Der Protest gegen die Schiffsanlegestellen am Mainzer Rheinufer in Höhe des Zollhafens hat erste Konsequenzen: Die Anwohner erhalten eine längere Frist für ihre Einwände. Die Unterlagen im Planfeststellungsverfahren würden erneut ausgelegt, teilte die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes überraschend mit. Der Grund: Ein Formfehler in Mitteilungen der Stadt Mainz. Die neu formierte Bürgerinitiative Neustadt-Ufer wertet das als ersten Erfolg ihrer Arbeit: Man habe die WSV auf diesen Fehler aufmerksam gemacht, sagte BI-Sprecher Torsten Kirchmann. Unterdessen hat Neustadt-Ortsvorsteher Johannes Klomann (SPD) einen Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geschrieben – und fordert, das Planungsverfahren für die Schiffsanleger neu aufzurollen.

Noch liegen die Binnenschiffe bei Mainz vor der Nordmole des Zollhafens, doch hier soll ein Luxuswohngebiet samt Grünanlage entstehen, die Schiffe deshalb umziehen. – Foto: Kirchmann

Die WSV plant vier Schiffsanlegestellen für Binnenschiffer, unmittelbar vor den neuen Wohnhäusern im ehemaligen Mainzer Zollhafen. Ein Teil der Anlegestellen soll aber auch vor der Rheinpromenade der Mainzer Neustadt entstehen, das hatte zu heftigen Protesten von neuen wie alten Anwohnern geführt: Die Bewohner befürchten erhebliche Belastungen durch Lärm, aber auch durch Abgase der Dieselmotoren. Ruß, Feinstaub und Stickoxide, so die Befürchtung, könnten erheblich steigen. Die Schiffsanlegestellen sind bereits seit Jahren geplant und waren offenbar Teil einer Absprache zwischen Zollhafen GmbH, Stadt Mainz und Schifffahrtsverwaltung: Damit der Mainzer Zollhafen aufgelöst und die Industrieschifffahrt verlegt werden und das neue Wohngebiet Zollhafen gebaut werden konnte, einigte man sich, entlang des Rheinufers neue Schiffsliegeplätze zu errichten.

Die Schiffsliegeplätze werden von den Binnenschiffern dringend benötigt, um Landgänge wie Besorgungen, Arztbesuche, Personalwechsel oder einfach mal Essen gehen absolvieren zu können. Entstehen sollen entlang der Südmole des Zollhafen-Wohngebiets und vor der Rheinuferpromenade der Mainzer Neustadt Anlegestellen mit Landstrom für bis zu zwölf Binnenschiffe gleichzeitig, dazu ein Autoabsetzplatz direkt vor der Caponniere am Feldbergplatz.

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Entlang des Neustadtufers sollen nach den Plänen der Schifffahrtsverwaltung neue Liegeplätze für Binnenschiffer entstehen. – Foto: gik

Im Herbst startete die WSV das dafür notwendige Planfeststellungsverfahren, und dabei kam es offenbar zu einem Formfehler bei der öffentlichen Auslage der Planunterlagen: Die Stadt Mainz hatte am 7. September mitgeteilt, die Einwendungsfrist zu den Plänen ende am 20. September, tatsächlich war es aber der 4. Oktober. Auch eine am 19. September verschickte Korrektur der Stadt habe den Fehler nicht restlos beseitigt, sagte eine Sprecherin der WSV auf Anfrage von Mainz&: „Um Irrtümer zu vermeiden, legen wir die Unterlagen jetzt noch einmal aus.“

Ein Formfehler bei der Auslage der Unterlagen sowie eine „falsche“ Einspruchsfrist würde das gesamte verfahren juristisch angreifbar machen und zum Kippen bringen, deshalb reagierte die WSV nun. Die Pläne werden deshalb vom 2. November bis zum 3. Dezember erneut im Mainzer Rathaus ausgelegt, bis zum 17. Dezember können Einwände eingereicht werden. Inhaltlich habe man an den Plänen nichts geändert, betonte die WSV, bereits erhobene Einwände seien weiter gültig.

Der Mainzer Zollhafen vor seiner Umwandlung in ein Wohngebiet. Auf dem Foto steht noch die große Konzertbühne auf der Nordmole. – Foto: gik

Die BI Neustadt-Ufer wertete die Neuauslage als ersten Erfolg: Man habe die WSV auf den Formfehler aufmerksam gemacht, sagte Kirchmann, Mitbegründer der BI, am Montag bei einem von der BI veranstalteten Bürgerabend. „Für uns ist es ein Beweis: die Pläne sind nicht fehlerfrei“, sagte Kirchmann, „und wo ein Fehler ist, sind meist weitere.“ Auch die Mainzer CDU sieht die Neuauslage als ersten Erfolg: Die WSV habe „alles dafür getan, das Verfahren so unauffällig wie möglich durchzuführen, das ist gründlich misslungen“, sagte CDU-Ortsbeirat Karsten Lange. Schon im Zuge der ersten Auslage seien mehr als 250 Einwendungen gegen die Schiffsliegeplätze eingegangen. Nun treibe die Behörde offenbar „die blanke Angst, mit ihrem Planfeststellungsverfahren Schiffbruch zu erleiden.“

Lange bekräftigte auf dem Bürgerabend erneut, der Ortsbeirat der Mainzer Neustadt habe von den vollständigen Plänen für die Schiffsanlegestellen nichts gewusst. „wir wurden mal informiert, dass es zwei, drei Liegeplätze geben solle“, sagte Lange, abgestimmt worden sei darüber aber nie. Die Information habe stets gelautet, der Mainzer Zollhafen werde als Industriehafen nicht mehr benötigt, Ersatz für die Schiffer werde im neuen Industriehafen geschaffen. Der Bebauungsplan für den Mainzer Zollhafen verweise indes nur darauf, dass ein Planfeststellungsverfahren für den Bau der Schiffsanleger durchgeführt werden solle – Teil des Bebauungsplans sei dieses Verfahren aber nicht, betonte Lange.

