Am 1. Juli trat er sein Amt als Mainzer Sozialdezernent an, nun hat er eine erste Bilanz gezogen – nach 111 Tagen im Amt: „Es ist eine schöne Aufgabe, aber auch eine schwierige“, sagte Eckart Lensch (SPD) am Montag in Mainz. Der 56 Jahre alte Neurologe muss sich in einen ganz neuen Job mit ganz neuen Themenfeldern einfinden und stellte dabei auch sofort fest, wie sehr die verschiedenen Bedürfnisse an ihm und seinem Amt zerren: Kitas bauen, Plätze planen, Schulen sanieren und gleichzeitig Senioren und die Flüchtlingsintegration nicht aus den Augen verlieren – „die ersten vier Monate haben gut geklappt“, bilanzierte Lensch, fast ein bisschen erleichtert. Hauptthema ist nach wie vor der Kita-Ausbau, dazu muss Lensch zwei neue weiterführende Schulen planen: eine IGS und ein Gymnasium, die Standortsuche läuft. Und eine gute Nachricht: Das Open Ohr bekommt mehr Geld. Update: Die CDU-Opposition im Mainzer Stadtrat wertete Lenschs Bilanz als „sehr unauffällig“ und forderte mehr Dynamik und eigene Akzente – mehr dazu am Ende des Textes.

Der neue Mainzer Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD) bei seiner Bilanz der ersten 111 Tage. – Foto: gik

„Es war ein großer Berufswechsel“, räumte der langjährige Oberarzt unumwunden bei seiner Bilanz ein, der Kalender sei zwar wie auch im vorherigen Job gut gefüllt, Inhalte und Arbeitsweise seien aber ganz andere. „Es war eine neue Erfahrung, in eine Verwaltung einzusteigen“, sagte Lensch, doch der Verwaltungsapparat sei sehr gut strukturiert, die Mitarbeiter nett und kompetent – „das geht gut, dass ein normaler Bürger so ein Amt ausübt“, befand er. Das Dezernat biete „viele interessante Aufgaben“, die Arbeit sei „sinnvoll für die Stadt“.

21 neue Kitas mit 1.948 Plätzen bis zum Jahr 2022

Hauptthema sei nach wie vor der Ausbau der Kinderbetreuung in Mainz, 119 Kindertagesstätten gibt es derzeit schon, rund die Hälfte davon in städtischer Trägerschaft. 1.948 zusätzliche Plätze will und muss die Stadt bis 2022 aber noch schaffen, „der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und der Zuzug nach Mainz drücken von zwei Seiten“, seufzte Lensch. Die Planungen seien gerade in dem Bereich der Kleinsten schwierig, „es ist ja nie der ganze Jahrgang, der kommt.“ Theoretisch aber könnten die, die jetzt ihre Kinder noch nicht bringen, „jeden Morgen da stehen, das macht es schwierig zu planen“, sagte Lensch.

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Mit 21 zusätzlichen Kitas plant die Stadt inzwischen bis 2022. „Die Kita-Planungsgruppe tagt ununterbrochen, um neue Kitas zu suchen, und sie finden auch welche“, sagte der neue Dezernent, „wir kommen voran, aber es ist auch noch viel zu tun.“ Es gebe eine große Liste von Umbauten, Ersatzbauten und Neubauten, die Modulbauweise habe sich bewährt. Lenschs Vorgänger Kurt Merkator (SPD) hatte das gigantische Kita-Bauprogramm gestartet, denn Mainz hinkt noch immer bei den Kitaplätzen gerade für kleinere Kinder hinterher. Bis 2019 sollen nun vier bis sechs neue Kitas entstehen, die Bedarfsquote liegt allein bei den 1-2-Jährigen bei 55 Prozent.

