Die Stadt Mainz legt keine Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz zum Diesel-Fahrverbot ein. Der Stadtvorstand habe entschieden, das Urteil zu akzeptieren, teilte die Stadt am Dienstag mit. Der Luftreinhalteplan werde angepasst und soll schon kommende Woche in den Ausschüssen vorgelegt werden. Am 18. Dezember soll bereits der Stadtrat entscheiden, der Plan im Januar in die Offenlage gehen. Die Eile tut Not: Das Verwaltungsgericht hatte der Stadt aufgegeben, den Luftreinhalteplan bis 1. April 2019 zu ändern. In den Luftreinhalteplan muss die Stadt auch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ab dem 1. September 2019 aufnehmen. Sie müssen in Kraft treten, wenn der Stickstoffdioxidgrenzwert in Höhe von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im ersten Halbjahr 2019 im Stadtgebiet Mainz nicht eingehalten werden kann.

Wird es bald duster für Dieselfahrzeuge in Mainz? Die Stadt muss Fahrverbote im Luftreinhalteplan verankern – und zum 1.9.2019 umsetzen. Falls die Stickoxidwerte nicht deutlich sinken. – Foto: gik

Das Gericht hatte in seinem Urteil vor allem darauf bestanden, der Grenzwert müsse „schnellstmöglich“ eingehalten werden – 2020 sei zu spät. Deshalb müsse die Stadt auch ein Konzept für Verkehrsverbote als Handlungsoption in den Luftreinhalteplan integrieren. Wird der Grenzwert für Stickoxide bis zum 1. Juli 2019 noch immer nicht eingehalten, sind Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge ab dem 1. September 2019 umzusetzen. Die Stadt betont, das Urteil sehe auch vor, dass auf die Durchsetzung von Verkehrsverboten „gegebenenfalls noch verzichtet werden kann“, wenn der Grenzwert nur noch geringfügig überschritten werde und wenn die Stadt „ebenso effektive, schnellstmöglich wirkende andere Maßnahmen im genannten Zeitrahmen zum Einsatz“ bringen könne.

Die Entscheidung der Stadt, keine Revision gegen das Urteil zu Diesel-Fahrverboten einzulegen, stieß umgehend auf Kritik: Die AfD sprach von „vorauseilendem Gehorsam“, aber auch die and er Ampel-Koalition im Stadtrat beteiligte FDP übte scharfe Kritik: „Der Beschluss ist ein völlig falsches Signal in die Öffentlichkeit“, sagte der Vorsitzende der Mainzer FDP, David Dietz. Fahrverbote in Mainz seien nicht verhältnismäßig, „wir dürfen deshalb nicht mal im Ansatz den Eindruck erwecken, dass wir uns mit möglichen Fahrverboten abfinden würden“, sagte er. Die angestrebten Maßnahmen würden „mittelfristig zum Erfolg führen“, das gelte es mit einer Berufung offensiv zu vertreten.

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Gericht: Masterplan M³ oder Busnachrüstungen bringen keine sichere Einhaltung des Grenzwertes 2019

Dass Mainz nun auf eine Revision gegen das Urteil verzichtet, ist durchaus bemerkenswert: Das Land Hessen hat gegen das Urteil für Fahrverbote in der Stadt Frankfurt Revision eingelegt, auch um Zeit zu gewinnen. In Hessen hofft man, dass doch noch flächendeckende Hardware-Nachrüstungen für Dieselautos kommen, und diese die Lage so entspannen, dass ein Fahrverbote nicht notwendig wird. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat bundesweit Klagen gegen Städte angestrengt, die seit Jahren den geltenden Grenzwert erheblich überschreiten. Am 17. Dezember soll auch noch das Urteil für Wiesbaden fallen. Bislang haben die Gerichte der DUH in jedem einzelnen Fall Recht gegeben: Dass der seit 2010 geltende Grenzwert noch immer nicht eingehalten werde, sei nicht hinnehmbar, befanden die Richter in jedem einzelnen Fall. In Mainz lag der gemittelte Jahreswert zuletzt noch immer bei 48 Mikrogramm in der Parcusstraße.

