In Sachen Mainzer Bibelturm melden sich nun sogar Bürger und Architekten aus Frankfurt zu Wort: Das Frankfurter Altstadt-Forum, eine Bürgerinitiative, die sich 2004 gegen eine moderne Bebauung der Frankfurter Altstadt gründete, erklärte nun ihre Solidarität mit den Gegnern des in Mainz geplanten Bibelturms. Wenige Tage vor dem Bürgerentscheid am kommenden Sonntag appellierte das Forum „eindringlich an die Mainzer Stadtpolitik, auf eine Bebauung des Liebfrauenplatzes zu verzichten“ und betonte, man hoffe am kommenden Sonntag auf ein „Nein“ der Mainzer zum Bibelturm. „Es gilt nun auch für die Mainzer Bürger, sich gemeinsam gegen schlechte Architektur zu wehren“, sagte der Altstadt-Forum-Initiator J. Eberhard Aha. Das Forum legte zudem einen Alternativentwurf vor – für einen Turm am Gutenberg-Museum in historisierter Form.

Visualisierte Ansicht der neuen-alten Frankfurter Altstadt. – Quelle: DomRömer GmbH

„Der geplante Bibelturm ist weder ein Turm, noch hat er etwas Anmutiges und Würdiges an sich, um der zu präsentierenden Kostbarkeiten gerecht zu werden“, sagte Aha in einer schriftlichen Pressemitteilung am Mittwoch. Der Turm sei „ein völlig unförmiges Aluminium-Monster, das den benachbarten Renaissancebau überragt und regelrecht verhöhnt.“ Aha warf dem Architekten des Bibelturms ferner vor, „keinerlei Sensibilität und Feingefühl für urbanes Gestalten zu besitzen.“

Das sei keine Ausnahme, betonte Aha zugleich: „So ist schon seit mehreren Jahren zu beobachten, dass ganz offensichtlich weite Teile der deutschen Architektenschaft in einer tiefen Ästhetik-Krise stecken.“ Die Schuld sucht Aha bei der „verkorksten Ausbildung“ der Architekten. „Eigentlich noch nie in der Geschichte haben sich Bürger so oft über schlechte Architektur und Bausünden beschwert, wie in der Jetztzeit“, sagte Aha, „dies sollte der gesamten Architektenschaft und insbesondere den Architektenkammern und dem Bund Deutscher Architekten zu denken geben.“ Diese aber weigerten sich, die „selbst erzeugte Architekturkrise zu reflektieren“, kritisierte Aha: „Stattdessen verschanzt man sich im Elfenbeinturm der Ignoranz und beschimpft Bürger als ahnungslose ‚Laien‘.“

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Frankfurter Gegenentwurf zum Mainzer Bibelturm: ein Turm in historisierter Optik. – Quelle: Frankfurter AltstadtForum, Aha

Aha fordert zudem mehr Engagement zu Bewahrung traditioneller Architektur und verweist dabei auf die erfolgreiche Rekonstruktion der historischen Frankfurter Altstadt, die in diesen Tagen fertig gestellt wird. Dort wurde der Siegerentwurf eines Architektenwettbewerbs aus dem Jahr 2005 für einen modernen Großbau an der Stelle des Technischen Rathauses nach massiver Kritik von Bürgern sowie der SPD gekippt, danach kippte auch die Stimmung in Stadt und Rat – zugunsten einer Rekonstruktion der historischen Bebauung. Im Herbst 2006 dann führte die Stadt Frankfurt eine Planungswerkstatt durch, um die Bürger zu beteiligen, die Ergebnisse der Arbeitsgruppen flossen in die daraufhin beschlossenen Eckpunkte für die Bebauung ein – ähnlich wie beim ECE-Center auf der Ludwigsstraße.

„Von der Frankfurter Altstadt-Rekonstruktion ging seit 2007 ein Signal in die ganze Republik“, betonte Aha nun, auch als „Ermutigung an die Bürger, sich in die Stadtplanung einzumischen und sich nicht weiter von ignoranten ‚Experten‘ bevormunden zu lassen.“ Seither machten in Dresden, Potsdam, Berlin und anderen Städten Deutschlands „traumhaft schöne Rekonstruktionsprojekte von sich reden.“ Egal, wie das Mainzer Referendum ausgehe, es solle „der Startschuss sein für mehr Bürgerengagement zur Bewahrung der traditionellen Architektur in Mainz“, forderte der Frankfurter: Sonst werde Mainz weiter durch modernistische Bausünden zerstört.

