Schock für die Winzer: Der überraschende Nachtfrost in der vergangenen Woche hat die Weinberge eiskalt erwischt. Weil es in den Wochen zuvor für die Jahreszeit ungewöhnlich warm war, hatten die Reben bereits fleißig ausgetrieben, aber genau dieses junge Grün wurde von den eisigen Temperaturen getötet. Bis zu 80 Prozent betragen die Schäden an den jungen Trieben in manchen Weinbergen. Besonders stark betroffen: Der Rheingau und Teile von Rheinhessen. Der Frust unter den Winzern ist groß, die Sorge um den Weinjahrgang 2017 auch. Nun hoffen die Winzer auf die so genannten zweiten Augen: Nebentriebe an den Rebstöcken. Die aber sind meist weniger fruchtbar und weniger gehaltvoll…

Winzer Thomas Schätzel (links) fachsimpelt mit Winzerkollegen auf der Ortsweinpreview Rheinhessen 2017 über die Frostschäden in den Weinbergen. – Foto: gik

„Den Chardonnay hat es zu 100 Prozent dahin gerafft, die Junganlagen sind komplett weg, da ist nix mehr da“, sagt Thomas Schätzel vom Selzener Weingut Kapellenhof. Rund 40 Prozent betrage der Schaden im Betrieb insgesamt, „bei Kollegen sieht es ähnlich aus“, berichtet Schätzel, der auch Vorsitzender der Gebietsweinwerbung Rheinhessenwein ist. Minus sieben Grad gab es in der vergangenen Woche, für die Winzer kam das völlig überraschend: „Angesagt waren minus ein Grad, es kamen minus sieben“, sagt Schätzel frustriert. Weil es keinen Wind gegeben habe, sei die Wärme in der Luft nicht verteilt und die Kälte nicht verweht worden, so wirkten neun Stunden Frost auf die jungen Triebe ein.

Das Ergebnis: ein Desaster. „Bei – 4 Grad in Winkel und bis zu – 6 Grad in Assmannshausen waren wir leider machtlos im Kampf gegen den Spätfrost“, schrieb etwa Rheingau-Winzer Fritz Allendorf auf Facebook: „Abhängig von der Parzelle haben wir 10 Prozent bis teilweise 80 Prozent Ausfall.“ Das Problem: Die ungewöhnliche Wärme in den Wochen davor mit Temperaturen von bis zu 25 Grad hatten die Reben zum Sprießen und Austreiben gebracht. „Wären wir nicht 18 Tage der normalen Entwicklung voraus gewesen – es wäre nix passiert“, sagt Winzer Becker: „Dornfelder, Regent, was in der Rheinebene stand, ist jetzt weg.“ Die neuen Triebe an den Rebstöcken sind besonders jung, frisch und weich – und vor allem voller Saft, erklärt Schätzel: Der Frost ließ schlicht die Zellen platzen.

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Junge Rebknospe beim Austrieb. – Foto: Deutscheweine

Mit allen Mitteln versuchten sich die Winzer, gegen die Katastrophe zu stemmen: Da wurden Folien gespannt und Paraffin-Fackeln in den Weinbergen verteilt, die Wärme sollte die Kälte zumindest lindern. Mit Hubschraubern wurde versucht, die Luftschichten durchzuwirbeln, in der Hoffnung, warme Luftschichten mit kalten zu vermischen – vergeblich. „Die Kälte war durchgeschichtet bis auf den Boden, auch Triebe in zwei Meter Höhe sind erfroren“, berichtet Schätzel. Manche Winzer hätten versucht, mit Strohballen in den Weinbergen Hitze zu erzeugen, „zwei Meter neben dem Feuer sind die Reben erfroren.“

Andere berichteten, dass Paraffinfackeln durchaus gewirkt hätten, aber eben auch nur, wenn die Hitze direkt neben den Reben erzeugt wurde. „Weiter oben sind die Reben dann trotzdem erfroren“, berichtete ein Winzer. „In den tiefen Lagen sind 80 bis 90 Prozent kaputt“, sagt Stefan Braunewell, Vizechef der Winzervereinigung „Maxime Herkunft Rheinhessen“. „Alle waren ganz euphorisch, dass wir so ein tolles Frühjahr hatten“, seufzt der Winzer aus Essenheim, nun stehe die Weinwelt vor einer riesigen Herausforderung. Im Betrieb Braunewell selbst hielten sich die Schäden noch in Grenzen, von etwa 20 Prozent sprach der Essenheimer Winzer – die Kälte war stellenweise sehr unterschiedlich verteilt.

Feuer in den Weinbergen gegen Frost: „Brennender“ Weinberg im Rheingau bei Kloster Eberbach. – Foto: Hessische Staatsweingüter

Die Winzer hoffen nun nämlich auf den zweiten Austrieb der Reben: Neben dem „Haupt“, wie der Hauptaustrieb heißt, bilde die Rebe nämlich noch zwei Beiaugen, erklärt Schätzel – und auf denen ruhen nun die Hoffnungen. „Die gesamte Weinwelt hofft, dass es bei den Beiaugen noch mal zum Austrieb kommt“, erklärt der Winzer. Doch deren Fruchtbarkeit sei deutlich geringer oder auch gar nicht vorhanden. Dazu finde in den Weinbergen nun eine extrem unterschiedlicher und verzettelter Austrieb statt. „Es gibt Triebe, die überlebt haben, kleine Triebe – und für die Beiaugen ist jetzt gerade wieder Januar“, sagt Schätzel.

Das bedeute erhebliche Mehrarbeit für die Winzer, sagt Braunewell, der trotzdem optimistisch ist für den Jahrgang 2017: „Die Reben können das noch kompensieren“, glaubt er, dazu seien die Winzer heutzutage so gut ausgebildet, dass manches kompensierbar sei. „Da kann noch etwas Gutes bei herauskommen“, sagt Braunewell. Und auch beim Verband der Spitzenweingüter ist man vorsichtig: „Man wird sehen müssen, was wirklich erfroren ist“, sagt VDP-Vorsitzender Steffen Christmann, in jedem Fall sei von einer geringeren  Weinernte 2017 auszugehen.

„Das ist ein Problem“, sagt Christmann, die Qualitätsweinerzeuger hätten jetzt schon zu wenig Mengen in ihren Kellern. Immerhin: 2016 sei von der Menge her ein gutes Jahr gewesen, die Qualität bezeichnen die Winzer gar als herausragend. Die Konsequenz sei deshalb schon jetzt klar, sagt Christmann mit leichtem Schmunzeln: „Es ist jeder gut beraten, sich mit 2016er einzudecken.“

Übrigens schädigte der Frost auch massiv die Obstblüte, die zum Teil bereits im Gange war. Und auch die Erdbeeren soll es trotz Folien, Medienberichten zufolge, schlimm erwischt haben. Kein gutes Jahr für Feinschmecker… Allerdings: Wetterexperten wie die Wetterstation der Uni Mainz weisen darauf hin, dass Nachtfröste um diese Jahreszeit alles andere als ungewöhnlich sind. Wäre der frühe Wärmeschub nicht gewesen…

Info& auf Mainz&: Mehr zum Wetter in Mainz und vor allem zur Wetterstation an der Mainzer Universität lest Ihr hier bei Mainz&. Dort gibt es auch spannende Berichte über das Wetter der vergangenen Monate.

 

 

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