Die Luftmessstation des Landes Rheinland-Pfalz in der Parcusstraße – hier gibt es die derzeit noch höchste Überschreitung des Stickoxid-Grenzwerts. – Foto: gik

In der schriftlichen Urteilsbegründung betont das Gericht noch einmal, der Umstand, dass seit 2010 die Stickstoffdioxidbelastung im Stadtgebiet zurückgegangen sei, „führe nicht dazu, dass die Beklagte von der Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Stickstoffdioxidreduzierung befreit sei.“ Auch die Stadt selbst gehe in ihrem Luftreinhalteplan von 2017 für die Jahre 2016 bis 2020 selbst davon aus, „dass eine signifikante Minderung der Stickstoffdioxidimmissionen erst ab einem Zeitraum von 10 Jahren ab Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 6, mithin erst ab 2025 zu erwarten sei.“ Der Luftreinhalteplan müsse aber Maßnahmen enthalten, die zu einer „schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts“ führten, das sei derzeit eben nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund müssten Fahrverbote insbesondere für ältere Diesel-Pkw in Betracht gezogen werden.

Wie streng das Gericht auf die sofortige Einhaltung des Grenzwertes pocht, zeigt sich auch in dieser Passage: Selbst der Green City Plan Mainz – Masterplan M³ mit seinen Maßnahmen zur Reduzierung der Stickstoffdioxidimmissionen sei nicht geeignet, die Einhaltung des Grenzwertes „spätestens im Jahr 2019 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu gewährleisten. Es sei eben nicht sicher, dass die Nachrüstung der Busflotte im von der Stadt vorgesehen Zeitfenster erfolgen könne. Technische Umrüstschwierigkeiten, Liefer- und Handwerkerengpässe angesichts gestiegener Nachfrage und Verzögerungen bei der Auslieferung seien derzeit eben nicht auszuschließen.

Gericht: steigende Stickoxidwerte 2018 in der Parcusstraße von 53 bis 61 Mikrogramm

Auch sei nicht abzusehen, dass allein mit der Umrüstung der Busflotte der Grenzwert in der Parcusstraße eingehalten werden könne, befindet das Gericht in seinem schriftlichen Urteil weiter: Selbst bei einem Rückgang von 7 bis 8 Mikrogramm, werde es knapp, die von den Parteien selbst für das Jahr 2018 mitgeteilten Werte zeigten mit 46 bis 48,6 Mikrogramm „keinen Anlass für die Annahme einer grundsätzlich positiveren Ausgangslage.“ Zudem zeigten neueste Prognosen für die Parcusstraße keineswegs einen Rückgang der Stickoxid-Werte, sondern vielmehr sogar einen Anstieg – Mainz& hatte darüber bereits im März dieses Jahres berichtet.

Senkte die Großbaustelle in der Bahnhofstraße, die auch Auswirkungen auf die Parcusstraße selbst hatte, die Stickoxidwerte 2017 mehr als regulär zu erwarten? – Foto: gik

Der Grund: Das Landesamt für Umwelt sah als Hauptgrund für den Rückgang auf 48 Mikrogramm im Jahr 2018 die Großbaustelle in der Bahnhofstraße und den dadurch reduzierten Busverkehr. Genau darauf beruft sich jetzt auch das Gericht: Die Umbauarbeiten in der Bahnhofstraße hätten „im Jahr 2017, die zu einer deutlichen Verringerung des kreuzenden Busverkehrs geführt“, deshalb dürften für 2018 „eher wieder ein höherer Immissionsjahreswert im Raum stehen“ mit Werten zwischen 53 und 61 Mikrogramm, so das Gericht weiter.