Zwei neue weiterführende Schulen in Planung: Standorte für IGS und Gymnasium noch unklar

Wenn das mit der Planung für Kitas und Schulen doch so kinderleicht wäre wie an Fastnacht… – Foto: gik

Auch bei den Schulen wartet auf den neuen Dezernenten eine Mammutaufgabe – und das bei leeren städtischen Kassen. „Wir müssen die Grundschulen ausbauen, und viele, viele müssen auch saniert werden“, sagte Lensch. An über der Hälfte der Mainzer Grundschulen werde derzeit gebaut, an den weiterführenden bei praktisch jeder. Und die Schülerzahlen steigen auch in Mainz rasant weiter, entgegen früherer Prognosen. Auch hier ist ein Grund der starke Zuzug nach Mainz, gerade bei jungen Familien ist die Stadt beliebt. 2016 hatte es an den Mainzer Grundschulen noch 6.996 Schüler gegeben, für das Schuljahr 2023/24 sagen die Prognosen schon 8.436 Schüler voraus. Und auch die werden ja älter: „Wir brauchen ab 2020 zwei neue weiterführende Schulen“, sagte Lensch, „wir werden um die zehn Züge mehr brauchen, das entspricht zwei Schulen.“

Eine weitere Integrierte Gesamtschule (IGS) und ein Gymnasium seien vom Stadtrat bereits beauftragt, sagte Lensch. Angekündigt war die Entwicklung zweier neuer weiterführender Schulen eigentlich schon vor einem Jahr, doch die Planungen stocken offenbar: „Wir können noch keine endgültige Mitteilung machen, wo die neuen Schulen hinkommen“, sagte Lensch, auch wenn man bereits „lange und intensiv nachgedacht“ habe. Das Land Rheinland-Pfalz – zuständig für die Bildung im Land – fordere, die einzelnen Varianten sehr sorgfältig abzuwägen, auch im Hinblick auf Kosten und Kalkulationen, sagte Lensch. Dazu fordere das Land zum Teil auch Gutachten, „die werden bis Jahresende oder Jahresanfang 2018 nicht da sein.“ Die Sorgfalt sei aber „nicht verkehrt“, sagte Lensch, zumal es derzeit keinen Engpass in den weiterführenden Schulen gebe.

Eltern von Grundschulkindern erleben hingegen derzeit einen riesigen Ansturm auf die Informationsabende und -tage der weiterführenden Schulen in Mainz, teils seien die Termine völlig überfüllt. „Die Zahlen sagen uns, dass im Moment alle Kinder gut versorgt sind“, betonte Lensch auf Mainz&-Nachfrage, die Überfüllung bei den Anmeldungen liege auch an dem Wettbewerb der Schulen untereinander. „Der Wettbewerb ist da und erzeugt eine Nachfrage, die höher ist als die Plätze in den einzelnen Schulen“, sagte der Dezernent, man habe aber genügend Platz für alle.

AKK-Kinder: Über Aufnahme entscheiden die Schulen, sagt Lensch

Immer wieder ein Streitthema: Dürfen auch Kinder aus AKK auf Mainzer Schulen gehen? – Foto: gik

Doch wie in jedem Jahr stellt sich auch die Frage nach den Kindern aus AKK: Viele Eltern und Kinder aus den rechtsrheinischen Stadtteilen Amöneburg, Kastel und Kostheim würden ihr Kind gerne auf eine weiterführend Schule nach Mainz schicken, die einen guten Ruf haben und zum anderen für viele Kinder deutlich näher als die Wiesbadener Schulen – viele fühlen sich Mainz mehr verbunden. Doch in den Mainzer Schulen herrsche große Unsicherheit, wie mit den AKK-Kindern umgegangen werden solle, berichteten Eltern Mainz& – in früheren Jahren herrschte gar die Direktive, erst Kinder aus dem rheinhessischen Umland aufzunehmen, bevor Kinder aus Wiesbaden genommen würden.

