsminister in Rheinland-Pfalz, die neue Brücke werde einen zusätzlichen Schub für Logistik und Gütertransport geben: „Wir kommen voran.“ Allerdings nicht so schnell wie ursprünglich geplant: 1,5 Jahre Verzögerung entstanden auch durch Bauprobleme in Hessen, Niedrigwasser auf dem Rhein und das Wetter stieß manchen Zeitplan um. „Es war wie mit Murphys Gesetz“, seufzte Al-Wazir, „was schief gehen konnte, ging schief.“

Es rollt! Zwei Fahrspuren pro Richtung stehen nun wieder auf der Schiersteiner Brücke zur Verfügung. – Foto: gik

Und auch mit der Einweihung des ersten Brückenabschnitts sind die Probleme für die Pendler nicht vorbei: Auf der Verbindung zur Vorlandbrücke auf Mainzer Seite herrscht weiter Tempo 40, von der neuen Brücke führt eine enge Verschwenkung auf die alte Vorlandbrücke. Am Übergang ist zudem eine Schwelle entstanden, die Autofahrer zum Langsam-Fahren zwingt. Dazu ist die Auffahrt von Mainz-Mombach aus nun für mindestens zwei Jahre gesperrt – wegen des Bauunfalls muss nun auch das Herzstück, die marode alte Vorlandbrücke, ebenfalls erneuert werden.

Dazu kommt: der dreispurige Ausbau der A643 im Anschluss ist noch nicht einmal beantragt. Man arbeite an den Unterlagen, der Planfeststellungsbeschluss solle noch 2018 beantragt werden, heißt es aus dem Mainzer Verkehrsministerium. Doch noch seien nicht alle Unterlagen beisammen, Gutachten müssten noch aktualisiert werden, dazu bei der EU eine Stellungnahme zum Naturschutz eingeholt werden. Denn die A643 führt durch das Naturschutzgebiet Mainzer Sand, und das hat einen hohen Schutzstatus. Im Ministerium geht man denn auch fest davon aus, dass es zu Klagen gegen den Ausbau kommen wird – erst recht, weil der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) Ende 2014 mit einer strikten Weisung für den sechsspurigen Ausbau einen Kompromiss zwischen Politik und Umweltschützern zunichte machte. Anfang 2015 hieß es daraufhin, man werde jetzt Planungsrecht schaffen – bis heute ist der Antrag nicht gestellt.

Die Dünen-Steppenbiene, die nun im Mainzer Sand gefunden wurde. – Foto: Gerd Reder

Dazu wurde angeblich im Sommer eine äußerst seltene Wildbiene im Mainzer Sand entdeckt: Nach über 150 Jahren habe eine Naturschützerin die Dünen-Steppenbiene (Nomioides minutissimus) im Mainzer Sand gefunden, teilte die Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie (GNOR) mit. „Der letzte Nachweis dieser sehr seltenen und streng geschützten Art in diesem Gebiet datiert aus dem Jahre 1861“, heißt es in einer Pressemitteilung, die Ihr hier findet. Das sehr kleine und nur drei bis fünf Millimeter große Insekt sei an gleich fünf Stellen gefunden worden. Die Fundstellen lägen auf beiden Seiten der A 643, also in beiden Teilen des Mainzer Sandes, die Art sei von einem ausgewiesenen Wildbienen-Experten der GNOR bestätigt worden.

Die Steppenbiene komme in Deutschland lediglich in den südlich gelegenen Bundesländern vor, ihr Lebensraum befinde sich fast ausschließlich auf Binnendünen und sonstigen Sandgebieten. Der Fund sei „eine kleine Sensation“ und belege „einmal mehr die hohe ökologische Wertigkeit und Dynamik des Mainzer Sandes“, sagte der GNOR-Vorsitzende Heinz Hesping. Die GNOR forderte die zuständigen Naturschutzbehörden auf, nunmehr eine umfassende Bestandsaufnahme der Dünen-Steppenbiene im Mainzer Sand zu veranlassen. In jedem Fall sei eine Erweiterung der Lebensräume „anstatt einer fortschreitenden Reduzierung zwingend geboten“, fügte er hinzu.

Experten rechnen denn auch damit, dass die Planungen für den Autobahnausbau mit Sicherheit vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig landen – das wird dauern. Im Ministerium heißt es dazu auf Anfrage von Mainz& vorsichtig, man werde jetzt erst einmal nachprüfen, ob die Dünen-Steppenbiene auch tatsächlich im Mainzer Sand zu finden sei. „Vielleicht ist sie ja schon weiter geflogen“, sagte ein Mitarbeiter. Auch müsse geprüft werden, wie selten die Biene wirklich ist- und ob sie denn überhaupt vom Ausbau gestört werde.

Die Auseinandersetzungen werde  also noch dauern, bis dahin wird die zweite Rheinbrücke längst stehen: Die alte Brücke soll nun sukzessive von oben herunter abgerissen, auf den alten Pfeilern bis 2021 die neue Brücke errichtet werden. „Ein solches Brückenprojekt ist eine Herkulesaufgabe“, sagte der Präsident von Hessen Mobil, Burkhard Vieth, „die Probleme sind hoffentlich überwunden.“

Info& auf Mainz&: Alle offiziellen Infos zur Schiersteiner Brücke findet Ihr auf dieser Webseite von Hessen Mobil.

 

 

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