Der Fall der verschwundenen Akten im Mainzer Wirtschaftdezernat bleibt zumindest in Teilen rätselhaft. Vier Monate nach dem Verschwinden von Unterlagen und Computerdaten im Mainzer Wirtschaftsdezernat legte die Stadt nun das Ergebnis des Prüfberichtes vor. Demnach war allein der entschwundene Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) für den Vorgang verantwortlich, er habe persönliche Daten löschen und die Schränke für seine Nachfolgerin aufräumen wollen. Doch der Leiter des Revisionsamtes, Peter Huber, musste auch einräumen: Zwei Container voller analoger Akten wurden bei einer Firma geschreddert, was genau da drin war – nicht mehr nachvollziehbar. „Es ist nicht auszuschließen, dass etwas vernichtet wurde, was eine gewisse Relevanz hatte“, räumte Huber ein. Die SPD erklärte den Fall umgehend für erledigt, die CDU-Opposition hingegen sieht noch zahlreiche offene Fragen.

Die neue Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) saß bei Amtsantritt vor leeren Schränken und Computern. – Foto: gik

Es war Anfang Dezember 2018, als die neue Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) am Tag ihres Amtsantritts vor leeren Schränken und gelöschten Computerlaufwerken stand. Matz Vorgänger, der FDP-Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte, hatte zwei Tage vor seiner geplanten Wiederwahl überraschend seinen Abgang in die Wirtschaft bekannt gegeben. Die Folge: In den eigentlich von SPD, Grünen und FDP besetzten Mainzer Stadtvorstand zog eine CDU-Frau ein – und fand bei Amtsantritt ein leer geräumtes Büro vor.

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sprach danach selbst von einem „beispiellosen Vorgang“ und leitete eine Prüfung in die Wege, vier Monate danach legte das Revisionsamt jetzt das Ergebnis vor. Demnach sei klar, dass die Anweisung zum Löschen und Verschieben der Daten von Sitte gekommen sei, sagte Ebling, das sei weder böswillig geschehen, noch habe es der Stadt einen dauerhaften Schaden zugefügt. Weitere Personen aus dem Stadtvorstand seien nicht involviert gewesen, auch nicht er selbst  – ein kürzlich aufgetauchter anonymer Brief hatte behauptet, mit den verschwundenen Akten seien Beweise für Mauscheleien vernichtet worden.

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„Es gibt keinen Anlass davon auszugehen, dass Relevantes vernichtet wurde“, sagte der Leiter des Revisionsamtes, Peter Huber, am Dienstag in Mainz. Nach Darstellung Hubers beauftragte Sitte eine Mitarbeiterin, seine persönlichen Daten vom Computer zu löschen. Jeder Mitarbeiter der Stadtverwaltung habe ein persönliches Laufwerk H, auf das nur er Zugriff habe, sagte Huber. Auf dieses persönliche Laufwerk verschob die Mitarbeiterin nun gleich fast das komplette Dezernatslaufwerk: Von 5,8 Gigabyte wurden rund 5,6 Gigabyte verschoben, warum, erklärte Huber nicht.

Stellten am Dienstag den Revisionsbericht zu den verschwundenen Akten vor (von links): Peter Huber, Leiter des städtischen Revisionsamtes, Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) und CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig. – Foto: gik

Es sei aber „nicht erkennbar gewesen, dass städtische Daten nach außerhalb verschoben wurden“, betonte Huber. Weder per Email noch per USB-Datenträger seien Daten nach außen gelangt, das könne man feststellen. Experten des Rechenzentrums hätten bereits am 17. Dezember das Dezernatslaufwerk wieder hergestellt.

