Es klingt wie eine Schnapsidee oder ein Fastnachtsscherz: Eine Seilbahn über den Rhein zwischen Mainz und Wiesbaden könnte Brücken entlasten, Stauchaos mindern und Pendlerströme besser lenken. Die Freien Wähler in Mainz fordern nun, die Realisierung einer Seilbahn zwischen Mainz und Wiesbaden ernsthaft zu prüfen. „Viele Städte setzen schon erfolgreich auf Seilbahnen wie Wuppertal, München oder London“, sagt der Chef der Freien Wähler in Mainz, Gerhard Wenderoth. Eine Seilbahn sei günstig, deutlich schneller zu realisieren als eine Rheinbrücke und könne zudem eine große Touristenattraktion sein, sagt Wenderoth, und schwärmt: „Gäste schweben bei Tag und bei Nacht über den Rhein und genießen aus der Luft den Blick über Rhein, Mainz und Wiesbaden.“

Mit der Seilbahn über den Rhein schweben – vielleicht ist das bald zwischen Mainz und Wiesbaden kein Traum mehr. Die Rüdesheimer Seilbahn ist jedenfalls eine große Attraktion. – Foto: gik

In Zeiten von Dieselfahrverboten ist das inzwischen mehr als eine Schnapsidee. Der Regionalverband FrankfurtRheinMain preschte im vergangenen Oktober mit genau so einer Idee vor: Urbane Seilbahnen sollten Parkplätze vor den Toren Frankfurts mit Stationen des öffentlichen Personennahverkehrs verbinden. Frankfurt droht ein Dieselfahrverbot noch in diesem Jahr, angesichts der drohenden Aussperrung tausender Pendler diskutiert man in der Mainmetropole das Thema „Park & Fly“ inzwischen durchaus ernsthaft. Studierende in Darmstadt prüfen mittlerweile sogar Trassen durch Frankfurt – auch entlang des Mains.

„Wir brauchen jetzt ganz neue Lösungsmodelle, die vor allen Dingen auch schnell zu realisieren sind“, betonen Verbandsdirektor Thomas Horn (CDU) und der Erste Beigeordnete Rouven Kötter (SPD) – und schlagen ganz konkret zwei mögliche Seilbahn-Verbindungen vor: Eine Seilbahn vom Waldparkplatz am Frankfurter Fußballstadion zur Endhaltestelle der Stadionstraßenbahn, sowie von der Raststätte Taunusblick an der A5 zur 1,5 entfernten U-Bahn-Station Heerstraße.

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Die Ideen weckten prompt Sehnsüchte in Mainz: „Ich finde das eine spannende Idee“, sagte der Mainzer Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner (CDU) gegenüber Mainz&. „Wir müssen alles tun, um die Verkehrsverbindungen über den Rhein hinweg zu verbessern“, betonte Schreiner. Eine zusätzliche Rheinbrücke halte die CDU zwar weiter für nötig, eine Seilbahn über den Rhein könne aber in fünf Jahren stehen – eine Rheinbrücke nicht. „Man könnte eine Seilbahn vom Bahnhof Mainz-Kastel mit zwei Stützen über den Rhein führen“, sagt Schreiner: „Nein, das ist keine Schnapsidee.“

Vorbild Koblenz: Dort führt seit 2010 eine hochmoderne Seilbahn von der Innenstadt über den Rhein auf die Festung Ehrenbreitstein. – Foto: Holger Weinandt via Wikipedia

Heimliches Vorbild aller dieser Seilbahn-Pläne ist die spektakuläre Bahn in Koblenz, die vom Deutschen Eck hinauf auf die Festung Ehrenbreitstein führt. Gedacht war die Bahn mit den zwei großen Gondeln des Herstellers Doppelmayr eigentlich nur als Highlight für die Bundesgartenschau im Jahr 2011, doch aus der temporären Bahn wurde längst mehr: Die Attraktion der Seilbahn ist für Touristen und Koblenzer so groß, die Bahn so beliebt, dass ihr Betrieb Jahr um Jahr verlängert wurde. Das lautlose Schweben über dem Rhein birgt eine tiefe Faszination und eröffnet zugleich spektakuläre Ausblicke über das Mittelrheintal.