Der Grund: Hessen und Rheinland-Pfalz konnten sich nicht auf Ausgleichszahlungen für die Kinder einigen – mehr über den Schulstreit zwischen Mainz und Wiesbaden lest Ihr hier. Lensch sagte nun dazu, eine Vorrangliste sei ihm nicht bekannt, von ihm gebe es dazu keine besonderen Anweisungen. „Die Schulen entscheiden“, betonte der Dezernent, hessische Schüler könnten durchaus in Mainzer Schulen aufgenommen werden, nur gesonderte „Hessen-Klassen“ wie in früheren Jahren gebe es nicht mehr.

Lensch will neue Schulen in nördlichen oder westlichen Stadtteilen

Die Standorte für die beiden neuen weiterführenden Schulen würden derzeit gesucht, sagte Lensch weiter, klar sei aber, dass vor allem die nördlichen Mainzer Stadtteile unterversorgt seien. „Wir hätten gerne eine in einem der nördlichen Stadtteile, konkret in Mombach“, sagte der Dezernent, in der Neustadt gebe es schlicht keinen Platz für eine neue Schule. Die südlichen Stadtteile seien hingegen sehr gut versorgt, weder Laubenheim noch Weisenau noch die Oberstadt kämen deshalb für einen neuen Schulstandort infrage. Denkbar sei hingegen ein Gürtel von Bretzenheim über Drais, Lerchenberg und Gonsenheim  bis nach Hartenberg-Münchfeld, entschieden sei hier aber noch nichts.

Dazu steht die Verlagerung der Berufsbildenden Schule II nach Gonsenheim auf dem Plan und der Ausbau der Schulsozialarbeit: „Wir verdoppeln die Stellen auf eine ganze pro Schule“, sagte Lensch, das sei eine deutliche Verbesserung. So langsam entwickele sich auch „ein Bildungsauftrag der Kommunen, Bildungspolitik wird in Zukunft nicht mehr nur Ländersache sein“, prophezeite er. Das zeige sich vor allem auch an den Kitas, die zunehmend eigene Programme zu Sprachförderung oder Naturverbundenheit auflegten und das durchaus auch mit einer Bildungsidee verknüpften. Auch mehr Ganztagsschulen gerade im Bereich der Grundschulen hätte die Stadt gerne, Lensch kündigte nun erneut ein Modellprojekt für eine besseren Betreuung in den Grundschulen an den Nachmittagen an.

Die Wilhelm-Quetsch-Straße wird von einer Flüchtlingsunterkunft zu einer Kita. – Foto: gik

Flüchtlinge: Stadt schließt Notunterkünfte – Seniorenarbeit wird wichtiger

Weitere Aufgabe des Mainzer Sozialdezernenten: die Integration der Flüchtlinge. Von den 2015 nach Mainz gekommenen leben derzeit nur noch rund 1600 in Gemeinschaftsunterkünften, Tendenz stark sinkend. „Die Unterkünfte leeren sich deutlich“, sagte Lensch, von den zehn Gemeinschaftsunterkünften schließt die Stadt deshalb Anfang Januar zwei: die Wilhelm-Quetsch-Straße in Mainz-Bretzenheim (65 Plätze) wird  eine Kindertagesstätte, außerdem werden drei Wohnhäuser zu je 60 Plätzen in der Gonsenheimer „Housing-Area“ still gelegt. Eine kleinere Notunterkunft auf der Zitadelle sei bereits geschlossen, die Massenunterkunft im Portland Casino sei zum Jahresende ebenfalls gekündigt, sagte Lensch. Schon länger wieder geschlossen sind die Notunterkünfte in der ehemaligen Peter Jordan-Schule sowie die Elly Beinhorn-Straße – in letzterer ist nun eine Schule untergebracht. „Wenn die Zahlen weiter sinken, werden wir die nächsten schließen, so dass wir bei einer Belegung von 80 Prozent bleiben“, sagte Lensch.