Die Stadt habe aber eindeutig die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass der Grenzwert eingehalten werde, betonte das Gericht weiter – und dafür sei auch unerheblich, ob die Überschreitung auf technischen Schwierigkeiten beruhe, auf die die Beklagte nicht unmittelbar einwirken könne. Allenfalls in Fällen höherer Gewalt könne sich die zuständige Behörde auf unüberwindliche Schwierigkeiten berufen, die lägen hier aber nicht vor – und sie ergäben sich auch nicht „aus dem Umstand, dass auch moderne Dieselfahrzeuge im Realbetrieb bzw. aufgrund herstellerseitiger Manipulationen deutlich mehr NO2 emittieren als allgemein erwartet bzw. erlaubt.“

Im Klartext: Der Verweis auf die Manipulationen der Autoindustrie enthebt die Stadt nicht von der Verpflichtung, selbst alles für die Einhaltung des Grenzwertes zu tun. Und da der wichtigste Verursacher für die Überschreitung der Stickstoffdioxidgrenzwerte weiter der motorisierte Straßenverkehr sei – „rund vier Fünftel dieses Verkehrsbeitrags stammen von Dieselfahrzeugen“, so das Gericht wörtlich – komme die Stadt um Konzepte für Fahrverbote nicht herum. Der Luftreinhalteplan habe deshalb „eine Auflistung und Beschreibung aller beabsichtigten Maßnahmen und einen Zeitplan für deren Durchführung einschließlich einer Schätzung der angestrebten Verbesserung der Luftqualität zu enthalten.“ Die Umsetzung dieser Fahrverbote aber „steht und fällt letztlich mit der Entwicklung der Grenzwertüberschreitungen“, betont das Gericht.

Diesel-Fahrverbot für einzelne Straßen und ältere Fahrzeuge sofort möglich

Gleichzeitig stellt es auch klar: Fahrverbote könnten auch ab sofort gelten. Verkehrsverbote für einzelne Straßen seien „ohne Übergangsfrist und damit sofort möglich.“ Fahrverbote für ganze Zonen unterschieden sich davon. Allerdings dürfe die Stadt Dieselfahrzeuge unterhalb der Abgasnorm Euro 5 ebenfalls sofort und ohne Übergangsfrist ausschließen. „Für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 ist – unter Vertrauensschutzgesichtspunkten – ein Verkehrsverbot frühestens ab dem 1. September 2019 möglich“, heißt es weiter.

Ob die Stadt Mainz bei einer anhaltenden Überschreitung des Grenzwerts mit einem Diesel-Fahrverbot auf einzelnen Strecken davon käme, ist zudem mehr als fraglich: Das Gericht verweist in seiner schriftlichen Stellungnahme explizit auf eine Liste des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz über Passivsammelmessungen an verschiedenen Straßen im Stadtgebiet. Diese Liste „legt nahe, dass der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid nicht nur an der Parcusstraße, sondern auch an weiteren Stellen nur knapp erreicht oder gar überschritten wird“, so das Gericht weiter. Das Gericht sieht deshalb die Prüfung von großräumigen Verkehrsverboten von Relevanz. Und auch wenn man der Stadt Mainz einen gewissen zeitlichen Spielraum für Maßnahmen wie Busumrüstungen gebe – „spätestens ab dem 1. September 2019“ werde die Stadt Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge umsetzen müssen. Verzichtet werden könne darauf nur, wenn der Grenzwert „nur noch geringfügig“ überschritten werde und die Stadt gleichzeitig „eine ebenso effektive, schnellstmöglich wirkende andere Maßnahme im genannten Zeitrahmen zum Einsatz bringt.“

Info& auf Mainz&: Der Verwaltungsentwurf der Fortschreibung des Luftreinhalteplans 2016-2020 inklusive des Konzeptes für Fahrverbote wird in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Grün und Energie am 11. Dezember 2018 vorgestellt und soll in der Stadtratssitzung am 18. Dezember 2018 beschlossen werden. Unseren Bericht vom Urteil des Mainzer Verwaltungsgerichts am 24. Oktober 2018 könnt Ihr hier noch einmal nachlesen. Was das Landesamt für Umwelt zur Parcusstraße sagt, lest Ihr hier bei Mainz&. Die schriftliche Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts Mainz gibt es hier als pdf zum Download.

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