Der Bebauungsplan für den neuen Zollhafen sah die Schiffsanleger bereits vor – man sieht die kleine Schrift entlang der Südmole. – Foto: gik

„Über den Autoabsetzplatz ist nicht diskutiert und nicht abgestimmt worden“, unterstrich auch SPD-Ortsbeirat Erik Donner. Unterdessen bat der Ortsvorsteher der Mainzer Neustadt, Johannes Klomann (SPD), Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) um Hilfe: Er habe Scheuer in einem Brief auf die fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die nicht durchgeführte Prüfung von Alternativen hingewiesen, sagte Klomann, und er habe die unzureichende Bürgerbeteiligung kritisiert. Scheuer müsse als oberster Dienstherr der WSV „auf das Verfahren Einfluss nehmen“ und es im besten Fall sogar stoppen, forderte Klomann: Ziel sei, den Planungsprozess gänzlich neu aufzurollen.

Die Bürgerinitiative sieht unterdessen gute Chancen, im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Einfluss auf die Pläne zu nehmen: „Wir fordern ein Umweltgutachten“, sagte Kirchmann, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Binnenschiffe mitten in einem Wohngebiet sei „doch wohl das Mindeste.“ Bislang heißt es in den Planunterlagen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht notwendig. Eine „Vorprüfung des Einzelfalls“ habe ergeben, „dass durch das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen entstehen“, teilte eine Sprecherin der WSV auf Mainz&-Anfrage mit. Es bestehe deshalb keine Verpflichtung besteht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.

Die BI sieht das völlig anders und verweist unter anderem auf den wenige Meter entfernten Kinderspielplatz, die Rheinpromenade als Freizeiteinrichtung sowie den Feldbergplatz mit Schulen und Kindergärten. Gerade der Feldbergplatz sei in Teilen der offizielle Schulhof der dortigen Schule, sagte eine Anwohnerin.

Heute stehen auf der Südmole neue Wohnhäuser dicht an der Uferkante, wie hier das „Rheinblick 500“. Direkt vor dem Haus sollen die Schiffsanleger entstehen. – Foto: gik

„Sowohl bei Ost-Wind, als auch bei Nordwetterlagen würden die Emissionen direkt in die Neustadt gedrückt“, sagte Kris Kunst. Er wohnt seit 15 Jahren in der Taunusstraße, direkt am Rheinufer, „bei Ostwind pustet der Wind direkt ins Fenster“, sagte Kunst. Schon jetzt habe die Mainzer Neustadt bei Inversionswetterlagen erheblich Smog-Probleme, „die Schmutzglocke“ werde sich mit den Abgasen aus den Binnenschiffen noch verstärken, befürchtet er. „Wenn das zehn Meter neben einem Kinderspielplatz dieselt, ist das nicht gut, das kann mir keiner sagen“, ergänzte Kirchmann.

Kirchmann unterstrich erneut, der Protest der Anwohner richte sich nicht gegen die Binnenschiffer, deren Bedürfnisse sehe man vielmehr sehr klar. „Dies ist ein hochbesiedelter Flecken von Mainz“, betonte er, „wir sind gegen Politiker, die Entscheidungen treffen, ohne sich mit der Bevölkerung auseinander zu setzen, die da wohnt.“ Vertreter der BI bekräftigten, man wolle mit den Binnenschiffern gemeinsam Lösungen suchen und sei auch in Gesprächen mit Binnenschiffervereinigungen.

Ende Januar liefen die Verträge für die derzeitigen,. provisorischen Liegeplätze an der Nordmole des Zollhafens aus, „wo sollen die Schiffer denn dann anlegen“, sagte Ralf Weber. Die BI fordert eine gründliche Suche nach Alternativen für die Schiffer entlang des Rheinufers. Zudem stellt sie in Frage, ob der Stadtrat wirklich rechtmäßig die Schiffsanleger beschloss: „Viele Räte fühlen sich hinter die Fichte geführt“, sagte Weber: „die Dimensionen der Schiffsanleger wurden ihnen nicht mitgeteilt.“

Info& auf Mainz&: Informationen über die Pläne für neue Schiffsanlegestellen am Mainzer Zollhafen sowie die neue Offenlage der Pläne findet Ihr hier bei der WSV im Internet. Die Bürgerinitiative Neustadt-Ufer findet Ihr hier bei Facebook, allerdings ist dies eine geschlossene Gruppe. Unseren ausführlichen Bericht über die Pläne zu den Schiffsanlegestellen findet Ihr hier bei Mainz&.

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