 

Komplizierter war die Angelegenheit offenbar bei den Papierakten: Fünf Schränke davon wurden leer geräumt, viele Unterlagen seien an andere städtische Ämter oder die Registratur zurückgegangen, sagte Huber. Darunter seien zahlreiche „sehr alte Akten“ auch aus der Zeit von Sittes Vorgängern Franz Ringhoffer und Richard Patzke (beide FDP) gewesen, dazu Gründungsverträge von städtischen Gesellschaften oder Arbeitsverträge von Mitarbeitern. Die Rekonstruktion, welche Akten wohin gebracht wurden, habe länger gedauert, sagte Huber. Originale von Verträgen fehlten aber keine, „die Verträge der Stadt sind da, wo sie hingehören.“

Allerdings wurden im Auftrag Sittes auch zwei Container in der Größe von Schreibtischen durch eine Entsorgungsfirma abgeholt und ihr Inhalt geschreddert – was genau darin war, sei nicht mehr nachvollziehbar. „Es ist nicht auszuschließen, dass etwas vernichtet wurde, was eine gewisse Relevanz hatte“, räumte Huber denn auch ein. Nach Aussage der Mitarbeiterin sei aber „alles Relevante an die Ämter zurückgeführt worden“, betonte Huber. Den rund 30 Seiten starken Revisionsbericht selbst legte die Stadt aber nicht vor, das sei aus Personenschutzgründen für die befragten Mitarbeiter nicht möglich, sagte Ebling.

Soll die Löschung personenbezogener Daten und das Schreddern von Akten in Auftrag gegeben haben: Ex-Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP), hier im Dezember 2017 in seinem Büro. – Foto: gik

„Uns allen ist wichtig, dass nichts verschleiert oder unter den Teppich gekehrt wird“, betonte Ebling zugleich. Das Verhalten der Mitarbeiterin sei „falsch“ gewesen, die Handlung aber auf Anweisung des früheren Dienstherren vollzogen worden. Er könne und werde nicht dulden, dass Mitarbeiter den Dienstbetrieb beeinträchtigten und dass so auf die Verwaltung ein schlechtes Licht geworfen werde. „Hätte der ehemalige Beigeordnete das berechtigte Verlangen, das Löschen von personenbezogene Daten, in geeigneter Weise kommuniziert, es wäre uns viel Arbeit und Unbill erspart geblieben“, fügte er hinzu.

Die Mainzer SPD erklärte den Fall der verschwundenen Akten umgehend für erledigt und die „Akten-Diskussion für beendet“. Die Abläufe im Wirtschaftsdezernat seien „bedauerlicherweise nicht korrekt“ und ärgerlich gewesen, wichtige Akten seien aber nicht verschwunden, ein Schaden nicht angerichtet worden, sagte SPD-Chef Marc Bleicher.

Die CDU-Opposition sah das hingegen ganz anders: „Es sind noch eine ganze Reihe von Fragen offen“, sagte CDU-Fraktionsschef Hannsgeorg Schönig, der Vorsitzender des Revisionsausschusses ist. So sei immer noch zu klären, welche Datenmengen gelöscht worden seien, „bei den Zahlen gibt es ein Delta“, betonte er. Auch seien Kalenderdaten, Adressverzeichnisse und wichtige Visitenkarten von Unternehmen verschwunden und gelöscht worden – und bei der Frage, ob relevante Unterlagen verschwunden seien oder nicht, verlasse sich der Bericht ganz auf die Aussagen der Mitarbeiterin. Er habe deshalb den Revisionsausschuss zu einer weiteren Sitzung am 30. April einberufen, um noch offene Fragen zu klären.

Schönig kritisierte zudem, dass die betroffene Dezernentin Matz von dem Ergebnis des Berichtes erst am Montagabend informiert worden sei. Es sei „bedauerlich“, dass die am meisten betroffene Person nicht eingebunden gewesen sei. „Die Terminplanung“ mit Matz sei „ein wenig schief gelaufen“, räumte Huber daraufhin ein.

Schönig zufolge enthält der Revisionsbericht zudem keinerlei Wertung, ob beim Schreddern oder Verschieben der Akten Straftatbestände wie Urkundenunterdrückung oder ein sogenannter „Verwahrungsbruch“ geschehen seien – genauer erklären wir diese Dinge hier bei Mainz&. Ebling sagte dazu, das Verhalten sei „falsch“ gewesen, Anzeige wolle er aber nicht erstatten – der Bericht gehe nun an die Staatsanwaltschaft, die über das weitere Vorgehen befinden solle.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Fall der verschwundenen Akten lest Ihr hier bei Mainz&, die Straftatbestände und weitere Reaktionen dazu erläutern wir hier.

 

 

 

 

 

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