7.600 Passagiere können die insgesamt 18 Kabinen zu je 35 Passagiere pro Stunde über den Rhein befördern – das ist die weltweit höchste Förderkapazität einer Luftseilbahn, melden die Betreiber stolz auf ihrer Homepage. Rund 650.000 Passagiere befördert die Seilbahn so pro Jahr, künftig soll sie auch Bewohner eines neuen Stadtteils auf der rechten Rheinseite in die City befördern. Die Umlaufbahn gilt als das sicherste aller Verkehrsmittel, sie ist CO2-neutral, stößt keine Abgase oder Feinstaub aus – und sie trotzt Wind, Wetter, Nebel, Regen und sogar Stürmen. Die Bahn fahre mit 100 Prozent Ökostrom, betonen die Betreiber zudem. Auch in der Rhein-Main-Region gibt es bereits ein kleines Vorbild: die Rüdesheimer Seilbahn hinauf zur Germania.

Im Zuge von Platzmangel und Dieselfahrverboten sind deshalb Seilbahnen zum neuen urbanen Traum der Verkehrsplaner geworden: Konkrete Pläne gebe es etwa in den Städten Wuppertal, Stuttgart, Bonn, Düsseldorf sowie zwischen Mannheim und Ludwigshafen, berichtet das Portal Kommunal.de, sogar konkrete Machbarkeitsstudien seien schon in Auftrag gegeben. Auch beim Frankfurter Regionalverband betont man, die Vorteile lägen auf der Hand: Seilbahnen seien geräuschlos, produzierten keine Abgase oder Lärm, seien barrierefrei und könnten binnen eines Jahres gebaut werden. Förderleistungen von mehr als 5.000 Menschen in der Stunde seien weitere Pluspunkte.

Spektakulärer Blick, unglaublich sanftes und ruhiges Fahrgefühl: Die Koblenzer Seilbahn. – Foto: Holger Weinandt via Wikipedia

Das sehen auch die Freien Wähler so: In München plane man eine Seilbahn, die 4.000 Menschen pro Stunde und Richtung transportieren könne, sagte Wenderoth Mainz&, eine Kabine fasse dabei 32 Menschen. Wenn die Bahn mit etwa 28 Stundenkilometern unterwegs sei, könnten damit 98.000 Fahrgäste leicht transportiert werden. Eine Citybahn, wie sie derzeit Wiesbaden plant, brauche dafür 223 vollbesetzte Bahnen mit 440 Personen – dafür bräuchte man aber einen Taktabstand von 3,5 Minuten, rechnet Wenderoth vor.

Bei einer Seilbahn hingegen komme alle 15 Sekunden eine Gondel, damit sei man in zehn Minuten selbst bei langsamer Fahrzeit schon vier Kilometer weiter gekommen. „Uns geht es um den viel zu engen Verkehrsraum, gerade auf der Theodor-Heuss-Brücke“, sagt Wenderoth. Statt eine Citybahn auch noch über die vielfach verstopfte Brücke zu führen, biete sich eine Seilbahn über den Rhein förmlich an. „Eine Seilbahn kann leicht vier Kilometer ohne Stützen überbrücken, und die Streckenführung ist nicht an bestehende Straßen gebunden“, argumentiert Wenderoth. Auch das Problem des „In die Fenster Guckens“ könne man mit geschickter Seilbahn-Führung gut lösen.

Auch finanziell sei eine Seilbahn attraktiv, glaubt Wenderoth: Ein Kilometer Citybahn werde den jetzigen Planungen zufolge rund 12,5 Millionen Euro kosten, ein Kilometer Seilbahn sei dagegen aktuellen Plänen anderer Städte zufolge schon für rund 5 Millionen Euro zu haben. Auch die Betriebskosten seien etwa zwei Drittel niedriger als bei einer Straßenbahn, sagt Wenderoth, und betont: „Wir wollen, dass das ernsthaft diskutiert wird.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Koblenzer Seilbahn über den Rhein findet Ihr hier im Internet, einen Besuch dort können wir nur dringend empfehlen: Der Blick ist einmalig, die Fahrt ein sensationelles Schwebe-Erlebnis. Mehr zu den Frankfurter Seilbahn-Plänen findet Ihr hier beim Regionalverband FrankfurtRheinMain. Auch über die Seilbahn Rüdesheim hat Mainz& natürlich schon berichtet, „Wo Elvis niemals Gondel fuhr“ findet Ihr hier.

 

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