Die Kritik an der neuen Billigflieger-Strategie des Frankfurter Flughafen-Betreibers Fraport hat jetzt auch den Mainzer Landtag erreicht. Der Flughafen dürfe seine Profite „nicht auf Kosten der Gesundheit und der Lebensqualität der Menschen in der Region machen“, sagte niemand geringeres als Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Donnerstag im Mainzer Landtag. Die Gebührenrabatte der Fraport zum Anlocken von Billigfluglinien nannte Wissing „fragwürdig“, das Bestreben um mehr Schutz vor Fluglärm der Bevölkerung werde „offensichtlich durch vorrangige wirtschaftliche Interessen der Fraport AG konterkariert.“ SPD und Grüne halten sogar den neuen Flugsteig für Billigflieger für nicht genehmigungsfähig und sprachen von „Murks“. Auch von der Fluglärmkommission kam Kritik und die Forderung nach mehr Ruhe in der Nacht. Derweil steuert der Billigflieger Ryanair um und will seine Flugpläne ändern, um die verspäteten Landungen nach 23.00 Uhr abzustellen.

Die Ryanair-Flieger sorgen für Ärger am Frankfurter Flughafen: Sie brechen überdurchschnittlich oft das Nachtflugverbot. Nun soll nachgesteuert werden. – Foto: gik

Mitte Oktober war durch Untersuchungen des Bunds für Umwelt und Naturschutz bekannt geworden, dass die irische Billigfluglinie Ryanair besonders häufig das Nachtflugverbot bricht: Von 105 Landungen nach 23.00 Uhr im September 2017 gingen allein 38 auf das Konto von Ryanair, Kritiker argwöhnten prompt, das sei kein Versehen, sondern „geplante Normalität.“ Im hessischen Verkehrsministerium reagierte man alarmiert und bestellte Ryanair zum Rapport – mit durchschlagendem Ergebnis: Ryanair habe angekündigt, „durch eine umfassende Änderung der Flugplangestaltung die 23.00-Uhr-Grenze am Frankfurter Flughafen künftig zuverlässig einhalten zu wollen“, teilte Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) mit.

Man sei gemeinsam mit Ryanair jede einzelne kritische Verbindung durchgegangen und habe klar gemacht, dass systematische Verspätungen nicht akzeptiert würden, betonte der Minister: „Das Nachtflugverbot in Frankfurt gilt für alle – auch für Ryanair.“ Die Fluglinie habe „konstruktiv reagiert und Maßnahmen ausgearbeitet“, betonte Regine Barth, Fluglärmschutzbeauftragte im hessischen Verkehrsministerium. So würden zwei Ersatzflugzeuge in Frankfurt stationiert, um mögliche Verspätungen aus vorherigen Umläufen abzufangen. Dazu sollen Ankunftszeiten deutlich vorverlegt werden, um mehr Puffer bei Verspätungen einzubauen.

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Schon an diesem Montag sollen neue Ankunftszeiten gelten, Ryanair-Flüge werden bis spätestens 22.40 Uhr geplant. So wurde die Ankunftszeit der Flüge aus Madrid von 22.40 Uhr oder 23.25 Uhr auf den Zeitraum 20.40 bis 22.35 Uhr vorverlegt – bei den Madrid-Flügen waren permanent 50 Prozent der Flüge verspätet in Frankfurt angekommen, allein 16 Flieger setzten so seit Ende Oktober nach 23.00 Uhr auf. Aus Valencia kamen im gleichen Zeitraum ebenfalls 16 Flüge nach 23.00 Uhr an, das entsprach einer Quote von 47 Prozent. Diese Flüge sollen nun um bis zu eine Stunde vorverlegt werden.

Sorge um die Nachtruhe rund um den Frankfurter Flughafen macht sich die Fluglärmkommission. – Foto: gik

 

Verzögerungen in Betriebsabläufen auf Flughäfen seien seit Monaten besonders in Spanien zu beobachten, das könne aber nicht zu Lasten des Nachtflugverbots am Frankfurter Flughafen gehen, kritisierte am Mittwoch auch der Vorsitzende der Fluglärmkommission, Thomas Jühe. Hier müssten Fluggesellschaften mit Anpassungen ihrer Abläufe reagieren und könnten sich nicht blindlings regelmäßig auf fremdverursachte Störungen berufen, um eine Ausnahmelandung zu bekommen. „Eine solche vorausschauende Planung wird nicht nur im Geschäftsverkehr, sondern auch von jedem privat Reisenden erwartet, der andernfalls selbst die Konsequenzen trägt“, schimpfte Jühe.