Frankfurter Gegenentwurf zum Mainzer Bibelturm von oben: ein Turm in historisierter Optik. – Quelle: Frankfurter AltstadtForum, Aha

Das Frankfurter Altstadt-Forum appelliert daher eindringlich an die Mainzer Stadtpolitik, auf eine Bebauung des Liebfrauenplatzes zu verzichten, heißt es in der Mitteilung weiter. Dem Planungsbüro DFZ schreibe man ins Stammbuch, „sich ihrer Verantwortung als Architekten endlich bewusst zu werden und in historischen Innenstädten künftig auch dem Stil im Sinne des „New Urbanism“ zu folgen, wie er sich derzeit weltweit entwickelt.“

Wie ein solches Gebäude hätte aussehen können, wolle man indes mit einem eigenen Entwurf belegen, den man mit Architekten des Altstadt-Forums erarbeitet habe: Ein Turm im historisierten Renaissance-Stil. Wir dokumentieren im Folgenden die mit dem Entwurf mitgelieferte Beschreibung im Wortlaut, damit Ihr Euch ein eigenes Bild machen könnt:

„Baubeschreibung zum beiliegenden Entwurf:

Der Erweiterungsbau nimmt die architektonischen Stilmerkmale des Hauptgebäudes auf und fügt sich somit harmonisch in den Platz. Die Zugehörigkeit zum „Römischen Kaiser“ wird aufgrund des übernommenen Renaissance-Stils deutlich. Dennoch hat das Gebäude seine Eigenständigkeit, was insbesondere durch den markanten Turm mit der Rundkappe und der darauf befindlichen Skulptur deutlich wird. Die Skulptur bildet Martin Luther ab, der mit entschlossener Handbewegung die Bibel emporhält. Ein klarer Fingerzeig, wofür das Gebäude steht.

Frankfurter Gegenentwurf zum Mainzer Bibelturm: ein Turm in der Optik des Römischen Kaisers. – Quelle: Frankfurter AltstadtForum, Aha

Die große Porta an der Frontseite des dreigeschossigen Gebäudes dient überwiegend der Gliederung der Front und soll nur für Ausstellungswechsel oder zu besonderen Anlässen wie „Tage der offenen Tür“, Museumsfeste oder Stadtfeste geöffnet werden. Ähnlich wie bei der Heiligen Pforte im Petersdom, die auch nur zu besonderen Anlässen geöffnet wird. 

Besonders reizvoll für alle Mainz-Besucher wird die begehbare Dachterrasse im 3. Stock sein, über die man einen prächtigen Blick über den Liebfrauenplatz und Mainz genießen könnte und die für besondere Events und insbesondere auch für Trauungen genutzt werden könnte. Dafür eignet sich auch insbesondere der als Pavillon ausgeprägte Turm.

Die nach oben leicht getreppte Silhouette wurde der Grundform des Turms von Alexandria entlehnt und verleiht dem Gebäude durch die Verjüngung eine Leichtigkeit, die dem derzeitigen modernistischen Entwurf völlig abgeht. Das Raumangebot wird je nach Planung trotz niedrigerer Höhe kaum geringer sein, da durch die niedrigeren Decken weniger Treppenraum erforderlich ist und auf unnütze Lufträume verzichtet wird.“

Der Entwurf, betonte Aha schließlich noch, diene „lediglich der Anschauung“ – die beste Lösung an dem Liebfrauenplatz sei „keine Bebauung und eine Sanierung des Museums.“

Info& auf Mainz&: Über die Rekonstruktion der Frankfurter historischen Altstadt hat Mainz& schon im April 2016 berichtet, den Artikel findet Ihr genau hier. Sehr ausführliche Informationen rund um die neue Frankfurter Mitte samt Fotos findet Ihr hier auf der offiziellen Homepage der DomRömer GmbH. Die Homepage des AlstadtForums Frankfurt gibt es hier. Der Gründer des Forums, der Designer J. Eberhard Aha, wird am Sonntag, den 15. April, abends auf der „Wahlparty“ der Bürgerinitiative Gutenberg Museum einen Vortrag über seine Vorstellungen halten. Ort Rathaus Mainz. Auch die Debatte um die Rolle von Architektur – moderner Gegenentwurf zur Vergangenheit oder historisierende Rekonstruktion – ist nicht neu, sie kam bereits vor zwei Jahren auf – was Ihr hier nachlesen könnt. Die Mainzer sind am 15. April aufgerufen, in einem Bürgerentscheid über den Bau des modernen Bibelturms als Erweiterung des Gutenberg Museums abzustimmen – hingehen!

 

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