„Wir stehen jetzt vor der Aufgabe zu überlegen, wie kann man denen helfen, die hier sind und hier bleiben“, sagte der Dezernent weiter. Interessant sei aber, dass die Flüchtlinge durchaus Wohnraum auf dem freien Wohnungsmarkt finden – rund 300 Flüchtlingen sei das bereits gelungen. Wichtige Aufgabe für die Zukunft sei zudem die Seniorenarbeit, diese werde in einer alternden Gesellschaft immer wichtiger werden, sagte Lensch: „Ein Teil der Senioren wird immer aktiver sein, sich nicht seniorenhaft fühlen, aber es wird auch die Gruppe geben, die unter ihrem Alter leiden, Krankheiten bekommen.“ Für diese werde es eine gute Versorgung brauchen, als Beispiel nannte Lensch die Demenz-Tagesklinik in Bretzenheim, allerdings ein Projekt des Landes.

Open Ohr bekommt 20.000 Euro mehr in 2018

Viel Arbeit also für den neuen Mann im Rathaus – in Mainz werden Prognosen des Landes zufolge bis zum Jahr 2030 weit über 44.000 Menschen im Alter über 65 Jahre leben, aber nur rund 36.000 Jugendliche unter 20 Jahren. Obwohl – die Bevölkerungsprognose stammt aus dem Jahr 2015 und gilt schon jetzt als überholt… Die beste Nachricht aber versteckte Lensch beinahe im Nebensatz: Das Mainzer Jugendkulturfestival „Open Ohr“ bekommt mehr Geld. Das Festival habe in den letzten Jahren mit einem Plus abgeschlossen, deshalb könne die Stadt den Betrag, der dem Festival vorab zur Verfügung gestellt wird, anheben, sagte Lensch – unter der Prämisse, dass das Festival die Beträge wieder einspiele. So steht derzeit regulär für die Jahre 2017 und 2018 jeweils ein Budget von 360.915 Euro zur Verfügung, für 2018 gibt es nun 20.000 Euro mehr – das Festival hat also 2018 ein Budget von 380.915 Euro.

Update – CDU: Dezernent muss jetzt eigene Akzente setzen und Lösungen präsentieren

CDU-Sozialexpertin Claudia Siebner fordert mehr Dynamik und eigene Ideen von Lensch. – Foto: gik

Lensch habe in seiner ersten Bilanz zwar viele Probleme und Herausforderungen beschrieben, Lösungsansätze suche man aber „in seinen bisherigen Erklärungen vergeblich“, reagierte am Dienstag die CDU-Sozialpolitikerin Claudia Siebner. „Die Bürger erwarten, dass die vielen offenen Fragen vom zuständigen Dezernenten beantwortet werden“, betonte sie. Es sei ja „gut und sinnvoll“, sich zunächst einzuarbeiten und viele Gespräche zu führen, irgendwann müsse aber auch mal die konkrete Arbeit losgehen. „Wir erwarten deshalb vom neuen Beigeordneten jetzt mehr Dynamik, eigene Ideen und konkrete Lösungsvorschläge“, sagte Siebner. Als Sozialdezernent sei es „auch erlaubt, eigene Akzente zu setzen und Konzepte vorzulegen“, damit diese „die politische Diskussion im Ringen um den besten Weg für die Menschen in der Stadt bereichern“ könnten.

Lensch müsse sagen, wie es mit den Elterninitiativen weiter gehen und wie die Betreuung der Grundschulkinder in den Ferien gelöst werde, sagte Siebner. Auch müsse die Verwaltung klären, ob sie bereit sei, die betriebliche Betreuung zu stärken, wie es konkret mit der vernetzten Seniorenarbeit weiter gehe und wie die Jugendbeteiligung ausgebaut und gestärkt werden solle. „Wir sind sehr gespannt auf die eigenen Akzente von Herrn Lensch“, fügte Siebner hinzu. Bislang seien dessen Aussagen doch „sehr unauffällig.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum neuen Mann im Sozialdezernat lest Ihr hier bei Mainz&, alle Zahlen zum Kita-Ausbau (aus dem Jahr 2016) noch einmal genau hier.

 

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