Die Fluglärmkommission äußerte auf ihrer Sitzung insbesondere große Sorge um die Nachtruhe rund um den Frankfurter Flughafen: Die Zahl der Nachtflüge habe im Jahr 2017 insgesamt deutlich zugenommen, auch wenn die rechtlich zulässige Grenze von 133 Flügen in den beiden Nachtrandstunden am Abend und am frühen Morgen zusammen noch lange nicht erreicht sei. Der Trend zu mehr Flügen in diesen Nachtrandstunden habe sich seit September 2017 – der Aufnahme des Flugbetriebs durch Low-Cost-Carrier – noch einmal verstärkt, hieß es aus der Kommission weiter.  Auch habe es 2017 einen deutlichen Anstieg verspäteter Landungen nach 23.00 Uhr gegeben – im Durchschnitt seien es jetzt zwei Ausnahmelandungen pro Nacht.

Die Nacht müsse aber besonders im Fokus bei den Bemühungen um Fluglärmminderung stehen, mahnte die Kommission – und forderte das hessische Ministerium auf, „alles zu tun“, um die Zahl der Flugbewegungen in den Nachtrandstunden nicht bis auf 133 ansteigen zu lassen. Die Etablierung von Low-Cost-Carriern sei auch in der Sitzung der Fluglärmkommission scharf kritisiert worden, sagte Wissing am Donnerstag im Landtag. „Auch ein Flughafen braucht Akzeptanz“, sagte Wissing laut schriftlichem Redemanuskript, „diese wird durch den Einstieg in das Geschäft mit Billigfluglinien eher gefährdet als gestärkt.“ Die Bemühungen um mehr Lärmschutz für die Bevölkerung würden „offensichtlich durch vorrangige wirtschaftliche Interessen der Fraport AG konterkariert“, kritisierte Wissing scharf, das Vorgehen der Fraport „halte ich für kontraproduktiv.“

Dass das Terminal 3 „zum Himmel stinkt“, fanden ja schon die Fluglärmgegner beim Baustart mit dieser Karikatur. – Foto: Fluglärm Initiative Mainz/ Klaus Wilinski

Wissing verwies zudem darauf, dass die Notwendigkeit zum Flughafenausbau „seinerzeit mit der Sicherung und Stärkung seiner Drehkreuzfunktion begründet wurde“, genau diese aber sei für Low-Cost-Passagiere meist deutlich weniger wichtig. Das Terminal 3 am Frankfurter Flughafen sei „auf der Grundlage von völlig unrealistischen Fluggastprognosen geplant worden“, kritisierte auch der Mainzer SPD-Landtagsabgeordnete Johannes Klomann: „Die Planungen für das dritte Terminal waren von Anfang an Murks.“ Mehr noch: Der Strategiewechsel zu einem Billigflugsteig „entspricht in keiner Weise dem Planfeststellungsbeschluss“, betonte Klomann.

„Wir fühlen uns belogen“, sagte der Mainzer Grünen-Landtagsabgeordnete Daniel Köbler auf Mainz&-Anfrage. Fraport habe immer mit seiner Hub-Funktion für die Langstreckenflüge argumentiert, mit den Billigfliegern sei das jetzt „eine andere Nutzung, eine andere Strategie“, betonte Köbler. Damit entfalle aber auch die Argumentation der Fraport für den gigantischen Ausbau mitten in der Region. „Ich erwarte, dass die Stadt Frankfurt ernsthaft prüft, ob die Baugenehmigung erteilt werden kann“, forderte Köbler, „im Zweifelsfall darf sie die Baugenehmigung nicht erteilen.“ Bereits vor drei Wochen hatten die Flughafenanreiner-Kommunen betont, der beantragte Flugsteig für Billigflieger am Terminal 3 sei vom Planfeststellungsbeschluss nicht gedeckt, die Genehmigung müsse versagt werden.

Info& auf Mainz&: Mehr zur neuen Billigflieger-Strategie der Fraport lest Ihr hier bei Mainz&, die ausführliche gutachterliche Kritik der Kommunen an dem Billigflieger-Flugsteig genau hier. Und in diesem Mainz&-Artikel berichten wir vom häufigen Bruch des Nachtflugverbots durch Ryanair.

 

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